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Soldat wider Willen (eBook)

Wie ich den Ersten Weltkrieg sabotierte

(Autor)

Duncan Barrett (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-52181-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Soldat wider Willen -  Ronald Skirth
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Unter Schock stolpert der 19-jährige Soldat Ronald Skirth im Juni 1917 über das Horror-Schlachtfeld von Messines in Belgien. Seine Kameraden sind alle tot. In einem Krater begegnet er einem weiteren Toten: dem jungen deutschen Soldaten Hans. So also sah der Feind aus - genauso wie er. Noch im Jahr davor war Ronald begeistert in den Krieg gezogen, aber in den Materialschlachten von Flandern hat er schnell gelernt, dass er und seine Kameraden für seine Vorgesetzten nur Menschenmaterial sind, das man ohne Bedenken in den Tod schickt. Nach der Konfrontation mit seinem deutschen Doppelgänger und dem sinnlosen Tod vieler seiner Kameraden verändert er sich, er wird zum inneren Kriegsgegner und Pazifisten und streut Sand ins Getriebe der Militärmaschinerie. Diese Memoiren eines einfachen Soldaten sind eine bittere Abrechnung mit der Sinnlosigkeit des Krieges, umrahmt von einer anrührenden Liebesgeschichte; ein ungewöhnlicher Text, der lange verschollen war - ein authentisches britisches Gegenstück zu «Im Westen nichts Neues». «Eine der außergewöhnlichsten Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg, die es gibt. Ein Klassiker, den man mit Ernst Jüngers ?In Stahlgewittern? und Robert von Ranke-Graves' ?Strich drunter!? vergleichen muss.» Mail on Sunday

Ronald Skirth wurde 1897 geboren und starb 1977. Mit 19 zog er in den Krieg und diente an der Westfront in Belgien und in Italien. 1919 kehrte er nach Hause zurück, heiratete seine Jugendliebe Ella und nahm eine Anstellung als Lehrer an. Fünfzig Jahre später begann er mit der Niederschrift seiner Erinnerungen. Seine Tochter Jean gab das Manuskript 1999 an das Imperial War Museum in London, wo Herausgeber Duncan Barrett es entdeckte und für die Veröffentlichung aufbereitete.

Ronald Skirth wurde 1897 geboren und starb 1977. Mit 19 zog er in den Krieg und diente an der Westfront in Belgien und in Italien. 1919 kehrte er nach Hause zurück, heiratete seine Jugendliebe Ella und nahm eine Anstellung als Lehrer an. Fünfzig Jahre später begann er mit der Niederschrift seiner Erinnerungen. Seine Tochter Jean gab das Manuskript 1999 an das Imperial War Museum in London, wo Herausgeber Duncan Barrett es entdeckte und für die Veröffentlichung aufbereitete. Duncan Barrett wurde 1983 geboren und lebt in London. Er studierte Englisch am Jesus College in Cambridge und ist als Autor, Herausgeber, Filmemacher und Schauspieler tätig. Duncan Barrett wurde 1983 geboren und lebt in London. Er studierte Englisch am Jesus College in Cambridge und ist als Autor, Herausgeber, Filmemacher und Schauspieler tätig.

Unsere Liebesgeschichte beginnt


Ich verliebte mich in Ella am Abend des 26. Juli 1916 um sieben Uhr. Es war ein wunderschöner Tag, sonnig und warm. An diesem Morgen hatte mir ein unverheiratetes, romantisch veranlagtes weibliches Mitglied des Lehrerkollegiums eine ziemlich persönliche Frage gestellt: «Haben Sie noch keine junge Dame?» (Der Ausdruck «Freundin» war damals noch nicht gebräuchlich.) Ich hatte geantwortet: «Gott sei Dank nicht», das hatte sie nicht davon abgehalten, mich zu einem «Musikalischen Abend» einzuladen, wie man das damals nannte.

Nun waren mir Partys ausgesprochen zuwider, doch die plötzliche Einladung, die Tatsache, dass die nette Dame mir schon sehr geholfen hatte, und meine Unfähigkeit, eine plausible Ausrede für ein Ausschlagen dieser Einladung aus dem Ärmel zu schütteln, ließen mir keine andere Wahl als so würdevoll wie möglich anzunehmen. «Gut!», sagte sie. «Es wird jemand dort sein, den Sie kennenlernen sollten.»

Wie sich herausstellte, war besagter «Jemand» ein schlankes, blondes und blauäugiges Fräulein in einem blau-weißen Sommerkleid. Noch nie in meinem Leben, so dachte ich mir, hatte ich ein Mädchen gesehen, das so hübsch aussah.

Ich hatte schon erwähnt, dass Ella und ich uns bereits kannten. Trotzdem wurden wir einander formell vorgestellt.

Mir war sie immer still, ernst und reserviert erschienen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich erkennen sollte, dass sie praktisch das genaue Gegenteil war: nicht besonders häufig ernst, hin und wieder still, aber kaum jemals reserviert!

