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Eine andere Welt ist möglich -

Eine andere Welt ist möglich

Alternativen zur Globalisierung

Jerry Mander, John Cavanough (Herausgeber)

Buch | Hardcover
384 Seiten
2003
Riemann Verlag
978-3-570-50048-4 (ISBN)
CHF 30,80 inkl. MwSt
  • Titel ist leider vergriffen, Neuauflage unbestimmt
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Die Zukunftsperspektiven führender Globalisierungskritiker


Welche strukturellen Veränderungen sind notwendig, um zu einer gerechteren, friedlicheren Weltordnung zu kommen?


Wenn wir nicht zulassen wollen, dass Konzerninteressen die Welt in eine globale Freihandelszone verwandeln, brauchen wir einen grundlegenden Umbau von Institutionen und Strukturen, die seit den Anfängen von Bretton Woods die Interessen des Kapitals über alle anderen gestellt haben. Und das heißt für die in diesem Band versammelten Experten: Abschaffung der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation. Für internationale Handels- und Finanztransaktionen müssen neue Regeln formuliert werden. Unter dem Dach einer gestärkten UNO müssen neue globale Organisationen gegründet werden.


"Eine andere Welt ist möglich" formuliert Prinzipien, die auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene durchzusetzen sind. Dazu gehören: die Stärkung lokaler Wirtschaftsformen; strukturelle Veränderungen von Produktions- und Transportsystemen; der Schutz des Gemeineigentums vor privaten Kapitalinteressen; die Erhaltung von Artenvielfalt und kultureller Eigenständigkeit; die Beachtung des Nachhaltigkeitsprinzips; die Einführung neuer Maßstäbe zur Bewertung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.


Besondere Aufmerksamkeit gilt den Ländern des Südens, die mehr als alle anderen zu den Opfern von IWF und WTO und damit zu den Verlierern der Globalisierung gehören. Nach Jahren der Proteste gegen die Globalisierung werden nun konkrete Vorschläge für einen sozialen Paradigmenwandel zur Diskussion gestellt. Die Autoren machen deutlich, dass der Weg zu wahrhaft demokratischen, nachhaltigen Beziehungen in Wirtschaft und Gesellschaft steinig sein wird. Doch die hoffnungsvolle Botschaft lautet: Eine bessere Welt ist möglich!






Jerry Mander studierte an der Business School der Columbia Universität und leitete in den sechziger Jahren eine große Werbeagentur in San Francisco, ehe er seine Talente für Kampagnen zum Schutz der Umwelt einsetzte. 1971 gründete er Public Interest Commu

Einführung

Dieses Buch, Eine andere Welt ist möglich - Alternativen zur wirtschaftlichen Globalisierung, ist der Zwischenbericht über einen noch nicht abgeschlossenen Dialog unter den Mitgliedern des International Forum on Globalization (IFG). Das IFG ist vor allem bekannt geworden durch seinen Einsatz, öffentliche Aufmerksamkeit auf den Charakter und die Konsequenzen der wirtschaftlichen Globalisierung zu lenken, und durch seinen Widerstand gegen die Macht der globalen Herrschaft multinationaler Konzerne. Die Autoren dieses Bandes glauben, dass der Erfolg von Bürgerbewegungen maßgeblich davon abhängt, dass sie sich aktiver für den Aufbau einer Welt einsetzen, die ihren Vorstellungen entspricht.
Die unmittelbare Priorität liegt jetzt darin, die Themen zu umreißen, wobei uns durchaus klar ist, dass ein Konsens über das, was wir wollen, schon unter einigen wenigen Leuten - geschweige denn bei Millionen - sehr viel schwieriger zu erzielen ist als Einigkeit über das, was wir nicht wollen. Was wir ablehnen, ist direkt und konkret. Zusammen mit Milliarden von Mitmenschen leben und atmen wir die Konsequenzen der wirtschaftlichen Globalisierung und teilen den großen Schmerz, den sie der Menschheit und der Erde zufügt.
Jede Vision über eine alternative Zukunft ist ungewisser. Sie beinhaltet viele Möglichkeiten und ist stets ein Konzept im Aufbau. Bürgerbewegungen, die sich mit dem Thema Globalisierung auseinander setzen, haben keine Regierungen, keine offizielle Ideologie, keinen charismatischen Führer mit einem Mandat, für das Ganze zu sprechen. Wir haben uns zusammengefunden, weil wir die Überzeugung teilen, dass die Menschen über die Fähigkeit zu Kooperation, Mitgefühl, Kreativität und verantwortlichen Entscheidungen verfügen, die eine bessere Welt möglich machen, auch wenn diese Eigenschaften allzu oft durch die Kultur und die Institutionen der wirtschaftlichen Globalisierung unterdrückt werden. Wir lernen gemeinsam, während wir alle daran arbeiten, Möglichkeiten in Wirklichkeiten zu verwandeln.
Bei der Vorbereitung dieses Berichts haben wir versucht, dem treu zu bleiben, was wir als den übergreifenden Konsens empfinden, der sich in diesen Bewegungen entfaltet. Wir sind uns jedoch bewusst, dass jeder Versuch, gemeinsame Positionen für eine so vielfältige Bewegung zu artikulieren, zwangsläufig Gegenstand von Diskussionen und Debatten ist. Deshalb haben wir Muster und Punkte von Konvergenz innerhalb der Bewegung gesucht. Aber letztendlich sind die Beobachtungen und Schlussfolgerungen, die wir hier präsentieren, doch hauptsächlich ein Ausdruck unserer persönlichen Ansichten in diesem speziellen Augenblick der Geschichte und unserer eigenen Entwicklung.

