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Rubbel die Katz oder wie man Wasser biegt (eBook)

Spiegel-Bestseller
Die wunderbare Welt der Alltagsphysik

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017
224 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-20157-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rubbel die Katz oder wie man Wasser biegt - Aeneas Rooch
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Wieso sind nasse Hosenbeine dunkler als trockene? Weshalb sind 40 Grad nicht doppelt so warm wie 20 Grad? Und warum können Bergsteiger keine Eier kochen? Wissenschaftlich fundiert und äußerst unterhaltsam geht Aeneas Rooch den Rätseln unseres Alltags auf den Grund. Und liefert Experimente zum Selbermachen und Angeben: So zeigt er, wie man Cappuccino singen lässt, eine Flasche Wein mit einem Schuh öffnet oder einen Wasserstrahl ablenkt (kleiner Tipp: hier kommt die Katze ins Spiel). Frisch und witzig - Physik mal anders!

Aeneas Rooch, geboren 1983, hat Mathematik und Physik studiert. Er arbeitet in der Softwarebranche und ist als freier Wissenschaftsjournalist tätig. Er spielt gerne Klavier und Badminton (aber selten gleichzeitig).

Kühles, dampfendes Bier

Woher kommt der Nebel beim Öffnen einer Bierflasche?

Selbst wenn Sie der Experimentalphysik bisher nur wenig abgewinnen konnten, sollte Ihnen dieses Experiment zusagen.

Das Experiment: Nehmen Sie eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und öffnen Sie sie. Schauen Sie auf die Flaschenöffnung. Wenn Sie ausreichend physikalische Erkenntnis gewonnen haben, dürfen Sie die Flasche leeren.

Was Sie sehen: Direkt nach dem Öffnen steigt eine dünne Wolke aus der Flasche auf.

Was dahintersteckt: Es ist nicht nur eine lyrische und (vielleicht dem vorausgegangenen Genuss ähnlicher Experimente geschuldete) unwissenschaftliche Beschreibung dessen, was Sie beobachten können, sondern es handelt sich bei dem, was aus der Flasche aufsteigt, tatsächlich um eine Wolke wie die Wolken am Himmel: einen Haufen winziger Wassertröpfchen.

In der Bierflasche waren sie noch gasförmig, das heißt, die Wasserteilchen schwebten als Wasserdampf zwischen Bier und Deckel hin und her. Sie waren auf dem kleinen Stückchen regelrecht eingezwängt und sind, als Sie die Flasche geöffnet haben, mit einem Zischen herausgeströmt. Hier draußen ist viel mehr Platz – stellen Sie sich vor, wie groß Ihre Küche für ein Gasteilchen wirken muss, das bisher nur das Innere der Bierflasche kannte! –, und die Gasteilchen, die sich gerade noch in der engen Flasche drängten, sich anrempelten und hin und her sausten, stieben jetzt in alle Richtungen auseinander. Dabei werden sie langsamer, denn das Herumtoben in der neuen Freiheit kostet Energie. Das können wir nicht sehen, aber wir spüren es: Das Gas wird kühler, denn Temperatur ist, wissenschaftlich genau genommen, nichts anderes als eine Maßzahl für die Teilchenbewegung. Dieses exotische Expertenwissen nutzt Ihnen wahrscheinlich nichts, wenn Sie schwitzen oder Ihnen kalt ist, aber schnelle Teilchen bedeuten Hitze, langsame Teilchen bedeuten Kälte. Für Physiker sind Temperatur und Teilchenbewegung das Gleiche.

Der Wasserdampf kühlt ab, wenn er aus der Flasche strömt, weil die Gasteilchen plötzlich mehr Platz haben und langsamer werden, und was jetzt passiert, kennen Sie aus Ihrem Badezimmer: Wenn Wasserdampf kalt wird, kondensiert er, das heißt, das Gas verwandelt sich in eine Flüssigkeit und bildet kleine Tröpfchen. Im Badezimmer passiert das auf dem Spiegel, bei der Bierflasche direkt in der Luft, sodass eine Wolke entsteht.

