Taiga Tour - 40.000 km - Russland - Korea - Japan (eBook)
415 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7565-0915-7 (ISBN)
Typisch Frau: Grenzenlose Neugierde treibt Doris Wiedemann immer wieder in die Welt hinaus. Die freie Journalistin hat Russland als erste Motorradfahrerin auf einer Reise zwei mal durchquert. Sie war mit dem eigenen Motorrad legal in Nord-Korea und hat China sechs Monate lang illegal, ohne den vorgeschriebenen Führer, bereist. Und sie ist die erste Frau, die den Dalton Highway, eine der gefährlichsten Straßen der Welt, im Winter mit dem Motorrad bezwungen hat. Bisherige Buchveröffentlichungen: Taiga Tour/Reise-Know-How Verlag, Unterwegs zum Roten Drachen und Winterreise nach Alaska/Delius Klasing Verlag, Allgäu Reiseführer/Trescher Verlag Co-Autorin: 7 Kontinente/Highlights Verlag, Autobahnreiseführer/ADAC Verlag
Typisch Frau: Grenzenlose Neugierde treibt Doris Wiedemann immer wieder in die Welt hinaus. Sie hat als erste Motorradfahrerin auf einer Reise Russland zwei mal durchquert, war mit dem eigenen Motorrad in Nord-Korea, hat China sechs Monate lang illegal ohne den vorgeschriebenen Führer bereist und ist die erste Frau, die den Dalton Highway, eine der gefährlichsten Straßen der Welt, mit dem Motorrad im Winter bezwungen hat. Seit 2001 arbeitet die diplomierte Volkswirtin freiberuflich als Journalistin, Autorin, Fotografin und Vortragsrednerin. Buchveröffentlichungen: Taiga Tour/Reise-Know-How Verlag, Unterwegs zum Roten Drachen und Winterreise nach Alaska/Delius Klasing Verlag, Allgäu Reiseführer/Trescher Verlag Co-Autorin: 7 Kontinente/Highlights Verlag, Autobahnreiseführer/ADAC Verlag
Oleg, Ramon und ich fahren weiter ins Stadtzentrum, und mir wird klar, warum der BMW-Chrom glänzen sollte. Jeden Abend treffen sich an einer breiten Straße, unter großen Linden, die Biker von Saratov. Auf einer 1300er Yamaha sitzt Axel: jung, dynamisch, erfolgreich. Er kauft in Moskau Elektro-Artikel ein und verkauft sie dann in Saratov in drei verschiedenen Geschäften, unter anderem in dem Supermarkt am Kirovplatz. Er spricht fließend Deutsch, geht mit seinen Freunden in das gegenüberliegende Café und nimmt mich mit. Oleg bleibt zurück, um die Motorräder zu bewachen. Zwei-fellos führt er dabei auch einige Fachgespräche über meine BMW.
während ich mit einigen Leuten am Kaffeehaus-Tisch sitze. Wir sind eine gesellige Runde. Einige sprechen Englisch und manches verstehe ich auf Russisch. Unangenehm finde ich nur, dass mein eigentlicher Gastgeber derweil auf der anderen Seite am Straßenrand herumsteht. Axel winkt ab, darüber solle ich mir keine Gedan-
ken machen, das sei schon in Ordnung, meint er. Meine gute Kinderstube schüttelt entsetzt den Kopf – während mein Ego sich wunderbar unterhält.
Kurz vor Sonnenuntergang fahren Oleg, Ramon und Axel mit mir zu einem Kriegerdenkmal hoch über der Stadt. Die Aussicht von dort oben reicht von dem Häusermeer vor uns bis weit über die Wolga hinweg in die ausgedehnte Steppe. Sobald die Sonne weg ist, wird es schnell dunkel. Unter uns flackern die Lichter der beiden Städte, Saratov und Engels, auf, und unzählige kleine Lampen beschreiben die großen Bögen der Wolgabrücke. Sie spiegeln sich im dunklen Wasser der Wolga und verbinden die zwei Lich-termeere diesseits und jenseits des Flusses.
Wieder heißt es Abschied nehmen. Dieses Mal von Axel. Er wil den Abend mit seinen Freunden in einer Bar ausklingen lassen.
Solche Etablissements sind für Oleg zu teuer. Der Eintritt kostet rund zehn US-Dollar, und ein Cocktail ungefähr genausoviel. Das entspricht in etwa den Verhältnissen bei mir zuhause in Bayern.
Meine Welt ist das dennoch nicht. Zudem möchte ich morgen gerne zeitig aufstehen, also fahre ich mit Oleg in seine Wohnung.
