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Bettina Lockemann -  Bettina Lockemann

Bettina Lockemann (eBook)

Das Fotobuch denken. Eine Handreichung
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
160 Seiten
Hatje Cantz Verlag
978-3-7757-5269-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
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Das Fotobuch verleiht fotografischen Bildfolgen eine visuelle und materielle Kontextualisierung und bringt sie in eine sinnlich erfahrbare Form. Das Buchformat, die Materialität des Papiers und die Art der Bindung wirken dabei ebenso auf die Betrachtenden wie die Auswahl der Bilder, ihre Positionierung im Layout, Typografie und Texte. Die Künstlerin und Theoretikerin Bettina Lockemann eröffnet mit diesen Texten eine Annäherung an das Medium aus wissenschaftlicher Sicht: Das Fotobuch als eigenständigen Gegenstand der Kunstwissenschaft betrachtend, ergänzen phänomenologische Erörterungen hier methodologische Gedankengänge. Als wichtiger Beitrag zum Forschungsfeld Fotobuch erarbeitet Lockemann präzise Begriffe zur Analyse dieses Mediums. Anhand einer praxisbezogenen Betrachtung zeitgenössischer Fotobücher unterstreicht dieser Reader den Status des Fotobuches als eigenständiges Werk. BETTINA LOCKEMANN (*1971) ist Künstlerin und Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt künstlerische Dokumentarfotografie. Nach dem Studium künstlerischer Fotografie und Medienkunst in Leipzig und ihrer Promotion in Kunstgeschichte an der ABK Stuttgart war sie fünf Jahre lang Professorin für Praxis und Theorie der Fotografie an der HBK Braunschweig. Sie lebt in Köln.

BETTINA LOCKEMANN (*1971) ist Künstlerin und Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt künstlerische Dokumentarfotografie. Nach dem Studium künstlerischer Fotografie und Medienkunst in Leipzig und ihrer Promotion in Kunstgeschichte an der ABK Stuttgart war sie fünf Jahre lang Professorin für Praxis und Theorie der Fotografie an der HBK Braunschweig. Sie lebt in Köln.

BETTINA LOCKEMANN (*1971) ist Künstlerin und Wissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt künstlerische Dokumentarfotografie. Nach dem Studium künstlerischer Fotografie und Medienkunst in Leipzig und ihrer Promotion in Kunstgeschichte an der ABK Stuttgart war sie fünf Jahre lang Professorin für Praxis und Theorie der Fotografie an der HBK Braunschweig. Sie lebt in Köln.

cover
Titel
Impressum
Inhalt
Einleitung: Das Fotobuch als Forschungsgegenstand
Das Fotobuch: Eine Annäherung
Phänomen Fotobuch: Eine bildwissenschaftliche Betrachtung
Zeit und Montage: Jenseits des entscheidenden Augenblicks
Blättern: Performativität und Zeitlichkeit
Narration: Wann ist ein Fotobuch erzählerisch?
Ausblick: Desiderate einer zukünftigen Fotobuchforschung
Bibliografie

Das Fotobuch

Eine Annäherung

Das Medium Fotografie scheint ganz besonders dafür geeignet, Bilder im Kontext von Bildern – und damit auch im Buch – zusammenzuführen. Bücher, die Fotografien zeigen, gibt es seit der Erfindung der Fotografie. William Henry Fox Talbot stellte das von ihm entwickelte fotografische Positiv-Negativ-Verfahren in einem in sechs Faszikeln von 1844 bis 1846 gelieferten und mit originalen Fotografien bebilderten Buch unter dem Titel The Pencil of Nature vor.1 Die Reproduzierbarkeit der von ihm hergestellten fotografischen Bilder ermöglichte dies. Die zu diesem Zeitpunkt führende, 1839 von François Arago vorgestellte und vom französischen Staat patentfrei zur Verfügung gestellte Daguerreotypie hatte den entscheidenden Nachteil, nicht-druckbare Unikate zu produzieren. Lediglich durch grafische Adaptionen – etwa als Lithografien oder Stiche – konnten Daguerreotypien reproduziert werden.2 Musste Talbot für sein Buch Abzüge in Auflagenhöhe herstellen und individuell einkleben, ermöglichte schließlich die Erfindung der Autotypie, ein auf der Fotografie basierendes und in den 1880er-Jahren entwickeltes Rasterdruck-Verfahren, den gleichzeitigen Druck von Fotografie und Schrift in hohen Auflagen.

Wann ist ein Buch ein Fotobuch?

