Frauensache (eBook)
420 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42202-1 (ISBN)
Dr. med. Silke Bartens war mehr als 13 Jahre als Oberärztin in verschiedenen Kliniken in der Schweiz, u.a. in der Universitätsfrauenklink in Basel, sowie in einer großen Münchner Frauenklinik tätig, bevor sie ihre Praxis als Fachärztin für Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Onkologie und Psychoonkologie eröffnete.
Dr. med. Silke Bartens war mehr als 13 Jahre als Oberärztin in verschiedenen Kliniken in der Schweiz, u.a. in der Universitätsfrauenklink in Basel, sowie in einer großen Münchner Frauenklinik tätig, bevor sie ihre Praxis als Fachärztin für Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Onkologie und Psychoonkologie eröffnete. Dr. med. Werner Bartens, geboren 1966, hat Medizin, Geschichte und Germanistik studiert. Der leitende Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" wurde u.a. als "Wissenschaftsjournalist des Jahres" ausgezeichnet. Er hat als Arzt und in der Forschung gearbeitet und ist Autor u.a. von Bestsellern wie "Was Paare zusammenhält" und "Körperglück". https://www.youtube.com/channel/UCL7pQAF4Mek16CrpNEwF-ag
Frauen leiden anders
In der neueren Menschheitsgeschichte waren Frauen selten gänzlich unabhängig und sich selbst und ihren Wünschen und Entscheidungen überlassen. Ihr Körper war schon früh das Ziel von Untersuchungen und Ratschlägen, aber auch von Peinigungen und schmerzhaften Eingriffen durch Ärzte, selbsternannte Heiler und andere Behandler. Häufig waren diese Eingriffe schlecht getarnte Übergriffe. Den Frauen ist es selten gut ergangen, wenn andere für sie und über ihre Köpfe hinweg entschieden haben.
So weit wir historisch zurückblicken können, wurden Weiblichkeit, Sexualität, Schwangerschaft und Geburt fast durchgehend reguliert, eingeengt, beschnitten und gemaßregelt. Sie waren ein Instrument der Politik. Haben sich Frauen dagegen gewehrt, wurden sie zumeist ausgegrenzt, verfolgt, verfemt, denunziert oder wahlweise zu Hexen, Irren oder lasterhaften Wesen erklärt. Oft wurde ihnen Gewalt angetan und sie mussten fürchterliche Misshandlungen ertragen, wenn sie sich abweichend verhielten.
Die sogenannte sexuelle Revolution in den 1960er-Jahren hat den Frauen in den westlichen Ländern zu einem gewissen Grad die Macht und Kontrolle über ihre Körper gegeben, mit der Antibabypille war die Frau nun unabhängiger. Dennoch wurde und wird in der Medizingeschichte nicht immer zum Wohle der Frau gehandelt. Wenn in den letzten Jahren in Deutschland der uralte und wichtige Beruf der Hebamme immer mehr zurückgedrängt wird, ist das ebenso gefährlich wie bedauerlich, da für eine unkomplizierte Geburtshilfe nicht ein Arzt, sondern eine Hebamme gebraucht wird. Und das ist eine Entwicklung, die nicht dem Wohle der Frau dient. Gleichzeitig nimmt unter diesem vorgegebenen Motto die in allen Disziplinen zu beobachtende Absicherungshaltung in der Medizin zu, sie trägt dazu bei, dass immer mehr unnötige, überflüssige und gefährliche Untersuchungen und Behandlungen durchgeführt werden.
Unter anderem davor wollen wir Frauen mithilfe dieses Buches schützen.
Die Medizin hat die Unterschiede der Geschlechter lange vernachlässigt und tut es häufig immer noch. Außerhalb der Gynäkologie und Geburtshilfe fehlt vielen Ärzten das Bewusstsein dafür, dass Frauen anders leiden als Männer. In den Heilberufen muss erst noch die Wahrnehmung dafür geschärft werden, dass es geschlechtertypische Krankheiten und ein geschlechtertypisches Krankheitserleben gibt. Erst seit wenigen Jahren spielen Tagungen, Fachartikel und Forschungsstellen für »genderspezifische Medizin« überhaupt eine Rolle in der Heilkunde.
Es muss betont werden, dass der weibliche Körper anders funktioniert als der männliche, dass er anders altert, anders auf Therapien reagiert und dass die gleiche Krankheit oft unterschiedlich erlebt wird. Für Frauen hat dies manchmal handfeste Nachteile: In Europa sterben beispielsweise 55 Prozent der Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen – gegenüber 45 Prozent der Männer. Trotzdem gilt der Herzinfarkt als typische Männerkrankheit. Dies führt dazu, dass Frauen mit Infarkt länger auf den Notarzt warten, im Krankenhaus 20 Minuten später und seltener invasiv – etwa mithilfe eines Herzkatheters – behandelt werden. Ihr Leiden gilt als nicht so dringlich, und sie bekommen auch weniger Medikamente. Frauen werden in der Kardiologie zu wenig berücksichtigt, zu wenig erforscht und zu schlecht therapiert.
