Das Buch, das dein Herz gern lesen würde (eBook)
256 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30371-6 (ISBN)
Elena-Katharina Sohn ist die Gründerin der Agentur »Die Liebeskümmerer«. Seit dem Jahr 2011 haben sie und ihr Team sich auf psychologische Dienstleistungen rund um Liebeskummer, Liebe und Beziehungen spezialisiert. »Das Buch, das dein Herz gern lesen würde« ist das vierte Buch der Bestseller-Autorin, deren Arbeit den Streamingdienst Netflix zur Produktion der romantischen Komödie »Die Liebeskümmerer« inspirierte. Informationen zu den Beratungsdienstleistungen, Gruppen- und Reiseangeboten sowie Online-Kursen der Liebeskümmerer: www.die-liebeskuemmerer.de
1.
»Is this the real life? Is this just fantasy?«
Liebst du eine Illusion?
Wenn man genau hinschaut, verrät einem der Körper eines Menschen oft schon erstaunlich viele Details über ihn, noch bevor man sich überhaupt kennengelernt hat. Das können naheliegende Dinge sein, die man anhand der Kleidung erkennt – was derjenige beruflich macht, welchen Sport er treibt, vielleicht, welche Musik er liebt. Aber auch viel Tieferes lässt sich häufig schon allein an der Körperhaltung, der Mimik oder den Bewegungen eines Menschen erkennen: Wie selbstbewusst ist er? Wie leicht oder schwer nimmt er das Leben? Geht es ihm psychisch gerade gut oder schlecht?
Ich betreibe dieses »Lesen« von Körpern im Kontakt mit meinen Klienten intuitiv, so wie jeder von uns es im Alltag macht, aber darüber hinaus achte ich auch ganz bewusst und intensiv darauf. Die Menschen, die zu mir kommen, haben ihren Kummer meist schon so durchdacht, dass ihnen vom Kopf her oft vollkommen klar ist, was sie tun müssten, damit es ihnen besser geht. Aber vom Herzen her schaffen sie einfach nicht, das auch umzusetzen. Indem ich dann den Körper eines Menschen in das Gespräch mit einbeziehe (ich weiß, das klingt hier etwas abstrakt, aber es wird an verschiedenen Stellen im Buch noch klarer werden), kann ich ihn den Weg aus seinem Schmerz fühlen, anstatt nur kognitiv begreifen lassen. Das kann echte Wunder bewirken.
Manche Körper von Menschen verraten mir auf Anhieb mehr, andere weniger. Und bei manchen verkörpert sich der Kern ihres »Problems« in einer Weise, die mich selbst überrascht. So ging es mir bei Michaela, die an einem verregneten Mittwoch im Sommer 2017 das erste Mal zu mir kam.
Zwei Minuten vor der vereinbarten Uhrzeit klingelte es in meiner Praxis. Ich habe die Angewohnheit, dann in den kleinen Flur im Eingangsbereich zu gehen und die Tür schon zu öffnen, sodass ich höre, wie meine Klientin oder mein Klient die Treppe nach oben kommt. Michaela, das fiel mir sofort auf, hatte einen sehr energischen Gang. Mit festen Schritten trat sie Stufe um Stufe. Einmal stolperte sie allerdings, es polterte ein wenig, sie zischte leise ein Schimpfwort. Doch als Michaela schließlich vor mir stand, war von ihrem Ärger nichts mehr zu erkennen. Ich sah mich einer ziemlich forsch dreinblickenden Frau um die vierzig gegenüber, mit dunklem Haar, das mich spontan ein wenig an die Nena der 80er-Jahre erinnerte: Vorn mit Pony und toupiert, nach hinten schulterlang und etwas wild. Michaela war etwas füllig, trug beigefarbene sportliche Cargo-Shorts blaue Ballerinas mit einer Schleife auf der Schuhspitze und ein weißes hüftlanges Top mit Spaghettiträgern. Dank dieses Oberteils fiel mir sofort auf, dass Michaela – vielleicht unbewusst – versuchte, sich »breiter«, präsenter zu machen: Sie hielt die Arme etwas abgespreizt vom Körper und auch die Füße waren recht weit voneinander entfernt auf dem Boden platziert, was ihr einen auffällig breitbeinigen Stand verlieh. Während sie mir die Hand entgegenstreckte, hielt sie sich aufrecht. »Hallo, ich bin die Michaela, ich habe jetzt einen Termin!