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Albert Bonnier und seine Zeit (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
368 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60019-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Albert Bonnier und seine Zeit -  Per T Ohlsson
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Albert Bonnier kam 1835 als Sohn eines jüdischen Buchhändlers von Kopenhagen nach Stockholm. Zwei Jahre später veröffentlichte er sein erstes Buch. Alberts Zeiten standen im Zeichen des Wandels: technisch, politisch, sozial, wirtschaftlich - und literarisch. Als er 1900 starb, war er der bedeutendste Herausgeber schwedischer Belletristik. Dass er diese Position trotz des Antisemitismus, der ihm entgegengebracht wurde, erreichte, grenzt an ein Wunder.  Dies ist die Geschichte von Schwedens erstem modernen Verlag, der Mutter des Piper Verlags, der sich ständig an dem journalistischen Prinzip orientiert, das er sich zu eigen gemacht hat: verbreiten, nicht beurteilen.

Per T Ohlsson, geboren 1958, ist preisgekrönter Journalist und Autor. 1998 erhielt er den Journalistenpreis der Söderberg-Stiftung und 2009 den Nicolin-Preis. Im Jahr 2017 wurde Ohlsson die Ehrendoktorwürde an der Universität Lund verliehen.

Per T Ohlsson, geboren 1958, ist preisgekrönter Journalist und Autor. 1998 erhielt er den Journalistenpreis der Söderberg-Stiftung und 2009 den Nicolin-Preis. Im Jahr 2017 wurde Ohlsson die Ehrendoktorwürde an der Universität Lund verliehen.

1. Kapitel: Ankunft


Von Dresden nach Kopenhagen. Ein revolutionärer Stammbaum? Dänischer Konkurs. Gen Schweden! Ein brachliegender Buchmarkt. In königlichen Gnaden. Albert geht an Land. Das erste Buch.

Albert Bonnier 1842, in dem Jahr, in dem er von seinem Buchhändlerpraktikum zurückkehrte. [2]

 

Albert Bonnier, der 1835 in Stockholm am Riddarholmen-Kai an Land ging, war nicht der Erste seiner Familie, der in Schweden sein Glück suchte. Sein älterer Bruder Adolf und sein Vater Gerhard waren vor ihm in Schweden eingetroffen. Sein Bruder hatte reüssiert, sein Vater hingegen hatte die Zahlungen einstellen müssen. Den Beginn des Wirkens der Bonniers in Schweden auf Alberts Ankunft im Jahr 1835 oder seine erste Buchpublikation 1837 zu datieren, kann daher ein wenig irreführend erscheinen. Albert war zwar ein erfolgreicher Unternehmer in der literarischen Sphäre und ein Erneuerer, aber ein Pionier war er nicht. Diese Rolle fällt Adolf Bonnier zu.

Im Hinblick auf Alberts dürftige Mittel und auf seine Jugend – im Oktober wurde er fünfzehn – war für ihn an eine eigene Wohnung nicht zu denken. Er wurde bei Adolf einquartiert, der über der Buchhandlung am Storkyrkobrinken wohnte. Der vierzehn Jahre ältere Adolf war in Stockholm bereits recht etabliert und seit einem Jahr mit Esther, einer geborenen Philip, verheiratet. Die beiden hatten sich in Karlskrona kennengelernt. Esthers Familie gehörte zu der kleinen jüdischen Gruppe, die die Erlaubnis erhalten hatte, sich in der Marinestadt anzusiedeln. Zwischen Albert und Esther scheint unmittelbar eine liebevolle Beziehung entstanden zu sein, und Esther wurde zu einer Art zweiten Mutter für ihren jungen Schwager.

***

Außer den Koffern und Kisten, die im Laufe dieser Jahre von Kopenhagen nach Schweden verschifft wurden, hatten die Bonniers auch noch eine Familiengeschichte im Gepäck.