In den Monaten vor diesem Treffen hatte ich sie hin und wieder mit ihrer Freundin Muriel, die ich ziemlich gut kannte, in der Stadt gesehen. Muriel und ich hatten früher den gleichen Zug genommen, wenn ich in die Schule und zurück fuhr (sie nur bis Hastings, acht Kilometer entfernt). Manchmal ging ich mit ihr nach Hause, weil es für mich kein großer Umweg war; ich fand sie in Ordnung, aber nicht sonderlich anziehend. Sie hatte eine pingelige Art, die mir nicht besonders sympathisch war. Um einen Ausdruck aus dieser Zeit zu gebrauchen, sie «bildete sich etwas ein». Vermutlich hatte es damit zu tun, dass sie auf eine Privatschule ging. Ihrem Vater gehörte ein florierendes Molkereiunternehmen.

Ich hatte die Mädchen nicht angesprochen, wenn ich sie zusammen in der Stadt sah. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass ich ganz gut ohne weibliche Gesellschaft leben konnte. Dieser konnte ich ja schon in der Schule und zu Hause nicht entgehen. Die Leiden unerwiderter Liebe hatte ich während drei oder vier kurzen, aber – zumindest für mich – intensiven «Liebesaffären» mit Klassenkameradinnen kennengelernt. (In jedem dieser Fälle war meine Bewunderung dem betreffenden Mädchen entweder vollkommen unbekannt oder vollkommen gleichgültig gewesen.)

Ich wusste damals nicht, dass Ella sich schon für mich interessiert hatte, bevor wir einander vorgestellt wurden. Sie dachte, dass es sicher «nett wäre, mich kennenzulernen», wenn ich nur nicht immer so ernsthaft, distanziert und in Gedanken versunken wäre.

Um aber auf die Party zurückzukommen: Hier waren wir zum ersten Mal zusammen, ohne dass Muriel mit ihrer Anwesenheit abgelenkt hätte. Mit einem Blick auf Ella waren alle «Liebschaften» meiner jüngeren Vergangenheit wie weggewischt, als hätte es sie nie gegeben. Ich war gefesselt.

Nachdem Tee gereicht worden war, versammelte sich die «Gesellschaft» zur Hausmusik. Ich saß am Klavier. Wir sangen Lieder, die gerade populär waren, was uns bis gegen halb sieben beschäftigte. Bald zog unsere Gastgeberin ein Album mit Klavierduetten hervor und fragte Ella und mich, ob wir eines davon auswählen wollten, um es zusammen zu spielen. Ella blätterte es durch, zeigte mir ein Stück und sagte: «Wenn du Primo spielst, spiele ich Secundo», was nichts anderes bedeutete als: «Du spielst die erste Stimme und ich die Begleitung.» (So würde jeder Fehler, den ich machte, deutlich herausstechen, während ihre Fehler voraussichtlich kaum auffallen würden. Nicht dass sie irgendwelche derartigen Gedanken gehegt hätte!)

Leider kann sich keiner von uns beiden an den Komponisten des kleinen Stücks erinnern, das wir spielten, eines «Klavierduetts in D zu vier Händen». Ich konnte einigermaßen sicher vom Blatt spielen, und unsere Darbietung wurde überschwänglich gelobt. Was ein Wunder war, da ich wegen der Nähe von Ellas Körper in Schweiß gebadet war. Um ein Duett zu spielen, muss man eng zusammensitzen, und so nahe war ich noch nie zuvor einem Mädchen gewesen. (In dieser Hinsicht zähle ich meine Schwestern nicht als Mädchen.) Ich hatte mich noch nie so schüchtern und unbeholfen gefühlt.

Als wir fertig waren, muss es wohl fünf Minuten vor sieben gewesen sein. Man gönnte uns eine kurze Ruhepause, während einer der Männer «Asleep in the Deep» zu Gehör brachte. Dieses Lied war zu jener Zeit ein «Muss» für jeden, der Bass singen konnte. Dann forderte unsere Gastgeberin Ella auf, etwas zu singen. Sie erklärte sich bereit, unter der Bedingung, dass ich sie begleiten würde. Natürlich war ich einverstanden.

Das Lied war eine jener sentimentalen «Drawing Room Ballads», die in der Zeit vor dem Radio so beliebt waren. Es trug den Titel «Love, Here Is My Heart».

Vor diesem Abend hatte ich es noch nie gehört. Es war egal. Als nach dem kurzen Vorspiel ihre klare, warme, süße Stimme erklang, war ich überzeugt, dass dies der lieblichste Klang war, den ich jemals gehört hatte. Die banalen Worte des Textes erschienen mir wie reine Poesie, und ich war vollkommen verzaubert. Als wir die letzten Noten erreichten, war ich leidenschaftlich rettungslos verliebt.

