Rundfahrt des Lebens (eBook)
184 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-4976-5 (ISBN)
Ronald Siller, Jahrgang 1968, hat in Ausbildung und Studium seine Leidenschaft für ausgedehnte Radreisen und das Rennrad fahren voll ausgelebt. Nach vielen Berufsjahren in der Sportbranche im Marketing und Vertrieb, ist er heute selbstständig mit einer eigenen Werbeagentur. Er fährt immer noch viel Rad und lebt in Landsberg am Lech.
Die Freude über gute Qualität währt wesentlich länger als die über einen geringen Preis.
Louis Chevrolet
Etappe 11 Nicht banal ist gutes Material
23/08/1992 | Le Champ-Saint Père > Cozés | 145 km
Erholsamer Schlaf bis 7.30 Uhr. Selbst vorbeifahrende Autos und ein durch den Wind quietschendes Blechtor stören mich nicht. Unter der Zuhilfenahme von Stativ und Selbstauslöser mache ich ein Foto von mir mit meinem Rad samt Lagerstatt in der Garage.
Punkt 8.00 Uhr ist Monsieur Chabot im Rennfahrerdress fertig zur Ausfahrt, ein paar Freunde von ihm stehen bereits mit ihren Rädern vor der Türe. Sie würden jeden Sonntag etwa 100 km und vier Stunden zusammen fahren. Ich gebe ihm mein Dankesfoto mit meiner Anschrift hinten drauf, erhalte seine Visitenkarte im Gegenzug. Er wünscht, dass ich ihm schreibe, wenn meine Tour de France beendet bzw. wie erfolgreich sie verlaufen sei. Was ich ihm verspreche inklusive Fotoabzügen.
Dann erhalte ich von Madame ein Frühstück: Café au lait mit köstlicher Brioche, dazu grausige Salzbutter und selbstgemachte Mirabellenmarmelade. Ich wende meinen alten Trick an und lobe das gute Essen. Prompt erhalte ich noch eine Brioche und ein Glas Marmelade geschenkt. Zum Abschied fotografiere ich Madame Chabot, zusammen mit einem südfranzösischen Gastjungen noch im Pyjama und dem alten Schäferhund. Um 9.15 Uhr bin ich weg.
Es ist kühl mit freundlicher Hochbewölkung, nicht viele Autos sind unterwegs. Doch die wenigen hupen, obwohl ich ganz rechts fahre. Entweder hat das Präventionscharakter oder sie wollen mir Anerkennung zollen!? Der Franzose ist mit der Hand halt schneller an der Hupe als mit dem Fuß auf der Bremse. Auch fällt mir erneut auf wieviel Platz dieses Land hat, so große landwirtschaftliche Flächen zwischen den Besiedlungen. Schon wiederholt bemerkte Mark: „Halt ein Volk mit Raum“.
In Triaize kreuze ich kurz die Gruppe um Monsieur Chabot, wie auch sonst an diesem Morgen auffallend viele mittelalte Herren mehr oder minder schnell auf ihren Rennrädern unterwegs sind. Etwas weiter in Champagné-les-Marais herrscht Sonntagsfeststimmung, weil gerade die Abfahrt zu einer Oldtimer-Rallye beginnt. Und es ist ein herrliches Bild, wie die alten Männer des Dorfes vor dem Bürgermeisteramt die ihnen noch so wohlbekannten Wagen studieren. In Esnandes sehe ich zum ersten mal auf dieser Reise das Meer und nach 55 km erreiche ich um 12.00 Uhr den alten Hafen von La Rochelle.
Très jolie. Drei alte Wehrtürme, dazu malerische, farbige Boote. Natürlich Touristen en masse. Ich mache ziemlich viele Fotos, umrunde das ganze Hafenbecken, fahre durch die Altstadt gegen viele Einbahnen. Am Kai eße ich etwas. Da spricht mich eine Französin an, mit Baby auf dem Arm. Sie würden mit dem Kleinkind und allerdings ihren „normalen“ Rädern ebenso sehr viel fahren, bis in die Pyrenäen wie ich bestimmt auch. Aha, danke für diese Information. Lautet ihre Botschaft, mit meinem zum Reisetourenrad umgebauten MTB stimme etwas nicht? Oder vielleicht sogar, dies sei kein authentisches Bicyclette, zumindest für einen echten französischen Radonneur kein angemessenes?
Nach den üblichen kleineren Herausfindungsschwierigkeiten empfängt mich südlich von La Rochelle blauer Himmel, angenehme Wärme und etwas Wind. Frankreich wie im Bilderbuch. Doch bald habe ich Pech, genauer Teer. Durch eine Unachtsamkeit beim Halten am Straßenrand - ich musste die Karte umfalzen - setzt sich auf meinem Vorderradmantel ein faustgroßer, halbflüssiger Brocken aus Teer fest. Die nächsten Kilometer bin ich genötigt mehrere Säuberungsstops einzulegen.
Bei einer dieser Gelegenheiten finde ich auch einen in den Gummi eingedrückten Glassplitter. Weder dieser noch die durch die schwarze Schmiere anhaftenden Steinchen verursachen einen Platten. Ich lobe mir die vor der Reise aufgezogenen dicken, sehr soliden Slick-Reifen. Von schnurgeraden Entwässerungsgräben links und rechts begrenzt, fahre ich auf geteerten Dämmen durch ein anscheinend halbes Sumpfgebiet, das jetzt Weideland ist.
Um 16.00 Uhr bin ich in Tonnay-Charente. Eine riesige und hohe, für den Autoverkehr gesperrte Brücke überspannt den Fluß. Es hat eine tolle Aussicht von oben, der Bretterbelag auf der eisernen Hängekonstruktion ist jedoch trotz meines schweren Rades etwas gewöhnungsbedürftig im Abrollverhalten.