Globaler Widerstand
Während des letzten Jahrzehnts sind Millionen von Menschen auf die Straße gegangen und haben nachdrücklich gegen die Institutionen und die Politik der wirtschaftlichen Globalisierung demonstriert - in Indien, auf den Philippinen, in Indonesien, Brasilien, Bolivien, in den USA, in Kanada, Mexiko, Argentinien, Venezuela, Frankreich, Deutschland, Italien, Tschechien, Spanien, Schweden, Großbritannien, Neuseeland, Australien, Kenia, Südafrika, Thailand, Malaysia und anderswo. Die konventionellen Medien haben dabei die Öffentlichkeit oft mehr in die Irre geführt, als sie über die Themen zu informieren, um die es bei den Protesten ging. Thomas Friedman, Kolumnist für Auslandsthemen bei der New York Times, ist ein typisches Beispiel für Experten, die Demonstranten als »ignorante Protektionisten« charakterisieren, die keine Alternativen zu bieten haben und keine ernsthafte Aufmerksamkeit verdienen. Viele Medienvertreter haben versucht, die komplexen Themen, um die es geht, vereinfachend als Kampf zwischen »Protektionismus« und »Offenheit« oder zwischen »Anarchie« und einem »geordneten demokratischen Prozess« darzustellen. In Nordamerika und Europa werden die Demonstranten als verwöhnte, privilegierte Kinder abgetan - selbstsüchtige, schlecht informierte Unzufriedene, die den Handel und die internationale Kooperation abwürgen wollen.
Jeder, der sich auch nur die geringste Mühe gibt herauszufinden, was Millionen von Menschen aus praktisch jeder Nation und jedem Lebensbereich auf die Straße getrieben hat, wird feststellen, dass diese vereinfachende Darstellung nicht richtig ist. Der Vorwurf, die Demonstrationen würden sich gegen die Armen richten, trifft nicht zu, denn die größten Proteste finden in Ländern mit niedrigen Einkommen statt, und die meisten Demonstranten sind selbst arm. Ebenso abwegig ist der Vorwurf der Isolation und Xenophobie (Furcht vor Fremden); der Widerstand gegen die Globalisierung ist in seinem Ausmaß global und dient der internationalen Kooperation, um ökonomische Gerechtigkeit für alle Menschen auf diesem Planeten zu erlangen. Was den Vorwurf angeht, die Proteste seien handelsfeindlich, so ist dem entgegenzuhalten, dass viele Führer der Bewegung sich aktiv für die Förderung eines fairen Handels einsetzen - im Kontrast zu den oft ausbeuterischen Praktiken des freien Handels, gegen den sie sich wenden -, um dadurch die ökonomischen Bedingungen für die Armen und ihre lokalen Gemeinschaften zu verbessern.
Tatsächlich gründet der Widerstand in einer kultivierten, hoch entwickelten Kritik, die in zahllosen Publikationen und öffentlichen Präsentationen dargestellt wird. Dazu gehören unter anderem auch Dokumente, die beim International Forum on Globalization zu erhalten sind, sowie viele Bücher und Artikel von IFG-Mitgliedern. Dieselbe Kritik findet man auch in Publikationen der prächtig gedeihenden unabhängigen Medien, die Geschichten erzählen und Meinungen verbreiten, welche die konventionellen Medien so oft ignorieren oder ablehnen. Diese unabhängigen Informationsquellen erweitern allmählich die öffentliche Aufmerksamkeit und verbessern die Möglichkeiten, Veränderungen herbeizuführen, aber sie haben noch nicht die erforderliche kritische Masse erreicht, um die politische Debatte, die immer noch von Unternehmensinteressen und den ihnen nahe stehenden Medien dominiert wird, in einen neuen Rahmen zu stellen.