«, sagte sie und als wollte sie das überprüfen, untermauern oder insgeheim vielleicht auch nur einen Grund finden, mir doch nicht allzu lang in die Augen schauen zu müssen, warf sie schnell einen Blick auf die Uhr an ihrem linken Handgelenk. »Ja, wie schön, dass du da bist, Michaela. Willkommen!«, erwiderte ich, während auch ich ihr meine Rechte hinstreckte. Michaelas Händedruck war schwächer, als ich erwartet hätte. Ihre Hand schwitzte ein bisschen, was aber nicht unangenehm für mich war. Mit einer einladenden Geste bedeutete ich ihr hereinzukommen. Michaela machte sofort einen einzigen, ungewöhnlich großen Schritt in Richtung der Garderobe, wo sie etwas umständlich eine kleine Handtasche aufhängte. »Puh, das war jetzt richtig stressig für mich, pünktlich hier zu sein«, erklärte sie mir währenddessen. »Ich hab da so ein großes Projekt bei der Arbeit gerade, für das ich ganz allein die Verantwortung trage. Da ist wahnsinnig viel zu tun. Aber ich habs ja geschafft!« Sie stemmte für einen Augenblick die Hände in die Hüften, zupfte dann aber doch schnell ihr Oberteil nach unten und verschränkte schließlich die Arme vor dem Oberkörper. Erwartungsvoll sah sie mich an. »Ja, total pünktlich, alles gut! Komm rein, ich freue mich, dich kennenzulernen!« Ich lächelte sie an und ließ ihr den Vortritt in den eigentlichen Praxisraum.
Heute, im Rückblick, kann ich sagen, dass ich schon während dieser ersten Momente mit Michaela eine ungefähre Ahnung davon hatte, in welche Richtung unsere Gespräche laufen könnten. Selbstverständlich hätte es auch sein können, dass ich mich irrte! Aber ich weiß noch genau, wie mir, während wir jede in einem Sessel Platz nahmen, der Satz »Sie tut sich schwer mit echten Menschen« durch den Kopf schoss. Vermutlich, weil mir die Unstimmigkeit zwischen ihrem einerseits so betont selbstbewussten Auftreten, dem »Großmachen«, und der gleichzeitig immer wieder auf Unsicherheit hindeutenden Körpersprache aufgefallen war. Es kam mir so vor, als fühlte sich Michaela unwohl in ihrer Haut und als wäre es für sie Stress, mit mir in Kontakt zu sein – was sie aber zu überspielen versuchte. Geleitet von diesem Gefühl lehnte ich mich in meinem Sessel zurück und lächelte sie möglichst warm an, um ihr schon rein körperlich zu signalisieren, dass sie sich in meiner Gegenwart vollkommen entspannen konnte.
»Ich bin seit zwei Jahren in meinen Nachbarn verliebt«, schoss es aus Michaela heraus, als ich eigentlich gerade Luft geholt hatte, um zu ein paar einleitenden Worten anzusetzen. Ich schwieg und hörte stattdessen erst mal zu, damit Michaela schnell emotionalen Druck loswerden konnte. »Aber er weiß das erst jetzt. Ich hätte ihm das eigentlich nie gesagt, weil er und seine Freundin immer so glücklich gewirkt haben. Aber dann haben die beiden sich vor acht Wochen getrennt und ich hab gedacht, jetzt ist vielleicht meine Chance gekommen. Und dann hab ich ihm einen Brief geschrieben.« Michaela machte eine kurze Pause, um mich anzustrahlen – was mich wunderte. Dass sie hier bei mir saß, deutete ja eigentlich nicht darauf hin, dass ihr Brief bei ihrem Nachbarn auf positive Resonanz gestoßen war. »Jetzt sind wir in so einer komischen Situation und ich bin hier, weil ich dachte, ich kann gut einen Rat von einer Frau gebrauchen, die sich mit so was auskennt. Was ich jetzt machen soll. Damit ich es nicht vermassele. Liebeskummer hatte ich nämlich schon genug in meinem Leben.« – »Okay«, sagte ich bewusst langsam in dem Versuch, ein bisschen Ruhe in dieses so überstürzt gestartete Gespräch zu bringen, und fragte nach einer kurzen Pause erst einmal das Offensichtliche: »Und wie hat er reagiert?«
