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Das Uhrwerk der Natur (eBook)

Chronobiologie - Leben mit der Zeit

(Autor)

eBook Download: EPUB
2011 | 1. Auflage
224 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-44891-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Uhrwerk der Natur -  Peter Spork
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Fast alle Organismen sind beherrscht von zyklischen Prozessen: Nerven feuern fünfmal pro Sekunde, Bakterien teilen sich im Tagestakt, Würmer paaren sich in einer bestimmten Vollmondnacht, Zikaden einer Art verpuppen sich alle zugleich nach 17 Jahren. Auch Menschen kennen Tageshochs und Jahrestiefs, werden krank, wenn ihre Rhythmen aus dem Takt geraten - sind Eulen oder Lerchen. In diese beiden Kategorien werden sie von Chronobiologen unterteilt: Die Lerchen sind Frühaufsteher, Eulen bleiben abends länger fit. Wie stark innere Uhren das Leben auf der Erde strukturieren und was Forscher in den letzten Jahren über biologische Uhrwerke herausfanden, zeigt Peter Spork mit anschaulichen und kuriosen Beispielen. Fast nebenbei entdeckt der Leser eine völlig neue Seite von sich selbst.

Dr. Peter Spork, geboren 1965 in Frankfurt am Main, Studium der Biologie, Anthropologie und Psychologie in Marburg und Hamburg. 1995 Promotion in Hamburg (Bereich Neurobiologie/Biokybernetik). Seit 1991 freiberuflicher Wissenschaftsjournalist (unter anderem für «Die Zeit», «Geo Wissen», «FAZ», «NZZ», «Süddeutsche Zeitung», «bild der wissenschaft») und viel eingeladener Redner bei Firmenkongressen und ärztlichen Fachtagungen. Im Rowohlt-Verlag publizierte er unter anderem die Bücher «Das Uhrwerk der Natur», «Das Schlafbuch» und «Der zweite Code». Sein neuestes Buch heißt «Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft». Sporks Bücher wurden bisher in neun Sprachen übersetzt.

Dr. Peter Spork, geboren 1965 in Frankfurt am Main, Studium der Biologie, Anthropologie und Psychologie in Marburg und Hamburg. 1995 Promotion in Hamburg (Bereich Neurobiologie/Biokybernetik). Seit 1991 freiberuflicher Wissenschaftsjournalist (unter anderem für «Die Zeit», «Geo Wissen», «FAZ», «NZZ», «Süddeutsche Zeitung», «bild der wissenschaft») und viel eingeladener Redner bei Firmenkongressen und ärztlichen Fachtagungen. Im Rowohlt-Verlag publizierte er unter anderem die Bücher «Das Uhrwerk der Natur», «Das Schlafbuch» und «Der zweite Code». Sein neuestes Buch heißt «Wake up! Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft». Sporks Bücher wurden bisher in neun Sprachen übersetzt.

Kapitel 1


Erkenntnis aus der Isolation –

wie die Biologen auf die Zeit kamen

 

Was die deutschen Physiologen Jürgen Aschoff und Rütger Wever Mitte der 1960er Jahre tief in den Berg unterhalb ihrer Institutsgebäude im bayrischen Andechs hauen ließen, hielten auch wohlmeinende Zeitgenossen anfangs für eine Art Folterkammer. Drei Räume, abgeschirmt durch meterdicke Mauern, voneinander getrennt durch je zwei schalldichte, als Schleusen wirkende Türen, versorgt über unabhängige, niemals schwankende Strom- und Wassernetze, angenehm, aber immer gleich bleibend temperiert durch Klimaanlagen, bildeten ein unterirdisches Versuchsareal, das nicht von ungefähr den Namen Bunker verpasst bekam.

Die beiden hinteren Räume waren mit allem ausgestattet, was ein Mensch zum Leben braucht: Bett, Tisch, Stuhl, Regal, Heimtrainer, Küche und Bad. Sie waren über den vorderen Raum erreichbar, der wiederum alles enthielt, was ein Verhaltensforscher damals zum Forschen brauchte: Schreiber, die mehr oder weniger heftig über dicke Papierrollen kratzten, elektronische Geräte mit einer Reihe verschiedenfarbiger, gelegentlich blinkender Kontrolllämpchen, Laborbücher und wenig Platz.

Fast immer lief gerade ein Experiment. Das Papier der Schreiber wickelte sich dann langsam, aber unentwegt ab, maß gleichmäßig den Gang der Zeit und protokollierte bis ins letzte Detail, was in den beiden anderen Räumen geschah: Matratzenbewegungen, das An- und Ausgehen der Beleuchtung, das Betätigen der Kochplatten oder das Drücken verschiedener Knöpfe, die zum Beispiel den Gang zur Toilette oder den Beginn einer Mahlzeit anzeigten.