Apropos Wasserdampf: Man kann eine Menge falsch machen, wenn man sich über Wolken und Wasserdampf unterhält, und steht schnell als wunderlicher Kauz da, nur weil man nicht das richtige Wort gewählt hat. »Richtig« heißt in diesem Fall nicht einmal »wissenschaftlich richtig«, denn einige Begriffe rund um Wasser und Wolken sind zwar wissenschaftlich korrekt, wirken im normalen Leben aber trotzdem verschroben. Konkret: Ist Wasser gasförmig, sagt man nicht Wassergas, sondern Wasserdampf. (Wassergas gibt es auch, es ist aber etwas anderes; fragen Sie bitte einen Chemiker.) Wissenschaftlich korrekter Wasserdampf ist also ein Gas und als solches unsichtbar. Das jedoch passt nicht zu dem, was Sie und ich im Alltag Dampf nennen, den kann man schließlich sehen. Dieser Dampf enthält winzige flüssige Tröpfchen, ist also nicht mehr nur gasförmig, und Wissenschaftler sagen dazu Nebel oder in manchen Fällen auch Aerosol. Hinzu kommt, dass man im Alltag bei dem Wort »Dampf« meistens an etwas Heißes denkt, auch wenn Wissenschaftler damit ganz allgemein den gasförmigen Zustand einer Flüssigkeit oder eines festen Stoffes bezeichnen, unabhängig von seiner Temperatur. Kühler Dunst, der aus einer Wiese aufsteigt, ist ebenso Dampf wie heiße Schwaden über einem Kochtopf. Missverständnissen sind in diesem Bereich Tür und Tor geöffnet. Mit folgendem Satz können Sie wissenschaftlich punkten, manövrieren sich gesellschaftlich aber vermutlich ins Abseits: »Eine Wolke besteht nicht aus Wasserdampf, sondern aus Aerosol.«

Wo findet man das noch? Die Zutaten und Effekte, die in der Bierflasche zusammenspielen – Wasser, Luft, Druck, Temperatur, Ausdehnung, Kondensation –, bestimmen auch unser Wetter. Schon in der Bierflasche ist hoch kompliziert, was physikalisch auf der Grenze zwischen gasförmigem und flüssigem Wasser abläuft; was sich jedoch im Großen daraus ergibt – Wirbelstürme, Wind, Monsunregen, Dürre –, ist noch viel verworrener, vielfältiger und komplexer, und Wissenschaftler versuchen, die Abläufe und Zusammenhänge mit Formeln zu beschreiben, um sie zu verstehen und vorherzusagen.

Apropos Klima: Während es für das Raumklima egal ist, ob Sie eine kleine Flasche Bier öffnen (oder auch eine große), spielen Wolken und Wasserdampf bei den Prozessen, die unser Wetter bestimmen, eine Schlüsselrolle. Luft kann Wasserdampf aufnehmen: Bei 30 Grad Celsius fasst sie etwa 30,3 Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter. Fliegt über diese sogenannte Sättigungsmenge hinaus noch mehr Wasserdampf herum, kondensiert er und wird flüssig, und es bildet sich – je nach Menge und Wetter – Nebel, Raureif, Schnee, Hagel oder Regen.