Als »Nachthupferl« gibt es noch ein paar Fotos und Videos und Schokolade.
Nach dem Frühstück mache ich mich wieder auf den Weg, fahre über die große Brücke, von Saratov nach Engels, und weiter nach Marks. Anschließend folgt die Straße bis Balakovo dem Lauf der Wolga, dann schwenkt sie nach Osten ab und begleitet den Irgiz, einem Zufluss der Wolga. Hinter Tavolozka geht es dann noch rund 150 Kilometer durch trockenes Steppenland in Richtung Samara.
Auf der Straße begegnen mir nur wenige Fahrzeuge: ein paar Trak-toren, hie und da ein Fahrrad und ganz selten ein Auto. In den Ortschaften versuche ich die kyril ischen Schilder der Gewerbe-treibenden zu entziffern und mache mit mir selbst ein Ratespiel, was das wohl heißen könnte. Manchmal geben die Schilder ein paar Hinweise und manchmal steht die Ware am Straßenrand, etwa Blumen oder Grabsteine. Dekorierte Schaufenster sind Mangelware.
Ich lasse mir Zeit und genieße die Sonne. Auf meinen Reisen freue ich mich immer wieder über die herzliche Gastfreundschaft zahlreicher Menschen, die ihr Zuhause mit mir teilen. Sie schenken mir ihre Zeit und zeigen mir ihr Land und ihre Kultur. Im Gegenzug erzähle ich von meiner Heimat, und manchmal auch von den Ländern, in denen ich bereits gereist bin. Um das Leben der anderen kennenzulernen, muss ich mich darauf einlassen und selbst ein bisschen zurückstecken. Denn, wenn ich nur mein Leben lebe, dann lerne ich das Leben der anderen nicht kennen. Manchmal finde ich es jedoch ganz schön anstrengend, in das Leben anderer einzutauchen. Und nach den beiden turbulenten Tagen bei Oleg sehne ich mich nach ein bisschen Privatsphäre. Das Wetter ist schön und die Landschaft lädt dazu ein, endlich wieder einmal mein Zelt aufzubauen. Während ich darüber nachdenke, fällt mir plötzlich wieder Schenja’s Augenzwinkern und die rätselhafte Bar Skvozniak ein.
Und schon ist sie wieder da, diese unstillbare Neugierde, und ich fahre weiter.
Samara und Togliatti –
Ehrengast in der Luxus-Suite
In Samara treffe ich die Wolga wieder, die dort eine Schleife nach Osten macht. Ich folge ihrem Lauf, und den Schildern in Richtung Zentrum. Auf einer Anhöhe thront eines der überall im Westen Russlands allgegenwärtigen Kriegsdenkmäler. Während ich mit meiner Kamera auf der Suche nach einer geeigneten Perspektive bin, sprechen mich ein paar Jugendliche auf Englisch an und fragen mich, warum ich das Ehrenmal fotografiere. »Weil ich Touristin bin und den Menschen in meiner Heimat Bilder aus eurer Heimat zeigen möchte«, erkläre ich, und überlege dann im Stil en auch: Wieso ausgerechnet das Kriegshelden-Monument? Also banne ich aus Paritätsgründen die Kirche daneben ebenfal s auf Zel uloid, und mache mich dann wieder auf den Weg. An der Promenade laden Straßencafés mit roten und blauen Sonnenschirmen zum Verweilen ein. In meiner Fantasie male ich mir das Skvozniak mit einer schicken Sonnenterrasse mit Blick auf die Wolga aus. Das Bild bekommt allerdings ein paar Risse, als die Straße vom Fluss fort
zu einem großen Platz führt, wo der Verkehr im Kreis um eine hohe Wasserfontäne herum geleitet wird.
An der Kreuzung frage ich drei Passanten nach der Bar Skvozniak.
Alle deuten auf das gleiche Gebäude und ich umrunde es dreimal.
Es gibt dort eindeutig keine Sonnenterrasse. Mein vierter Wegweiser nimmt mich förmlich bei der Hand und zeigt mir den über-dachten Eingang, der von ein paar Bäumen verdeckt wird. Es ist heiß, und ich habe den Ruß der Fahrzeugabgase im Gesicht, wie mir ein Blick in den Spiegel zeigt. Das Haus sieht relativ neu aus.
Es schadet also sicher nicht, hineinzugehen, um Gesicht und Hände zu waschen. Ich krame den Zettel heraus, den mir Schenja in Saratov für einen Jewgenij in Samara mitgegeben hat.
Zwei breitschultrige Türsteher halten mich am Eingang auf. Sie sprechen weder Englisch noch Deutsch. »Jewgenij zdes? – Ist Jewgenij hier?« kann ich inzwischen bereits auf Russisch fragen.
