Das Ende von allem* (eBook)
272 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60011-8 (ISBN)
Katie Mack ist Theoretische Astrophysikerin und beschäftigt sich mit einer Fülle von kosmologischen Fragen zum Ursprung, der Entwicklung und dem Ende des Universums. Sie ist derzeit als Assistenzprofessorin am Fachbereich Physik der North Carolina State University tätig. Zahlreiche fach- und populärwissenschaftliche Publikationen. Ihr Twitter-Account @AstroKatie gehört zu den meistbesuchten Wissenschaftsaccounts weltweit.
Katie Mack ist Astrophysikerin und derzeit als Assistenzprofessorin am Fachbereich Physik der North Carolina State University tätig. Ihr Twitter-Account @AstroKatie gehört weltweit zu den meistbesuchten Accounts von professionellen Wissenschaftlern.
1 Einführung in den Kosmos
Manch einer sagt,
in Feuer stirbt die Welt.
Ein anderer, in Eis.
Da vom Geschmack der Lust ich weiß,
halt ich’s mit dem, der auf das Feuer zählt.
Doch wenn es zweimal untergehen heißt,
weiß ich vom Hass genug,
dass die Zerstörung Eis
genauso tut
und alles fällt.
Robert Frost, Feuer und Eis (1920)[1]
Die Frage, wie die Welt enden wird, war bei Dichtern und Denkern seit jeher Gegenstand von Spekulationen und Diskussionen. Dank der Wissenschaft kennen wir heute die Antwort: Die Welt wird in Feuer untergehen. In Feuer – definitiv. In etwa fünf Milliarden Jahren wird die Sonne zu einem sogenannten Roten Riesen anschwellen, den Merkur und vielleicht auch die Venus verschlingen und die Erde zu einem verkohlten, unbelebten, magmabedeckten Gesteinsbrocken machen. Auch der tote, schwelende Rest der Erde wird wahrscheinlich das Schicksal haben, in die äußeren Schichten der Sonne einzugehen und seine Atome in der aufgewühlten Atmosphäre des sterbenden Sterns zu verstreuen.
Also Feuer. Das wäre geklärt. Frost hat zum ersten Mal richtiggelegen.
Doch er hat nicht groß genug gedacht. Ich bin Kosmologin. Ich erforsche das Universum, und zwar als Ganzes, im größten Maßstab. Aus dieser Perspektive ist die Erdenwelt ein kleines sentimentales Staubkorn, das in einem gigantischen und vielgestaltigen Universum dahintreibt. Was mich interessiert, beruflich und privat, ist eine größere Frage: Wie wird das Universum enden?
Wir wissen, dass es einen Anfang hatte. Vor etwa 13,8 Milliarden Jahren verwandelte sich das bis dahin unvorstellbar komprimierte Universum in einen einzigen kosmischen Feuerball, zu einem sich allmählich abkühlenden fluiden Gemenge aus Materie und Energie, aus dem irgendwann die Sterne und Galaxien hervorgingen, die wir heute am Himmel sehen. Planeten bildeten sich, Galaxien kollidierten, Licht durchflutete den Kosmos. Ein felsiger Planet, der einen gewöhnlichen Stern nahe dem Rand einer Spiralgalaxie umkreist, brachte Leben hervor, zum Beispiel spindeldürre zweibeinige Säugetiere, die Computer benutzen, Politikwissenschaft treiben und zum Spaß Physikbücher lesen.
Aber wie geht es weiter? Wie wird die Geschichte enden? Der Tod eines Planeten, ja sogar der eines Sterns, könnte prinzipiell überlebt werden. Es könnte sein, dass die Menschheit in Milliarden Jahren in einer vielleicht nicht wiederzuerkennenden Form noch existiert, sich in ferne Weiten des Weltalls hinauswagt, eine neue Heimat findet und neue Zivilisationen hervorbringt. Der Tod des Universums wird jedoch das endgültige Ende sein. Was wird es für uns, für alles bedeuten, wenn es dazu kommt?
Willkommen in der Endzeit
Obwohl es einige (höchst unterhaltsame) klassische Abhandlungen darüber in der wissenschaftlichen Literatur gibt, bin ich dem Begriff »Eschatologie«, der die Lehre von den »Letzten Dingen« bezeichnet, zum ersten Mal in Büchern über Religion begegnet.