Gerhard Bonnier, der Vater der Brüder, war 1778 als Gutkind Hirschel in Dresden, der damaligen Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen, zur Welt gekommen. Dresden war vom Siebenjährigen Krieg 1756 bis 1763 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Wie in vielen anderen Orten in Europa hatte der Antisemitismus in Dresden eine lange Tradition, und die Versorgungsmöglichkeiten der jüdischen Minderheit waren stark begrenzt. Trotzdem scheint Gutkind Hirschel in einer relativ wohlhabenden Familie aufgewachsen zu sein, die noch dazu groß war. Seine Eltern, der Juwelier Löbel Salomon Hirschel und seine Frau Feile Srasser, hatten zehn Kinder, von denen acht das Erwachsenenalter erreichten.

Gerhard Bonnier, Alberts Vater, geboren in Dresden als Gutkind Hirschel. [3]

 

Über die Kindheit und Jugend Gutkind Hirschels wissen wir kaum etwas. Die Forschungslage wird durch die vollkommene Zerstörung Dresdens bei einem Bombenangriff der Alliierten im Februar 1945 zusätzlich erschwert. Dank der Familiengeschichte seines Enkels Karl Otto Bonnier und vor allem der gediegenen Recherche und der Zusammenfügung verschiedener Fragmente, die Svante Hansson mit seiner Biografie Den förste Bonnier (Der erste Bonnier) vorlegte, lässt sich in groben Zügen trotzdem ein Bild anfertigen.

Gutkind muss eine für Juden damals ungewöhnlich gründliche Ausbildung in weltlichen Fächern erhalten haben, denn er konnte sich später unter anderem mit seiner Arbeit als Sprachlehrer ernähren. Die isolierten, an den Rand gedrängten Dresdner Juden sprachen überwiegend Jiddisch. Gutkind beherrschte neben der deutschen Sprache auch Französisch und zu einem gewissen Grade Englisch. Wo er sich diese Sprachkenntnisse angeeignet hatte, ist unklar, aber vieles deutet auf das damals in der österreichischen Provinz Böhmen gelegene Prag hin. Hier hatte 1781 das Toleranzpatent des deutsch-römischen Kaisers Joseph II. den Juden größere Rechte eingeräumt, um sie für den Staat »nützlich« zu machen.

Wahrscheinlich veranlassten die vielen Einschränkungen, die den Juden zu Hause in Dresden auferlegt wurden, Gutkind, nach Norden, gen Kopenhagen, zu ziehen. Nach einem Aufenthalt in Hamburg, während dem er als Sprachlehrer sein Auskommen fand, reiste er im Oktober 1801 über Lübeck nach Kopenhagen, um auch hier als Lehrer zu arbeiten. Zweieinhalb Jahre später bewilligte man ihm die dänische Aufenthaltsgenehmigung. Er führte den Titel Sprogmester (Sprachmeister), und nach Briefen und anderen Dokumenten zu urteilen, scheint er verblüffend rasch, zumindest in Grundzügen, die dänische Sprache gelernt zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits mit einer Dänin verheiratet, mit Ester Elkan.

In Bezug auf die Rechte der Juden war Dänemark schon zu dieser Zeit ein relativ tolerantes Land. Im Jahr 1814 wurde der sogenannte jüdische Freiheitsbrief verabschiedet, ein Gesetz, das es Juden erlaubte, halbwegs gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilzunehmen. Die Wahl von Kopenhagen als Wohnort wirkt also konsequent für einen jungen, ehrgeizigen und gebildeten Juden aus Dresden, der den französisch klingenden Namen Gerhard Bonnier annimmt.

***

Hier in Kopenhagen beginnt die Geschichte der Buchhändler- und Verlegerfamilie Bonnier. Denn aus Gerhards Plänen, als Lehrer, als Sprogmester, in der dänischen Hauptstadt zu arbeiten, wurde nicht viel. Gerhard stand der Sinn nach der Welt der Bücher.

