Liebeskummer, lass mich los! (eBook)
208 Seiten
Beobachter-Edition (Verlag)
978-3-03875-426-8 (ISBN)
Annette Cina, Dr. phil., Psychologin und Psychotherapeutin, arbeitet als Koordinatorin am Institut für Familienforschung und -beratung an der Universität Freiburg und als Psychotherapeutin in eigener Praxis. Sie ist zudem als Referentin tätig und Autorin zahlreicher psychologischer Ratgeberartikel.
Der Schmerz der Trennung
Platzt eine Liebe, ob langsam und schleichend oder unvorhergesehen, kippt uns dies aus der Bahn. Unsere Grundkonzepte über uns selbst und unsere Umgebung, unser Vertrauen in den anderen oder in uns werden über den Haufen geworfen. Das Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Liebe und Stabilität bricht weg. Wir erleben uns auf eine Art und Weise, wie wir uns vielleicht noch nicht gekannt haben. Es schmerzt, körperlich und seelisch.
Geliebt zu werden und zu lieben, ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen. Von jemandem geliebt zu werden, für jemanden eine ausserordentliche Stellung und Bedeutung einzunehmen, gibt uns das gute Gefühl, zugehörig und etwas Besonderes zu sein. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit, also nicht allein, sondern geschützt und in Sicherheit zu sein, ist etwas, was uns geliebte Menschen schenken können. Wir finden dieses Gefühl von Liebe, Zuwendung und Exklusivität in Liebesbeziehungen und in der Familie. Wir tun sehr viel dafür, um uns dieses zu erhalten.
Eine Trennung beendet den Rahmen, in dem wir diese Gefühle erfahren. Wird eine Beziehung aufgelöst, bricht für die Betroffenen eine Welt zusammen. Und dies gilt sowohl für die Person, die verlassen wurde, als auch für diejenige, die gegangen ist. Viele Hoffnungen und Wünsche, die mit dieser Beziehung und mit diesem Menschen verbunden waren, sind zerschlagen. Der einem am nächsten stehende Mensch ist nicht mehr da. Denn nicht selten sind auch in unzufriedenen Partnerschaften die Partnerinnen und Partner erste Ansprechpersonen für viele Belange und Probleme, die sich im Leben stellen.
Eine Trennung stellt daher unser Sein, unsere Wertigkeit und Liebenswertigkeit infrage. Eine Trennung betrifft uns als Person, demzufolge reagieren wir als ganze Person: Wir leiden körperliche und seelische Schmerzen. Unser Denken dreht sich um den Verlust und um den Menschen, den man verlassen hat oder von dem man verlassen wurde. Es quälen uns Fragen nach dem Warum. Unsere Gefühle spüren wir so intensiv, wie wir sie nur selten spüren. Wir kennen diese starken Gefühle meist nur aus einer anderen Situation: aus der Zeit, als wir verliebt waren und eine Bindung aufbauten. Unser Denken und Fühlen ist lediglich auf den einen Menschen bezogen. Unser Befinden hängt ganz stark von der An- oder Abwesenheit dieses Menschen ab.
In einer Trennungssituation sind die Gefühle so stark, wie wir sie nur aus einer anderen Situation kennen: aus der Zeit des Verliebtseins.
