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Du Wunder! (eBook)

Warum Mütter perfekt sind, wie sie sind

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
240 Seiten
Lübbe Life (Verlag)
978-3-7517-1497-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Du Wunder! -  Anne Klesse
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Das Baby kündigt sich an und die werdenden Mütter genießen ihre Schwangerschaft in vollen Zügen. Wie aufregend, denn nun wächst ein neues Leben heran. Doch bereits nach der Geburt blicken die Mütter selbstkritisch auf den Bauch, der sich nur langsam zurückbildet, sehen die Brüste, die ihre Form verlieren und auch die Augenringe nach durchgemachten Nächten. Damit muss Schluss sein! Die Autorin zeigt, was für ein Wunder der eigene Körper vollbringt und möchte, dass sie ihren Töchtern als Vorbilder dienen, um zu zeigen, dass jeder Körper schön ist.



Anne Klesse ist Diplom-Ökonomin und wollte ursprünglich Kriegsberichterstatterin werden. Nach dem journalistischen Volontariat arbeitete sie als Redakteurin bei der Welt, Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost in Berlin und schrieb vor allem Reportagen und Porträts. Etliche ihrer Arbeiten wurden mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.

Anne Klesse ist Diplom-Ökonomin und wollte ursprünglich Kriegsberichterstatterin werden. Nach dem journalistischen Volontariat arbeitete sie als Redakteurin bei der Welt, Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost in Berlin und schrieb vor allem Reportagen und Porträts. Etliche ihrer Arbeiten wurden mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.

Mit meinem dreißigsten Geburtstag hatte ich kein Problem gehabt – zusammen mit zwei Freundinnen hatte ich zu einer großen Party in einen Club eingeladen. Meine Dreißiger begannen also super. Ich verdiente genug Geld, um mir ein cooles Leben mit Reisen und Kultur zu finanzieren. Physische Veränderungen bemerkte ich, wenn überhaupt, nur wenige. Im Gegenteil, endlich fühlte ich mich mehr oder weniger wohl in meinem Körper! Nach drei Jahrzehnten wusste ich langsam, wie er funktioniert, was mir guttut, was ich mir nur ausnahmsweise mal gönnen und was ich besser ganz sein lassen sollte. Im neuen Job in einer neuen Stadt lernte ich viele neue Leute kennen. Ich hatte Spaß, ich hatte Sex, ich spürte mich. Es war aufregend, alles war möglich.

Mein vierzigster Geburtstag ging irgendwie im Alltag unter. Vier Jahre zuvor war ich Mutter geworden. In meinem Leben spielte nicht mehr ich selbst die Hauptrolle, sondern mein Kind. Ich liebe meinen Sohn über alles. Durch ihn entdecke ich jeden Tag viele neue Dinge – in der Welt und in mir. Zum Beispiel, dass sich Kellerasseln zu kleinen Kugeln rollen, wenn man sie aufhebt. Oder Pastinake – bis dahin kannte ich die Petersilienwurzel nicht, jetzt gehört sie zu meinem Lieblingsgemüse. Auch, dass ich plötzlich Sätze sage, die ich früher als Kind selbst von meiner Mutter gehört habe (und schrecklich fand): »Hier sieht’s ja aus wie bei Hempels unterm Sofa!«

In den ersten Jahren mit meinem Sohn spielte sich mein Leben hauptsächlich zwischen frühmorgens und frühabends ab, zwischen Babybrei und Sandkiste. Spätestens gegen achtzehn Uhr stellte sich das Gefühl ein, der Tag neige sich dem Ende zu. Ich hatte den Rhythmus meines Kindes angenommen: Wenn es müde wurde, war ich ebenfalls müde. Manchmal schlief ich gleich mit ein, wenn ich es ins Bett brachte.

Meinen Fotostream auf dem Smartphone fluteten statt Schnappschüssen vom letzten Partywochenende nun Kinderbilder. Tausende Fotos schoss ich allein in den ersten Monaten: vom schlafenden Baby, vom lachenden Baby, vom Baby mit Kuscheltier, Baby vorm Weihnachtsbaum, Baby voll Brei, Baby beim Baden, Baby am Strand. Zu Weihnachten verschenkte ich an die Großeltern und Onkels einen aus kurzen Handyvideos zusammengeschnittenen Film. Er ist anderthalb Stunden lang. Ich bin nicht sicher, ob alle das Werk jemals bis zum Ende angesehen haben.

Erst fiel es mir gar nicht auf, aber irgendwann wurde mir bewusst, dass ich eigentlich nur noch als Beobachterin vorkam, hinter der Kamera. Fotos oder Filme von mir selbst gab es so gut wie keine mehr.

