Wenn die Erben streiten (eBook)
168 Seiten
Linde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H.
978-3-7094-1127-8 (ISBN)
Erbrecht anhand konkreter Fälle
Die Aussicht, etwas zu erben, lässt niemanden kalt. Das Nachdenken darüber, wer Erbe werden soll, wenn man selbst einmal nicht mehr ist, belastet oft. Denn die Angst, beim Erben oder Vererben etwas falsch zu machen, verunsichert. Fehler können dann rasch passieren. Gerade, wenn man die Vorschriften, die seit 1.1.2017 gelten, nicht kennt. Und dann kommt es dazu, dass die Erben streiten ...
Mit wahren Fällen aus der journalistischen Praxis – zur Verfügung gestellt und um einige neue ergänzt von Peter Resetarits – unternimmt dieser Ratgeber auch in seiner 3. Auflage wieder eine Reise durch das neue Erbrecht. Zu oft gestellten Fragen – wie zB Brauche ich überhaupt ein Testament? Wie schreibe ich es? Was ist beim Pflichtteil zu beachten? Doch lieber verschenken als vererben? Was ist nach einem Todesfall zu tun? – macht der Ratgeber auf rechtlich Wichtiges aufmerksam und zeigt, wie sich erbrechtliche Probleme konkret lösen lassen.
Sendungsverantwortlicher für 'Bürgersendungen' im ORF. Er präsentiert die Sendungen 'Bürgeranwalt' und 'Am Schauplatz Gericht'.
1. Wer braucht ein Testament? – Wissenswertes zur gesetzlichen Erbfolge
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Haben Sie schon ein Testament? Viele, die darüber nachdenken, ob sie ein Testament machen sollen, fragen sich, ob sie denn ein Testament überhaupt brauchen. Gerade jetzt, wo bereits seit 1.1.2017 das neue Erbrecht gilt.
Was passiert OHNE Testament?
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Wenn es kein Testament gibt, tritt automatisch die im Gesetz vorgesehene Erbfolge ein. Wenn Sie also zu Lebzeiten nicht festlegen, was nach Ihrem Tod mit Ihrem Vermögen geschehen soll, verlassen Sie sich damit auf die gesetzliche Erbfolge. Ihr Vermögen wird unter Ihren Angehörigen so verteilt, wie es in Österreich das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) mit einigen nun neuen Vorschriften zum Erbrecht bestimmt.
Wer BRAUCHT ein Testament?
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Wenn Sie nicht wissen, ob Sie ein Testament „brauchen“, sollten Sie zunächst einmal wissen, wie denn die gesetzliche Erbfolge nach Ihnen konkret aussehen würde. Denn vielleicht ist damit ohnedies alles bestens geregelt. Sie sollen vor allem drei Fragen stellen (und richtig beantworten können):
- Wird österreichisches Erbrecht für meine Nachfolge gelten?
- Wer sind meine Erben nach dem Gesetz?
- Was würden meine Erben nach dem Gesetz erhalten?
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Die Antworten auf diese Fragen – also die Informationen, wie Ihre Erbfolge in Österreich nach dem Gesetz konkret aussehen würde – sind Grundlage für die Entscheidung, ob Sie ein Testament machen werden „müssen“ oder nicht. Denn wenn Sie mit den in Österreich im Gesetz vorgesehenen Erben einverstanden sind und auch mit der im Gesetz vorgesehenen Aufteilung unter Ihren Erben, brauchen Sie kein Testament zu machen. Für Sie ist das Thema „Testament“ damit auch schon wieder erledigt.
Wie finden Sie die Antworten auf die drei genannten Fragen? Nun, Sie sollten dazu Folgendes wissen:
Wird ÖSTERREICHISCHES Erbrecht für meine Nachfolge gelten?