MANUELA (35): «Die Trennung von meinem Mann kam für mich aus heiterem Himmel. Er sagte, er habe sich nicht verstanden gefühlt und könne dies nicht mehr ertragen. Für mich war es ein Schock. All meine Zukunftsvisionen sind in sich zusammengebrochen. Nun stehe ich allein da. In meinem Kopf kreisen meine Gedanken immer wieder um die Frage nach dem Warum. Sie bringen mich schier zur Verzweiflung, da ich keine Antworten finde. Ich fühle mich verraten, verletzt, hintergangen. Hätte ich es sehen müssen? Warum hat er seine Gefühle nicht früher angesprochen? Manchmal zerreisst mich die blanke Wut, dass er einfach gegangen ist. Er geht und lässt mich einfach stehen. Als wäre ich nichts, als wäre ich bedeutungslos, ein Sack, den man in der Ecke stehen lässt. Dabei habe ich all die Jahre versucht, mit ihm gemeinsam eine Familie aufzubauen. Dann übermannt mich tiefe Trauer und Verzweiflung. Was soll ich nun tun? Was habe ich falsch gemacht? Wie kann er nur! Dieses Nicht-mehr-miteinandersprechen-Können, diese Leere, diese unsägliche Verzweiflung. Werde ich wieder glücklich sein? Werde ich eine Familie haben können? All die Jahre hat er mich hingehalten, und nun stehe ich da – mit nichts. Ich fühle mich verlassen und einsam. Ich schlafe nicht, ich bin total übermüdet, bei der Arbeit kann ich mich kaum noch konzentrieren. Der Schmerz, die Angst vor der Zukunft, das Unverständnis, all dies ist zu präsent. Hinzu kommt meine unsägliche Wut, die kein Ventil findet. Ich bin allein, verlassen, ich genügte scheinbar nicht.»
Die Schilderung von Manuela zeigt auf, wie tief uns eine Trennung verletzen kann und wie stark die Bedeutung eines einzelnen Menschen und die Bindung zu ihm für uns ist. Bricht die Liebesbeziehung auseinander, bricht auch eine intime emotionale Verbindung auseinander, die eine Art innere Vereinbarung zwischen zwei Menschen darstellt. Als eines der grundlegendsten Bedürfnisse des Menschen äussert sich die Liebe als ein starkes Gefühl des Zueinander-hingezogen-Seins, der Verbundenheit zu einem bestimmten Menschen, des Zusammengehörens. Fühlen wir uns geliebt, stärkt dies unseren Selbstwert, wir fühlen uns angenommen und wertvoll. Eine Trennung bedeutet, dass unser Innerstes in die Einsamkeit zurückgeworfen wird.
Es lohnt sich, zu verstehen, was bei einer Trennung mit uns passiert, damit wir uns selbst helfen können.
«Darin besteht die Liebe: dass sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden.»
Rainer Maria Rilke
Die Psyche im Ausnahmezustand
Eine Trennung stellt eine seelische und existenzielle Krise dar. Liebeskummer ist eine psychische Ausnahmesituation. Eine breite Palette an Gefühlen tut sich auf: Angst, Panik, Wut, Hass, Abscheu und Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Unverständnis und enttäuschte Liebe. Auch Scham und eventuell eine versteckte Erleichterung können Platz haben. Diese Gefühle sind ständige Begleiter, die mit Gedanken und Bildern verbunden sind.
Wie jeder Einzelne reagiert, ist sehr unterschiedlich. Allen gemeinsam ist die Intensität der Gefühle, die ausbrechen. Sie übermannen die Betroffenen. Die Gefühle sind extrem stark, das Leben auf den Kopf gestellt. Oftmals sind die Gefühle kaum zu kontrollieren, vielmehr kontrollieren sie unser Leben. Längerfristig kann eine Trennung, die nicht bewältigt werden kann, zu psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörung und im Extremfall zum Suizid führen.
info Psychische Erkrankungen aufgrund von Trennungen entstehen, wenn die Belastung so gross ist, dass die Betroffenen nicht mehr damit zurechtkommen. Die häufigste psychische Erkrankung infolge von Trennung ist die depressive Störung. Die Traurigkeit kann so stark und anhaltend sein, dass der Mensch nicht mehr normal funktionieren kann, kein Interesse und nur noch wenig Freude verspürt, verbunden mit dem Gefühl, wertlos zu sein. In einer starken Depression kann das Gefühl aufkeimen, dass das Leben keinen Sinn mehr hat. Suizidalität infolge von Beziehungskrisen ist nicht so selten. Es lohnt sich daher, sich selbst Sorge zu tragen und diesen Gefühlen die Stirn zu bieten. Hierzu finden Sie im zweiten Teil des Buches Anregungen und Hilfestellungen, was Sie tun können, damit Sie an diesen Gefühlen nicht zerbrechen. Sollten Sie professionelle Hilfe benötigen, finden Sie auf Seite 182 nützliche Anlaufstellen.