Die Eschatologie – genauer: das Ende der Welt – bietet vielen Religionen die Möglichkeit, die Lehren der Theologie zu kontextualisieren und ihre Bedeutung den Gläubigen mit überwältigender Eindringlichkeit vor Augen zu führen. Trotz aller theologischen Unterschiede haben das Christentum, das Judentum und der Islam eine Vision von der Endzeit gemeinsam, wonach diese eine Erneuerung der Welt herbeiführen werde, in der das Gute über das Böse triumphiert haben würde und diejenigen, die in der Gunst Gottes stehen, belohnt würden.[1] Vielleicht dient die Verheißung eines Jüngsten Gerichts dazu, die unerfreuliche Tatsache auszugleichen, dass unsere unvollkommene, ungerechte, von Zufällen regierte physische Welt denjenigen, die richtig leben, kein gutes, erfülltes Leben garantieren kann. Wie ein Roman von seinem Schlusskapitel gekrönt, aber auch rückwirkend ruiniert werden kann, so scheinen viele religiöse Philosophien ein Ende der Welt, und zwar ein »gerechtes« Ende, zu benötigen, damit die Welt einen Sinn gehabt hat.
Natürlich verheißen nicht alle Eschatologien Erlösung, und nicht alle Religionen sagen eine Endzeit voraus. Während des Hypes um den Weltuntergang, der angeblich für den 21. Dezember 2012 zu erwarten war, wurde selten erwähnt, dass die Mayas eine zyklische Vorstellung von der Geschichte des Universums hatten, die als solche kein bestimmtes »Ende« vorsah. Die Hindus denken noch heute so. Die Zyklen in diesen Traditionen sind übrigens keine bloßen Wiederholungen, sondern sie enthalten die Möglichkeit, dass die Dinge beim nächsten Mal besser sein werden: Dein Leiden in dieser Welt ist schlimm, aber verzage nicht, eine neue Welt wird kommen, die nicht von den Ungerechtigkeiten der Gegenwart gezeichnet, sondern besser sein wird – vielleicht sogar infolge dieser Ungerechtigkeiten der Gegenwart. In weltlichen Geschichten vom Ende begegnen wir einer ganzen Bandbreite von Sichtweisen, von der nihilistischen Auffassung, dass letztlich das Nichts die Oberhand erlangen wird, bis hin zu der verwegenen Vorstellung von einer ewigen Wiederkehr, in der alles, was geschehen ist, auf genau dieselbe Weise immer wieder geschehen wird.[2] Diese beiden offenkundig konträren Theorien werden gemeinhin mit Friedrich Nietzsche in Verbindung gebracht, der sich, nachdem er den Tod eines jeden Gottes verkündet hatte, der im Universum Sinn und Ordnung stiften könnte, mit den Implikationen eines Lebens in einem Kosmos ohne finale Erlösung auseinandersetzte.
Natürlich hat nicht nur Nietzsche über den Sinn des Lebens nachgedacht. Aristoteles, Laotse, Simone de Beauvoir, Captain Kirk und Buffy der Vampir-Killer, um nur einige wenige zu nennen – sie alle haben sich irgendwann einmal gefragt: »Welchen Sinn hat das alles?« Und zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Buches haben wir noch immer keine gemeinsame Antwort gefunden.
Unabhängig davon, ob wir eine Religion oder Philosophie haben oder nicht: Es lässt sich kaum bestreiten, dass das Wissen um unser kosmisches Schicksal einen Einfluss darauf haben muss, wie wir über unsere Existenz denken – ja, wie wir leben. Wenn wir wissen wollen, ob das, was wir tun, letztlich einen Sinn hat, fragen wir als Erstes: Wozu führt das? Was kommt dabei heraus? Und wenn wir diese Frage beantwortet haben, stellt sich unmittelbar die nächste: Was bedeutet das jetzt für uns? Müssen wir immer noch nächsten Dienstag den Müll hinaustragen, wenn das Universum eines Tages sterben wird?