Nicht jedes Buch, das Fotografien verwendet, ist ein Fotobuch. Eine Definition und damit eine Unterscheidung zwischen originären Fotobüchern und solchen, die Fotografien auf andere Art und Weise – etwa illustrativ – verwenden, ist mitunter problematisch. Das seit Anfang der 2000er-Jahre gesteigerte Interesse am Fotobuch und die Auseinandersetzung damit haben zahlreiche Definitionsversuche hervorgebracht, die häufig auf die von Martin Parr und Gerry Badger 2004 publizierte Fotobuchanthologie zurückgreifen. Dort bezeichnen die Autoren das Fotobuch zunächst als ein Buch »with or without text – where the work’s primary message is carried by photographs. It is a book authored by a photographer or by someone editing and sequencing the work of a photographer, or even a number of photographers.«3 Diese pauschale Beschreibung greift jedoch auch in den Augen der Autoren zu kurz, so dass sie eine weitere Präzisierung vornehmen: Die Autorschaft liege bei der Fotografin und / oder der Herausgeberin, die im Sinne einer Regie das Gesamtkonzept und die Umsetzung des Buches verantworten.4 Mehrere Faktoren sind demnach entscheidend: Das Fotobuch weist ein Thema auf, das mehr oder weniger deutlich sichtbar wird. Das Fotobuch stellt keine Sammlung von »greatest hits«5 oder starken Einzelbildern einer Fotografin zur Verfügung, sondern es formt einen inhaltlichen Zusammenhalt, der durch die Gesamtkonzeption des Buches getragen wird, also auch durch Faktoren wie beispielsweise Titel, Texte (falls vorhanden), Gestaltung, Papier, Druckqualität.6 Parr und Badger beschreiben als primäres Kriterium des Fotobuches »that it should be an extended essay in photographs, and that it follows its theme with ›intention, logic, continuity, climax, sense and perfection‹ […]. The photobook, in short, is the ›literary novel‹ amongst photographic books.«7

In der Auseinandersetzung mit dieser Definition weisen Patrizia Di Bello und Shamoon Zamir zu Recht darauf hin, dass in einigen der von Parr und Badger ausgewählten Werken nicht unbedingt die Fotografien die primäre Botschaft des Buches tragen.8 Sie konstatieren, dass die Fotografien in Fotobüchern aber über die reine Illustration des Textes hinausgehen: »image and text work within a dialectical relationship«.9

Mareike Stoll versteht das Fotobuch als

die in Buchform und durch einen Verlag veröffentlichte Zusammenstellung einer photographischen Bilderfolge […], die von wenig Text gerahmt ist und einen Anspruch auf kuratorische Kohärenz im Buch als Ganzes einlöst. Das Entscheidende ist dabei die Bildsequenz, die ergänzend durch Bildtitel oder Seitenzahlen sprachlich wie visuell strukturiert werden kann, aber darauf nicht angewiesen ist.10

Stoll zentriert ihre Studie zu Fotobüchern der Weimarer Republik allerdings um das Buch 60 Fotos11 von Aenne Biermann, das nach der Definition von Parr und Badger eher als eine Zusammenstellung von »greatest hits«, also starken Einzelbildern gewertet werden müsste und damit mindestens eins der von ihnen aufgestellten Kriterien als Fotobuch gar nicht erfüllt. Auch nach Stolls eigener Definition mit der Betonung der Bedeutung der »Bildsequenz«12 ist es nicht unbedingt als Fotobuch einzuordnen, da es keine in sich geschlossene oder thematisch einheitliche Bildfolge enthält. Zudem ist Stolls Fokus auf die Publikation durch einen Verlag kritisch zu bewerten, da sowohl in der Frühzeit der Fotografie als auch heute viele Fotografinnen Fotobücher im Selbstverlag oder in jüngerer Zeit auf sogenannten Self-Publishing-Plattformen publizieren.13

Unterstreichen möchte ich für die Definition des Fotobuches die Wichtigkeit der Kohärenz des Gesamtprojekts sowie dessen visuelle Strukturierung. Letztere bezieht sich einerseits auf die Kontextualiserung innerhalb der Bildfolge – Sweetman betont die Beziehung zwischen »[t]he power of the single photograph and the effect of serial arrangements« –, die mehr ist als eine Ansammlung von Einzelbildern.14 Andererseits betrifft dies die visuelle Strukturierung des Arrangements, also Typografie und Text (wenn vorhanden), sowie – zunächst und unvermeidlich – gestalterische Aspekte: etwa das Buchformat, Bildgrößen, Rahmungen und die Anordnung von Bildern auf den Doppelseiten.15

