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Postkapitalismus (eBook)

Spiegel-Bestseller
Grundrisse einer kommenden Ökonomie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
500 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-74478-9 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
(CHF 14,65)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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Drei Dinge wissen wir: Der Kapitalismus hat den Feudalismus abgelöst; seither durchlief er zyklische Tiefs, spätestens seit 2008 stottert der Motor. Was wir nicht wissen: Erleben wir eine der üblichen Krisen oder den Anbruch einer postkapitalistischen Ordnung? Paul Mason blickt auf die Daten, sichtet Krisentheorien - und sagt: Wir stehen am Anfang von etwas Neuem. Er nimmt dabei Überlegungen auf, die vor über 150 Jahren in einer Londoner Bibliothek entwickelt wurden und laut denen Wissen und intelligente Maschinen den Kapitalismus eines Tages »in die Luft sprengen « könnten. Im Zeitalter des Stahls und der Schrauben, der Hierarchien und der Knappheit war diese Vision so radikal, dass Marx sie schnell in der Schublade verschwinden ließ. In der Welt der Netzwerke, der Kooperation und des digitalen Überflusses ist sie aktueller denn je.
In seinem atemberaubenden Buch führt Paul Mason durch Schreibstuben, Gefängniszellen, Flugzeugfabriken und an die Orte, an denen sich der Widerstand Bahn bricht. Mason verknüpft das Abstrakte mit dem Konkreten, bündelt die Überlegungen von Autoren wie Thomas Piketty, David Graeber, Jeremy Rifkin und Antonio Negri und zeigt, wie wir aus den Trümmern des Neoliberalismus eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft errichten können.



Paul Mason, geboren 1960 in der Industriestadt Leigh im Nordwesten Englands, ist Autor, Aktivist und vielfach ausgezeichneter Fernsehjournalist. Mason arbeitete lange f&uuml;r die BBC und Channel 4 News und schreibt regelm&auml;&szlig;ig f&uuml;r den Guardian. Sein Buch <em>Postkapitalismus</em> (st 4845) war weltweit ein Bestseller; <em>Klare, lichte Zukunft </em>wurde 2020 mit dem Erich-Fromm-Preis ausgezeichnet.

Paul Mason, geboren 1960 in Leigh, ist ein englischer Autor und vielfach ausgezeichneter Fernsehjournalist. Er arbeitete lange für die BBC und Channel 4 News und schreibt regelmäßig für den Guardian.

1
Der Neoliberalismus ist kaputt


Am 15. September 2008 stand ich vor der New Yorker Zentrale von Lehman Brothers, um über den Zusammenbruch der Investmentbank zu berichten. Auf Anweisung meines Kameramanns schlenderte ich durch das Gewirr von Limousinen, Satellitenübertragungswagen, Leibwächtern und Bankern, die man gerade entlassen hatte.

Sieben Jahre späte leidet die Welt immer noch unter den Nachwirkungen jenes Tages. Wenn ich mir jene Aufnahmen heute ansehe, frage ich mich: Weiß der Mann, der da mit einem Mikrophon vor der Kamera steht, heute etwas, was er damals nicht wusste?

An jenem Tag wusste ich, dass eine Rezession begonnen hatte: Ich war gerade kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten gereist, um eine Reportage über die Schließung von 600 Starbucks-Filialen zu drehen. Ich wusste, dass das globale Finanzsystem unter Druck stand: Es war sechs Wochen her, dass ich über den drohenden Kollaps einer Großbank berichtet hatte. 2 Ich wusste, dass der amerikanische Immobilienmarkt einen Tiefpunkt erreicht hatte: In Detroit hatte ich Häuser gesehen, die für 8000 Dollar in bar angeboten wurden. Und ich wusste, dass ich den Kapitalismus nicht mochte.

Aber ich ahnte damals nicht, dass der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Form drauf und dran war, sich selbst zu zerstören.

Der Crash im Jahr 2008 löschte 13 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und 20 Prozent des Welthandels aus. Er sorgte dafür, dass die Weltwirtschaft schrumpfte – und das in einer Welt, in der eine Wachstumsrate von weniger als 3 Prozent als Rezession gilt. Im Westen löste er eine Depressionsphase aus, die länger dauerte als die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929-33. Und trotz einer rachitischen Erholung fürchten sich die tonangebenden Ökonomen weiterhin vor einer langen Phase der Stagnation.

