Recipe on Tour (eBook)
220 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-9782-5 (ISBN)
Heidi Arnau, Jahrgang 1952, kam über das Kanufahren in jungen Jahren zum Wassersport. Seit 25 Jahren verbringt mit ihrem Mann sowohl auf Motor- als auch auf Segelbooten Bootsurlaube. Seit 2017 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann auf ihrem Motorboot "Recipe" auf den Binnengewässern Deutschlands und darüber hinaus unterwegs. Ebenso betreiben sie gemeinsam einen YouTube Kanal unter dem Pseudonym "Minimax", auf dem sie Praxis Wissen für Motorbootfahrer vermitteln und die Zuschauer mit auf ihre Reisen nehmen.
Freitag, 13.08.2021, Rechlin – Mirow
Logbucheintrag: Fahrzeit 3h 20
2h 10 Motorstunden + 1h 10 Wartezeit
Wir starten den Motor um 10 Uhr. Unsere Bootsfreunde aus Köln winken, auch unser Stegnachbar ist schon auf den Beinen und bemerkt, dass sich „die Investition“ (er meint wohl den langen Abend) gelohnt habe und stellt fest, dass wir ja neue Kissen hätten! Als Kenner unserer Videos hat er bei der Episode Room-Tour wohl besonders aufgepasst. Unglaublich - einfach unglaublich!
Das fröhliche Abschiedswinken zaubert das Gefühl von „auf große Fahrt gehen“.
Und irgendwie ist es das ja auch. Unsere Planung sieht vor, dass wir in diesem Jahr den Finowkanal durchfahren wollen, der uns wegen seines historischen Hintergrunds und der alten Schleusen reizt. Zudem kursiert die Information, dass der Kanal wegen Sanierungsarbeiten stillgelegt wird und eine Durchfahrt erst wieder Jahre später möglich sein soll. Ein Schleusenwärter, dem wir bei einem Schwatz während des Schleusungsvorgangs im letzten Jahr von unserem Plan erzählten, winkte fast verächtlich ab: „Was wollt ihr da - der ist doch total verschlammt! Bleibt hier auf unseren Gewässern!“ Wir wollen nun erst recht dahin. Eine weitere Motivation brachte die Anfrage von Seenland, ob wir zu dieser Fahrt einen Reisebericht schreiben wollen. Wir haben zugesagt und nun sind wir in der Pflicht.
Es ist schon sehr warm, die kleine Müritz zeigt sich spiegelglatt. Wir fahren den weiten Bogen vom Yachthafen Rechlin entlang des Tonnenstrichs auf die Fahrwassertrennungstonne zu. Rechts geht es Richtung Müritz, geradeaus gelangt man über den Müritzsee nach Buchholz und zur gleichnamigen Marina, die am Ende des Sees liegt und eine Charterbasis ist. Der Müritzsee selbst weist viele schöne Ankerplätze aus. Allerdings stellt die Fahrt dorthin eine Sackgasse dar.
Wir halten uns an der Fahrwassertrennungstonne links und gelangen auf den Mirowkanal, der uns zur Schleuse Mirow führt. Unsere Abfahrtszeit in Rechlin haben wir bewusst geplant: alle Boote, die von der Müritz kommen, sind erfahrungsgemäß noch nicht so früh an der Schleuse Mirow. Aus Buchholz kommen in der Regel nicht viele Bootsfahrende, zumal an Tagen unter der Woche kaum Übergaben /Übernahmen für Charterschiffe stattfinden. Und Chartercrews, die ihre Boote an einem Freitag übernehmen, können am Vormittag ebenfalls noch nicht an der Schleuse sein.
Wir folgen dem Verlauf des Kanals zu Tal, durchqueren den ausgetonnten Sumpfsee mit seinen vielen Seerosenfeldern, passieren die Charterbasis Lärz, die eine große Charterflotte vorhält und Service rund ums Boot anbietet, allerdings keine Gastliegeplätze hat.