Der von Parr und Badger eingeführte Begriff der Autorschaft ist beim Fotobuch oft nicht eindeutig festzulegen. Denn auch wenn lediglich der Name der Fotografin auf dem Titel steht, ist das Fotobuch meist Resultat geteilter Autorschaft.16 Während die Fotografin die Bilder liefert, kann bereits die Bildauswahl oder die Festlegung der Reihenfolge in Kooperation mit Gestalterinnen, Kuratorinnen, Verlegerinnen oder Herausgeberinnen erfolgen. Zwar ist davon auszugehen, dass das publizierte Buch den Vorstellungen der genannten Autorin entspricht, dennoch sind weitere Akteurinnen zu berücksichtigen. Insbesondere die Gestaltung sowie die Texte beeinflussen die Wahrnehmung der Fotografien im Buch; doch auch die Qualität des Drucks oder die Materialität des Papiers prägen die Rezeptionserfahrung.17

Unberücksichtigt bleibt in vielen Definitionen der Zweck des Buches. Fotobücher werden mit ganz unterschiedlichen Intentionen und für verschiedene Zielgruppen hergestellt. Reisebücher, Firmendarstellungen oder Propagandabücher stehen Fotobüchern als Kunstwerken gegenüber. Auch können Fotobücher mit Anwendungsbezug zu einem anderen Zeitpunkt als Kunstobjekte betrachtet werden, etwa weil Fotografinnen oder Gestalterinnen auch als Künstlerinnen gewirkt haben oder weil der ursprüngliche Publikationskontext seine Relevanz eingebüßt hat.18 In diesem Zusammenhang kann auch der Definitionsversuch von Jörg Colberg betrachtet werden, der einen pragmatischen Ansatz verfolgt: »A photobook is a book that is being viewed because of the photographs inside. […] Unlike most books, producing a photobook begins with the photographs; everything else, which might include copious amounts of text, is added later.«19 Für Colberg spielt der Zweck insofern keine Rolle, als die Rezeption primär wegen der Fotografien erfolgt und die Produktion bei der Fotografie beginnt, die Fotografien also nicht Beiwerk für andere Elemente des Buches werden, wie etwa bei Kochbüchern.20 Colberg denkt von der Produktion aus, was insbesondere für die Einordnung historischer Bücher problematisch ist, wenn weder Unterlagen noch Zeitzeuginnen existieren, die Auskunft über die Genese des Buches geben könnten.

Bei künstlerischen Fotobüchern, also Fotobüchern, die primär im Kunstkontext rezipiert werden, entstehen Überschneidungen mit der Kategorie des Künstlerbuches: »[A]n artist’s book is a book created as an original work of art, rather than a reproduction of a pre-existing work. […] [I]t integrates the formal means of its realization and production with its thematic or aesthetic issues.«21 Unter dem Terminus »Künstlerbuch« finden sich auch Bücher, die Fotografien verwenden; sie werden aber auch von Künstlerinnen angefertigt, die nicht ausschließlich fotografisch arbeiten.22

Das Fotobuch, wie es hier verstanden werden soll, ist ein Werk, das primär fotografische Bilder präsentiert. Es ist thematisch kohärent und verbindet die Fotografien mit den materiellen Parametern des Buches sowie Layout, Typografie, Texten und Paratexten zu einer inhaltlichen und ästhetischen Einheit. Es verwendet die Fotografie nicht als Medium, um andere künstlerische Medien zu repräsentieren – etwa Malerei, Installation oder Performance.23 In seiner künstlerischen Ausprägung kann das Fotobuch gleichzeitig als Künstlerbuch gelten, als »Kunst in Form eines Buches,«24 das gemäß den Intentionen der Autorinnen umgesetzt ist. Es vereint Gruppen, Serien und Sequenzen fotografischer Bilder zu einer gültigen und mobilen Form abseits der zeitlichen und räumlichen Festlegung von Ausstellungen.

Das Fotobuch als Handlungsraum

Die Eigenschaften eines Buches legen grundsätzlich bestimmte Formen der Benutzung nahe. Während auf Text basierende Bücher normalerweise als Behältnisse für Texte dienen, die in einer individuellen Lesegeschwindigkeit und –...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2022
Reihe/Serie Hatje Cantz Text
Mitarbeit Designer: Neil Holt
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Sachbuch/Ratgeber Freizeit / Hobby Fotografieren / Filmen
Schlagworte Bildwissenschaft • Fotobuch • Fotografiegeschichte • Künstlerin • Medientheorie
ISBN-10 3-7757-5269-2 / 3775752692
ISBN-13 978-3-7757-5269-5 / 9783775752695
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