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Der Antike-Knigge. Angenehm auffallen im Herzen des Imperiums (eBook)

Fündling, Jörg - Erläuterungen zu Bräuchen und Umgangsformen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
246 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961849-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Antike-Knigge. Angenehm auffallen im Herzen des Imperiums -  Jörg Fündling
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Was würden Sie anziehen, wenn Sie im Rom zu Zeiten des Kaisers Marc Aurel zum Abendessen eingeladen wären? Wer jetzt antwortet 'Na, eine Toga!', der hätte besser mal im Antike-Knigge nachgelesen. Denn der gibt so manches zu bedenken: Sie speisen im Liegen - wollen Sie da wirklich Massen an Stoff auf sich haben? Die Bleigewichte im unteren Saum drücken an den Schienbeinen. Und der kunstvoll drapierte Gewandbausch könnte sich bei einer unachtsamen Bewegung auflösen (und seinen Inhalt - Notiztäfelchen, Kleingeld ... - auf der Liege verteilen)! Denken Sie auch dran, einen Fackelträger mitzunehmen - irgendeiner muss Sie ja im Dunkeln heimführen. Was bringen Sie als Gastgeschenk mit? Wann schlagen Sie dort auf? Wen ... Der Althistoriker Jörg Fündling hat das Knigge-Konzept auf die Antike übertragen und gibt in launigen Kapiteln Benimmtipps für unterschiedliche Gelegenheiten, eben die berühmten Dos and Don'ts, treffender gesagt: ?Fac et noli?!

Jörg Fündling, geb. 1970, ist Althistoriker, er lebt und arbeitet in Aachen. Bei Reclam erschien von ihm 'Asterix. 100 Seiten'.

Jörg Fündling, geb. 1970, ist Althistoriker, er lebt und arbeitet in Aachen. Bei Reclam erschien von ihm "Asterix. 100 Seiten".

Vorwort
Allgemeine Hinweise für Zugezogene und Reisende aus der Provinz
Kleidung, Schmuck, Frisur
(Körper-)Sprache
Im Alltag
In der Familie
Auf Reisen und als Übernachtungsgast bei Freunden oder Bekannten
Einladung zum Abendessen: die Bühne des Soziallebens
Besondere Anlässe (Hochzeit, Todesfall etc.)
Auftritt in der Öffentlichkeit: herausstechend korrektes Benehmen in der Masse
Fremde Sitten, auf die Sie stoßen könnten

Nachwort für Romkundige des Jahres 2021 n. Chr.
Scripta manent: Nützliche Bücher zum Thema

[13]Urbanitas: auf raffinierte Weise bodenständig sein


Die großen Städte des Reiches nennen wir im Plural natürlich gerne urbes, aber wenn jemand sagt »Ich reise morgen in die urbs«, dann kann er eigentlich nur eine meinen: die Weltstadt, das Haupt und die Krone aller Städte, das ewige Rom. Und wie es nur eine wahre urbs gibt, gibt es auch nur eine ideale Verhaltensweise im Umgang mit Freunden und besonders mit den nur locker Bekannten: die urbanitas, das weltstädtische Denken.

Bei den Vornehmen und Gebildeten ist die urbanitas besonders daheim – aber sie strahlt auf ihre Weise ins ganze Rom aus. Sogar die dreckigsten Schimpfwörter in den Armenvierteln erscheinen einem irgendwie feinsinniger als anderswo. Das Ideal der urbanitas ist nicht so alt wie viele andere Traditionen. Es ist ein Kind der unruhigen Zeiten vor der Wiederherstellung der Republik durch unseren ersten Kaiser – dessen treue Anhänger aus Literatur und [14]öffentlichem Leben ihm den letzten Schliff gegeben haben, nachdem die mit scharfer Klinge redenden (und manchmal auch zuschlagenden) Größen der Bürgerkriegszeit die Vorarbeit geleistet hatten. Die spitzeste Zunge Roms gehörte damals Cicero – von dem man bekanntlich sagt, er habe lieber einen Freund verprellt, als sich eine ironische Bemerkung zu verkneifen –, aber auch sonst standen die Redner damals vor dem interessanten Dilemma, dass sie sich mit Bekannten vertragen mussten, denen sie (wenn sie um ein Amt konkurrierten) in ihren Ansprachen Inzest mit der eigenen Schwester, kindliche Grausamkeit gegenüber Tieren und finanzielle Unsolidität vorgeworfen hatten. Oft genug setzte sich dieser Krieg nach dem Ende der Rede fort und Beleidigungen wurden blutig gerächt. Ciceros Kopf endete beispielsweise getrennt von seinem Körper, wie Sie wissen, und um die Zunge kümmerte sich Fulvia, die Frau seines letzten politischen Feindes Marcus Antonius, die ihre Portion an Ciceros Bosheiten abbekommen hatte. Er stichelte sie mit Zweideutigkeiten, sie stichelte sein totes Fleisch mit ihren Haarnadeln. So wird zumindest erzählt.