Zu dem Zeitpunkt war ich darüber allerdings sogar ganz froh, denn Fotos von mir betrachtete ich gerade nicht mehr so gern. Mir fielen sofort die dunklen Schatten unter meinen müden Augen auf. Bei Bildern, auf denen ich lachte, konnte ich die fächerartig fallenden Krähenfüße kaum ertragen. Während ich »Lachfältchen« bei anderen immer sympathisch fand, dachte ich bei mir sofort: Alt! Verbraucht! Unattraktiv!

Ganzkörperfotos von mir fand ich eine Zeitlang kaum zu ertragen, vom Strand zum Beispiel. Auf einem hocke ich neben meinem Sohn, der eifrig im nassen Sand buddelt. Meine Augen sind samt Schatten und Krähenfüßen immerhin hinter einer großen Sonnenbrille versteckt. In voller Gänze zu sehen hingegen ist mein Bauch, der sich in kleinen übereinanderliegenden Speckwürstchen wellt und gleichzeitig um den Nabel herum irgendwie verschrumpelt aussieht. Immerhin: Der Busen wird glücklicherweise vom Bikinioberteil gehalten.

Dass mein Blick überhaupt diese Makel erfasst und nicht glücklich auf meinem Kind ruhen bleibt, hätte ich mir früher nicht vorstellen können. Da hätte ich mich eher darüber gewundert, dass Ü40-Frauen überhaupt Wert darauf legen, attraktiv auszusehen.

In der Zeitschrift Gala schrieb die Kolumnistin Katja Kessler vor ein paar Jahren anlässlich ihres achtundvierzigsten Geburtstags: »Es gibt so herrlich einfache Tricks, jünger auszusehen, ohne dass es einen Cent kosten würde. Ich denke da an BH-Weglassen. Zieht jede Falte aus dem Gesicht ab einem gewissen Alter.« Ich habe mich vor Lachen damals gebogen und den Text sogar abfotografiert. Es war das befreite Lachen einer Schwester im Geiste. Brüste, die so sehr hängen, dass sie die Haut weiter oben glattziehen – herrlich! Kann man dann je nach Tagesform anwenden: Darf’s heute ein dralles Push-up-Dekolleté sein oder stattdessen lieber die glatte Visage? Ich finde, wir alten Schachteln brauchen viel mehr Selbstironie, sonst ist das alles ja nicht zu ertragen.

Abgesehen von diesem Kolumnentext muss man feine Selbstironie, die nicht ins Gehässige abgleitet, allerdings lange suchen. Stattdessen geht es in solchen Magazinen eher um Fragen wie die, ob eine prominente Frau »was hat machen lassen«. Oder es werden Bikinifotos von Schauspielerinnen und weiblichen Popstars aus St. Barth gezeigt, in denen per Lupenfunktion unbarmherzig auf Cellulite-Dellen und Fettpolster hingewiesen wird.

Wenn ich solche Fotostrecken sehe, bin ich einerseits erleichtert, weil offensichtlich nicht einmal diejenigen vermeintlich perfekt aussehen, die sich rund um die Uhr Personal Training und plastische Chirurgie leisten können. Andererseits stellt sich natürlich die Frage: Was genau soll dieses »Perfekt« überhaupt sein? Wenn doch alle Frauen, ob dick oder dünn, irgendwann Cellulite haben, warum wird das nicht einfach als normal wahrgenommen, sondern immer als Makel? Als wäre es eine Krankheit, die es zu vermeiden oder zu bekämpfen gilt. Ebenso wie Speckröllchen, Fettpolster oder Falten. Es ist ja nicht so, als wären wir Menschen genormt, und wer von der Norm abweicht, ist irgendwie falsch. Als würde in jedem Menschen eine schlanke, ebenmäßige Person stecken, die bloß durch eigene Verhaltensfehler Rundungen und Beulen, Falten und Furchen bekommt.

Ich fand es cool und sympathisch, als die Kosmetikmarke Dove vor fünfzehn Jahren einen kleinen Skandal auslöste, indem sie in ihrer Kampagne Frauen in all ihrer Unterschiedlichkeit zeigte. Ich erinnere mich gerne an die großformatigen Anzeigen, in denen Frauen mit unterschiedlichen Hautfarben und Körperformen zu sehen waren. Lediglich die Bekleidungsmarke Benetton hatte zuvor schon ähnlich kontroverse Reaktionen mit politisch inspirierten Werbefotos ausgelöst.