Die Behauptung, die Demonstranten würden keine Alternativen anbieten, ist ebenso falsch wie die anderen Behauptungen. Zusätzlich zu den in Büchern und Zeitschriften, auf Konferenzen sowie in individuellen Artikeln und Präsentationen dargestellten Alternativen haben Bürgerrechtsgruppen in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche gemeinsame Erklärungen ausgearbeitet, die eine Fülle von Alternativen aufzeigen, bei denen die Überzeugungen hinsichtlich der Grundwerte, denen die menschliche Gesellschaft dienen sollte, bemerkenswert ähnlich sind. In den Jahren 2001 und 2002 haben sich in Porto Alegre, Brasilien, mehrere zehntausend Teilnehmer zum ersten und zweiten Weltsozialforum unter dem Titel »Eine andere Welt ist möglich« versammelt, um diesen Prozess der Konsensbildung im Hinblick auf eine Welt, die für alle da ist, weiterzutreiben.
Die vielleicht offensichtlichste und geradlinigste Alternative, für die viele Bürgerbewegungen plädieren, ist ein Moratorium bei den Verhandlungen über neue Handelsabkommen. Ehrgeizigere Vorschläge - wie etwa die in diesem Buch dargestellten - kreisen um die Neuordnung globaler, nationaler und lokaler Prioritäten zum Aufbau gesunder, zukunftsfähiger menschlicher Gesellschaften, die für alle funktionieren.
Auch wenn viele Proteste sich auf eine Opposition gegen Handelsabkommen konzentrieren, haben die Bürgerbewegungen nichts gegen den Handel als solchen. Die Menschen haben seit jeher Handel getrieben, und solange zwei oder mehr Angehörige unserer Art überleben, wird das mit Sicherheit so bleiben. Was die Demonstranten ablehnen, ist der Missbrauch internationaler Handelsvereinbarungen durch Unternehmensinteressen, die darauf abzielen, die Demokratie außer Kraft zu setzen, um ihrer globalen Kampagne zum Abbau sozialer und ökologischer Schutzregeln, für die viele Menschen Jahrzehnte - sogar Jahrhunderte - gekämpft haben, zum Erfolg zu verhelfen.
Worum es hier geht, ist Macht, Herrschaft und Kontrolle. Werden die gewöhnlichen Bürger eine demokratische Stimme haben, wenn darüber entschieden wird, welche Regeln den Interessen der Gesellschaft am besten dienen? Oder wird eine kleine herrschende Elite, die sich insgeheim und im Verborgenen trifft, allein die Regeln bestimmen dürfen, nach denen die menschliche Zukunft gestaltet wird? Wenn die einzige Sorge der Entscheidungsträger den Unternehmensprofiten für das nächste Quartal gilt, wer wird sich dann um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen und des Planeten kümmern?
Diese Fragen gewinnen an Bedeutung für viele Menschen, die mit der Gewalt und Unsicherheit leben, welche sich im Verein mit wachsender Ungleichheit, der Auflösung sozialer Netze und dem Zusammenbruch wichtiger Umweltsysteme über die ganze Welt verbreiten. Es ist diese Wirklichkeit des sozialen und ökologischen Zerfalls, die Millionen von Menschen über nationale Grenzen hinweg in einer lockeren globalen Allianz vereint, um etwas zu schmieden, das man als die erste wahrhaft globale und umfassende soziale Bewegung in der Menschheitsgeschichte bezeichnen könnte.

