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Panikmache (eBook)

Spiegel-Bestseller
Wie wir vor lauter Angst unser Leben verpassen
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
288 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403567-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Panikmache -  Jörg Schindler
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***Die Angst in Deutschland wächst. Jörg Schindler zeigt, wie wir trotz allem einen kühlen Kopf bewahren können*** Terroranschläge, Naturkatastrophen, 'Islamisierung des Abendlandes', steigende Kriminalität, Inflation oder Deflation, nervöse Märkte, fallender Dax, die Super-Grippe, Gift im Essen - eine Krise jagt die nächste. Ständig werden wir mit neuen Bedrohungsszenarien konfrontiert. Wir fühlen uns immer unsicherer und wittern an allen Ecken und Enden Gefahren. Der Alarmzustand ist zum Normalzustand geworden. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen zu werden, in Deutschland immer noch höher, als Opfer eines Terroranschlags zu werden. Und obwohl wir uns mit unserer Ernährung täglich zu vergiften meinen, werden wir so alt wie nie zuvor. In unserem Streben nach Sicherheit gehen wir den Panikmachern aus Politik und Industrie auf den Leim. Wir nehmen Einschränkungen unserer Freiheit hin und ermöglichen es staatlichen und kommerziellen Überwachern, jeden Aspekt unseres Alltags zu durchleuchten - was uns im Zweifel noch unsicherer macht. Jörg Schindler spürt den Gründen unserer Angst nach. Wer sie hat. Und wer sie macht. Er beschreibt, warum wir auch in unruhigeren Zeiten nicht panisch werden, sondern einen kühlen Kopf bewahren sollten: Weil wir sonst - mit Sicherheit - unser Leben verpassen.

Jörg Schindler, geboren 1968 in Darmstadt, studierte Germanistik, Anglistik und Soziologie in Frankfurt am Main und Edinburgh. Er war Nachrichtenredakteur und Reporter bei der »Frankfurter Rundschau«, seit 2012 arbeitet er beim Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« und ist dort für die Themen Terrorismus und Innere Sicherheit zuständig. Jörg Schindler wurde 2009 zusammen mit seinem Kollegen Matthias Thieme mit dem Wächterpreis für investigativen Journalismus ausgezeichnet und erhielt 2014 mit mehreren SPIEGEL -Redakteuren den Henri-Nannen- Preis für die beste investigative Leistung für Artikel zur NSA -Affäre. Literaturpreise: ?Stadt, Land, Überfluss? wurde von der Deutschen Umweltstiftung ausgezeichnet als »Umweltbuch des Monats Oktober 2014« für »eine besonders wichtige und kritische Auseinandersetzung mit dem modernen Konsumverhalten«.

Jörg Schindler, geboren 1968 in Darmstadt, studierte Germanistik, Anglistik und Soziologie in Frankfurt am Main und Edinburgh. Er war Nachrichtenredakteur und Reporter bei der »Frankfurter Rundschau«, seit 2012 arbeitet er beim Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« und ist dort für die Themen Terrorismus und Innere Sicherheit zuständig. Jörg Schindler wurde 2009 zusammen mit seinem Kollegen Matthias Thieme mit dem Wächterpreis für investigativen Journalismus ausgezeichnet und erhielt 2014 mit mehreren SPIEGEL -Redakteuren den Henri-Nannen- Preis für die beste investigative Leistung für Artikel zur NSA -Affäre. Literaturpreise: ›Stadt, Land, Überfluss‹ wurde von der Deutschen Umweltstiftung ausgezeichnet als »Umweltbuch des Monats Oktober 2014« für »eine besonders wichtige und kritische Auseinandersetzung mit dem modernen Konsumverhalten«.

Dieses Buch ist ein wilder Ritt durch die kollektiven Ängste unserer Gesellschaft

Schindlers Buch ist eine hilfreiche Anleitung zur Selbstbefreiung.