Wir sind noch allein unterwegs. Niemand kommt uns entgegen und niemand folgt uns.
Die Sportbootwartestellen an der Schleuse Mirow wurden im Jahr zuvor erneuert und vor allem verlängert, um dem zunehmend wachsenden Aufkommen an Sportbooten gerecht zu werden. Unser Eindruck ist, dass durch Corona und die dadurch eingeschränkte Reisetätigkeit in alle Länder dieser Welt viele Menschen Urlaub in Deutschland und damit auch auf dem Wasser der Mecklenburgischen Seenplatte für sich entdecken. Einerseits freuen wir uns darüber, dass der Tourismus in unserem Land wächst und viele die schönen Ecken kennenlernen. Andererseits wird es auf den Gewässern, in den Schleusen und in den Häfen immer voller. Und die Charterschiffe werden immer größer und komfortabler gebaut! Wir nähern uns der Wartestelle vor der Schleuse, hängen alle Fender heraus, machen uns zum Anlegen an Backbord bereit. Mein Platz ist an der Mittelleine, meine Aufgabe, die Leine auszubringen. „Möglichst werfen, nicht schlenkern! Und dann nicht ziehen!“ Es ist schon wie ein Mantra. Michas Stimme und die Tonlage habe ich im Kopf und ich muss jedes Mal grinsen, wenn sie dann auch tatsächlich kommt. Wir können bis weit nach vorne fahren, das Anlegen klappt übrigens ohne Kommentar. Wir müssen nicht lange warten. Nach erfolgter Gegenschleusung fahren die Boote zügig an uns vorbei und unweigerlich wird kommentiert: über nichts und niemanden kann sich Micha so aufregen wie über Schiffsführer, die rücksichtslos an liegenden Booten vorbeifahren und einfach nicht daran denken, was ihre Heckwelle mit den Liegenden macht. Wir fahren in die Schleusenkammer, um zu Tal zu schleusen.
Abwärts zu schleusen finde ich entspannter als aufwärts. Ich kann auf die Schleusenmauer gehen, vorausgesetzt, der Skipper bringt die Recipe nah genug heran und von dort aus Poller, Ringe etc. zu erreichen. Dem voraus geht jedoch unsere Kommunikation zu „wo genau machen wir fest?“ Ich mag es gern wissen, um mich mit meiner Leine bereit zu machen.
Dabei kommt es fast immer zu Missverständnissen, die offensichtlich ganz einfach auf die Definition von „vor“ und „hinter“ bzw. „vorne und „hinten“ zurückzuführen ist. Meine Beschreibung eines Festmachers „der Ring vor der ersten Leiter“ würde bei Micha „der Ring hinter der letzten Leiter“ bedeuten. Alles, was in Fahrtrichtung des Bootes vor mir liegt, ist vorne, weiter vorne. Für Micha ist das alles weiter hinten. Ob es dabei richtig oder falsch gibt, habe ich nicht recherchiert. Fest steht, dass wir unterschiedlich wahrnehmen. Ein Versuch, die Missverständnisse zu minimieren besteht darin, dass Micha es schließlich ganz pragmatisch sieht: „mach doch da fest, wo ich hinfahre“ – oder „nimm das, was jetzt kommt“. Unterm Strich können wir uns köstlich über unsere unterschiedliche Wahrnehmung und der sich daraus entwickelnden Kommunikation amüsieren, jedoch leugne ich nicht meine gewisse Anspannung bei derartigen Anlegemanövern.
Die Schleuse Mirow hat große Tore, die nach oben gezogen werden. Bei der Ausfahrt fährt man unter dem Tor hindurch und von oben tropft das ablaufende Wasser schwer auf das Boot (und natürlich auch auf mich). Die Tropfen hinterlassen ihre nasse Spur vom Bug bis zum Heck und eine Pfütze auf dem Niedergang, über dem das Fenster in der Persenning weit aufgerollt ist.