Nur gegenüber meinem eigenen Aussehen konnte ich diese Coolness und Sympathie nicht aufbringen: Was ich bei anderen schön finde, gilt bis heute nicht für mich selbst. Bei meinem eigenen Körper kann ich keine Gnade walten lassen. So wie mein altes Ich mit der Mutterrolle irgendwie in den Hintergrund getreten ist, schien auch die Verbundenheit mit meinem Körper eine Zeitlang wie vernebelt. Und das nicht nur wegen des permanenten Schlafmangels, der einen – vor dem Hintergrund, dass Schlafmangel eine Foltermethode ist, nicht weiter verwunderlich – tatsächlich zu einem anderen Menschen machen kann.

Als Mutter war ich plötzlich rund um die Uhr in Aktion für jemand anderen. Ich wickelte, fütterte, badete, spielte. Ich kaufte ein, kochte, hängte Wäsche auf. Es drehte sich alles um die Versorgung des Nachwuchses. Dass es so gar keine Pausen gab, nicht einmal für ein paar Minuten auf der Toilette oder unter der Dusche – denn mein Sohn folgte mir ins Bad, sobald er krabbeln konnte –, konnte ich mir vorher nicht vorstellen. Das ist der große Unterschied zur Erwerbsarbeit, denn dort sind regelmäßige Pausen sogar institutionalisiert und oft vertraglich festgehalten. Ich kenne viele Mütter, die ihren Job im Büro weniger herausfordernd finden als den Alltag zu Hause.

Ich selbst bemerkte lange gar nicht, wie sehr ich mich zwischen all den Fragen rund um das Wohlbefinden meines Kindes verlor und dadurch in eine Art Identitätskrise schlitterte. Danach, was mir selbst guttun würde, fragte ich nicht einmal mich selbst – und jemand anderes erst recht nicht.

Warum war ich als Mensch plötzlich so unsichtbar?

Während der Arbeit an diesem Buch ist mir klar geworden, wie sehr ich in einem Gedankenmuster feststecke. Über Jahrzehnte habe ich gelernt, kritisch meinen eigenen wie auch andere Körper zu betrachten. Als Kleinkind habe ich offensichtlich sehr gerne gegessen. Es gibt zahlreiche pausbäckige Fotos von mir, auf denen ich noch nicht richtig laufen kann, aber schon einen großen Hühnerschenkel oder etwas anderes Essbares in der Hand halte. Die Geschichte, die immer wieder dazu erzählt wurde, ist folgende: Weil ich so gerne gegessen habe, habe man mir keine Süßigkeiten gegeben, sondern stattdessen Gurke oder andere Rohkost. Damit ich nicht dick werde.

Klar, bei kleinen Kindern geht es auch darum, sie von Beginn an gesund zu ernähren und sie vor Mangelerscheinungen, Übergewicht oder gesundheitlichen Problemen zu bewahren. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Dick sein ist etwas Schlechtes, das wird uns hierzulande permanent erzählt. Vor allem Frauen versuchen, einem Schönheitsideal zu entsprechen, das nun einmal nicht der Diversität unserer Körper entspricht. Wie alter Wein, der ständig in neuen Schläuchen daherkommt, gibt es eine regelrechte Diätkultur, die unterstellt, dass wir uns nur genügend anstrengen müssten, um ebenfalls dem gesellschaftlichen Ideal zu entsprechen.

Ich bin mir sicher, dass mein Umfeld es damals mit dem Süßigkeiten-Verbot nur gut meinte. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Doch abgespeichert habe ich, dass Schlanksein wichtig ist. Erst jetzt, mit vierundvierzig Jahren, ist mir bewusst geworden, wie sehr ich diesen Glaubenssatz verinnerlicht habe. Bis heute spüre ich tief in mir drin eine Art Geringschätzung gegenüber undiszipliniertem Verhalten –...

Erscheint lt. Verlag 23.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Augenringe • Bauch • Beine • bodypositivity • Brüste • Dehnungsstreifen • Denkmuster • Eltern • Erziehung • Fehler • Geburt • Gelassen • Gespräche • Hautbild • Kinderseele • Kleinkind • Körperbild • Lebenshilfe • Mütter • Nackt • Pädagogik • Partner • Perfekt • Po • Rollenbilder • Schlafmangel • Schönheit • Schwäche • Schwangerschaft • Selbstakzeptanz • Selbstliebe • Sexualität • Spiegel • starke Kinder • starke Mütter • Stillen • Therapie • Töchter • VorbildPsychosomatik
ISBN-10 3-7517-1497-9 / 3751714979
ISBN-13 978-3-7517-1497-6 / 9783751714976
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