Helfen und sichern im Turnen (eBook)
464 Seiten
Meyer & Meyer (Verlag)
978-3-8403-3778-9 (ISBN)
Ilona E. Gerling ist Dozentin für Turnen an der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie war langjährige Vorsitzende des Bundesfachausschusses für Gerätturnen im Deutschen Turner-Bund (DTB) und hat maßgeblich die Bundesjugendspiele der Schulen, das Gerätturnabzeichen des DTB und die Turnbedingungen des Deutschen Sportabzeichens erarbeitet. Sie war Mitglied im Bundesausschuss 'Aus- und Fortbildung' des DTB und hat an Ausbildungsplänen aller Trainer/innen-Lizenzen wie auch an den Pflichtübungen des DTB mitgearbeitet. Sie ist eine international anerkannte Referentin und Autorin mehrerer Bücher zum Thema 'Moderne Turnmethodik.'
Ilona E. Gerling ist Dozentin für Turnen an der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie war langjährige Vorsitzende des Bundesfachausschusses für Gerätturnen im Deutschen Turner-Bund (DTB) und hat maßgeblich die Bundesjugendspiele der Schulen, das Gerätturnabzeichen des DTB und die Turnbedingungen des Deutschen Sportabzeichens erarbeitet. Sie war Mitglied im Bundesausschuss "Aus- und Fortbildung" des DTB und hat an Ausbildungsplänen aller Trainer/innen-Lizenzen wie auch an den Pflichtübungen des DTB mitgearbeitet. Sie ist eine international anerkannte Referentin und Autorin mehrerer Bücher zum Thema "Moderne Turnmethodik."
Teil A
IDIDAKTIK: FACHLICHE ASPEKTE
Das Helfen und Sichern begleitet die Lernenden im Turnen auf allen Stufen des Lernprozesses, vom Neulernen einer Fertigkeit über das weitere Üben bis hin zu Anwendungsformen (vgl. Abb. 5, S. 37). Geben sich die Kinder und Jugendlichen dabei untereinander Hilfe, wird das Turnen für die Heranwachsenden durch unendlich viele und neue Erfahrungen, die sich nicht nur auf den Krafteinsatz beim Hochhelfen beschränken, zusätzlich bereichert. Das Geben von partnerschaftlicher Hilfe ist als gleichwertiger Erfahrungs- und Lernbereich neben dem Erlernen turnerischer Bewegungen anzusehen und sollte zum Turnen wie selbstverständlich dazugehören.
Die Kenntnisse über eine wirkungsvolle und sichere Hilfegebung sind oft bei den Übungsleitern und Lehrenden der Schulen, und damit folglich auch bei den turnenden Kindern und Jugendlichen, mehr als unzureichend. Weder gibt es Theorien, die die Sinngebungen des Einbeziehens der Hilfegebung in die Übungsstunden beschreiben (außer dem Wissen vielleicht, dass ein Kind sonst nicht beim Aufschwung oder Ähnlichem hochkommt und Hilfegebung deshalb notwendig ist) noch ist ein Buch vorhanden, das rund um das Helfen Erklärungen und Erläuterungen gibt, die diesen großen Handlungskomplex transparent machen. Wieso, weshalb, warum und wie soll nachfolgend aufgezeigt werden.
1Begriffsdefinitionen: Helfen – Bewegungsbegleitung – Sichern
Die Autoren Burger und Groll des Standardwerks von 1949 (!) beginnen in ihrem Kapitel „Sichern und Helfen“ mit dem Satz: „Durch die Wahl des Doppeltitels ‚Sichern und Helfen‘ soll gleich von vornherein auf zwei wesentlich verschiedene Seiten der gemeinhin immer einfach als ‘Hilfegeben‘ bezeichneten Unterrichtsmaßnahmen aufmerksam gemacht werden“ (Burger & Groll, 1949, S. 270).
Das vorliegende Buch trägt ebenso den Doppeltitel Helfen und Sichern. Bis heute werden im fachsprachlichen Gebrauch Helfen und Sichern in einem Atemzug genannt. In der Praxis stellt der Lehrende beispielsweise verbal eine „Sicherheitsstellung“ hinter den Kasten, erwartet von den Kindern aber eine „aktive Hilfegebung“.
Die Helfer sollen beim Turnen einer Reckübung „helfen“, beim Turnen ist jedoch nur ein „Stupsen“ hier, ein „Stupsen“ dort mit „Fingerspitzengefühl“ notwendig, es muss in diesem Fall nicht mehr tatkräftig unterstützt werden, noch abwartend dabeigestanden werden.
Es scheint weiterhin notwendig zu sein, den Komplex des Helfens und Sicherns näher „unter die Lupe“ zu nehmen und die damit verbundenen Tätigkeiten, Erwartungen und Aktivitäten zu verdeutlichen.
Vorweg: Qualifizierte Hilfe beim Turnen kann nicht nur in Helfen und Sichern unterschieden werden. Es gibt noch eine Zwischenstufe, die mit den klassischen Begriffen in der Praxis eine Schnittmenge bildet: die Bewegungsbegleitung.
Zur Definition der Begriffe (Abb. 4):
Helfen
ist ein aktives Unterstützen des Bewegungsablaufs.
Eine Bewegungsunterstützung ist ein
zielgerichtetes eingreifendes und lenkendes Verhalten.
Bewegungsbegleitung
ist gegeben, wenn die Hände
ohne die Zielsetzung einer ständigen, aktiven Unterstützung
den Bewegungsablauf am Körper begleiten.
Sie bildet in der Praxis Schnittmengen
mit dem aktiven Helfen und dem abwartenden Sichern.
Ein begleitendes Verhalten orientiert sich am Prinzip
„so viel wie nötig – so wenig wie möglich!“
Sichern
ist ein abwartendes, aufmerksam beobachtendes Verhalten.