In Pont-l’Abbé mache ich erst um 17.00 Uhr richtig „Mittag“. Die reichlich Brioche hatte lange vorgehalten und mußte ich erst mal verstoffwechseln. Ein sehr schönes, leider teilweise verwittertes, romanisches Portal finde ich an der Kirche. Weiter durch den Westteil des Cognac-Gebiets, indem sich Wein- mit Maisflächen abwechseln. Manche der Rebanlagen liegen am Boden, die Drähte sind kaputt, es wirkt etwas ungepflegt. Das große Hinweisschild „Vin de Pays“ ist wenigstens ehrlich. Endspurt in schöner Abendsonne über Saujon nach Cozés.
Um 19.30 Uhr frage ich einen Mann mediterranen Typs an einem größeren Haus, daneben liegt ein Elektrohandel. Er sagt sofort zu, die Frau (etwas nervöses Grundmuster) zögert, da sie heute Abend noch Gäste erwarten würden. Der etwa zehnjährige Sohn (ganz der Vater) schneidet stolz maschinell die Hecke. Dann erhalte ich doch Platz in der Garage, der Wagen wird herausgefahren. Die Dusche ist prachtvoll.
Und ich bekomme sogar etwas zum Essen, trotz der für später anberaumten Abendeinladung. Die Frau ist längst superfreundlich zu mir. Sie erzählt, dass sie in ihrer Jugend im Odenwald gewesen sei (wahrscheinlich in den 1960ern) und ihre älteren Kinder gut Deutsch könnten wegen einer Städtepartnerschaft mit Balingen. Eine vornehme alte Dame (die Oma mütterlicherseits nehme ich an) bewirtet mich ebenfalls.
Nach 20.00 Uhr, gerade habe ich mein Essen beendet, treffen die Freunde ein zum Diner, inklusive Baby und einem Kleinkind. C’est la France. Ich bereite mir gerade noch eine Tütensuppe als Nachschlag in der Garage zu, als die älteste Tochter wortkarg ihr Moped in selbiger abstellt. Beim Kartenstudium „sagt“ der Zähler 145 km für heute. Um 23.00 Uhr mache ich das Licht aus, nebenan höre ich aus dem Haus ganz leicht ein Baby schreien.
Der häufigste Defekt bei jeder Art von Radfahren ist der platte Reifen, auf gut Österreichisch auch Patschen genannt. Deswegen kaufe und verwende ich seit Jahrzehnten keine Billigmäntel und -schläuche.
Wenn man tausende Kilometer ohne Reifenschaden dahinfahren kann, ist das ein sogenannter Hygienefaktor. Man weiß diesen schönen, als normal empfundenen Umstand erst zu schätzen, wenn das Gegenteil eintritt, also ein Durchschlag oder Schleicher einen zum Anhalten nötigt. Flicken bzw. Tausch des Schlauches, umständliches Aufpumpen, Zeitverlust, dreckige Finger - wer kennt nicht diesen Ärger. Unsagbar ist, welche Flüche ich selbst schon am Straßenrand ausgestossen und wieviel mehr ich schon gehört habe zu dem Thema fehlende Luft!
Bei Pneus bevorzuge ich die Marke Continental, deren Produkte sind auf allen Felgen meiner heute sieben unterschiedlichen Fahrräder aufgezogen, weil ich in den Kriterien Pannensicherheit und Kurvenhaftung mit denen nur beste Erfahrungen gemacht habe. Von den negativen zeugen noch immer diverse vernarbte Abschürfungen an meinen Extremitäten. Leider unvergessen unter dem Aspekt bleibt mir eine Ausfahrt auf Mallorca vor 20 Jahren: Zusammen mit einem Guide und Freunden fädelte ich mich flott am Ortseingang von Muro in den ersten Kreisverkehr ein. Die Grünanlage in seiner Mitte wurde künstlich beregnet, schmieriges Wasser vermischt mit Blütenstaub rann über den Asphalt.
Alle sieben hatten die gleiche Kurvenlage, nur mir - als einziger ohne Continental-Reifen am Mietrad - rutschte das Vorderrad weg. Trotz zerfetzter Hose und rot glänzender Hüfte fuhr ich noch die 100-Kilometer-Tour zu Ende. Abends im Bett, die vermehrte Produktion der körpereigenen Schmerzstiller wie Adrenalin und Co. hatte nachgelassen, endete dann die Tapferkeit. Daraus habe ich Konsequenzen bei der Materialsicherheit gezogen. Mittlerweile geht das so weit, dass ich bei den diversen Mietradanbietern und Veranstaltern von Radsportferien darauf bestehe abgefahrene Pneus auszutauschen oder sogar auf eigene Kosten höherwertige aufziehen lasse.
Warum ich im Gegensatz dazu 1992 einen qualitativ so minderwertigen Tacho verwendete, ist mir heute schleierhaft. Wahrscheinlich ein Schnellkauf aus falsch verstandener Sparsamkeit heraus, was sich immer rächt. Ach ja, nur aus Schaden wird man wohl klug; diese Erfahrung muss anscheinend jeder Mensch aufs Neue machen.
Unterschätzt hatte ich zudem die enormen Belastungen durch das Gewicht und die Reibung der Packtaschen. Den mehrfach gebrochenen und durchwetzten Gepäckträger aus Aluminium ersetzte ich nach meiner Tour de France durch einen noch höherwertigeren aus legiertem Stahl. Auf späteren Radtouren hatte ich zumindest in dieser Hinsicht keine Probleme mehr.
Qualität...
Erscheint lt. Verlag | 12.12.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
ISBN-10 | 3-7568-4976-7 / 3756849767 |
ISBN-13 | 978-3-7568-4976-5 / 9783756849765 |
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