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262 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45330-9 (ISBN)
Dr. phil. Doris Märtin begleitet seit über 20 Jahren Menschen und Unternehmen beim wirkungsvollen Auftritt. Als Expertin für Persönlichkeit und Kommunikation gibt sie innovative Impulse für emotionale und soziale Intelligenz, Sichtbarkeit und Exzellenz auf Augenhöhe. In 19 Büchern verknüpft sie psychologische, philosophische und Management-Perspektiven und fasst sie in eine klare Sprache und einprägsame Stories. Wenn es um das Thema Habitus geht, zählt sie zu den bekanntesten Expertinnen im deutschsprachigen Raum. Ihre Bücher erscheinen unter anderem auch in China, Japan, Südkorea, den Niederlanden, Spanien und Italien.
Dr. phil. Doris Märtin begleitet seit über 20 Jahren Menschen und Unternehmen beim wirkungsvollen Auftritt. Als Expertin für Persönlichkeit und Kommunikation gibt sie innovative Impulse für emotionale und soziale Intelligenz, Sichtbarkeit und Exzellenz auf Augenhöhe. In 19 Büchern verknüpft sie psychologische, philosophische und Management-Perspektiven und fasst sie in eine klare Sprache und einprägsame Stories. Wenn es um das Thema Habitus geht, zählt sie zu den bekanntesten Expertinnen im deutschsprachigen Raum. Ihre Bücher erscheinen unter anderem auch in China, Japan, Südkorea, den Niederlanden, Spanien und Italien.
WIE DER SOZIALE STATUS DAS LEBEN BESTIMMT
14. April 1912, kurz vor Mitternacht, südöstlich von Neufundland. Hundertfach erleuchtet gleitet die Titanic durch die eiskalte Nacht. In drei Tagen sollen die 1 300 Passagiere in New York an Land gehen. Dann geschieht, was ausgeschlossen schien. Ein 300 000 Tonnen schwerer Eisberg schlägt ein 90 Meter langes Leck auf der Steuerbordseite. Zweieinhalb Stunden später nimmt das vermeintlich sicherste Schiff seiner Zeit 809 Passagiere und drei Viertel der Besatzung mit sich in die Tiefe.
Zu den Toten gehören einige der reichsten Menschen der Welt: der Millionär John Jacob Astor, der Tycoon Benjamin Guggenheim, die Miteigentümer der Kaufhauslegende Macy’s Ida und Isidor Straus. Ihre berühmten Namen machen vergessen: Die Überlebenschancen auf der Titanic waren von Rang und Reichtum bestimmt. 63 Prozent der Reisenden der ersten Klasse konnten sich retten. Bei den Passagieren der zweiten Klasse waren es 45 Prozent. Am schlechtesten erging es den Auswanderern in der dritten Klasse. Von ihnen überlebten nur 24 Prozent die Katastrophe.
Ein Blick auf den Längsschnitt der Titanic liefert die Erklärung. Das Leben an Bord bildete wie in einem Brennglas die viktorianische Klassengesellschaft ab: Unten im Schiffsbauch waren die Passagiere der dritten Klasse untergebracht. Ihre Kajüten befanden sich auf den Decks, die als erste geflutet wurden. Darüber lagen die Kabinen der zweiten Klasse. Ganz oben thronten die Suiten der Superreichen, in unmittelbarer Nähe des A-Decks, wo auch die Rettungsboote installiert waren. Die Reisenden der dritten Klasse gelangten dorthin nur, wenn sie sich durch das Gewirr der Gänge und Treppen hocharbeiteten. Aus dem Titanic-Film mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio wissen Sie: Wenn die ärmeren Passagiere das oberste Deck überhaupt erreichten, waren die wenigen Boote oft schon besetzt und ins Wasser gesenkt.
Warum Dabeisein nicht alles ist
Die Schichtung der sozialen Klassen auf der Titanic mag Ihnen wie ein fernes Relikt erscheinen. Doch sie besteht fort. Bis heute bildet jedes Flugzeug, jedes Theater und so manche Wohnimmobilie gleichsam einen Mikrokosmos der Gesellschaft ab. Wer mehr hat, sitzt weiter vorn, weiter oben und meist auch am längeren Hebel. Das ist ein gutes Gefühl für Habende. Denn ob Eigenleistung oder Zufallsglück, es macht Lust, sich positiv abzuheben. Jedes kleine Like, jede positive Empfehlung, jedes Upgrade in eine bessere Sitzkategorie steigt uns zu Kopf. Dopamin und Adrenalin werden ausgeschüttet und heben das Selbstbewusstsein.
Umgekehrt verhält es sich genauso: Ein winziger Misserfolg nur, und wir fühlen uns schlecht. Wer jemals beim Ballspiel als eine der Letzten ins Team gewählt wurde, spürt physisch: Selbst eine vorübergehende Ausgrenzung beschämt. Man möchte in den Boden versinken und verliert die Motivation. Ein ähnliches Gefühl stellt sich ein, wenn man nach einem ermüdenden Überseeflug in den hintersten Reihen der Economy-Class mit den Füßen scharrt. Einstweilen eilen die Reisenden der First Class schon zur Einreisekontrolle und sind auch dort wieder die Ersten.
Wenn aber schon flüchtige soziale Privilegien und Frustrationen Spuren hinterlassen, um wie viel mehr berührt uns dann die relativ stabile Statusposition, die wir in der gesellschaftlichen Rangordnung einnehmen? Wie prägt und formt uns unser soziales Milieu? Was löst der Vergleich mit anderen in uns aus? Was macht es mit Menschen, wenn sie das Gefühl haben, sozial oder ökonomisch nicht mithalten zu können?