Wie viele Zehntausende sind damals gestorben, welche Vermögen verloren gegangen, wie viele Familien haben sich in kleine Kriegsgebiete voller Todfeinde verwandelt! Die urbanitas ist, wenn Sie so möchten, ein Kind dieser schrecklichen Erfahrungen. Nach fünfzig Jahren Bürgerkrieg mit Unterbrechungen und nach insgesamt hundert Jahren bitterer politischer Feindschaften mussten die besten Köpfe Roms, politisch und kulturell, erst einmal lernen, sich zu vertragen – so gut wie jede Familie hatte irgendwann auf irgendeiner Verliererseite gestanden. Denken Sie an die Blütezeit unserer Literatur unter dem [15]Vergöttlichten Augustus und seinen Beratern! Horaz, der Dichter der urbanitas, hat als junger Mann schließlich bei Philippi auf der falschen Seite gekämpft. Unser lateinischer Homer wiederum, Vergil selbst, erwähnt nicht von ungefähr die bedauerlichen, aber politisch gebotenen Massenenteignungen zugunsten der Soldaten des Augustus und seiner unmoralischen Verbündeten; mit den Tausenden unschuldigen Bürgern aller Stände hatte damals auch seine Familie zu leiden. Wenn Horaz und Vergil nun jedes Mal für den Rest ihres Lebens Augustus böse Blicke zugeworfen hätten, wie hätte es je zum Goldenen Zeitalter der lateinischen Dichtung kommen sollen? Und wenn alle anderen sich an unbeglichene Rechnungen erinnert hätten, wie wäre der Frieden eingekehrt? Augustus hatte sich seine kleinen Jugendsünden längst verziehen, also verziehen sie ihm auch, erkannten seine guten Seiten und arrangierten sich mit der neuen Ordnung. Wie das in der Politik die anderen glücklichen Überlebenden auch taten …, und so haben sie (außer wenigen Unbelehrbaren) nach dem Krieg auch den Frieden überlebt. Damit begann Roms neuer Wohlstand und die Zeit der Weltherrschaft.

Sie sehen: Den richtigen Ton zu wählen kann in manchen Zeiten (über)lebenswichtig sein. (Unter dem einen oder anderen Kaiser hat es ja leider heikle Phasen gegeben.) Zu allen Zeiten wirkt es Frieden stiftend. Wenn wir Römer nicht gelernt hätten, auch schweren Herzens unbekümmert miteinander umzugehen, wenn wir nicht die Kunst erfunden hätten, unseren Spott und die Sticheleien nur bis zu einer bestimmten Grenze zu treiben, aber nicht zu weit – als Redner vor Gericht muss ich über den Mandanten der Gegenseite ja immer noch hässliche Dinge sagen, [16]das gebietet der Beruf –, wenn unsere vornehmsten Leute sich alle Gefühle und bösen Gedanken ungesiebt an den Kopf werfen wollten, was dann? Dann hätten wir pausenlos Hofintrigen, Verrat, gefährliche Intimfeindschaften und außerdem bürgerkriegsähnliche Zustände. Das stolze Rom wäre wie ein schlechter Roman voller Räuber und Piraten, wäre nichts als spätrepublikanische Dekadenz. Und davor bewahrt uns außer der Weisheit des Kaisers und der Würde des Senats auch die urbanitas, die zur Tugend unserer Hauptstadtbevölkerung geworden ist!

»Aber was genau ist jetzt die urbanitas?«, fragen Sie sich vielleicht. Das lernt man am besten durch Beobachten; es ist eine Haltung, die man sich antrainiert. Zunächst einmal gehört dazu eine fröhliche Neugier – »mal sehen, was heute Peinliches passiert«. Wie alle Großstädter sind die urbanen Römer versessen auf Nachrichten und würzige Gerüchte aus der weiten Welt, die sich dann spitz und mit einem guten Bonmot kommentieren lassen. Männer sind beim Tratsch natürlich im Vorteil, weil sie ihn jeden Morgen vom Barbier geliefert bekommen (deshalb misstraue ich den uninformierten Leuten, die sich aus Geiz und falscher Genügsamkeit selber rasieren) – und dort lernen Sie auch eine weitere wichtige Komponente der urbanitas: warten können, bis der Moment zur Antwort da ist. Wenn Sie dem Barbier um jeden Preis gleich etwas Schlagfertiges antworten müssen, haben Sie wahrscheinlich einen Schnitt im Kinn …