Wir verließen das Klavier und setzten uns nebeneinander, während die anderen ihre Beiträge darboten. Als Ella mir zuflüsterte: «Vielen Dank, du hast sehr schön gespielt», konnte ich keine Worte finden, um meinem Glück Ausdruck zu verleihen.

Ich kann mich an jedes Detail dieser musikalischen Augenblicke erinnern. An den Rest des Tages aber habe ich keinerlei Erinnerung. Zweifellos brachte ich sie nach Hause – das wäre ein Fußweg von 20 Minuten gewesen.

 

Ella hat meinen Bericht unterbrochen, um mich daran zu erinnern, dass ich sie tatsächlich nach Hause brachte. Weil es, wie sie sagte, dunkel wurde und sie keine Lust hatte, allein durch die verdunkelten Straßen zu gehen. (Ja, wir hatten auch im Ersten Weltkrieg eine Verdunklung.)

Ich habe schon beschrieben, welche Eigenschaften mich so stark zu ihr hinzogen. Es gab eine Eigenschaft, die ich früher nicht benennen konnte, von der ich aber glaube, dass sie der Grund für ihre besondere Anziehungskraft war. Etwas, das ich noch nie zuvor bei einem Mädchen in ihrem Alter beobachtet hatte.

Ich nehme an, jedes 15-jährige Mädchen verfügt über ein gewisses Maß an Charme und weiblicher Schönheit; wenn sie Pech hat, hat sie wenig von beidem; wenn sie Glück hat (so wie Ella), hat sie von beidem reichlich. Wenn sie außerordentliches Glück hat, wird sie auch etwas von jenem gewissen «Extra» besitzen, das zu beschreiben mir so schwerfällt. Man sah es. Es zeigte sich in der Art, wie sie sich bewegte, wie sie saß, wie sie sich hielt. «Würde» ist ein zu pathetisches Wort dafür. Es hatte nichts mit Stolz, Eitelkeit oder Einbildung zu tun. Ich glaube, nur ein Mädchen, das sich der Tatsache nicht bewusst war, dass sie gleichzeitig schön und bezaubernd war, konnte sie besitzen … diese spezielle, individuelle Eigenschaft, die wir … ich glaube, ich habe endlich einen Begriff gefunden! … die wir Haltung nennen. Ja. Das ist das Wort. Haltung.

Natürlich war es die Verbindung dieser Fassung mit all ihren anderen Qualitäten, die ich unwiderstehlich fand. So unwiderstehlich, dass meine Freude beinahe ekstatisch war, als ich sie nach dem Ende der Party ein Stück begleitete und eine Art sechster Sinn mir sagte, dass sie mich auch mochte.

Das ist der Grund, warum ich, immer wenn ich mich an jenen lang zurückliegenden Sommertag zurückerinnere, erkläre, dass es ein wunderschöner Tag war. Auch wenn es rund um die Uhr geschüttet hätte, würde ich dennoch schwören, dass es der schönste Tag des ganzen Jahres war. Der 26. Juli 1916 ist ein denkwürdiges Datum für mich. Wenn es einen Tag im Leben gibt, der wichtiger ist als alle anderen, dann war es in meinem Leben jener Tag, von dem ich gerade berichtet habe – der Tag, an dem die Liebesgeschichte begann.

 

In den folgenden Wochen trafen wir uns häufig. Ich entdeckte, dass sie ein völlig anderer Mensch war als das stille, reservierte Mädchen auf der Party. Sie war lebhaft und fröhlich und in vielerlei Hinsicht mein genaues Gegenteil. Sie schien sich durch nichts aus der Fassung bringen zu lassen und ging mit einem vergnügten Lächeln durchs Leben. (Mit Ausnahme der wenigen Male, wenn sie für ein Foto posieren musste. Dabei wurde sie stets in einer Pose abgelichtet, die untypisch für ihr fröhliches Wesen war.)

Ich war wohl eher der Träumer, der Idealist, der Emotionale von uns beiden; heute himmelhoch jauchzend, morgen zu Tode betrübt. Ella war die Praktische, ebenso intelligent wie ich und mit weitaus mehr gesundem Menschenverstand. Während mein Kopf vollgestopft war mit einer Menge geschwollener Bücherweisheit, hatte ihrer noch genügend Platz, um sich mit den praktischen Problemen des Lebens auseinanderzusetzen. Ich lief umher und hatte den Kopf in den Wolken; sie stand mit beiden Beinen fest auf der Erde.

Ich warf ihr des Öfteren (ungerechterweise)...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2013
Nachwort Duncan Barrett
Übersetzer Christoph Bausum, Karola Bausum
Vorwort Jon Snow
Zusatzinfo Zahlr. s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Neuzeit bis 1918
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Belgien • Deutschland • Erinnerungen • Erster Weltkrieg • Klassiker • Kriegsgegner • Militärmaschinerie • Pazifismus • Sabotage • Schlachtfeld
ISBN-10 3-644-52181-6 / 3644521816
ISBN-13 978-3-644-52181-0 / 9783644521810
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