Teilnehmen ist wichtiger als Siegen, unter dieses Motto stellte Pierre de Coubertin die Olympischen Spiele der Neuzeit. Der Gedanke klingt nobel. Er passt allerdings nicht zu unserer menschlichen Physiologie. Studien der amerikanischen Hirnforscherin Caroline Zink verraten: Wir alle überprüfen ständig, wo wir in der gesellschaftlichen Rangordnung stehen. Sogar ein eigenes Gehirnzentrum besitzen wir dafür. Es ist im ventralen Striatum lokalisiert, und Untersuchungen durch funktionelle Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen: Wir hassen es, unterlegen zu sein. Ein Statusabstieg beziehungsweise die Panik davor löst im Gehirn ähnlich starke Erregungszustände aus wie die Angst vor einem Finanzverlust. Kaum sehen wir unseren Rang bedroht, schon sinkt der Serotoninlevel und mit ihm das Wohlbefinden. Wir geraten aus der Balance und wenn wir uns nicht im Griff haben, zeigen wir uns betroffen oder angegriffen und gefährden umso mehr die soziale Anerkennung, an der uns zurecht so viel liegt. Schließlich hängt von unserem Status einiges ab. Sieht man genau hin, gibt es kaum einen Lebenswinkel, wo er keine Rolle spielt.
Schöne Bescherung
Bereits auf neuronaler Ebene lässt sich also erkennen: Wir alle wünschen uns eine gute Position im Leben. Allerdings kommen wir nicht alle gleichermaßen reich beschenkt auf die Welt. Arbeitsmarktforscher vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel und der Universität Madrid fassen den Unterschied in Zahlen. Mit Hilfe mathematischer Modellierungen ermitteln sie: Rund 60 Prozent von dem, was bei uns die gesellschaftliche Stellung eines Menschen ausmacht, haben wir von unseren Vorfahren mitbekommen. Neben Begabungen und Talenten erben wir von ihnen auch Geld und Besitz, Manieren, Erfolgsgewissheit und Vitamin B und zwar bis in die Urgroßelterngeneration zurück.
Aus dem Geburtslotto resultieren Ungleichheiten, die sich gewaschen haben. In ihrer Dimension erinnern sie an die Gewinnquoten im Lotto 6 aus 49. Vergleichen Sie einmal: Drei Richtige plus Superzahl bringen Gewinnern gut 20 Euro ein, vier Richtige rund 200 Euro, fünf Richtige circa 20 000 Euro. Damit lässt sich einiges anfangen. Trotzdem wirken selbst fünf Richtige wie Peanuts, wenn man sie mit dem millionenhohen Jackpot vergleicht. Auf der anderen Seite steht natürlich: Die meisten im Spiel gehen komplett leer aus …
Beim Lotto bestimmen die Gewinnklassen die Gewinnhöhe. Im wahren Leben beeinflusst das Milieu, in das Sie hineingeboren wurden, wie Sie in den einzelnen Lebensbereichen abschneiden: beim Einkommen und Vermögen, bei Gesundheit und Bildung, bei der Ausdrucksfähigkeit und den sozialen Beziehungen und darin, welche Möglichkeiten Sie für sich erkennen können. Aus all diesen Aspekten gemeinsam errechnet sich die soziale Position. Besitz und Geld spielen dabei eine Rolle, aber nicht die einzige.
Das Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik malt aus, wie der soziale Rang den Alltag prägt: Kaum jemand im untersten Fünftel der Gesellschaft besitzt Wohneigentum. Nur ein Drittel der Ärmeren nimmt am politischen Geschehen Anteil. Weniger als ein Viertel besucht Ausstellungen oder Konzerte, und überhaupt und vor allem: Von den Kindern aus schlecht gestellten Familien nimmt nur eines von vier ein Studium auf.1 Im obersten Fünftel gestaltet sich das Leben anders: Die Top-20-Prozent verdienen um ein Vielfaches mehr. Fast alle wohnen im eigenen Haus, mischen kulturell und politisch mit, halten sich fit und dass ihre Kinder studieren, ist fast schon gesetzt: drei von vier gehen an die Uni. Der Platz im Leben beeinflusst aber nicht nur die Lebensqualität. Wie auf der Titanic verlängert er die Lebensdauer: Das gut aufgestellte obere Drittel genießt im Schnitt neun gute, gesunde Jahre mehr als das untere.2 Das ist so lang, wie das G9-Gymnasium dauert.
Natürlich sagen Statistiken wenig über den Einzelfall aus. Es gibt Menschen, die mit Wenigem glücklich sind, und andere, die sich rastlos fühlen, egal, wie viel sie erreicht haben. Es hängt also keinesfalls allein vom sozialen Status ab, ob Sie sich innerlich erfüllt und äußerlich anerkannt fühlen. Eine gute Position in der gesellschaftlichen Hierarchie hebt aber die Chancen dafür: Im obersten Fünftel bezeichnen sich 69 Prozent als zufrieden mit sich und der Welt, in der breiten Mitte sind es 50 Prozent, im untersten Fünftel dagegen nur 39 Prozent. Die subjektive Einschätzung gibt zu denken. Fern jeder Neiddebatte, frei von Ressentiments lese ich daraus ab: Der soziale Status...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2023 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Bewerbung / Karriere |
Schlagworte | Akademiker • Arbeiterkind • Aufstiegschancen • Bildungsaufstieg • Chancengleichheit • Elite • Erfolgsgeschichte • Frank-Walter Steinmeier • gesellschaftlicher Aufstieg • Habitus • Herkunft • Klassengesellschaft • Michelle Obama • Mittelschicht • neureich • Sozialer Aufstieg • Ugur Sahin |
ISBN-10 | 3-593-45330-4 / 3593453304 |
ISBN-13 | 978-3-593-45330-9 / 9783593453309 |
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