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Salute! (eBook)

Wie ich mit ganz Europa Brüderschaft trank
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45047-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Salute! -  Laura Nunziante
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'Salute!' ist ein witziger Reisebericht und zugleich ein flammendes Plädoyer für Europa. Laura Nunziante ist digitale Nomadin und gehört zur Generation Erasmus. Als sie beschließt, sich eine Auszeit zu nehmen und durch Europa treiben zu lassen, stellt sie sich einer ganz besonderen Challenge: Auf ihrer Europa-Reise will sie die Europäische Gemeinschaft über Alkohol wieder aufleben zu lassen! In London, Bukarest, Lissabon, Amsterdam kommt sie mit der Jugend Europas ins Gespräch und erfährt dabei, wie ihre Generation tickt. Die Deutsch-Italienerin Laura feiert nichts so ab wie Europa. Wenn sie hört, wie Europäer über Europäer herziehen und Brüssel an allem schuld sein soll, kriegt sie echt zu viel. Sie beschließt deshalb, etwas dagegen zu tun, und begibt sich auf einen wilden Trip, der ausgerechnet in London am Tag nach der Brexit-Wahl startet. Über Göteborg und Amsterdam treibt es sie in ihre zweite Heimat Italien und anschließend in den Osten Europas. Ihre Mission: Über den gemeinsamen Drink will sie zur Völkerverständigung beitragen. Laura entdeckt mit einer Klapperkiste das unbekannte Trans­nistrien, findet in Krakau ihren Lieblingsschnaps, diskutiert in Londoner Bars über Sexismus und hat eine interkontinentale Affäre. Unerschrocken und voller Energie belebt Laura den europäischen Geist wieder - mit Neugier, einem Schnapsglas sowie jeder Menge Humor und Selbstironie.

Laura Nunziante, Jahrgang 1986, lebt als freie Autorin in Wien. Sie studierte Kreatives Schreiben in London und wurde 2011 mit dem 'Sandra Ashman Poetry Award' ausgezeichnet. Sie arbeitet unter anderem für Spiegel Online, Edition F, bento, ze.tt und Arte.

Laura Nunziante, Jahrgang 1986, lebt als freie Autorin in Wien. Sie studierte Kreatives Schreiben in London und wurde 2011 mit dem "Sandra Ashman Poetry Award" ausgezeichnet. Sie arbeitet unter anderem für Spiegel Online, Edition F, bento, ze.tt und Arte.

Wir reisen, um andere Länder zu entdecken. Wir wollen frei sein, weit weg von den Menschen, die uns in ein Korsett zwingen. Abseits der Strukturen, die nicht nur Sicherheit, sondern auch Monotonie bedeuten. Diese Gründe kennt jeder Reisende. Und vor jedem Aufbruch gibt es diesen einen Moment, in dem aus der Idee ein Plan wird.

 

Ich hielt ein Vollkornbrötchen mit Sojaaufstrich in der Hand: das widerlichste Brötchen, das ich je gegessen hatte. Es war Sonntag, ich seit Kurzem Vegetarierin, und ich las Ben aus der Zeitung vor.

Ich überflog die Headlines und verkündete, dass Ungarn seine Grenzen schließen wollte. Es war der Sommer 2016, Europa in der Krise. Das Referendum über den Brexit stand kurz bevor und einige osteuropäische Länder hatten beschlossen, das Schengener Abkommen aufzukündigen, das die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der teilnehmenden Staaten abgeschafft hatte.

Mir machte das Angst. Gehörig sogar. Die Reisefreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit sind Privilegien, die zu meinem Grundbedürfnis geworden sind. Ich bin in einem Europa aufgewachsen, das sich als Einheit präsentiert hat. Sollte sich jetzt langsam ein Auseinanderbrechen ankündigen, stünde das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf dem Spiel.

 

Seit ich zwei Jahre alt war, fuhr ich jeden Sommer mit meinen Eltern zu dem italienischen Teil der Familie nach Modena. An der Grenze waren wir nicht ein einziges Mal angehalten worden; damals war mir nicht mal klar, wofür es Pässe gab. Oft hatte ich in meiner Jugend darüber nachgedacht, nach Italien auszuwandern, da meine südländischen, temperamentvollen Charakterzüge meinen deutschen Freunden immer mehr auf die Nerven gingen. Trotzdem gab es da eine Sache, die uns miteinander verband. Wir waren alle Europäer.

 

»Was sagst du denn jetzt dazu?«, fuhr ich Ben an, nachdem ich die Zeitung wieder weggelegt hatte.

Er schüttelte sich, anscheinend vor Ekel. Er hatte sich gerade selbst ein Stück Sojabrötchen in den Mund geschoben.