Dies liegt auch daran, dass Frauen andere Symptome haben: Männer spüren beim Infarkt typischerweise eine Enge in der Brust und Schmerzen, die in die Schulter, das Kinn oder den linken Arm ausstrahlen. Frauen sind hingegen im Falle eines Infarkts eher kurzatmig und erschöpft, haben eventuell Rückenschmerzen oder Bauchdrücken. Ein Grund für die Unterschiede ist, dass bei Männern der Herzmuskel im Alter schneller abgebaut wird. Die Kranzgefäße von Frauen scheinen hingegen Schädigungen besser reparieren zu können.
Auch als Forschungsobjekt sind die Frauen benachteiligt: Bis heute sind an klinischen Studien nur zu etwa 25 Prozent Frauen beteiligt – meist werden männliche Studenten untersucht. Untersuchungsergebnisse von jungen Männern lassen sich aber selten auf Frauen mittleren Alters übertragen. Manchmal spielt der Geschlechtsunterschied für die Forschung keine Rolle, manchmal wird dadurch hingegen verkannt, was Frauen tatsächlich besser helfen könnte.
Die Benachteiligung von Frauen in der Forschung hat auch historische Gründe: Nach den Skandalen um Contergan und das Östrogen Diethylstilbestrol, das bei Töchtern behandelter Frauen Krebs auslöste, wurden zunehmend mehr Männer rekrutiert. Immerhin gibt es einige Fortschritte. Inzwischen versucht man, den Rückstand aufzuholen. Es gibt Forschungsstellen für Gender-Medizin, und von den amerikanischen Gesundheitsinstituten wurde von 1992 an die Women’s Health Initiative (WHI) gegründet, die schon zahlreiche Fragen zur Frauengesundheit untersucht hat.
Die WHI-Studien an mehr als 160000 Frauen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren gehören zu den größten Untersuchungen weltweit. Sie erfassen, wie sich Ernährung, Vitamine und Hormone auf Herzleiden, Krebs und Osteoporose auswirken. 2002 deckte eine Teilstudie der WHI-Untersuchung auf, dass die Hormongabe Frauen in den Wechseljahren mehr schaden als nutzen kann.
Die wenigen Beispiele zeigen, dass es für die Medizin und die Wahrnehmung von Gesundheit insgesamt von Bedeutung ist, dass Frauen anders krank sind und anders gesund werden als Männer. Das Bewusstsein dafür muss in allen Bereichen der Heilkunde noch wachsen und gestärkt werden.
Das Temperament von Frauen, ihre Stimmungen und ihre Lust in unterschiedlichen Lebensphasen und innerhalb des monatlichen Zyklus wurde – von Männern – immer wieder auf die angeblich ja so ganz andere Biologie der Frau zurückgeführt. Ärzte diskutierten noch im 19. Jahrhundert auf Kongressen und in Lehrbüchern darüber, ob Frauen bei seelischen Schwankungen nicht das »unruhige« Organ, also die Gebärmutter, entfernt werden sollte. Bis heute wird die operative Entfernung der Gebärmutter (in der Fachsprache Uterus, aber eben auch Hyster) als Hysterektomie bezeichnet. Auch der Begriff »hysterisch« ist sprachlich darauf zurückzuführen – eine krankhafte Aufgeregtheit, die auf das »störrische« Organ zurückgeführt wurde.
Solche Vorschläge werden heutzutage zwar nicht mehr gemacht, dafür ist das Bild von der Frau als »hormongeplagtem Wesen« noch immer aktuell. In den 1980er-Jahren haben Frauenärzte immerhin noch diskutiert, ob nicht Hormone ins Trinkwasser gemischt werden sollten. Dieser Vorschlag war nur halb scherzhaft gemeint, und es ist vermutlich vor allem deshalb nichts daraus geworden, weil dann auch die Männer dem künstlichen Hormonschub ausgesetzt gewesen wären.
Jene Ärzte, die in der Frau vor allem das Mängelwesen sehen, gehen davon aus, dass die Frau mithilfe von Operationen, Medikamenten und anderen medizinischen Interventionen erst wieder in ihre körperliche wie auch seelische Balance gebracht werden muss, um gesellschaftlich wie sexuell »zu funktionieren« und den Erwartungen zu entsprechen. Fast das ganze Leben der Frau ist schließlich von »besonderen Umständen« geprägt: Pubertät, bestimmte Phasen des Zyklus’, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Wechseljahre gelten als chronische Ausnahmesituationen, die medizinisch kontrolliert und gegebenenfalls behandelt werden sollten.