Der Schmerz des Verlassenwerdens
Wer von seinem Partner, seiner Partnerin verlassen wird, ohne das Ende der Beziehung selbst gewollt zu haben, fühlt sich von dem Geschehen oft völlig überwältigt: Da passiert etwas psychisch Gefährliches, dem man sich absolut hilflos ausgesetzt fühlt und das man weder verhindern noch steuern kann.
Eine Trennung versetzt uns in der Regel als Erstes in eine Schockstarre. Wir reagieren wie fremdgesteuert. Wir können den Trennungsentschluss nicht fassen, wir können ihn nicht integrieren. Das Ich ist bedroht. Das Unfassbare zu fassen, benötigt Zeit. Wird das Ausmass der Bedrohung deutlich, brechen die Gefühle hervor: Unverständnis, da das Geschehen nicht mit der selbst erfahrenen Geschichte vereinbar ist. Abwechselnd Wut auf den anderen, der einem so viel Schmerz zufügt, und der stechende Schmerz des Verlusts eines Menschen, der einem wichtig ist.
Um uns orientieren und das Geschehene einordnen zu können, versuchen wir, Antworten zu erhalten. Wir wollen wissen, weshalb und wozu es so gekommen ist. Es sind Fragen, auf die es häufig keine klaren Antworten gibt – und manchmal auch Antworten, die uns verletzen und noch mehr aus der Bahn werfen können (siehe auch Seite 19).
Wenn wir realisieren, dass die Beziehung definitiv zu Ende ist, erleben wir meist tiefe Trauer. Ein Gefühl der Ausweglosigkeit und Hilflosigkeit entsteht. Bemühungen haben keinen Sinn mehr. Unter all diesen Gefühlen liegt oftmals Angst: Angst vor der ungewissen Zukunft, Angst vor dem Alleinsein, Angst vor den Gefühlen, die einen immer wieder überwältigen, Angst davor, den Verlust nicht verkraften zu können. In diesem Moment scheint die Zukunft nicht bewältigbar. Es bestehen viele Unsicherheiten. Dies ist normal, denn die Pläne und Zukunftsvorstellungen waren mit der Partnerschaft verbunden.
Es ist wichtig für Sie zu wissen: Gefühle entstehen stets aus der aktuellen Situation. Gefühle bleiben nicht für immer. Sie sind vorübergehend, sie werden sich verändern. Verändert sich die Situation, verändern sich die Gefühle. Verändern Sie sich, verändern sich Ihre Gefühle. Geben Sie sich Zeit: Sie werden stabiler werden. Sie werden wieder in die Zukunft blicken können. Jede Situation, die Sie meistern, wird Ihnen zeigen, dass Sie Ihr Leben in die Hand nehmen können, dass Sie stärker sind, als Sie sich im Moment wahrnehmen. Und damit werden die Ängste kleiner werden. Vertrauen Sie auf sich. Auch wenn es für Sie im Moment nicht vorstellbar ist: Sie werden es schaffen. Die meisten Menschen, die einen Verlust erlebt haben, können wieder aufstehen und ein zufriedenes Leben führen. Sie sind vielleicht sogar zufriedener als zuvor. Fassen Sie den Mut, sich dem Leben zu stellen und es nach Ihren Bedürfnissen und Wünschen zu gestalten. Geben Sie sich...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Partnerschaft / Sexualität |
ISBN-10 | 3-03875-426-9 / 3038754269 |
ISBN-13 | 978-3-03875-426-8 / 9783038754268 |
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Größe: 4,9 MB
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