»Ich frage mich, wie lange du deine Vegetarierscheiße noch durchziehen willst«, antwortete Ben.

Er wusste, dass ich nichts mehr hasse als Menschen, die auf Sachlichkeit plädieren. Die meinen, sie wären überlegen, weil sie alles Authentische in sich ablehnen und mit dem Verstand entscheiden.

»Es ist erst vorbei, wenn das Tierleid vorbei ist«, packte ich die Leier militanter Vegetarier aus, die mich selbst am meisten nervte, weil ihr Anspruch, die Welt zu retten, heillos übertrieben war. Ich war wütend, verwirrt. Und jetzt ließ ich es an den armen Vegetariern aus.

Es machte keinen Sinn mehr, mit Ben zu reden, der jegliches Interesse an einer Diskussion verlor, sobald sie länger als eine Runde Counterstrike dauerte. Also versteckte ich mich wieder hinter der Zeitung. Dort war von rechtsnationalen Regierungen die Rede, von Staaten, die sich gegen eine angebliche Flüchtlingsinvasion wappneten. Sie schienen nur Wochen davon entfernt, es England gleichzutun und ein Referendum anzuzetteln, das über ihren Verbleib in der Europäischen Union entscheiden sollte.

Nein, diese Regierungen waren nicht an der Einheit Europas interessiert, sie wollten viel lieber unter sich bleiben – und doch alle Vorteile einer Union für sich beanspruchen.

»Jemand muss mit diesen Menschen reden«, sagte ich.

Ben stand auf und verschwand im Wohnzimmer. »Aber bestimmt nicht ich«, rief er in die Küche zurück.

Ich sackte zusammen. Zu lange arbeiteten wir uns aneinander ab, kämpften dafür, uns gegenseitig Gehör zu verschaffen. Heute wundert es mich nicht, dass das der Tag war, an dem ich die Entscheidung traf, aufzubrechen.

 

Ich trage drei Nationalitäten in mir. Die italienische Seite, die meines Vaters, hat kein Problem damit, einen Streit über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten. Empört springt sie auf jede noch so niederträchtige Beleidigung an und lässt sie über Jahre in sich gären. Meine deutsche, mütterliche Seite ist auf Harmonie bedacht und lässt sich auf Kompromisse ein. Und dann ist da noch die polnische Komponente meines Urgroßvaters, die alles kurz und klein schlägt, was ihr in die Quere kommt. Jedes Mal, wenn ich in einer Krise bin, melden sich diese verschiedenen Seiten zu Wort und verursachen Chaos. Mir schien es daher immer das Beste, vor meinen Problemen wegzulaufen. Die Angstattacken, die ich jahrelang mit mir herumgeschleppt hatte, wurde ich in London los, wo ich drei Jahre studiert habe. Schon einmal hatte ich versucht, mich von Ben zu trennen, und während dieser Zeit war ich zu meiner Cousine nach Italien gezogen, bis sich die Wogen in Deutschland geglättet hatten.

Die Ferne war mein Zufluchtsort und mein Zuhause zugleich. Ich fühlte mich in Europa überall wohl. Und überall ließ man mich ein, ohne dass ich Anträge stellen und Begründungen hervorbringen musste.

 

Ich gehöre zur Generation Europa. Wir, die privilegierten nach 1985 Geborenen, können überall ein neues Leben anfangen. In Berlin, Budapest, Barcelona. In Rom, Krakau oder Helsinki. Ich hätte an jeden dieser Orte fliehen können – und wäre nicht weniger unglücklich gewesen. Nicht nur Schengen macht uns dieses Leben möglich. Auch die Billigflieger und Fernbusse befördern uns bis an den letzten Zipfel des Kontinents. Der Umstand, dass ich dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit keine Genehmigung brauche, um als freie Autorin von überall zu arbeiten, hilft zusätzlich: Ich kann von einem Café in Madrid aus genauso gut schreiben wie von der Spitze eines isländischen Gletschers. Vorausgesetzt, die haben da schnelles Internet.

Aber wo wohnt das Glück, wenn es achtundzwanzig potenzielle Adressen hat? Hinter welcher der achtundzwanzig Türen wartet die verheißungsvolle Zukunft? Wir, die oft genug an der großen Frage scheitern, was wir mit unserem Leben zu tun gedenken, würden nie zufrieden sein. Egal, wo wir uns niederlassen.

 

Monatelang hatte ich den Gedanken mit mir herumgetragen, dass mein Leben vorbei sein würde, sobald ich mich von Ben trennte. Ich war fast dreißig, meine Freunde größtenteils verheiratet. Die Hochzeitseinladungen und Kinderbilder verstopften unseren Briefkasten, und das erzeugte in mir einen Druck, den ich mir immer wieder auszureden versuchte. Wer sagte, dass ich heiraten musste? Wer bestimmte, wann und ob ich überhaupt Kinder zu bekommen hatte? Trotzdem verzweifelte ich an dem Gedanken, meine Sonntagabende fortan alleine verbringen zu müssen. Zu lange hatte ich diese Trennung hinausgezögert.