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Für alle, die vor dem 17.8.2015 gestorben sind, war die Frage leicht zu beantworten: War der Verstorbene österreichischer Staatsbürger, war auch österreichisches Erbrecht anwendbar. Nur: Mit der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ist seit dem 17.8.2015 alles anders geworden. Es kommt seither in Österreich nicht mehr auf die Staatsbürgerschaft an. Österreichisches Erbrecht gilt seither nur mehr dann, wenn der Verstorbene bei seinem Tod seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ in Österreich gehabt hat.
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Was ist das, der „gewöhnliche Aufenthalt“? Die Europäische Erbrechtsverordnung definiert das leider nicht. Erst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird irgendwann einmal Klarheit bringen. Bis dahin können wir nur vermuten, dass damit eine Art Lebensmittelpunkt gemeint ist, den der Verstorbene bei seinem Tod gehabt hat (und darauf hoffen, dass der Europäische Gerichtshof das dann auch so sehen wird).
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Das heißt also: Ein Franzose, der bis zu seinem Tod in Wien gelebt hat, vererbt seine Sachen nach österreichischem Erbrecht. Ein Österreicher, der nach Deutschland ausgewandert ist und dort stirbt, vererbt sein Hab und Gut – selbst wenn es sich in Österreich befindet – nach deutschem Erbrecht. Ein Deutscher, der bis zu seinem Tod in Frankreich gelebt hat, vererbt seinen Nachlass nach französischem Recht usw. Die Europäische Erbrechtsverordnung – die in allen Mitgliedstaaten der EU (außer in Dänemark, Irland und im Vereinigten Königreich) gilt – sieht dies seit 17.8.2015 so vor.
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Diese Grundregel – wo ich zuletzt gelebt habe, dieser Ort bestimmt „mein“ Erbrecht – wäre in der Theorie ja noch einfach. ABER: Es gibt vor allem in der Praxis einige Fälle, die nicht so leicht zu lösen sind:
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Wer zB eine Ferienwohnung in Spanien hat, um dort die „kalte Jahreszeit“ zu verbringen, sonst aber in Wien wohnt, für den wird es schwierig: Verstirbt er im Winter in der Ferienwohnung in Spanien, könnte sein „gewöhnlicher Aufenthalt“ bei seinem Tod in Spanien dazu führen, dass plötzlich spanisches Erbrecht anwendbar ist. Und da kann es dann böse Überraschungen geben. Denn das spanische Erbrecht ist mit dem österreichischen Erbrecht nicht vergleichbar.
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Oder: Wer zwar in Österreich, etwa in der Grenzregion zu Deutschland wohnt, aber in Deutschland arbeitet, dort unter der Woche auch übernachtet, vielleicht auch noch ein Konto bei einer deutschen Bank und auch seine Lebensgefährtin in Deutschland hat, könnte – weil Deutschland als sein Lebensmittelpunkt gesehen werden könnte – sein Vermögen bei seinem Tod überraschend nach deutschem Erbrecht vererben. Auch wenn sich vielleicht wesentliche Vermögenswerte (zB ererbtes Elternhaus, Ersparnisse, Auto usw) in Österreich befinden.
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Nur bei bloßen Urlaubsreisen gibt es solche Unsicherheiten nicht: Wenige Wochen am Meer in Italien oder in Frankreich bewirken nicht, dass beim Tod des Urlaubers dann auch überraschend italienisches/französisches Erbrecht anwendbar wäre. Aber: Schon dann, wenn zB ein längerer Aufenthalt zu Pflege- oder Kurbehandlungen in zB Ungarn geplant ist, kann es – wenn der Tod dort eintritt – dazu kommen, dass plötzlich ungarisches Erbrecht gilt.
