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Depression. Helfen und sich nicht verlieren -  Huub Buijssen

Depression. Helfen und sich nicht verlieren (eBook)

Ein Ratgeber für Freunde und Familie
eBook Download: EPUB
2020 | 7. Auflage
208 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86617-2 (ISBN)
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Wenn ein nahestehender Mensch in eine Depression gerät, ist dieser Prozess für Familie und Freunde oft schwer zu verstehen. Dieses Buch zeigt, wie man die Erkrankten konkret unterstützen kann, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Wirksame Strategien helfen Angehörigen, den Alltag mit einem Betroffenen zu meistern. Sie schützen auch davor, selbst vom Sog der Depression ergriffen zu werden. Die Neuauflage ist um Kapitel zu Depression im Alter und Depression bei Kindern und Jugendlichen erweitert.

Huub Buijssen ist klinischer Psychologe und Psychogerontologe. Als Autor von über 20 Büchern zu Depression und Demenz weist er innovative Wege zu einer zugewandten, menschlichen und kreativen Pflege. Huub Buijssen lebt im niederländischen Tilburg.

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Depression: Innenansicht


Wie empfindet man eine Depression? Was geht in Kopf und Körper Ihres Partners, Kindes oder Elternteils vor?

Möglicherweise stellen Sie sich diese Frage auch immer wieder, da Sie nicht verstehen können, warum Ihr Angehöriger sich jetzt so anders verhält als früher.

Wenn Sie selbst nie eine Depression hatten, kann Ihnen das Wissen darüber helfen, was Ihr Angehöriger erleidet. Mit diesem Wissen werden Sie mehr Verständnis für ihn aufbringen und ihn auch besser unterstützen können.

Ich werde das Erleben einer Depression zu skizzieren versuchen, indem ich deren Symptome eines nach dem anderen erkläre. Vorsorglich weise ich schon einmal darauf hin, dass dies kein ermunternder Lesestoff ist, und rate Ihnen, lieber nur in Etappen zu lesen: Ein Kapitel in einem Zuge durchzulesen wird Ihrer Stimmung nicht gerade guttun!

Zunächst aber noch zwei Bemerkungen vorweg – die erste, Thema des folgenden Abschnitts, über die Schwierigkeit, treffende Worte für die Beschreibung des Depressionserlebens zu finden, die zweite, Thema des darauf folgenden Abschnitts, über die vielen Gesichter der Depression.

Depression ist unerklärbar


Es ist eine nahezu unlösbare Aufgabe zu beschreiben, wie man eine Depression empfindet. »Erfahrene Psychiater sagen, dass man bei langer Erfahrung eine Schizophrenie einigermaßen nachvollziehen könne, eine tiefe von innen heraus aufsteigende Depression, eine Melancholie, dagegen könne man nicht nachfühlen« (Manfred Lütz 2009).

Selbst Schriftsteller, die eine Depression erlitten haben, spüren immer wieder, dass Worte für die Beschreibung des Erlebens einer Depression nicht ausreichen.

Dazu der Schriftsteller und Experte Matt Haig:

Es ist schwer, jemanden zu erklären, was eine Depression ist, der noch nie eine hatte.

Es ist, als würde man einem Alien das Leben auf der Erde erklären. Es fehlen einfach die Bezugspunkte.

Man muss sich mit Metaphern helfen.

Du steckst in einem Tunnel fest.

Du bist tief unter Wasser.

Du brennst lichterloh.

Vor allem ist da die Intensität.

Sie sprengt die normale Skala der Emotionen.

(Matt Haig 2016)

Depression fällt in ein Erfahrungsgebiet, für das Worte nicht ausreichen. Es ähnelt einem Gelände, das von einem unüberwindlichen Zaun eingegrenzt wird, an dem ein Schild hängt mit der Aufschrift: EINTRITT VERBOTEN FÜR NORMALE KOMMUNIKATION. Der Schriftsteller William Styron (vor allem durch das verfilmte Buch Sophies Entscheidung bekannt), der im Alter eine Depression bekam, drückte es so aus: »Das Leiden, das eine schwere Depression mit sich bringt, ist für Nichtbetroffene unvorstellbar. Für die meisten Menschen, die darunter gelitten haben, ist ihre Schrecklichkeit so überwältigend, dass es praktisch nicht auszudrücken ist« (William Styron 2010).

Dieses Buch benutzt Worte zur Vermittlung; die Beschreibung der Depression kann daher nicht anders als unzulänglich sein. Denn wenn es sogar jenen Schriftstellern, die selbst eine Depression erlebt haben, nicht gelingt, treffend auszudrücken, wie man sich damit fühlt, wäre es für mich – der weder Schriftsteller ist noch eine Depression erlebt hat – anmaßend, eine Depression von innen heraus beschreiben zu wollen. Ich werde jedoch versuchen, das Erleben einer Depression aufgrund meiner Kenntnis und Erfahrung als Psychologe und anhand der Fachliteratur zu skizzieren. Um den Lesern einen möglichst lebensechten Eindruck der Krankheit zu verschaffen, werde ich hier und da Patienten zitieren, die ich behandeln durfte, Aussagen von bekannten und weniger bekannten Patienten aus Zeitungen und Zeitschriften wiedergeben und Zitate aus Romanen anführen.