Verschiedene Welten
Zwischen den Globalisierern, die sich auf exklusiven Tagungen treffen, um den weiteren Kurs der Globalisierung im Interesse der privaten Profite festzulegen, und den Bürgerbewegungen, die diese Entwicklung im Namen der Demokratie verhindern wollen, gibt es tiefgreifende Unterschiede im Hinblick auf Werte, Weltanschauung und die Definition dessen, was Fortschritt bedeutet. Manchmal scheint es so, als würden die Kontrahenten in völlig verschiedenen Welten leben - was in vielen Aspekten tatsächlich der Fall ist. Nur wenn man sich diese Unterschiede klar macht, kann man auch verstehen, welcher Art die grundlegenden Wahlmöglichkeiten sind, denen sich die Menschheit zurzeit gegenüber sieht, und welche Folgen sie haben werden.
Die Globalisierer leben in einer Welt der Macht und der Privilegien. Sie sehen überall Fortschritte, weil von ihrem Standpunkt aus betrachtet die Privatisierung öffentlicher Güter und die Befreiung der Märkte von staatlichen Eingriffen Freiheit und Wohlstand in der Welt verbreiten, das Leben der Menschen überall verbessern und den finanziellen und materiellen Reichtum schaffen, der erforderlich ist, um die Armut zu überwinden und die Umwelt zu schützen. Sie betrachten sich als Sieger eines erbarmungslosen und nützlichen Prozesses, der darauf abzielt, wirtschaftliche und politische Grenzen zu beseitigen, die den Expansionsbestrebungen der Unternehmen im Weg stehen, die Tyrannei ineffizienter und aufdringlicher staatlicher Bürokratien abzuschaffen und die enormen, Innovationen und Wohlstand erzeugenden Kräfte des Wettbewerbs und des privaten Unternehmertums freizusetzen.
Die Globalisierer arbeiten an der Beschleunigung dieser Entwicklungen mit missionarischem Eifer. Ihnen geht es um eine nationale Politik und internationale Vereinbarungen, die Investoren und privaten Anlegern mehr Sicherheit garantieren und dabei gleichzeitig die Einschränkungen abbauen, die heute noch für die freie Bewegung von Waren, Geld und Unternehmen auf der Suche nach ökonomischen Chancen gelten. Sie hätscheln die internationalen Konzerne als die größten und effizientesten menschlichen Institutionen, gewaltige Motoren der Innovation und Wertschöpfung, die weltweit alle Barrieren für menschliche Fortschritte und Leistungen einreißen. Sie feiern die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und die Welthandelsorganisation als wichtige und nützliche Institutionen einer globalen Kontrolle, die sich für die große Aufgabe einsetzen, die Handelsregeln umzuschreiben, um die Märkte zu befreien und Bedingungen zu schaffen, die das Wirtschaftswachstum fördern.
Für die Globalisierer kommt diese Weltsicht einem Evangelium gleich. Sie unterscheiden sich lediglich dadurch, in welchem Ausmaß sie eine öffentliche Subventionierung privater Unternehmen für angemessen halten oder öffentliche Sicherheitsnetze fordern, um den Absturz der Verlierer eines ungezügelten Wettbewerbs abzufedern.
Für die Bürgerbewegungen stellt sich die Wirklichkeit ganz anders dar. Bei ihnen stehen Menschen und Umwelt im Mittelpunkt, in ihren Augen befindet sich die Welt in einer so ungeheuren Krise, dass dadurch die gesamte Zivilisation und das Überleben unserer Art bedroht ist - eine Welt rasch wachsender Ungleichheit, in der vertrauensvolle und fürsorgliche Beziehungen ausgehöhlt werden und die lebensbewahrenden Systeme unseres Planeten in ihrer Existenz bedroht sind. Wo die Globalisierer die Ausbreitung von Demokratie und einer leistungsfähigen Marktwirtschaft sehen, erkennen die Bürgerbewegungen, dass sich die Regierungsgewalt von den Menschen und ihren lokalen Gemeinschaften weg und zu Finanzspekulanten und internationalen Konzernen hin bewegt, die ihre kurzfristigen Profitinteressen auf Kosten der Menschen und der Natur durchsetzen wollen. Die Bürgerbewegungen sehen, wie Unternehmen die Demokratie des Volkes durch eine Demokratie des Geldes ersetzen, wie sie die Selbstorganisation der Märkte gegen eine zentral geplante Unternehmensökonomie austauschen wollen und wie die Vielfalt von Kulturen von einer einheitlichen Kultur der Gier und des Materialismus überlagert und vernichtet wird.
In den Augen der Bürgerbewegungen sind diese Trends nicht das Resultat einer erbarmungslosen historischen Entwicklung, sondern eher die Folge gezielter Aktionen eines korrupten politischen Systems, das sich von den Unternehmen kaufen lässt. Sie sehen die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und die Welthandelsorganisation als führende Instrumente dieses Angriffs auf Menschen und Umwelt.
