Sinn in der Kreativität finden (eBook)
310 Seiten
dpunkt (Verlag)
978-3-96910-653-2 (ISBN)
Ein biografischer Wegweiser zum Leben der eigenen Kreativität
- hilft Ihnen, als kreativer Mensch zu leben und zu wachsen
- zeigt, wie Sie Inspiration finden und Ihre Kreativität entwickeln
- hilft bei der Bewältigung innerer und äußerer Widerstände
Bevor Sean Tucker als Fotograf von seiner Arbeit leben konnte, war er Musiker, Pastor und Kellner. Heute ist er bekannt für seine nachdenklichen Videos über Fotografie und Kreativität, die auf YouTube fast eine halbe Million Zuschauer finden.
In diesem Buch erzählt Tucker in 14 packenden Kapiteln davon, wie er zu seiner eigenen Kreativität und Stimme als Künstler fand. Seine sehr persönliche Erzählung stellt er dabei immer wieder in den größeren Zusammenhang von Psychologie, Philosophie und Kunst: Wie begegnen Kreative dem eigenen Perfektionismus, wie wachsen sie an Kritik und Widerständen und bleiben integer bei Komplimenten, wie bringen sie sich auch mit ihren dunklen Seiten in ihre Arbeit ein, um diese facettenreicher zu gestalten? Schließlich: Wie geben sie ihrem Schaffen eine Bedeutung und kreieren Dinge, die anderen Freude bereiten oder sogar Trost spenden können?
Dies ist ein Lesebuch für alle, die gern kreativ sind, aber dabei oft mit inneren und äußeren Widerständen zu kämpfen haben. Sean Tucker hat für sie eine inspirierende und lehrreiche Wegbeschreibung verfasst, mittels derer sie diese Widerstände überwinden und zu ihrer ganz eigenen Kreativität gelangen.
Sean Tucker war Musiker, Pastor und Kellner, bevor er sich als Fotograf selbständig machte. Vor einigen Jahren eröffnete er einen YouTube-Channel, auf dem er seitdem Videos über Fotografie und Kreativittät postet. Seine knapp 500.000 Fans schätzen an seinen Videos die Offenheit und Nachdenklichkeit, mit der Tucker über seine Arbeit und sein Leben spricht.
Sean Tucker war Musiker, Pastor und Kellner, bevor er sich als Fotograf selbständig machte. Vor einigen Jahren eröffnete er einen YouTube-Channel, auf dem er seitdem Videos über Fotografie und Kreativittät postet. Seine knapp 500.000 Fans schätzen an seinen Videos die Offenheit und Nachdenklichkeit, mit der Tucker über seine Arbeit und sein Leben spricht.
Blaue Stunde. Das letzte Glühen des Tages verblasst schnell.
Mein magerer neunjähriger Körper liegt ausgestreckt auf dem Rücken in einem breiten, sandigen Flussbett. Ich starre hinauf in den tintig-purpurnen Himmel, an dem sich bald die Sterne zeigen werden. Der Sand trägt noch die Wärme des Tages in sich, während über mir eine kühle Brise zu wehen beginnt. Die erdig, würzig riechende Luft ist erfüllt vom Zirpen der Grillen.
In dieser abgelegenen Ecke Afrikas, mitten im botswanischen Buschland, gibt es kein Stadtlicht, das den Sternen den Rang ablaufen könnte, und so beginnen sie, gegen das Schwarz der Nacht zu strahlen.
Zuerst zeigen sich die helleren Sterne, dann auch die schwächeren, und bald sind es unzählig viele in unterschiedlicher Intensität und Farbe, so wie Nadelstiche in einem dunklen Tuch.
Direkt über meinem Kopf sehe ich die Milchstraße, die sich wie ein großes Lichtband über den Himmel zieht, und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, zerfällt sie in eine Million winziger leuchtender Lichtpunkte, und die dunklen Bäume, die den Fluss überragen, wirken wie ein natürlicher schwarzer Rahmen aus spinnenartigen Schatten.
Normalerweise schaue ich nur beiläufig in den Nachthimmel, in einer Art blinder Vertrautheit, und er ist für mich, was er für die meisten Menschen immer schon war: eine riesige Fläche über unseren Köpfen.
Ein Firmament.
Aber nicht in dieser Nacht.