Einfach, anschaulich und für alle zugänglich: Ein im wahrsten Sinne demokratisches Buch und ein Plädoyer für mehr Kultur im Widerstand.

ein äußerst hilfreiches, motivierendes Handbuch

Kenntnisreich, pointiert und anschaulich stellt Schindler dar, was alles täglich neu als Bedrohung wahrgenommen wird.

sein Buch macht Mut. Weil es von Menschen erzählt, die etwas gewagt haben. So wie er selbst, damals in Serbien.

Ein verdienstvolles Plädoyer gegen die Panikmache

Alarmzustand


Der Verstand glaubt stets,

dass wahr sei,

was er fürchtet.

Ovid

Es war im Advent, wenige Wochen nach den Terroranschlägen von Paris. Ich war auf dem Weg zum Büro und musste dafür an den Absperrgittern vor der französischen Botschaft in Berlin vorbei, die von einem Meer aus Blumen und Kerzen gesäumt wurden. Ich hatte das Ende des Blumenteppichs beinahe erreicht, als mir im Augenwinkel eine Frau auffiel, die sich mitten im Gewusel am Brandenburger Tor fast zeitlupenartig auf die Absperrung zu bewegte. Sie hatte die Arme vor dem Körper angewinkelt und die Augen geschlossen. Sie trug eine hellgraue Burka. In dem Moment erschrak ich. Im Bruchteil einer Sekunde lief ein Horrorfilm vor meinem inneren Auge ab, in dem ein Sprengstoffgürtel, eine Explosion und das blanke Chaos die Hauptrollen spielten. Im nächsten Moment erschrak ich wieder. Ich hatte innegehalten und beobachtete die Frau. Sie stand da und betete. Auf einem Platz, der nie stillsteht, war sie der einzige ruhende Pol. Nachdem ich sie einige Sekunden lang verstohlen angeschaut hatte, ging ich weiter. Und schämte mich.

Als ich Freunden später davon erzählte, berichteten alle von ganz ähnlichen Erlebnissen. Einem war im Flugzeug unwohl geworden, nachdem hinter ihm zwei bärtige Männer Platz genommen hatten, die offenbar Arabisch sprachen. Eine erzählte, sie habe jüngst auf dem Heimweg den U-Bahn-Waggon gewechselt, nachdem ein Mann mit einem rollenden Metallgestell zugestiegen war, auf dem sich eine klobige Kiste befand. Der Typ, meinte sie, habe irgendwie seltsam gewirkt. Ein Dritter berichtete, er habe mit seiner jungen Familie gerade erst die Urlaubsreise nach Thailand storniert. Thailand? In irgendeiner Zeitung habe er eine Meldung aufgeschnappt, dass dort ein Anschlag drohen könnte. Und mit seinem kleinen Kind sei ihm das zu unsicher.

Wohin ich auch blickte, von überallher starrte die Angst zurück. Sie prangte auf den Titelseiten aller Zeitungen und Magazine. Sie war zu Gast in fast allen Talkshows der Republik. Und sie waberte durch die sogenannten sozialen Netzwerke, in denen Menschen vieltausendfach unglaubliche Gruselgeschichten miteinander »teilten« und sich eine Art Bürgerkrieg herbeiphantasierten. Auf den Marktplätzen der Republik wurde frenetisch gejubelt, wenn davon die Rede war.

Nach Silvester wurde aus der Angst Panik. In Köln hatte angeblich ein 1000-köpfiger »Sex-Mob«, bestehend aus entfesselten arabischen Männern, gegen deutsche Frauen gewütet. Kurz darauf kursierten im ganzen Land noch mehr Meldungen, die das dumpfe Klischee vom triebgesteuerten, mordlüsternen Fremden zu bestätigen schienen. Eine furchterregender als die andere. Eine so falsch wie die andere. Aber Millionen nahmen sie für bare Münze, wie überhaupt in diesen Monaten Lüge, Gerücht und Wahrheit munter durcheinanderpurzelten. Nach Köln ploppten überall im Land – sogar in Dörfern, wo nur ein paar alte Großmütter Kopftuch tragen – »Bürgerwehren« aus dem Boden. Manche von ihnen bliesen zur Menschenjagd; alle paar Tage brannte eine Asylunterkunft. Behörden kamen nicht mehr nach mit dem Ausstellen kleiner Waffenscheine, Bürger stürmten Apotheken, um sich mit Pfefferspray einzudecken. Mancherorts waren sogar Tierabwehrsprays ausverkauft.

Irgendetwas war spätestens seit dem Sommer 2015 ins Rutschen geraten. Mit den zahllosen Hilfesuchenden aus Syrien, Irak, Eritrea, so schien es, war auch die Verunsicherung massenhaft eingewandert nach Deutschland. Oder war sie schon vorher da und durch den Treck der Elenden nur ausgelöst worden? Schnell war von einer »Flüchtlingskrise« die Rede, und gemeint war nicht etwa der Zustand der vor Fassbomben und fanatischen Halsabschneidern geflohenen Menschen, die nun zusammengepfercht in der Fremde auf eine Art Zukunft warteten. Gemeint war, dass diese Menschen uns bedrohten. Wenn man durchaus seriösen Politikern und Medien Glauben schenken konnte, würde Deutschland nicht mehr lange der steinreiche und strahlende Wirtschaftsmotor Europas sein, mit Verhältnissen, von denen andere nicht mal mehr träumen. Vielmehr sei das Land auf dem besten Weg zu einem failed state. Das ging an den Menschen nicht spurlos vorüber.

 

Ende 2015 präsentierte die »Stiftung für Zukunftsfragen« die Ergebnisse ihrer jährlichen Umfrage zum persönlichen Empfinden der Bundesbürger. 55 Prozent der Befragten gaben demnach an, »angstvoll in die Zukunft« zu blicken – das waren fast doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor.[1] Vor allem die älteren Menschen in Deutschland zeigten sich übermäßig besorgt, aber auch unter den Jüngeren zwischen 14 und 34 Jahren frisst sich die Angst, wie es scheint, zunehmend in den Alltag. Die Forscher attestierten überrascht eine »Rückkehr der German Angst«. Drei Monate später erstarkte dann bei drei Landtagswahlen eine neue Partei, die die bundesdeutsche Gegenwart in düstersten Farben gezeichnet hatte. Viele Bürger mochten das gerne glauben. Sie hatten die Angst gewählt.

Und kann man es den Menschen verdenken? 2015 war ja tatsächlich ein Jahr, das vor lauter Krisen kaum Luft zum Atmen ließ. Terror in Paris, Terror in Syrien und Irak, Ebola in Westafrika, der Absturz einer Germanwings-Maschine, Tausende Ertrunkene im Mittelmeer, ein verheerendes Erdbeben in Nepal, der drohende Staatsbankrott in Griechenland, schwere Turbulenzen bei der Deutschen Bank, Terror in Tunesien, Hunderttausende Fliehende auf dem Weg nach Europa, brennende Asylunterkünfte in ganz Deutschland, »Islamischer Staat«, ein Abgasskandal bei VW, ein gekauftes Fußball-Sommermärchen, Terror in der Türkei, ein Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin, noch einmal Terror in Paris, eine Art Staatsputsch in Polen, Terror in Kalifornien. Ein Jahr so voller Heimsuchungen und Schrecken wie die Bilder von Hieronymus Bosch. Und mit einer Terrorwarnung in München und einem Terroranschlag in Istanbul fing 2016 gleich spiegelbildlich an. Der Alarmzustand war ganz allmählich zum Normalzustand geworden.

Zumal sich zu den vielen globalen und bedrohlichen Gefahren in unserem Alltag anscheinend noch unzählige weitere heimtückische und unterschätzte Risiken gesellen. Gift auf dem Acker, Chemie in Lebensmitteln, Feinstaub, Weichmacher, analoge und digitale Viren, Abzocker, Einbrecher, Scharlatane, Kinderschänder. Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Bochum, sammelt seit Ausbruch der BSE-Krise in Europa an seinem Lehrstuhl die »Angst der Woche« – im Lauf der Zeit ist ein bedrohliches Kompendium dabei entstanden: Es reicht von A wie »Airbag als Todesfalle« über »Benzol im Babybrei«, »Brustkrebs durch Flatrate-Trinken«, »Gefahr durch Energiesparlampen«, »Invasion stinkender Käfer«, »Krebserregende Stoffe in Babyschnullern« und »Umweltgift in Babysocken« bis Z wie »Zuckerfreie Limonade«, die der Gesundheit anscheinend ebenfalls schadet.[2]

Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen sich und ihr Umfeld als bedroht wahrnehmen. Nicht nur in Deutschland. »Westliche Gesellschaften werden in zunehmendem Maße von einer Kultur der Angst dominiert.«[3] Die Psychologin Jean Twenge von der San Diego State University hat 269 Studien zum Angstempfinden aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts miteinander verglichen. Ihr Befund: Die Angstkurve zeigt in allen Altersgruppen nach oben.[4] Die Zahl der Menschen, die sich wegen Depressionen und Angststörungen behandeln lassen, steigt daher in westlichen Gesellschaften seit Jahren. Ebenso die Zahl der Apps, mit denen sich Ängstliche – so das Versprechen – selbst auf Knopfdruck kurieren können: Sie tragen Namen wie »Panik Ambulanz«, »Relax Melodies«, »Inner Balance« und »Worry Watch« und werden Monat für Monat tausendfach aus dem Netz heruntergeladen.

 

Und welche Ängste sind es genau, die die Deutschen in ihren schlaflosen Nächten heimsuchen? Wenig verwunderlich sind es, neben finanziellen Sorgen, vor allem unkontrollierbare Bedrohungen von außen, die den größten Schrecken verbreiten: Kriminalität, Terror und Krieg, Naturkatastrophen und der »Zuzug von Ausländern«.[1]

Aber sind das auch tatsächlich die größten Gefahren, die den Deutschen drohen? Man darf es bezweifeln. Nehmen wir die Kriminalität: Jeder vierte Deutsche hat Umfragen zufolge Angst oder sogar große Angst davor, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden.[5] Und fast die Hälfte der Bundesbürger ist felsenfest überzeugt davon, dass derartige Verbrechen von Jahr zu Jahr zunehmen. Nur, das Gegenteil ist der Fall. Beispiel Mord: Registrierte die Polizei im Jahr 2000 noch 454 Morde in Deutschland, waren es fünf Jahre später 387, weitere fünf Jahre danach 293 – und 2015 noch 281. Einen deutlichen Rückgang der Fallzahlen gab es auch bei gefährlicher Körperverletzung und Raub. Die Gesamtzahl der Gewaltverbrechen nahm von 218000 (2007) auf 181000 (2014) ab. Aber fragt man die Menschen in Deutschland, sagen sie: Das kann nicht sein. Wir lesen es doch dauernd. Wir sehen es im Fernsehen. Unsere Freunde posten es auf Facebook. Von 2014 bis 2015 sprang die Angst vor Kriminalität in einem gewaltigen Satz von 60 auf 82 Prozent, was nicht...

Erscheint lt. Verlag 25.8.2016
Reihe/Serie Fischer Paperback
Fischer Paperback
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 9/11 • AfD • Alarmzustand • Angst • Angstmacher • Brüssel • BSE • Deflation • Deutschland • fallender Dax • Flüchtlinge • Flüchtlingskrise • Fremdenhass • Gefahr • Gelassenheit • Gewalt • Gift im Essen • Globalisierung • Industrie • Inflation • Innere Sicherheit • IS • "Islamisierung des Abendlandes" • Islamismus • Krise • Medien • Naturkatastrophen • nervöse Märkte • Panikmacher • Paris • Pegida • Politik • rechte Gewalt • Religiöser Fanatismus • Sicherheit • Spiegel-Journalist • steigende Kriminalität • Super-Grippe • Terroranschlag • Terroranschläge • Terrorismus • Versicherung • Verunsicherung • Wirtschaft
ISBN-10 3-10-403567-9 / 3104035679
ISBN-13 978-3-10-403567-3 / 9783104035673
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