Aus der Antwort picke ich das Wort »rabote« heraus. Er arbeitet also. »Gde? – Wo?« frage ich auf gut Glück. Aber die Antwort übersteigt meine Russischkenntnisse dann doch. Also wechseln wir zur Zeichensprache. Ich werde hereingewunken und betrete mit großen Augen das Halbdunkel einer rustikalen Blues-Kneipe.
Dort werde ich an der Theke vorbei in den hinteren Teil der Bar geführt, wo eine Bühne auf Live-Bands wartet.
Da stehe ich nun, dreckig und verschwitzt, in einer finsteren Ecke einer dunklen Kneipe, als sich plötzlich eine Tür vor mir öffnet. Vor mir steht ein blonder, braungebrannter Sunnyboy, umstrahlt vom hel en Licht aus dem Raum hinter ihm. Spontan fahre ich mir mit den Fingern durch die Haare. Wieso habe ich weder Lippenstift noch Lidschatten dabei? Wortlos überreiche ich dem feschen Adonis die Botschaft von Schenja – und habe keine Ahnung, was darauf geschrieben steht.
Jewgenij liest die Worte auf dem Zettel, lächelt mich freundlich an, und lädt mich mit einer Handbewegung ein, seinen Arbeitsplatz zu betreten. Erfolgreich bekämpfe ich einen für mich eher seltenen Anfal von Eitelkeit und finde mich mit der Tatsache ab, dass ich in völlig unmöglicher Aufmachung einem absoluten Traum-
mann gegenüberstehe, mache einen beherzten Schritt nach vorne und stehe in einem hygienisch weiß blitzenden Tätowier-Salon.
Immerhin, so tröste ich mich, ist der Märchenprinz genauso sprachlos wie ich. Die unromantische Erklärung, dass er kein Englisch spricht, verdränge ich erfolgreich, nehme in einem Sessel Platz, bekomme eine Tasse Tee und beobachte interessiert, wie Jewgenij in ruhiger Konzentration mit einer Nadel einen großen Drachen auf den Oberarm seines Kunden zeichnet. Der wiederum sitzt mit geschlossenen Augen völlig regungslos auf einer Liege und verzieht nicht ein einziges Mal das Gesicht. Nach einer Weile verabschiedet Jewgenij den jungen Mann und beginnt sein Telefon zu bearbeiten.
Nach einigen Versuchen gibt er auf, nimmt seine Jacke und bedeutet mir, ihm zu folgen. Die Türsteher erhalten den Auftrag, auf mein Motorrad aufzupassen, dann gehen wir zwischen den Bäumen vor dem Haus hindurch zu einem bronzefarbenen Mercedes 250.
Jewgenij öffnet mir galant die Beifahrertür, dann setzt er sich hinter das Steuer, startet den Motor und schiebt eine Kassette in den Rekorder. Mit den ersten Gitarrengriffen von Jimi Hendrix rol en wir auf die breite Straße hinaus und ich fühle mich wie der Außerirdische ET, der sich in ein Roadmovie der 70er Jahre verirrt hat.
Vor einer Garage stel en zwei Männer gerade die Vergaser einer Honda Magna ein und blicken überrascht auf, als ich aus Jewgenijs Auto steige. Nachdem mein Chauffeur eine kurze Rede gehalten hat, begrüßt mich Sergej auf Englisch, stellt sich selbst und Dima vor und entschuldigt sich dafür, dass Jewgenij sich nicht mit mir unterhalten kann, weil er kein Englisch spricht. Keiner von den dreien ahnt etwas von dem Vergnügen, das mir die Situationskomik dieser skurrilen Begegnung bereitet hat. Unabhängig davon erkläre ich, dass es mein Fehler ist, dass ich kein Russisch spreche.
Aber nun sind die Sprachbarrieren beseitigt, wir kehren zur Bar zurück, holen mein Motorrad und schieben es neben einen defekten Lada und zwei japanische Soft-Chopper in Sergejs kleine Garage. Danach bringt Jewgenij mich zu sich nach Hause. Dima und Sergej wol en uns später dort treffen.
Wir betreten einen großen Appartementblock. Hinter der Wohnungstür befindet...
Erscheint lt. Verlag | 29.6.2022 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
Reisen ► Reiseführer | |
Schlagworte | Abenteuer • Japan • Korea • Motorrad • Nordkorea • Russland • Sibirien |
ISBN-10 | 3-7565-0915-X / 375650915X |
ISBN-13 | 978-3-7565-0915-7 / 9783756509157 |
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