Einige Tage zuvor hatte man uns in der Schule ein Bild unserer Galaxie gezeigt: eine sich drehende Scheibe aus einer Vielzahl von Sternen im unendlichen Weltraum, mit unserem kleinen Planeten in einem ihrer spiralförmigen Arme. Unsere Lehrerin erklärte uns, dass wir genau das sehen, wenn wir in den Nachthimmel blicken, dass wir die Milchstraße sehen und dass wir von unserer Position aus auf einem ihrer Arme in das rotierende Zentrum dieser kolossalen Scheibe blicken.
Und wie ich nun so daliege und nach oben schaue, fällt mir das plötzlich wieder ein, und mitten in meiner friedvollen kindlichen Betrachtung der Dinge packt mich mit einem Mal eine schreckliche Angst.
Ich habe das Gefühl zu fallen, in die Unendlichkeit zu stürzen.
Ich liege nicht mehr auf dem noch warmen Sand eines trockenen Flussbettes und blicke zum Firmament des Nachthimmels hinauf. Jetzt liege ich an eine sich drehende Felskugel gefesselt und blicke nicht nach oben, sondern nach unten, hinab in die Ebene unserer Galaxie mit ihren Milliarden Sonnen, die mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den unendlichen Raum wirbelt. Ich habe das Gefühl, dass die Kraft, die mich an Ort und Stelle hält, jeden Moment nachlassen kann, und wenn sie das tut, werde ich fallen und ins endlose Nichts stürzen.
Das macht mir eine Höllenangst, aber ich halte durch.
Es ist auch ausgesprochen aufregend.
Mein Herz klopft in meiner Brust angesichts der Ungeheuerlichkeit des Gedankens, dieser Tatsache.
Denn dieses Nichts hat auch eine Anziehungskraft, es lockt mich.
Es kostet mich viel Mut, aber ich strecke langsam meine Arme und Beine aus und forme einen Stern auf dem Boden, um loszulassen, um mich fallen zu lassen.
Was mir den Mut gab, meine Arme im Angesicht dieser klaffenden Leere auszustrecken, war Ordnung:
Die Ordnung, die das Chaos in Schach hält.
Dieser Moment hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt, denn es war meiner Erinnerung nach das erste Mal, dass ich diese beiden Dinge so deutlich gespürt habe: das Chaos und die Ordnung.
Das Chaos des Abgrunds vor mir und die Ordnung, die mich an diesem Felsen festhielt, zuvor und seitdem.
In diesem Moment wurde mir klar, wie mächtig diese Ordnung ist – eben weil sie einem Neunjährigen angesichts einer so großen Wahrheit so viel Mut geben kann. Ich hatte Vertrauen in diese Ordnung und glaubte, dass sie mir Halt geben würde, auch wenn ich ihr ins Gesicht blickte.
Dies war aber auch der Moment, in dem ich aufhörte, naiv der Beständigkeit dieser Ordnung zu vertrauen. Ich stellte sie zum ersten Mal infrage. Ich spielte mit dem Gedanken, dass sich unser Planet langsamer drehen oder dass die Schwerkraft versagen könnte. Ich stellte mir vor, wie sich unsere Sonne in Millionen von Jahren ausdehnen und uns verschlucken würde (noch so ein »Fun Fact«, mit dem die Lehrerin uns Neuntklässler in dieser Woche beschenkt hatte). Es war der Moment, in dem mir klar wurde, dass alles scheitern und das Chaos die Oberhand gewinnen könnte.
Die Dinge könnten sich ändern. Die Dinge werden sich ändern.
Es ist für unsere Zwecke hier nicht wirklich wichtig, wem oder was Sie diese Ordnung zuschreiben. Ob es sich um eine »höhere Macht«, die auf religiösen Strukturen beruht, handelt oder einfach um die unveränderlichen Gesetze der Natur. So oder so, in unseren wachsten und bewusstesten Momenten sind wir so erstaunt wie erschrocken darüber, wie alles um uns herum einfach zu funktionieren scheint – ohne unser Zutun und oft ohne unser Verständnis. Ironischerweise ist es wohl diese Faszination, die sowohl Priester als auch Wissenschaftler in ihre jeweiligen Berufe treibt.
Aber selbst wenn wir versuchen, die Ordnung zu untersuchen und zu erklären, sei es analytisch oder spirituell, wissen wir auch, dass das Chaos da draußen ist, und wir wissen tief in uns, dass es letztendlich siegen wird.