Ich habe theologische und philosophische Texte durchforstet und dabei viel gelernt, aber leider nichts über den Sinn des Lebens erfahren. Vielleicht bin ich dafür einfach nicht geschaffen. Am stärksten haben mich immer Fragen angezogen, die mit Mathematik, wissenschaftlicher Beobachtung und physikalischen Beweisen beantwortet werden können. So reizvoll es manchmal schien, die Frage nach dem Sinn des Lebens ein für alle Mal in einem Buch beantwortet zu finden – ich wusste, dass ich immer nur die Art von Wahrheit würde akzeptieren können, die ich mathematisch ableiten konnte.
Aufschauen
In den Jahrtausenden, seit die Menschheit zum ersten Mal nach ihrem dereinstigen Schicksal fragte, haben sich die philosophischen Implikationen der Frage nicht geändert, wohl aber die Instrumente zu deren Beantwortung. Heute ist die Frage nach der Zukunft und dem Ende der gesamten Wirklichkeit eine rein wissenschaftliche Frage, deren Antwort in greifbarer Nähe liegt. Doch noch zu Robert Frosts Zeiten tobten in der Astronomie Debatten darüber, ob sich das Universum in einem stabilen Zustand befinde, in dem es unwandelbar bis in alle Ewigkeit existieren würde. Es war eine reizvolle Vorstellung, dass unser Kosmos dauerhaft und gastfreundlich sei: eine verlässliche Heimat, in der man alt werden könne. Die Entdeckung des Urknalls und der Tatsache, dass das Universum sich ausdehnt, schlossen dies jedoch aus. Das Universum verändert sich, und wir haben gerade erst begonnen, Beobachtungen zu machen und Theorien aufzustellen, die uns verstehen lassen, wie es sich verändert. Die Entwicklungen der letzten Jahre, ja der letzten Monate erlauben uns aber, ein Bild von der fernen Zukunft des Kosmos zu zeichnen.
Dieses Bild möchte ich mit Ihnen teilen. Mit den besten Messergebnissen, die wir haben, ist nur eine Handvoll apokalyptischer Szenarien vereinbar, von denen einige durch Beobachtungen, die wir gerade machen, vielleicht bestätigt oder aber ausgeschlossen werden können. Diese Szenarien verschaffen uns einen Einblick in die Arbeit der Wissenschaft an vorderster Front, und sie erlauben uns, die Menschheit in einem neuen Kontext zu sehen: in einem Kontext, in dem sich meiner Meinung nach selbst dem Wissen um die dereinstige totale Vernichtung etwas Positives abgewinnen lässt. Wir sind eine Spezies, die zwar um ihre letztliche Bedeutungslosigkeit weiß, aber die Fähigkeit besitzt, weit über ihre banale Existenz in die Leere hinauszudenken und die grundlegendsten Geheimnisse des Kosmos zu enthüllen.
Um es frei nach Tolstoi zu sagen: Alle glücklichen Universen gleichen einander, während alle unglücklichen auf ihre eigene Weise unglücklich sind. Ich lege in diesem Buch dar, wie kleine Korrekturen unseres heutigen, unvollständigen Wissens vom Kosmos zu sehr unterschiedlichen Voraussagen über die Zukunft führen können, von einem Universum, das kollabiert, über ein Universum, das zerreißt, bis hin zu einem Universum, das einem ebenso allmählichen wie unausweichlichen Untergang erliegt, indem es sich aufbläht. Ich werde die Entwicklung unseres modernen Verständnisses vom Universum und seinem Ende...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2021 |
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Übersetzer | Jens Hagestedt |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
Naturwissenschaften ► Physik / Astronomie ► Astronomie / Astrophysik | |
Schlagworte | Albert Einstein • Astronomie • Astrophysik • Big Bang • carl sagan • Galaxie • Galaxis • Gravitation • Gravitationswellen • Kosmologie • Kosmos • Naturwissenschaft • Planeten • Quantenphysik • RaumZeit • Relativitätstheorie • Richard Feynman • Schwarze Löcher • Schwerkraft • Stephen Hawking • Universum • Weltall |
ISBN-10 | 3-492-60011-5 / 3492600115 |
ISBN-13 | 978-3-492-60011-8 / 9783492600118 |
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