Ich saß an diesem Sonntagnachmittag lange auf unserem Bett. Mein Blick heftete sich auf die Weltkarte an der Wand. Ben und ich hatten auf alle Ziele, die wir je besucht hatten, Sticker geklebt. Kuba, China, Russland. Sizilien, England, Norwegen und die Mongolei. Nur Europa war beinahe stickerfrei: Auf meinem eigenen Kontinent hatte ich erst wenige Länder besucht.

 

Ich wollte meine eigene Reise planen, die nichts mit der Beziehung zu tun hatte. Ich wollte Neues entdecken in der eigenen Nachbarschaft. Wollte das gute Gefühl, das das abstrakte Europa in mir auslöst, in die einzelnen Länder tragen; jetzt, wo alles auseinanderzubrechen drohte. Frankfurt, diese Stadt voller Erinnerungen, hatte sich außerdem verändert. Es hatte seine Künstler verraten, seine Studenten, Rentner und Alleinerziehenden. Sie alle fanden keinen Platz mehr in der immer teurer werdenden Stadt, deren riesiger Flughafen die Hoffnung für so viele war. Für jene, die eine neue Heimat suchten, weil ihre eigene sich entfremdet hatte. Und für jene, die sich Arbeit und wirtschaftlichen Reichtum von ihr wünschten. Von hier aus sollte meine Reise losgehen.

 

Aber wo anfangen? Wer war ich auf diesem Kontinent mit siebenundvierzig Ländern? War ich Deutsche, Polin oder Italienerin? Musste ich mich überhaupt für eine Variante entscheiden? Wohin konnte ich in Zukunft gehen, wenn der Kontinent auseinanderbrechen sollte? Der konservative Osten wollte nicht mehr mit dem liberalen Norden, der ärmere Süden verlor die Verbindung zum reichen Westen. Dabei gab es keinen offenen Kampf, sondern einen Bruch der gemeinsamen Werte. Ein Kontinent, der so viel Kulturelles zu bieten hat, der sich über seine Jugend definieren sollte, für die die Multinationalität mehr und mehr zur Norm wird: Unmöglich konnten wir das alles aufgeben.

Vor vierzig Jahren war das Erasmus-Programm gegründet worden mit dem Ziel, die Europäer miteinander zu verbinden. Bereits eine Million Erasmus-Babys sind aus den Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern entstanden, und die offenen Grenzen stellen sicher, dass diese Bindungen andauern. Es sind gerade wir Jüngeren, die ein neues, offenes Europa fordern. Wir Jungen sind es, die sich über die sozialen Netzwerke verbinden können und wollen wie keine Generation vor uns. Wir haben die Macht, Europa zu verändern. Und doch schaffen wir es nicht, uns politisch durchzusetzen. Entweder weil wir nicht laut genug schreien – oder weil wir erst gar nicht zu den Wahlurnen gehen. Was auch immer der Grund für unsere Resignation ist – ich wollte auf dieser Reise Antworten finden.

 

Seit meiner Studienzeit in London habe ich Freunde dort. Ich würde für eine Weile zu ihnen zurückkehren. Ich würde mich auf ihrer Couch niederlassen und ihren Kühlschrank leer saufen: Endlich könnte ich wahr machen, womit ich jahrelang gedroht hatte.

Mit London verband ich nicht nur eine Zeit des Lernens, sondern auch eine Zeit der Saufgelage. Binge-Drinking nennen die Engländer das, aber ich hielt es für eine starke Untertreibung, wenn man bedenkt, was der allgemeine Engländer an einem Abend in sich hineinschüttet. So waren sie mir letztlich...

Erscheint lt. Verlag 28.5.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte
Schlagworte Alkohol • Auszeit • Bar • Begegnungen • Bier • Billigflug • CouchSurfing • digitaler Nomade • Erasmus • Europa • Europa-Reise • Fabian Sixtus Körner • Flirt • Free Interrail • hochprozentig • Hostel • Interrail • Journeyman • Junge Erwachsene • Junge Menschen • Laura Nunziante • lustige Zeit • Millenials • Party • Plädoyer für Europa • Pulse of Europe • Reisebericht • reisen durch Europa • Ryan Air • Schnaps • Sekt • Sex • Stephan Orth • Trinkgewohnheiten • Wahre GEschichte • Weltreise
ISBN-10 3-426-45047-X / 342645047X
ISBN-13 978-3-426-45047-5 / 9783426450475
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