Verdammtes Land
Piper (Verlag)
978-3-492-05624-3 (ISBN)
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Andreas Altmann studierte Psychologie und Jura und arbeitete in den verschiedensten Berufen, u. a. als Taxifahrer, Anlageberater, Nachtportier und Dressman. Nach einer Ausbildung und mehreren Engagements als Schauspieler lebte er in einem indischen Ashram und einem Zen-Kloster in Kyoto. Lange Reisen führten ihn durch Afrika, Asien und Südamerika. Er veröffentlichte Reportagen in Magazinen wie Geo, Stern und Merian und erhielt 1992 den Egon-Erwin-Kisch-Preis.
"Ein emotional gefärbter, kritischer Bericht, der provoziert, aber auch aufrüttelt und zeigt, dass auf beiden Seiten letztendlich einfach nur Menschen stehen.", tacheles (CH), 16.01.2015
1
Wer ein Buch über diese Weltgegend schreibt, wird scheitern. Israel und Palästina, das ist ein Brandherd, der nicht aufhört zu lodern. Seit über sechzig Jahren ent zündet er die Gemüter. Und keine Vision weit und breit, um die zwei Völker zu versöhnen. Unfassbar viele Ver nagelte, auf beiden Seiten, versperren den Weg. Unfassbar viele Bücher wurden inzwischen darüber geschrieben. Und keines schien mitreißend genug, sie alle zur Einsicht zu verführen. Ich riskiere es trotzdem: noch ein Buch abzuliefern. Weil mich inzwischen jede Illusion die Antwort zu finden verlassen hat. Und weil ich nichts als Geschichten erzählen will. Von den einen, die andere quälen und erniedrigen. Und den anderen, die gequält und erniedrigt werden. Und die Geschichten von Heldinnen und Helden, die es herzzerreißend zäh und tapfer mit ihrer Wirklichkeit aufnehmen. Von Frauen und Männern eben, von denen jeder all wir anderen etwas erfahren könnten: über Würde, über Stolz, über schiere Tapferkeit. Und über die Sehnsucht, ein passables Leben zu führen. Klar, vom Irrsinn und der Lächerlichkeit wird auch die Rede sein. Denn das muss man dem winzigen Erdteil lassen: Storys hat er zu bieten, an jedem Eck, zu jeder Stunde.
2
Ruhiger Flug nach Tel Aviv, Ankunft um 2.35 Uhr morgens. Schon auf der ersten Treppe der Ankunftshalle, noch bin ich keine dreißig Sekunden in Israel, werde ich von einem Bewaffneten angehalten. "Your passport!" und "Why are you here?". Am liebsten würden sie das Land sperren, so unwillkommen scheint man. Dann auf einen hübschen Menschen zugehen, der offiziell und hinter Glas die Pässe prüft. Ich will eisern heiter bleiben. Ich nähere mich lächelnd und bilde mir ein, auf dem Gesicht der jungen Frau für Sekundenbruchteile eine Irritation zu bemerken. Denn eigentlich sollte sie finster sein, den Fremden spüren lassen, dass er unerwünscht ist, nur geduldet. Aber ich bin augenblicklich in Bestform, mein unbeschwertes Grinsen landet und sie lächelt zurück. Sicher bereut sie es gleich. Aber mit einem Lächeln ist es wie mit einem Wort: Jetzt ist es da und nicht wieder wegzumachen. Natürlich muss auch sie die kriegerische Frage stellen: "Why are you here?" Und jetzt antworte ich eiskalt und ernsthaft: " Cause I like your country." Den Satz hat sie sicher nicht oft gehört von einem Goi, denkt wohl, dass der Rest der Menschheit Israel für einen Schurkenstaat hält, der mitverantwortlich ist für den Unfrieden in der Welt. Doch jetzt saust der Stempel, begleitet von einem scheuen Wohlwollen. Ich bin entlassen.
3
Glück gehabt. Morgen werde ich in der Zeitung lesen, dass man Touristen wieder einmal die Einreise verweigert hat und sie nach stundenlangem Verhör in ein Flugzeug Richtung Heimat verfrachtete. Wer von den Abgeschobenen sein E-Mail-Passwort (sic!) nicht preisgab, galt als jemand, so die Behörden, "der etwas zu verheimlichen hat". Ich werde auf dieser Reise erfahren, dass der Staat Israel erstaunlich viel zu verbergen hat. Jeder Ausländer gilt folglich und a priori als verdächtig, als Schnüffler, als einer, der Zustände wahrnimmt, die verhalten ausgedrückt nachdenklich stimmen.
4
Mit einem Sherut, einem Sammeltaxi, ins siebzig Kilometer entfernte Jerusalem. Ich steige mit einem Rucksack ein und weiß, was jeder (heimlich) denkt: Bombe oder keine Bombe? Die absurde Frage gehört hier zum Alltag. Weil zu oft Selbstmordattentäter vorbeikamen: um Vergeltung zu üben für die Besatzung Palästinas.
Vor mir sitzt ein orthodoxer Jude, Vollbart, Schläfen locken, man in black: Hut, Jacke, Mantel (im Sommer!), Hose, Strümpfe, Schuhe, alles dunkelschwarz, alles direkt vom Leichenbestatter. Schon die Kleidung von Kopf bis Fuß sieht wie eine Rüstung aus, wie eine Barriere nach allen Fronten: um sich vor dem Leben in Sicherheit zu bringen, dem sündenteuflischen. Missmut steigt in mir hoch. Wie immer, wenn ich sehe, wie Religion das Leben in Verruf bringt. Ich würde gern einen Glauben entd
Sprache | deutsch |
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Gewicht | 452 g |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Schlagworte | Biografisch • Israel • Isralies • Konflikt • Muslime • Palästina • Palästina; Berichte/Erinnerungen • Palästinenser • Reisebericht • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller |
ISBN-10 | 3-492-05624-5 / 3492056245 |
ISBN-13 | 978-3-492-05624-3 / 9783492056243 |
Zustand | Neuware |
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