Aber die durch den Lehman-Zusammenbruch ausgelöste Wirtschaftskrise ist nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem ist das, was als Nächstes kommt. Wenn wir verstehen wollen, was auf uns zukommt, müssen wir uns die strukturellen Probleme ansehen, die den Crash von 2008 auslösten.

Als das globale Finanzsystem in jenem Jahr kollabierte, war die naheliegende Ursache rasch gefunden: Es lag an den Schulden, die in falsch bewerteten »forderungsbesicherten Wertpapieren« versteckt waren, und am Netz der nicht regulierten und Offshore-Unternehmen, das nach seiner Implosion als »Schattenbanksystem« bekannt wurde. 3 Und als die Jagd auf die Übeltäter begann, wurde uns klar, welches Ausmaß die Kriminalität angenommen hatte, die auf dem Weg in die Krise alltäglich geworden war. 4

In Wahrheit saßen wir jedoch alle in einem Flugzeug, dessen Navigationssystem ausgefallen war. Der Grund für diesen Blindflug war, dass es kein Krisenmodell für die neoliberale Wirtschaft gibt. Selbst wenn wir nicht mit der gesamten Ideologie einverstanden sind – das Ende der Geschichte, die Welt ist flach, der Kapitalismus funktioniert reibungslos –, zweifeln die wenigsten von uns an der Doktrin, die besagt, dass sich die Märkte selbst regulieren. Die meisten Leute halten es weiterhin für undenkbar, dass der Neoliberalismus von seinen eigenen Widersprüchen zerrissen werden könnte.

Sieben Jahre später ist das System wieder halbwegs stabil. Indem sie zusätzliche Staatsschulden in Höhe von beinahe 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehäuft und Geld im Wert von einem Sechstel der globalen Wirtschaftsleistung druckten, schafften es die Vereinigten Staaten, Großbritannien, China und Japan, der Wirtschaft eine Dosis Adrenalin zu injizieren und den Krampf zu lösen. Die Staaten haben die Banken gerettet, indem sie ihnen ihre faulen Kredite abgenommen haben: Ein Teil wurde abgeschrieben, ein Teil in Staatsschulden verwandelt, ein Teil in Bad Banks versteckt, die einfach dadurch stabilisiert wurden, dass die Zentralbanken für sie bürgten.

Anschließend wurden Sparprogramme eingeleitet, die jene entlasteten, die ihr Geld unklug angelegt hatten, und die Lasten stattdessen den Empfängern von Sozialleistungen, den öffentlichen Bediensteten, den Rentnern, vor allem aber den zukünftigen Generationen aufbürdeten. In den besonders schwer getroffenen Ländern wurde das Rentensystem zerstört. Das Rentenalter wurde so weit angehoben, dass die heutigen Hochschulabgänger bis zum siebzigsten Lebensjahr werden arbeiten müssen, und die Bildung wurde privatisiert, so dass die Absolventen ihr Leben lang verschuldet sein werden. Staatliche Leistungen wurden zurückgeschraubt und Infrastrukturprojekte verschoben.

Doch viele Menschen verstehen immer noch nicht, was das Wort »Austerität« wirklich bedeutet. Die Austeritätspolitik ist nicht auf die Ausgabenkürzungen in Großbritannien oder auf die soziale Katastrophe in Griechenland beschränkt. Was Austerität wirklich bedeutet, erklärte Tidjane Thiam, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns Prudential, 2012 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Gewerkschaften, so Thiam, seien die »Feinde der jungen Menschen«, und der Mindestlohn sei »eine Maschine zur Arbeitsplatzvernichtung«. Der millionenschwere Finanzmagnat eröffnete uns ganz ungeniert, dass die Rechte der Arbeitnehmer und menschenwürdige Löhne der Wiederbelebung des Kapitalismus im Weg stünden und beseitigt werden müssten. 5

Das ist das eigentliche Austeritätsprojekt: Einkommen und Lebensstandard der Menschen im Westen sollen über Jahrzehnte hinweg gedrückt werden, um ihren Wohlstand dem der aufstrebenden Mittelschichten in China und Indien anzugleichen.

In der Zwischenzeit wird in Ermangelung eines alternativen Modells das Feld für die nächste Krise bereitet. In Japan, Südeuropa, den USA und Großbritannien sinken oder stagnieren die Realeinkommen. 6 Das Schattenbanksystem wurde repariert und ist mittlerweile größer als im Jahr 2008. 7 Weltweit sind die kombinierten Schulden von Finanzinstituten, privaten Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Haushalten seit der Krise um 57 Billionen Dollar gestiegen, womit sie fast dreimal so hoch sind wie das globale BIP. 8 Die neuen Vorschriften, mit denen die Banken gezwungen werden sollten, ihr Kernkapital zu erhöhen, wurden verwässert und verschleppt. Und das reichste Eine Prozent ist noch reicher geworden.