Soeben haben Sie (wahrscheinlich unbemerkt) gelernt, was es mit absoluter und relativer Luftfeuchtigkeit auf sich hat. Die Begriffe sorgen seltsamerweise immer wieder für Verwirrung, obwohl sie nicht kompliziert sind: Die absolute Luftfeuchtigkeit ist die Menge an Wasserdampf in einer Portion Luft; um sie anzugeben, muss man also wissen, über wie viel Kubikmeter Luft man spricht und wie viel Gramm Wasserdampf diese Portion enthält. (Falls Sie über die Einheit stolpern: Ein Kubikmeter sind 1000 Liter. Beim Einkaufen ist die Einheit Liter etwas praktischer.) Die relative Luftfeuchtigkeit gibt hingegen, grob gesprochen, an, wie viel Wasserdampf die Luft enthält, verglichen mit der maximal möglichen Menge. Bei 100 % relativer Luftfeuchtigkeit ertrinken wir nicht, weil sich die Prozentangabe nicht auf die Portion bezieht, sondern auf die Sättigung: Die Portion Luft ist nicht zu 100 % mit Wasser gefüllt, sondern mit Wasserdampf gesättigt und kann nichts mehr aufnehmen. Alles, was jetzt noch hinzukommt, bleibt nicht gasförmig, sondern kondensiert in Form von Wassertröpfchen. (Bei Prozentangaben sollte man sich generell fragen: Prozent von was? Wenn man diese Frage stellt – und vielleicht sogar beantwortet –, kann man einige statistische Irrtümer vermeiden, die schlicht dar-aus resultieren, dass Prozentangaben zwar praktisch zum Vergleichen sind, wir aber intuitiv kein Gefühl für sie haben.) Kurz nachdem Sie die Bierflasche geöffnet haben, betrug die relative Luftfeuchtigkeit über der Flasche 100 %, denn die Feuchtigkeit hat sich als Nebel niedergeschlagen – offenbar war die Maximalmenge dessen erreicht, was hier in Gasgestalt herumfliegen konnte.

Wolken haben übrigens Namen. Sie stehen im »Internationalen Wolkenatlas«, den eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen herausgibt (wie die UNESCO und die WHO, nur eben zuständig für Atmosphäre und Klima: die WMO, die »World Meteorological Organization«). Obwohl es sich bei dem Nebel über Ihrer Bierflasche um eine Wolke handelt, zumindest aus physikalischer Sicht, bezweifele ich jedoch, dass die Bierflaschenwolke als eigene Gattung im Wolkenatlas verzeichnet ist.

Der Wolkenatlas geht zurück auf den Londoner Apotheker Luke Howard, der um 1800 die Idee hatte, dass man Wolken in Kategorien einteilen kann, was kein unerhört kreativer Einfall war, schließlich hatte der schwedische Botaniker und Zoologe Carl von Linné ein paar Jahre zuvor Pflanzen und Tiere in Klasse, Ordnung, Gattung, Art und Varietät eingeteilt und damit die Grundlage für das System geschaffen, nach dem Biologen heute Pflanzen und Tiere benennen; eine einheitliche Klassifikation war also auch damals keine bahnbrechende Idee, bei so etwas Ätherischem wie Wolken aber zumindest eine, auf die nicht viele andere gekommen sind. Man kann nicht leugnen, dass das Ansinnen, Wolken zu beobachten und ihre Form zu beschreiben, nicht ausschließlich nach naturwissenschaftlichem Forschergeist klingt, sondern auch ein bisschen nach Hans Guckindieluft; doch Luke Howard schuf mit seinem Einteilungsschema die Grundlage für die systematische Beschreibung von Wolken und damit auch für ihre wissenschaftliche Untersuchung, auch wenn Wolkennamen wie Altocumulus translucidus, Cirrus fibratus oder Cumulonimbus klingen wie Titel ehrwürdiger Geheimlogen-Vorsitzender oder Zaubersprüche bei Harry Potter. Die Wissenschaft der Wolken heißt übrigens Nephologie, was Sie nicht mit Nephrologie verwechseln sollten, dem medizinischen Fachgebiet rund um die Niere. (Zu wissen, dass beide Begriffe aus dem Altgriechischen stammen – nämlich von νεφρός/nephrós, Niere, und νέφος/néphos, Wolke –, schützt Sie wahrscheinlich auch nicht davor, sie zu verwechseln, aber ich wollte es schnell noch erwähnt haben.)

Wann...

Erscheint lt. Verlag 13.2.2017
Zusatzinfo durchgehend 4c
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Alltagsphänomene • eBooks • Geschenk für Männer • Humor • lustig • lustige • Mathe • Naturwissenschaft • Physik • Physik für Laien • Populärwissenschaft • wissenschaftliche Experimente • Wissenschaft und Technik
ISBN-10 3-641-20157-8 / 3641201578
ISBN-13 978-3-641-20157-9 / 9783641201579
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