Diese Wahrnehmung von Frauen lässt außer Acht, dass die psychische, soziale wie auch biologische Vielfalt mit all ihren Schwankungen und Eigenheiten einen wichtigen Teil des weiblichen Erlebens ausmacht und weder anormal noch krankhaft ist. Die Frau ist kein Mängelwesen, dem medizinisch auf die Sprünge geholfen werden muss.
In der Frauenheilkunde können viele schwierige Fragen auftauchen: Während einer Schwangerschaft steht für viele Paare die Frage im Raum, ob sie die Angebote der vorgeburtlichen Diagnostik in Anspruch nehmen sollen. Zur Geburtserleichterung wünschen sich immer mehr Frauen einen Kaiserschnitt, was jedoch nicht nur Erleichterung, sondern auch Schwierigkeiten mit sich bringen kann. Bei unerfülltem Kinderwunsch gibt es diverse, aber oftmals anstrengende Verfahren, um doch noch den ersehnten Nachwuchs zu bekommen. In der Krebsmedizin stehen viele verschiedene Therapien zur Verfügung, die unterschiedlich belastend – aber auch unterschiedlich Erfolg versprechend sind.
Aber auch bei eigentlich harmlosen Beschwerden oder leichteren Beeinträchtigungen fürchten viele Frauen gleich, dass sie krank sein könnten. Sie haben Unterleibsschmerzen oder Blutungen zwischendurch und sind dann gleich in Sorge, dass etwas Ernsthaftes dahintersteckt. Weil das eigene Körperbild so oft hinterfragt wird, werden Frauen verunsichert und fragen sich, ob sie und ihr Körper noch normal sind.
Leider geht es auch in der Medizin zunehmend ums Geld. Der ökonomische Druck in Krankenhäusern und Arztpraxen erhöht die Zahl der fragwürdigen Angebote, die Patienten unterbreitet werden. Medizinische Mythen und eingeschliffene Denk- und Verhaltensmuster tragen ein Übriges dazu bei, dass viele Frauen nicht in Ruhe auf sich und ihren Körper hören können. Ihnen fehlt die Muße, um gelassen abzuwägen, was sinnvoll ist und was sie besser bleiben lassen sollten. Sie werden bedrängt, statt frei entscheiden zu können.
Auf die Errungenschaften und Erkenntnisse der wissenschaftlichen Medizin möchte niemand mehr verzichten. Sie hat vieles erleichtert und manche...
Erscheint lt. Verlag | 3.1.2018 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie |
Schlagworte | Alternative zur Pille • Aufklärung • Brustkrebs • Das Ärztehasserbuch • Das erste Mal beim Frauenarzt • Das Wohlfühlbuch • Dr. med. Sheila de Liz • Eisprung • Empathie • Frauenarzt • Frauenärztin • Frauengesundheit • Frauen-Gesundheit • Frauengesundheitsbuch • frauenheilkunde • Frauen-Krankheiten • Frauenleiden • Frausein • Frau-Sein • Fruchtbare Tage • für Frauen • für Mädchen • Gebärmutterhalskrebs • Geburt • Geburtshilfe • Geburtsvorbereitung • Gesundheit • gesundheit frauen • Gesundheit für Frauen • Gesundheit Mädchen • Gesundheitsprävention für Frauen • Gesundheits-Ratgeber • Glücksmedizin • Gynäkologie • gynäkologische Untersuchung • Hitzewallungen • Hormone • Hormonelle Verhütung • Hormonhaushalt • Kinderwunsch • Kinderwunsch-Patient • Knoten in der Brust • Kondom • Körperglück • Künstliche Befruchtung • Mädchen • Medizin für Frauen • menopause • Menstruation • Menstruationstasse • nicht hormonelle Verhütung • Östrogen • Partnerglück • Perimenopause • Periode • Pille • Pubertät • Ratgeber Frauen • Ratgeber für Frauen • Ratgeber Gesundheit • Schmerzen beim Sex • Schulmedizin • Schwangerschaft • Sexualität • Sexualität genießen • Spirale • Standardwerk • Verhütung • Vorsorgeuntersuchung • Was Paare zusammenhält • Was passiert beim Frauenarzt • Was passiert beim Gynäkologen • Wechseljahre • Werner Bartens |
ISBN-10 | 3-426-42202-6 / 3426422026 |
ISBN-13 | 978-3-426-42202-1 / 9783426422021 |
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