»Bis jetzt noch gar nicht richtig«, antwortete Michaela, nun auch etwas langsamer. »Er hat mir eine Nachricht aufs Handy geschickt, dass er den Brief gefunden hat und sich gern in Ruhe dazu melden möchte.« – »Und wie lang ist das her?« – »Heute genau zwei Wochen.« Ich stutzte reflexartig. »Und er hat noch nichts weiter gesagt?« Michaela schüttelte den Kopf. »Nein, aber das finde ich nicht so schlimm.« Sie sprach nun wieder schneller. »So eine Trennung ist doch viel organisatorischer Stress, wenn man zusammengewohnt hat«, erklärte sie mir in einem Tonfall, als müsse sie mich von ihren Worten überzeugen. »Und ich glaube, der Hund frisst nicht mehr, weil er sein Frauchen so vermisst. Martin, also, so heißt er, Martin hat sicher gerade ganz andere Sorgen. Das verstehe ich total. Er ist einfach so ein super netter Mensch. Der lässt sie bestimmt nicht einfach so hängen mit allem, neue Wohnung suchen, einrichten und so, nur, weil die beiden jetzt kein Paar mehr sind. Das mit mir hat ja auch keine große Eile, das hab ich ihm auch in dem Brief geschrieben. Ich gebe ihm alle Zeit, die er braucht.« Den letzten Satz sprach sie mit extra viel Nachdruck aus. »Da bist du ja wirklich sehr verständnisvoll«, resümierte ich. »Und es klingt so, als würdest du Martin auch schon gut kennen …?« Michaela nickte. Doch mir entging nicht, dass ihre Hände jetzt begannen, sich nervös zu bewegen, als wollten sie sagen: Hier stimmt was nicht! Nach unserem turbulenten Start nutzte ich die folgenden dreißig Minuten also, um mir einen genaueren Überblick über Michaelas Situation zu verschaffen.
Martin war vor etwas mehr als zwei Jahren gemeinsam mit seiner Freundin in das Haus gezogen, in dem Michaela damals schon seit längerer Zeit lebte. In einer Waschküche im Keller, die alle Mieter nutzen, war es zu ersten Begegnungen gekommen. Martin hatte Michaela zweimal, daran erinnerte sie sich noch auf Datum und Uhrzeit genau, die Tür aufgehalten, als sie den Raum betreten hatte. Beim Wäscheaufhängen hatte er sie einmal gefragt, ob sie sich wohlfühle im Haus, wie lang sie dort schon wohne, welche Cafés in der Umgebung sie empfehlen könne. Auch hier konnte Michaela seinen genauen Wortlaut zitieren. Ein anderes Mal erwähnte er, dass er eine Glühbirne in einer Deckenleuchte wechseln wolle, aber keine Leiter habe, sodass Michaela ihm anbot, ihre zu leihen, wann immer er sie brauche. In den vergangenen zwei Jahren hatte er aus diesem Grund mehrfach bei ihr geklingelt, immer verbunden mit einem kurzen Plausch im Hausflur. Michaela hätte mir jedes kleine Detail rekapitulieren können. Sich endgültig verliebt, berichtete sie mir, habe sie sich aber wohl in ihn, als er ihr geholfen habe, ein kaputtes Regal aus ihrer Wohnung zwei Stockwerke nach unten zum Sperrmüll zu tragen. »Das fand ich irre nett«, erklärte sie mir, »solche...
Erscheint lt. Verlag | 24.1.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | 2023 • 2024 • Allein • Betrogen • Beziehung • Broken-Heart-Syndrom • das innere Kind • das kind in dir • dauerhaftes Glück • eBooks • einsam • gebrochenes Herz • gelingende Liebe • Geschenk • Geschenk Freundin • glückliche beziehung • glücklich nach Trennung • glücklich werden • Goodbye Herzschmerz • Herzschmerz • Hilfe • Liebeskummer • Liebeskümmerer • Narzissmus • narzissmus beziehung • Netflix • Neuanfang • Neuerscheinung • Ratgeber • Scheidung • Selbstfürsorge • Selbstliebe • sich selber lieben lernen • Stefanie Stahl • Tipps • Trennung • Trost • Unglücklich • untreu • Verlassen |
ISBN-10 | 3-641-30371-0 / 3641303710 |
ISBN-13 | 978-3-641-30371-6 / 9783641303716 |
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