Sichern ist eine Bereitschaft zum wirksamen Eingreifen,
wenn es zu Problemen bei der Bewegungsrealisierung kommt.
Es dient durch den Einsatz gelernter Hilfegebung im Ernstfall
zum Verhüten von Unfällen.
Abb. 4: Definitionen der Begriffe Helfen – Bewegungsbegleitung – Sichern
Die Anwendung des Helfens als physisch aktive Unterstützung und Steuerung der Bewegungen eines Übenden, die manuelle Begleitung des Übenden während seiner Übung und die Absicherung des Turnenden ist abhängig von der Übungssituation sowie von der Lern- und Könnensstufe. Der Grad der Beherrschung der Turnfertigkeiten bestimmt in der Regel das Mehr oder Weniger des Sicheinbringens als Helfer, Bewegungsbegleiter oder als Sichernder. In Abb. 5 wird dies in einem Schaubild mit Darstellung von Lernstufen im Fertigkeitserwerb in Bezug zur Hilfegebung verdeutlicht.
2Erläuterungen und Anwendungsbeispiele zum Helfen, zur Bewegungsbegleitung und zum Sichern
Aus den Definitionen wird deutlich, dass das Helfen Voraussetzungscharakter für die Bewegungsbegleitung, diese wiederum für das Sichernkönnen besitzt, das heißt, dass nur ein erfahrener Helfer gut sichern kann. Damit ist ausgedrückt, dass ein qualifiziertes, zuverlässiges Sichern die höchste Könnensstufe ist. Dieses Sichern wird wiederum über die nächstniedrigere Könnensstufe der Bewegungsbegleitung erlernt.
Damit ergeben sich sowohl Niveaustufen als auch Lernstufen der Hilfegebung. Helfen im eigentlichen Sinne, Begleiten oder Sichern ist hinsichtlich seiner praktischen Anwendung abhängig vom Grad der Beherrschung der zu turnenden Fertigkeiten. Das Erlernen der qualifizierten Hilfegebung erfolgt nicht isoliert für sich, sondern immer in Verbindung mit und parallel zum Erlernen turnspezifischer Grundlagen und Fertigkeiten. Dieser Zusammenhang wird in der Übersicht (siehe Abb. 5) verdeutlicht.
2.1Helfen
Bei neu zu erlernenden Fertigkeiten ist das Helfen eine Form der Bewegungsunterstützung zur Kompensation konditioneller und koordinativer Schwächen (Fotos 1/2). Aktive Hilfegebung beinhaltet eine Bewegungslenkung zur Korrektur des Bewegungsablaufs und zur Verbesserung der Bewegungsvorstellung.
Über diese partnerschaftliche Bewegungsführung lernt der Übende – und der Helfende – den neu zu erlernenden Bewegungsablauf kennen. Eine aktive Hilfegebung hilft damit auch, das Verstehen des gesamten Bewegungsablaufs zu erfahren. Mit einer Hilfegebung scheitert er nicht schon an einem bestimmten Punkt in der Bewegung, z. B. mit dem Beginn des Hochturnens bei der Rolle rückwärts in den Handstand (Foto 1) oder bei der Kippe, sondern erlebt den gesamten Bewegungsablauf.
Foto 1: Hochziehen in den Handstand
Beispiele:
Aufschwung am Reck: Mit beiden Händen fassen die Helfer schon, wenn der Turner noch steht, an das Gesäß und lenken den Körperschwerpunkt auf dem kürzesten Weg zur Stange. Als Unterstützung wird mit dem Tragen des Körpergewichts der Übende entlastet und kann trotz mangelhafter Haltekraft der Hände, Zugkraft der Arme oder Bauchmuskelkraft den Aufschwung mehrfach üben und ein „Bewegungsgefühl“ für den Aufschwung bekommen (Foto 2).
Foto 2: Hochhelfen beim Aufschwung
Aufschwingen in den Handstand: Die Helfer lenken an den Oberschenkeln den Turnenden in die Senkrechte und heben ihn bei nicht ausreichender Stützkraft mit Stützgriff am Oberschenkel stützentlastend hoch. Damit wird die von dem Übenden aufzubringende Stützkraft reduziert, das heißt, der Übende muss nicht mehr sein ganzes Körpergewicht tragen, sondern je nach Hub der Helfenden ein Vielfaches weniger.
Abb. 5: Vereinfachte Darstellung der Niveau- und Lernstufen im Fertigkeitsbereich unter Einbeziehung von Helfen, Bewegungsbegleitung und Sichern (z. B. Miteinander, Anpassungsfähigkeit …)
2. 2Begleiten
Eine Bewegungsbegleitung kommt grundsätzlich beim Erarbeiten der Feinform einer Fertigkeit und beim Anwenden nahezu gekonnter Fertigkeiten in Übungsverbindungen zur Anwendung.
Der Übergang vom Helfen zum Begleiten einer Bewegung ist fließend. Die Bewegungslenkung lässt im Übungsprozess zunehmend nach, die Bewegung wird nur noch in Teilphasen leicht unterstützt nach dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ (Foto 3).
Foto 3: Begleitung bei der Kippe
Dieses Handeln verlangt bei den Helfenden eine...
Erscheint lt. Verlag | 24.1.2022 |
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Verlagsort | Aachen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport ► Leichtathletik / Turnen |
Schlagworte | Deutscher Turner Bund • DTB • Geräte • Gerätturnen • Grundübung • Helfergriffe • Kooperative Spiele • Schulsport • Schulturnen • Sicherung • Spiele • Turnen |
ISBN-10 | 3-8403-3778-X / 384033778X |
ISBN-13 | 978-3-8403-3778-9 / 9783840337789 |
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