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Wenn Sie also nicht bloß im Urlaub „mobil“ sind, sondern sich auf längere Aufenthalte außerhalb von Österreich begeben, aber sicherstellen wollen, dass es beim österreichischen Erbrecht für Ihre Erbfolge bleibt, sollten Sie vorkehren und doch etwas schreiben, nämlich:
„Auf meine Erbfolge soll österreichisches Erbrecht
anwendbar sein.“
Dieser Satz, handschriftlich geschrieben, mit Datum versehen und unterschrieben (oder in ein förmliches ausführliches Testament aufgenommen, dazu unter Rz 98ff), bewirkt Sicherheit. Egal, wo der gewöhnliche Aufenthalt beim Tod dann gerade auch sein mag. Egal, ob man beim Überwintern im Süden oder bei einer beruflichen Auslandsmission oder bei einem Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung in Osteuropa versterben sollte. Es ist mit dieser Rechtswahl sichergestellt, dass österreichisches Erbrecht gilt. Ohne Überraschungen.
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Aber Achtung: Nur wer österreichischer Staatsbürger ist, kann auch österreichisches Erbrecht auf diese Weise wählen. Wer zB deutscher Staatsbürger ist und in Österreich lebt und hier verstirbt, für den gilt österreichisches Erbrecht „automatisch“. Denn sein gewöhnlicher Aufenthalt bei seinem Tod ist ja dann auch in Österreich. Wenn dieser deutsche Staatsbürger für seine Nachfolge aber doch lieber bei deutschem Erbrecht bleiben will, muss er Vorkehrungen treffen, wie geschildert: Nämlich schriftlich (in Testamentsform) erklären, dass auf seine Erbfolge deutsches Erbrecht anwendbar sein soll. Kurzum: Wählen können Sie nur das Erbrecht jenes Staates, dessen Staatsbürgerschaft Sie haben.
WER sind meine Erben nach dem Gesetz?
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Wie hat der österreichische Gesetzgeber für den Fall vorgesorgt, dass Sie kein Testament haben und es damit keinen Testamentserben gibt? Nun, er bestimmt zunächst einmal jene – in der Regel dem Verstorbenen nahe – Personen, die Ihre gesetzlichen Erben sein sollen:
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Das sind in erster Linie Ihre eigenen Kinder. Das Gesetz macht zwischen Ihren ehelichen und unehelichen Kindern und auch adoptierten Kindern keinen Unterschied. Wenn Sie Kinder haben, erben Ihre Kinder immer. Sind Kinder nicht mehr da, weil schon verstorben, erben Ihre Enkel (siehe dazu auch den Fall 3 Rz 57ff).
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Auch Ihr Ehepartner erbt nach dem Gesetz, und zwar immer. Oft neben Ihren Kindern oder Ihren Eltern, mitunter aber alleine. Er erhält nach dem Gesetz überdies auch noch das sogenannte „Vorausvermächtnis“. Das ist das Recht, in der Ehewohnung weiterzuwohnen und Einrichtung und Haushaltssachen zu behalten (siehe dazu auch den Fall 10 Rz 239 und das Kapitel 4 Rz 236ff).
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Hat ein Verstorbener keine Kinder und auch keine Enkelkinder und auch keinen Ehepartner hinterlassen, sind andere Verwandte die gesetzlichen Erben. Konkret: die Eltern. Manchmal die Geschwister und Geschwisterkinder (Neffen/Nichten des Verstorbenen). In seltenen Fällen auch Großeltern und deren Nachkommen (also Onkel/Tante bzw Cousin/Cousine des Verstorbenen):
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Die Eltern eines Verstorbenen kommen immer nur dann zum Zug, wenn keine Kinder (Enkelkinder) vorhanden sind. Die Geschwister des Verstorbenen nur dann, wenn der Verstorbene keine Kinder (Enkelkinder) und keinen Ehepartner hinterlässt und wenn auch die Eltern des Verstorbenen bereits verstorben sind. Sind auch die Geschwister des Verstorbenen schon tot, erben Nichten und Neffen des Verstorbenen. Die Geschwister des Verstorbenen erben freilich seit 1.1.2017 nichts, wenn der...
Erscheint lt. Verlag | 7.2.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Geld / Bank / Börse |
ISBN-10 | 3-7094-1127-0 / 3709411270 |
ISBN-13 | 978-3-7094-1127-8 / 9783709411278 |
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