Ironischerweise wollen die Bürgerbewegungen vieles von dem verwirklichen, was die Globalisierer versprechen, aber nicht einlösen können: demokratische Teilhabe, Wirtschaftssysteme, in denen es gute Jobs gibt und die auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Präferenzen der Verbraucher reagieren, eine gesunde Umwelt und die Überwindung der Armut. Wo die Globalisierer jedoch auf eine Ökonomie der weltweiten Konkurrenz setzen, beherrscht von Megakonzernen, die keinem Ort und keiner Person Loyalität schulden, wollen die Bürgerbewegungen ein Weltwirtschaftssystem, das aus Unternehmen besteht, die den Menschen in der jeweiligen Gegend gehören und deren Manager allen Anteilseignern Rechenschaft schulden. Bürgerbewegungen streben ökonomische Gerechtigkeit für alle an, internationale Kooperation, eine lebendige kulturelle Vielfalt sowie gesunde, zukunftsfähige Gesellschaften, die das Leben höher schätzen als Geld.
Den Bürgerbewegungen ist klar, dass die Globalisierer ihre Versprechungen nicht einlösen können, weil die engen und kurzsichtigen finanziellen Erwägungen, an denen sich ihre Institutionen orientieren, diesen Zielen völlig entgegengesetzt sind. Viele Globalisierer mögen in bester Absicht handeln, aber ihr eigener finanzieller Erfolg macht sie blind für die Kosten dieses Erfolgs, die jenen aufgebürdet werden, die keinen Platz am Tisch der Gewinner haben, einschließlich zukünftiger Generationen.
Die Globalisierer messen Fortschritte generell an ihren eigenen finanziellen Gewinnen, etwa steigenden Aktienkursen, und an Indikatoren wie dem Gesamtwert der erzeugten Waren und Dienstleistungen, welche jenen zur Verfügung stehen, die das Geld haben, sie zu bezahlen. Mit Ausnahme gelegentlicher konjunktureller Krisen in Lateinamerika und anderswo und sinkender Pro-Kopf-Einkommen in den ärmsten Ländern Afrikas, entwickeln sich diese Indikatoren grundsätzlich positiv und bestätigen in den Augen der Globalisierer die Annahme, dass ihr Programm die Welt bereichert. (Uns ist jedoch nicht entgangen, dass im Juli 2002, kurz bevor die amerikanische Originalausgabe dieses Buches gedruckt wurde, die wichtigsten US-Aktienindices um mehr als fünf Prozent innerhalb einer Woche fielen.)
Im Gegensatz dazu messen die Bürgerbewegungen Fortschritte am Wohlergehen der Menschen und der Natur, wobei ihre besondere Aufmerksamkeit den Lebensbedingungen der Bedürftigsten gilt. Abgesehen von den unübersehbar vollen Taschen der privilegierten Globalisierer verschlechtern sich diese Indikatoren in einem Furcht erregenden Tempo, woran zu erkennen ist, dass, gemessen an dem, was wirklich zählt, die Welt sehr schnell immer ärmer wird.
Die Food and Agricultural Organization (FAO) der Vereinten Nationen berichtet, dass die Zahl der Menschen, die chronisch Hunger leiden, zwischen den siebziger und achtziger Jahren stetig abgenommen hat, nun aber seit Anfang der neunziger Jahre wieder ansteigt. Das US-Landwirtschaftsministerium schätzt, dass bis zum Jahr 2008 zwei Drittel der Menschen in den südlich der Sahara gelegenen Teilen Afrikas und vierzig Prozent der Bewohner Asiens unterernährt sein werden.
In einer Welt, in der einige wenige unvorstellbaren Reichtum genießen, sind zweihundert Millionen Kinder unter fünf Jahren auf Grund von Nahrungsmangel untergewichtig. Ungefähr vierzehn Millionen Kinder sterben jedes Jahr an Krankheiten, die durch Unterernährung bedingt sind. Hundert Millionen Kinder leben oder arbeiten auf der Straße. Dreihunderttausend Kinder wurden während der Neunzigerjahre als Soldaten verpflichtet, und sechs Millionen wurden in bewaffneten Konflikten verletzt. Achthundert Millionen Menschen gehen jeden Abend hungrig schlafen.
Diese menschliche Tragödie beschränkt sich nicht auf die armen Länder. Selbst in einem so reichen Land wie den USA müssen 6,1 Millionen Erwachsene und 3,3 Millionen Kinder ernsthaft hungern. Ungefähr zehn Prozent der amerikanischen Haushalte, in denen insgesamt 31 Millionen Menschen leben, verfügen nicht über genügend Nahrung für ihre Grundbedürfnisse. Dies sind einige der zahlreichen Indikatoren für eine sich verschärfende globale soziale Krise.


Reihe/Serie Riemann
Übersetzer Gisela Kretzschmar
Sprache deutsch
Original-Titel Alternatives to Economic Globalization
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 684 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Schlagworte Globalisierung • Weltwirtschaft
ISBN-10 3-570-50048-9 / 3570500489
ISBN-13 978-3-570-50048-4 / 9783570500484
Zustand Neuware
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