Weil der Klatsch von Barbier zu Kunde zu Barbier läuft, haben sich Roms Frauen – wird behauptet – seit Ausbruch des kaiserzeitlichen Friedens diese komplizierten Frisuren zugelegt, die morgens gut eine Stunde brauchen. In dieser Zeit erfährt die ornatrix der Herrin in einer Arbeitspause [17]schnell von den übrigen Haussklaven, was der tonsor gerade dem Herrn erzählt hat, und kann es direkt weitergeben, während sie an die nächste Portion Flecht- und Kräuselarbeit geht. Das ist nur wünschenswert: Eine kluge Frau lässt ihren Mann gern mit seinem sozialen Wissen glänzen, wenn beide in Gesellschaft sind, aber beraten können muss sie ihn unbedingt, und wie sollte das ohne aktuelle Gerüchte gehen? (Deshalb ist es auch so praktisch, wenn sie all die in Mode gekommenen Bücher liest, die er nicht lesen kann oder will, und wenn die inoffiziellen Gerüchte und Bonmots unter Freundinnen die offiziellen aus Politik und Männerkreisen ergänzen.)

Sie sehen, es ist harte Arbeit, mit der urbanitas aktuell zu bleiben! Idealerweise muss der urbane Römer alles, was gerade vor sich geht, so genau kennen, dass er bei nächster Gelegenheit einen Eingeweihten-Witz machen kann, allgemeines Gelächter erntet und dem Unglücklichen, der die Anspielung nicht verstanden hat, mit boshafter Nachsicht (und mit weiteren originellen Formulierungen, an denen der Rest der Anwesenden seinen Spaß hat) Nachhilfeunterricht geben kann.

Sie müssen nicht alles mitmachen und selbst praktizieren, aber Sie sollten idealerweise alles mit trockenem Humor kommentieren können. Wahlweise auch mit derbem!

Natürlich sollten Sie nicht in jedem dritten Satz ein schmutziges Wort unterbringen, sonst sortiert man Sie als peinlichen Brüllwitze-Erzähler ein. Wenn Sie urban sind, [18]pflegen Sie die feine Ironie und werden bei seltenen, gut gewählten Gelegenheiten grob – wichtig ist, nur dann zu verletzen, wenn Sie das auch wollen. Wie die Freundschaft, so ist auch die Feindschaft in Rom traditionell eine beinahe offizielle Angelegenheit, die förmlich angekündigt wird, also möchten Sie sie bestimmt nicht aus Versehen vom Zaun brechen …

Urbanitas ist es auch, zu wissen, welche Witze und Anspielungen gerade aktuell sind und wie wissend (oder müde) man darüber lachen sollte. Auch hier geht es darum, jeder Situation in Gesellschaft gewachsen zu sein – Sie können nicht immer allem überlegen sein, aber Sie können einen überlegenen Eindruck machen und mit geübter Entspannung mitlachen, wenn ein Witz auf Ihre Kosten geht. Der perfekte urbanus steckt Boshaftigkeiten an seine Adresse nicht nur lächelnd weg (und revanchiert sich später in gleicher Münze, treibt die Angelegenheit aber nicht auf die Spitze), sondern lässt durchblicken, dass er zu schätzen weiß, wie schlau, individualisiert und treffsicher die Bosheit ausgedacht war. Als wäre sie eigentlich ein Gastgeschenk gewesen …

Über nichts sollten Sie besser informiert sein als über den Klatsch, der Sie selbst zum Thema hat!

Praktisches Wissen handhaben Sie ähnlich: Idealerweise geht man davon aus, dass Sie jede Frage in jeder Lebenslage klug und hilfreich beantworten können? Dann streiten Sie das lässig ab und machen ein paar selbstironische Scherze: [19]Sie könnten ein Buch über griechische Bildhauer schreiben (oder das glaubt man zumindest) – aber Sie tun so, als hielten Sie Praxiteles für diesen schielenden...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2021
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Vor- und Frühgeschichte / Antike
Geschichte Allgemeine Geschichte Vor- und Frühgeschichte
Schlagworte Alltag Alte Rom • Alltagsgeschichte Alte Rom • Alltagsgeschichte Antike • Anthropologie • Basiswissen • Benimmregeln Alte Rom • Benimmregeln Antike • Bräuche • Einführung • Erläuterungen • Ethnographie • Ethnologie • gelb • gelbe bücher • Gesellschaft • Globalisierung • Grundlagen • Gutes Benehmen Alte Rom • Gutes Benehmen Antike • Identität • Knigge Alte Rom • Knigge Antike • Kolonialismus • Kultur • Kulturgeschichte Alte Rom • Kulturgeschichte Antike • Leben Alten Rom • Leben Antike • Lektüre • Multikulturalismus • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Rituale • Studenten • Studentinnen • Studierende • Traditionen • Umgangsformen • universalbibliothek • Universität • Verhaltensweisen Alte Rom • Verhaltensweisen Antike • Vorlesungen • Wissen • Wissenschaft • Wissenschaftliche Abhandlung
ISBN-10 3-15-961849-8 / 3159618498
ISBN-13 978-3-15-961849-4 / 9783159618494
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