Wenn Sie religiös sind, hängen Sie vielleicht einer Vorstellung von Armageddon, Apokalypse oder Ragnarök an. Bevor es Wissenschaftler gab, waren es die Mystiker, die uns – Millionen von Zuhörern in Hunderten von Kulturen – in unzähligen Geschichten daran erinnerten, dass diese Ordnung nicht von Dauer sein würde. Alles wird sich letztendlich in Richtung Chaos bewegen. Wenn Sie Wissenschaftler sind, glauben Sie an Entropie. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass ein sich selbst überlassenes Universum mit allen Dingen darin mit der Zeit immer mehr in Un-Ordnung geraten wird.
Aber genau das ist der Punkt: Wir Menschen überlassen nichts dem Zufall. Wir kontrollieren, wir beeinflussen, wir verändern, und das alles auf Biegen und Brechen. Und im besten Fall sind wir kreativ.
Und darüber wollen wir hier sprechen.
Über das Gestalten und Formen.
Das Formen und Schmieden.
Das Machen.
Das Kreativsein.
Versuchen wir zunächst, die Fragen zu beantworten: Warum ist der Mensch ein so kreatives Wesen? Warum sind wir gezwungen, etwas zu schaffen?
Meine bescheidene Antwort auf diese ungeheuer umfassende Frage lautet, dass wir kreativ sind, weil wir ständig versuchen, Ordnung aus dem Chaos zu machen.
Ich glaube, wir alle wussten immer schon intuitiv, lange bevor die Wissenschaft uns die Sprache dafür gab, in welche Richtung sich das Universum bewegen würde, und jeder schöpferische Akt unsererseits geschieht trotz und im Angesicht dieser Entropie. Jedes Mal, wenn wir einen Pinsel in die Hand nehmen und komplementäre Farbtöne auswählen, um sie auf die Leinwand aufzutragen, oder wenn wir Bildelemente im Sucher unserer Kamera anordnen, um eine ansprechende Komposition zu schaffen, oder wenn wir unsere Finger in nassen Ton drücken, um einem unförmigen Klumpen eine Form abzuringen, biegen wir die Dinge zurück zur Ordnung und entreißen sie dem Chaos.
Selbst wenn ich jetzt hier sitze und wütend auf dieser Tastatur tippe, fühlt sich jedes »Klick« und jedes »Klack« wie eine kleine gewonnene Schlacht an, die das Universum unmerklich von der Unordnung weg und hin zum Leben biegt.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber an den Tagen, an denen ich kreativ bin, fühle ich mich am erfülltesten und schlafe am besten.
Wir müssen kreativ sein, weil uns das angesichts der drohenden Unordnung tröstet. Wir wissen, dass wir, egal wie viel wir tun, das Blatt nicht wenden können, aber wir können Dinge erschaffen, die uns helfen, dem Leben einen Sinn zu geben und uns die Dunkelheit vom Leib zu halten.
Deshalb bemalten die Höhlenmenschen ihre Wände mit Szenen aus ihrem täglichen Leben und nutzten im Fall der in Lascaux entdeckten etwa 20.000 Jahre alten Malereien sogar die Konturen des Felsens, um ihre Bilder dreidimensional erscheinen zu lassen. Sie malten Darstellungen von Tieren und Menschen in schöner Detailtreue und sogar abstrakte Symbole – vielleicht weil Ihnen das ein Gefühl von Kontrolle über die chaotischen Kräfte gab, denen ihr Leben sonst unterworfen war.
Aus diesem Grund ritzten die alten Mesopotamier vor 4.000 Jahren das Gilgamesch-Epos in Tafeln. Sie schufen Geschichten, um die großen Fragen zu beantworten und zu beschreiben, was sie nicht verstanden. Warum sind wir hier? Warum ist das Leben so voller Schmerz und Entbehrungen? Was machen wir mit der Zeit, die uns...
Erscheint lt. Verlag | 15.11.2021 |
---|---|
Übersetzer | Boris Karnikowski |
Verlagsort | Heidelberg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Freizeit / Hobby ► Fotografieren / Filmen |
Schlagworte | Biografie • Entwicklung • Erfahrung • Fotografie • Fotografieren • Kreativität • Kreativität aushalten • Kreativität fördern • Kritik • Malerei • Meaning in the making • Werdegang |
ISBN-10 | 3-96910-653-2 / 3969106532 |
ISBN-13 | 978-3-96910-653-2 / 9783969106532 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 546 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich