Balance in der Bewegung (eBook)
224 Seiten
FNverlag
978-3-88542-926-5 (ISBN)
Reiten lernt man nur durch Reiten …
– aber lesen kann nicht schaden!
Und wer besser reiten lernen will, dem kann lesen, verstehen, den eigenen Körper erfahren und kennen lernen nur helfen, seine Stärken zu nutzen und an Schwächen zu arbeiten.
Freilich, es gibt genug Bücher über das Reiten, und neu erfinden möchte auch ich die Reiterei keineswegs. Im Gegenteil – in manchen uralten, verstaubten Büchern lassen sich Weisheiten über den Reitsport finden, die nichts an ihrer Wahrheit und Aktualität eingebüßt haben. Allzu oft scheinen allerdings die hohen Ideale des guten Reitens kaum noch Berührungspunkte mit den eigenen praktischen Erfahrungen im Sattel zu haben.
Graue Theorie mit Leben zu füllen und möglichst praxisbezogen darzustellen, ist ein zentrales Anliegen dieses Buches. Dabei ist ein Buch allein das denkbar schlechteste Medium, um sich dem Wesen des Reitens zu nähern. Ein Buch ist starre Theorie – Reiten aber lebt von Bewegung und Dynamik.
Natürlich muss man alles auf dem Pferd üben. Zwar scheint es sich nie besser zu reiten als auf der Tribüne – wenn man den Kommentaren dort lauscht – aber kein angelesenes Wissen kann das eigene praktische Reiten ersetzen. Reiten lernen ist eine lebenslange Aufgabe.
Heutzutage wird Leistung oft an Zeit gemessen: mehr erreichen in kürzerer Zeit. Doch gerade beim Reitenlernen gibt es keine Abkürzungen. Wer Bausteine überspringt, der fällt früher oder später auf die Nase. Die wirklich guten Reiter sind deswegen immer wieder bereit, zur Basis zurückzukehren und an ihr zu arbeiten.
Je tiefer man sich mit einer Sache beschäftigt, desto mehr geraten eigene Gewissheiten ins Wanken. „Zu glauben, man wisse etwas, was man tatsächlich nicht weiß, ist ein verhängnisvoller Fehler, zu dem wir alle neigen. Wir Reiter mehr als andere Menschen!“
Der selbstkritische Satz von Udo Bürger bringt diese Einsicht auf den Punkt. Wer nicht stets bereit ist, von der Basis aus erneut zu lernen, wird sich in Scheinwissen verlieren und nicht wirklich weiterkommen.
Die beim Sitz zu Pferde geforderte Balance ist ohne Bewegung undenkbar. Stellen Sie sich nur einen Fahrradfahrer vor, der an einer roten Ampel durch Fahren im Zeitlupentempo versucht, die Balance auf dem Fahrrad zu halten. Sobald er steht, muss er einen Fuß auf die Straße setzen, um sein Gleichgewicht zu retten. Balance ist immer nur in der Bewegung möglich.
Bewegung, besonders aber die Harmonie, ja sogar Schönheit einer Bewegung, hat mich schon früh fasziniert. Schon von weitem erkannte ich andere Menschen an ihren typischen Bewegungen, eher als am Gesicht. Die harmonische Übereinstimmung der Bewegungen von Pferd und Reiter waren in meiner eigenen Reitpraxis wichtigere Ziele als Turniererfolge. Mein Beruf lehrte mich schließlich, Bewegung zu analysieren und zu verstehen, denn als Krankengymnastin ist man Bewegungstherapeutin. Bald erkannte ich, wie schwierig schon die selbstverständlichste Alltagsbewegung wird, wenn ein Muskel oder ein Gelenk aus irgendeinem Grund nicht funktionieren. Die Aufgabe einer Krankengymnastin ist es, einen Patienten individuell angepasste, ökonomische Bewegungen zu lehren. Viele dieser Bewegungen geschehen unwillkürlich und unbewusst. Solches Bewegungsverhalten neu zu steuern, ist eine schwierige Herausforderung. Die Krankengymnastik orientiert sich immer an der gesunden Bewegung. Diese ist natürlich, funktionell und körperschonend. In meiner Ausbildung und während meiner beruflichen Erfahrungen wurde mein Blick für Bewegungen aller Art immer wieder neu geschult. So habe ich auch Reiten als Bewegung begriffen und mich neu dafür interessiert, wie diese Bewegung funktioniert und wie sie erlernt werden kann.
Mein eigenes Reitenlernen fand unter günstigsten Bedingungen statt. Ich wuchs in einer Reiterfamilie mit kleiner privater Zucht auf, saß auf dem Pferderücken, bevor ich laufen konnte. So hatte ich Vorteile gegenüber Problemen, die im Werdegang junger Reiter häufig auftreten: Ich lernte früh genug reiten, hatte ein gutes, abwechslungsreiches Pferdeangebot und wurde fachlich wie pädagogisch mit außerordentlich guter Hand angeleitet. Eigentlich hätte aus mir eine erfolgreiche Jugendreiterin werden können. Aber mit dem Beginn der Pubertät schoss ich extrem in die Länge und erreichte bald mein heutiges Gardemaß von 1,80 Meter. Damit kam der große Einbruch in meine Reiterei. Pferde, die vorher bei mir selbstverständlich am Zügel gingen, wurden plötzlich zu Giraffen; ich verlor mein selbstverständliches Gefühl auf dem Pferderücken, war unausbalanciert, bekam schnell Angst und flog dementsprechend häufig in den Sand. Der Geduld meiner Eltern und einiger besonderer Pferde und Ponys habe ich es zu verdanken, dass ich trotzdem bei der Reiterei geblieben bin.