Nach der Ausfahrt aus der Schleuse zeigt sich aus der Gegenrichtung deutlich mehr Verkehr: die Wartestelle vor der Schleuse ist schon gut belegt, viele sind offensichtlich Richtung Müritz unterwegs. Wir verlassen den Mirower Kanal und fahren durch einen kurzen Kanal unter der Straßenbrücke hindurch in den Mirower See. Gleich zur Rechten vor der Schlossinsel liegt die Einfahrt in den Stadthafen Mirow, dahinter sehen wir an der Schlossinsel den Anleger Ricks Bootsservice, der jedoch ausschließlich Boxen mit Dalben zu haben scheint. Das ist nichts für unsere Recipe, da wir nur längsseits gut vom Boot an Land und zurück gelangen.
Unser Ziel ist der Anleger am Mirower Strandbad. Ein sehr lebendiges Plätzchen mit einer Kanustation, einem Zeltplatz, dem Badestrand, einem Imbiss und einem gut geführten Restaurant mit Hotelbetrieb, auch mit einer Wasserskistrecke am gegenüberliegenden Ufer. Heute jedoch gibt es dort für uns keinen Platz. Wir fahren weiter in den See hinein bis kurz vor den Teil des Mirower Sees, der für Motorboote gesperrt ist.
Ziemlich geradezu mündet der Bolter Kanal in den Mirower See. Die „Alte Fahrt“, die vor der Errichtung des Mirow-Kanals und der Schleuse über 100 Jahre die Verbindung zwischen Müritz und der Kleinseenplatte zu den Havelgewässern darstellte. Heute kann die „Alte Fahrt“ nur mit muskelbetriebenen Wasserfahrzeugen erkundet werden (Bild 6).
Wir landen bei Ricks Bootsservice (gleicher Name wie der Hafen am Anfang des Mirower Sees); ein jugendlicher Hafenmeister weist uns in die letzte freie Box am Ende der Bootsgasse ein und ist beim Vorwärtsanlegen hilfreich, wobei er uns begrüßt mit: „Ihr seid doch das YouTube-Boot...“. Er erzählt uns, dass in die Boxengasse hinter uns noch ein Boot geschleppt würde, das nicht fahrbereit sei, heute aber noch repariert werden solle. Um 18 Uhr wartet man noch immer auf den Techniker. Wir sind gespannt, wie wir morgen früh aus unserer Box wieder herauskommen. Der Skipper träumt bereits von umfangreicher Leinenarbeit vom Schiff aus (Bild 7).
Bild 6: Verlauf des Bolter Kanals "Alte Fahrt" vom Ostufer der
Müritz in den Mirower See
Bild 7: Recipe in der letzten Box bei Ricks Bootsservice
Bild 8: Blick auf die Terrasse des Hafens Ricks Bootsservice am Mirower See
Doch noch sitzen wir auf der idyllischen Terrasse des Hafens (Bild 8) und haben einen schönen Überblick über die Steganlagen und den Serviceplatz mit Kran und Absaugstation. Die Terrasse wird von Bäumen gesäumt, die unsere Aufmerksamkeit erregen. Sie tragen lange Früchte, die an Stangenbohnen erinnern (Bild 9). Die Plant-App bringt Aufklärung: es handelt sich um Trompetenbäume, die im Juni/Juli wunderschöne Blüten haben sollen, jetzt im August ist es mit dieser Pracht vorbei.
Wir lieben Hafenkino: das Beobachten herein- und herausfahrender Schiffe, den Umgang der Menschen miteinander und mit dem Boot. Hier auf der Terrasse haben wir still Teil an der...
Erscheint lt. Verlag | 6.5.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
ISBN-10 | 3-7562-9782-9 / 3756297829 |
ISBN-13 | 978-3-7562-9782-5 / 9783756297825 |
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