Die tausend Gesichter der Depression


Keine einzige Depression ist genau wie die andere. Die Depression ist ein Syndrom, d. h. ein Krankheitsbild, das sich aus dem Zusammentreffen verschiedener charakteristischer Symptome ergibt.

Von den neun Symptomen aus dem unten stehenden Kasten müssen wenigstens fünf vorhanden sein und zusätzlich mindestens eines der beiden ersten Symptome.

Merkmale einer depressiven Störung

 Trübe, niedergedrückte Stimmung; Gefühl von innerer Leere

 Verlust von Interesse und Lebensfreude

 Gefühle von Wertlosigkeit oder Schuldgefühle

 Schlafstörungen

 Verringerter oder größerer Appetit oder deutliche Gewichtsveränderung

 Energiemangel oder Müdigkeit

 Trägheit oder im Gegenteil anhaltende körperliche Unruhe

 Konzentrationsprobleme oder Entscheidungsunfähigkeit

 Wiederholte Gedanken an den Tod oder an Selbsttötung

Ihr Angehöriger muss also nicht unter sämtlichen Erscheinungen leiden, die Teil einer Depression sein können. Vielleicht hat er keine Schlafprobleme, ist aber sehr wohl schwunglos und sehr niedergeschlagen. Mit den neun Symptomen der Depression sind zahllose Kombinationen möglich. Es können sogar zwei Patienten eine Depression haben, ohne dass auch nur ein einziges Symptom bei ihnen übereinstimmt. Das liegt unter anderem auch daran, dass bestimmte Symptome sich auf gegensätzliche Weise äußern können: Man kann zu wenig oder im Gegenteil zu viel schlafen, abnehmen oder zunehmen, wenig Appetit oder gerade mehr haben, träge oder erregt sein, Konzentrationsstörungen haben oder entscheidungsunfähig sein.

Darüber hinaus kann auch die Intensität der Erscheinungen je nach Person variieren. Man kann in höherem oder geringerem Maß Essprobleme, leichte oder schwere Konzentrationsprobleme haben und so weiter. Und die Intensität der Gefühle beeinflusst das Erleben direkt: Trübe Stimmung ist bei einer leichten Depression von ganz anderer Art als bei einer schweren. Im ersten Fall kann der Betroffene noch weinen – im zweiten ist er so erstarrt, dass er nicht einmal mehr seinen Trübsinn wirklich spüren kann.

Und schließlich erlebt auch noch jeder die Beschwerden auf eine andere Art. Der eine findet es schrecklich, sich nicht richtig konzentrieren zu können – ein anderer regt sich darüber kaum auf, quält sich jedoch stark damit, den Menschen seiner unmittelbaren Umgebung zur Last zu fallen.

Jede Depression ist also anders. Man kann gewissermaßen sagen, dass es so viele Depressionen wie Depressionspatienten gibt. Es ist gut, sich dies klarzumachen, ehe Sie die weitere Beschreibung der Symptome lesen.

Trübe Stimmung


Neben dem Verlust der Genussfähigkeit ist eine niedergeschlagene Stimmung eines der Hauptmerkmale einer Depression; so wird die Krankheit auch mit dem Begriff »krankhafter Trübsinn« bezeichnet. Ein Betroffener wird das Wort »trübsinnig« wahrscheinlich nicht benutzen, sondern eher Umschreibungen wählen wie etwa: »Ich fühle mich schrecklich mies«, »Ich sitze in einem tiefen Loch«, »Ein Grauschleier liegt über allem«, »Es ist, als liege eine dunkle Decke über mir« oder »Ich kann den Weg zum Licht und zur Fröhlichkeit nicht mehr finden«.

Der Trübsinn muss nicht tagein, tagaus auf ein und dieselbe Weise in Erscheinung treten. In den meisten Fällen ist die Depressivität morgens heftiger als abends. Ein depressiver Mensch hat dann jeden Tag große Startprobleme; er würde sich am liebsten die Decke über die Ohren ziehen und liegen bleiben.

Manchmal trifft jedoch genau das Gegenteil zu: Man fühlt sich morgens besser und gleitet stimmungsmäßig ab, je weiter der Tag fortschreitet. Diese im Laufe des Tages steigende oder fallende Stimmung wird in der Fachliteratur als »Tagesschwankung« bezeichnet. Da dies eines der wenigen Symptome ist, das nur bei einer depressiven Erkrankung auftritt, werden Psychotherapeuten und Psychiater immer danach fragen, wenn sie eine Depression ...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2020
Übersetzer Eva Grambow
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
ISBN-10 3-407-86617-8 / 3407866178
ISBN-13 978-3-407-86617-2 / 9783407866172
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