1803, im Jahr seiner Hochzeit, kaufte Gerhard eine Leihbücherei und verlegte sie in die Kronprinsensgade, in der er wohnte. Am wichtigsten war jedoch, dass er 1805 den Bürgerbrief als Buchhändler erhielt, also die Genehmigung zum Verkauf von Büchern. Wie auch seine Leihbücherei hatte seine Buchhandlung eine internationale Ausrichtung mit einem Schwerpunkt auf Fachbüchern und wissenschaftlicher Literatur. Schwedische Autoren waren stark vertreten, beispielsweise durch die beiden Botaniker Elias Fries aus Lund und Carl Peter Thunberg aus Uppsala.

Ein Jahr zuvor hatte er einen Verlag gegründet, dessen erster Artikel eine Übersetzung aus dem Deutschen mit dem Titel Underfulde og sandfærdige Kriminalhistorier (Wunderbare und wahrhaftige Kriminalgeschichten) darstellte. Dies war also das erste Buch, auf dessen Titelseite Bonnier als Verlagsname erschien. Wie bei seiner Leihbücherei und der Buchhandlung konzentrierte sich der Buchverleger Gerhard Bonnier stärker auf Übersetzungen ausländischer Fachbücher als auf dänische Belletristik. Es war ihm wichtig, internationale Kontakte zu knüpfen, wobei ihm seine Sprachkenntnisse natürlich zugutekamen, und er unternahm mehrere Auslandsreisen. Diese grenzüberschreitenden Ambitionen sollte er später einmal an seine Söhne Adolf und Albert vererben. Doch aus Achtung vor seinem neuen Heimatland enthielt Gerhards Katalog einige Werke der größten Namen, die die dänische Literatur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu bieten hatte, Adam Oehlenschläger und N. F. S. Grundtvig.

In diesem Haus in Kopenhagen befand sich Gerhard Bonniers Buchhandlung.

 

Wie sah es aber nun mit dem eigenen Namen des Verlegers aus? In Dänemark wurde Gutkind Hirschel schließlich zu Gerhard Bonnier.

Der Namenswechsel gehört zu den eher bizarren Details der Bonnier’schen Familiengeschichte. Er basiert auf einer freien Erfindung, die den fantastischsten Romanen des Verlages kaum nachsteht.

Laut einem von Gerhard selbst verfassten Artikel im dänischen Litteraturlexicon von 1827 war er gar nicht in Dresden geboren worden, sondern im ostfranzösischen Besançon. In diesem Literaturlexikon steht Folgendes: »Der bekannte französische Deputierte Bonnier […] war sein Onkel.«

Bei diesem Onkel handelte es sich um den Adeligen Antoine Bonnier d’Alco, der nach der Revolution 1789 Mitglied der gesetzgebenden Nationalversammlung und des Nationalkonvents wurde. Er gehörte der Mehrheit an, die dafür stimmte, Ludwig XVI. guillotinieren zu lassen. Während der Revolutionskriege machte Bonnier d’Alco Karriere als Diplomat und war französischer Abgesandter bei den Friedensverhandlungen im Rahmen des zweiten Rastatter Kongresses 1799. Bonnier d’Alco verließ die Beratungen im Protest darüber, wie Frankreich von seinen Feinden behandelt wurde. Bei seiner Abreise kam es zu einem Überfall, und Bonnier d’Alco wurde ermordet. Dieser Mord erregte in ganz Europa große...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2021
Übersetzer Holger Wolandt, Lotta Rüegger
Zusatzinfo Mit zahlreichen Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte Albert Bonnier • Albert Bonniers Förlag • Albert Bonniers Förlag AB • Antisemitismus • Biographie • Bonnier AB • Bonnier Media • Buch • Bücher • Judentum • Nationalsozialismus • Piper Verlag • Sachbuch • Schweden • schwedische Geschichte • Unternehmensgeschichte • Verlage • Verlagsgeschichte • Verleger • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-492-60019-0 / 3492600190
ISBN-13 978-3-492-60019-4 / 9783492600194
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