Sollte auf eine weitere Hysterie an den Finanzmärkten ein weiterer Kollaps folgen, wird es keine weitere Bankenrettung geben. Da die Staatsschulden den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht haben und die Sozialsysteme in einigen Ländern zerschlagen worden sind, werden wir der nächsten Krise wehrlos ausgeliefert sein, da wir den Großteil unserer Munition verschossen haben. Die Rettung Zyperns lieferte die Blaupause für das, was geschieht, wenn eine Großbank oder ein Staat pleitegeht: Die Sparer verloren alle Einlagen, die über einen Betrag von 100 ‌000 Euro hinausgingen.

Hier die Zusammenfassung der Lehren, die ich aus den Geschehnissen seit dem Tod von Lehman gezogen habe: Die kommende Generation wird ärmer sein als die gegenwärtige. Das alte Wirtschaftsmodell funktioniert nicht mehr, und das Wachstum kann nicht angekurbelt werden, ohne das Finanzsystem noch verwundbarer zu machen. Die Märkte verrieten uns an jenem Tag etwas über die Zukunft des Kapitalismus. Aber zu jener Zeit verstand ich die Botschaft nur teilweise.

Eine weitere Droge


In Zukunft sollten wir uns die Emoticons, die Smileys und das digitale Augenzwinkern in den E-Mails der Finanzmanager genauer ansehen. Diese Zeichen verraten uns, dass sie wissen, dass das, was sie tun, falsch ist.

»Es ist eine weitere Droge, von der wir abhängig geworden sind«, gab der Lehman-Manager, der für die berüchtigte »Repo 105«-Taktik verantwortlich war, in einer E-Mail zu. Der Trick bestand darin, Verbindlichkeiten aus der Bilanz der Bank herauszuhalten, indem man sie vorübergehend »verkaufte« und nach Abschluss des Quartalsberichts wieder zurückkaufte. Ein anderer Lehman-Manager wurde gefragt, ob diese Schummelei legal sei, ob andere Banken dasselbe täten und ob auf diese Art Löcher in der Bilanz gestopft würden? Seine Antwort in einer E-Mail: »Ja, nein, und ja :).« 9

Bei der Ratingagentur Standard & Poor's, die Risiken wissentlich falsch bewertete, schrieb ein Mitarbeiter an einen anderen: »Wir wollen hoffen, dass wir alle reich und im Ruhestand sind, wenn das Kartenhaus einstürzt.« Er fügte das Emoticon »:O)« hinzu.10

Bei Goldman Sachs in London scherzte der Wertpapierhändler Fabrice »Fabulous Fab« Tourre:

 

Mehr und mehr Verschuldung im System, das ganze System kann jeden Moment zusammenbrechen … Der einzige Überlebende dürfte Fabulous Fab sein … der mitten in all diesen komplexen, auf Pump finanzierten, exotischen Geschäften steht, die er ohne das nötige Verständnis der Auswirkungen dieser Ungetüme entwickelt hat!!!

 

Immer mehr Beweise für Kriminalität und Korruption tauchen auf. Was dabei regelmäßig auffällt, ist die verschwörerische Formlosigkeit, die die Bankleute an den Tag legen, während sie die Regeln brechen. »Habe es für dich erledigt, Junge«, schrieb ein Barclays-Mitarbeiter an einen Kollegen, mit dem er sich verschworen hatte, um den Interbankenzinssatz Libor zu manipulieren, den wichtigsten Zinssatz überhaupt.11

Man muss auf den Ton dieser E-Mails achten: auf die...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2016
Übersetzer Stephan Gebauer
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Postcapitalism. A Guide to Out Future
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte BBC • Brexit • David Graeber • Erich Fromm-Preis 2020 • Finanzkrise • grexit • guardian • Kapital • Karl Marx • Postcapitalism. A Guide to Our Future deutsch • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • ST 4845 • ST4845 • suhrkamp taschenbuch 4845 • Thomas Piketty • TTIP • Ungleichheit • Yanis Varoufakis
ISBN-10 3-518-74478-X / 351874478X
ISBN-13 978-3-518-74478-9 / 9783518744789
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