Meine Mutter legte in der Ausbildung immer allergrößten Wert auf den korrekten Sitz. So lernte ich allmählich, mit meinen langen, schlaksigen Armen und Beinen wieder die Ruhe auf dem Pferd zu finden. Mit einer koordinativ feinen und dabei effektiven Einwirkung hatte ich allerdings noch sehr lange Probleme.
Im Verlauf meiner Ausbildung als Krankengymnastin wurde mein Reiten erstaunlicherweise um ein Vielfaches besser. Parallel zum besseren Verstehen der menschlichen Anatomie lernte ich meinen eigenen Körper besser kennen, konnte an meinen Bewegungs- und Haltungsschwächen arbeiten, sie kontrollieren und so besser reiten. Mit großer Faszination stellte ich fest, dass sich die krankengymnastischen Grundlagen auch auf den reiterlichen Sitz übertragen lassen. Ich absolvierte eine Zusatzausbildung in Hippotherapie, der Behandlung von Patienten auf dem Pferd. Die Bewegung des Pferdes wird dabei genutzt, um natürliche, gesunde Bewegung zu schulen.
Meine eigene Reitausbildung führte mich nach der Amateurreitlehrerausbildung für einige Zeit als Bereiterin in einen Dressurstall, später in einen Springstall. Der rege Gedankenaustausch mit Berufs- und Amateurausbildern, aber auch mein eigener Werdegang zeigten mir, wie wenig über das Problem des Reitenlernens gelehrt wird – ganz einfach deshalb, weil so wenig darüber gewusst wird.
Es herrscht allgemein eine riesige Diskrepanz zwischen dem Wissen über die Ausbildung eines Pferdes und der eines Reiters. Was das Pferd angeht, ist man sich weitgehend einig. Grundsätzliche Ausbildungsschritte sind in der Ausbildungsskala festgelegt. Konzepte, wie man ein Pferd muskulär auftrainiert oder falsche Bewegungsabläufe korrigiert, gibt es genug.
Für den Reiter allerdings wird immer nur das starre Idealbild des absoluten Könners herangezogen. Daran gemessen, können alle Abweichungen nur als Fehler registriert werden. Eine generell verbindliche Sequenzierung in kleine Lernschritte gibt es nicht. Selbst die „Gelehrten“ streiten sich, ob zuerst mit oder ohne Bügel, Leichttraben oder Aussitzen, „Kopf hoch“ oder „Absatz tief“ gelehrt werden muss.
Da mir die Wahl zwischen meinen beiden Berufen außerordentlich schwer fiel, verwirklichte ich sie schließlich beide: Ich arbeitete halbtags in einer Krankengymnastik-Praxis mit dem Schwerpunkt „Wirbelsäule“ und verbrachte den Rest des Tages in einem Reiterverein. Ich unterrichtete dort Kinder und erwachsene Anfänger, behandelte Hippotherapie-Patienten und verlegte mich zunehmend auf Sitzschulung für fortgeschrittene Reiter.
Dabei knotete ich sozusagen zwei weit voneinander entfernt scheinende Enden meiner beiden Berufe zusammen und stellte fest: der Knoten hält!
Aus der Praxis heraus wuchs dann die Idee, diese Einsicht auch in einem Buch zusammenzufassen. Immer wieder bestätigten mir andere Reiter und Ausbilder, dass mein Wissen in der Bewegungsanalyse von grundlegender Bedeutung für den Reiter und seinen Sitz ist.
Zu verstehen, warum und wie sich etwas anfühlt, warum jenes dem einen leicht fällt, und für den anderen fast unmöglich ist;
zu erkennen, welches die nächsten Lernschritte sind und vom Pferd den Erfolg zu spüren – das alles wollte ich versuchen, schwarz auf weiß zu Papier zu bringen.
Nach gut zwei Jahren Arbeit war die erste Ausgabe von „Balance in der Bewegung“ fertig. Mir war damals nicht klar, welch eine Auswirkung dies Buch auf mein Leben haben würde. Vorträge, Lehrgänge und Seminare folgten. Das Manuskript wurde ins Englische übersetzt und ein ergänzendes Video mit Praxisübungen gedreht. Internationale Lehrgänge folgten, und inzwischen lebe ich im Ausland (Israel) und bin selbstständig in Krankengymnastik und Reitsport tätig.
Reiter auf unterschiedlichstem Ausbildungsstand haben mir Leserbriefe geschrieben. Für alle stellte das Buch die Basis dar, von der aus sie sich neues Wissen für ihr Reiten zu Eigen machen konnten.
Reitschüler auf den unterschiedlichsten Ausbildungsstufen kamen mit ihren individuellen Fragen und Problemen zum Unterricht, und ich habe in den letzten Jahren so viel neues Wissen über den Sitz des Reiters erworben, dass ich es für sinnvoll hielt, dieses Buch komplett zu überarbeiten, Bewährtes beizubehalten und neue Erkenntnisse hinzuzufügen.
Balance in der Bewegung hat sich als Standardwerk in der Reitlehre etabliert: ein Basiswerk, das von Reitern aus jeder Disziplin und aus jedem Ausbildungsstand verstanden und genutzt werden kann.
Für diese Neuauflage habe ich mich deshalb entschlossen, mit Reitern auf unterschiedlichem Ausbildungsstand auf unterschiedlich weit ausgebildeten Pferden zu arbeiten.
Susanne von Dietze und Isabelle...
Erscheint lt. Verlag | 18.2.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
Technik | |
ISBN-10 | 3-88542-926-8 / 3885429268 |
ISBN-13 | 978-3-88542-926-5 / 9783885429265 |
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Größe: 20,6 MB
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