In den Versuchsräumen fehlte alles, was die Zeit auch nur andeutungsweise takten konnte: Uhren, Fernseher, Radios, Tageslicht, Lärmquellen, Telefon, die morgendliche Zeitung, frische Frühstücksbrötchen und Besuche. Bis auf eines: der Mensch. Was nämlich in den berühmt gewordenen Andechser Bunkerexperimenten bewiesen wurde, war, dass der Mensch eine biologische Uhr besitzt. Dem von ihr erzeugten Tagesrhythmus sind unzählige unserer Körperfunktionen unterworfen.

Leben im Bunker


Letztlich raubten Aschoff und Wever ihren Testpersonen den Zugang zur äußeren Zeit, um herauszufinden, ob sie ein inneres Gespür für Tag und Nacht besaßen. Dass sie ihre Probanden dabei keineswegs folterten, darauf legten sie größten Wert. Knapp 30 Jahre zuvor hatten der amerikanische Schlafforscher Nathaniel Kleitman und Kollegen bereits unbeschadet für eine Woche isoliert in einer Höhle gelebt. Aschoff selbst hatte sich dem Experiment in einem Probe-Bunker schon 1961 für neun Tage gestellt und dabei vermutlich als einer der Ersten registriert, dass das Leben ohne Zeitdruck durchaus schöne Seiten hat. Viele der Bunkerbewohner, die im Allgemeinen vier Wochen isoliert waren, äußerten sich im Nachhinein regelrecht begeistert über die intensive Erfahrung. Und dass ein Proband den Versuch abbrach, indem er den nie verschlossenen Bunker verließ, kam nur selten vor.

Jürgen Zulley, prominenter Schlafforscher an der Universität Regensburg, der ab 1974 viele Andechser Experimente begleitete, schreibt in seinem Buch Unsere Innere Uhr: «Von 1964 bis 1989 lebten 447 Versuchspersonen jeweils eine gewisse Zeit im Bunker und nahmen an 412 chronobiologischen Untersuchungen teil. 211 der Versuchspersonen lebten mehrere Wochen ohne Zeitinformation; dabei werden Schlafen und Wachen nicht mehr von außen koordiniert, sondern die Versuchsperson entscheidet autonom, wann sie was tut. Damit laufen Schlafen und Wachen ‹frei›, und folgerichtig nannten wir diese Versuche ‹Freilaufversuche›. Alle Versuchspersonen nahmen freiwillig teil.»

Die ersten Resultate, die noch aus den Vorversuchen stammten, publizierten Aschoff und Wever 1962. Schon damals waren sie überzeugt, dass es eine «Spontanperiodik des Menschen bei Ausschluss aller Zeitgeber» gibt, so der Titel der Arbeit. Wissenschaftler in aller Welt ahmten die Experimente nach, isolierten sich bis zu sechs Monate in Versuchskammern oder tief unter der Erde gelegenen Höhlen. Noch heute gibt es ähnliche Isolationsexperimente an vielen Orten der Welt. Dort wird vermehrt nach Details geforscht. Denn die Grundlage dessen, was man über die innere Uhr des Menschen weiß, ist zumindest in groben Zügen seit den Andechser Versuchen bekannt.

Der auffälligste Tagesrhythmus des Menschen ist der Schlaf-Wach-Zyklus. Dass er von der biologischen Uhr gesteuert wird, erkannten die Wissenschaftler schnell. Denn auch ohne Tagesschau und Wecker gingen die Menschen im Bunker irgendwann zu Bett und standen wieder auf. Sie schliefen in der Regel acht Stunden, also ein Drittel der Tageszeit, zwei Drittel blieben sie wach. Und doch stimmte der innere Takt der Versuchsteilnehmer nicht exakt mit der wahren Zeit überein. Genau besehen, wachten die meisten von ihnen jeden Tag ein wenig später auf, als ginge ihre Uhr leicht nach.

Dass wir im normalen Leben der Vorgabe der Umwelt folgen, ist auf die Vielzahl äußerer Eindrücke zurückzuführen, die unsere Uhr kontinuierlich und unbemerkt nachjustieren: klingelnde Wecker, Morgen- und Abenddämmerungen, das Duften der Kaffeemaschine, die Verabredung zum Kartenspielen, an- und abschwellender Verkehrslärm, das Zwitschern der Vögel, das Löschen des Lichts bei den Nachbarn und, und, und 

 

Im Bunker war alles anders: Der durchschnittliche Proband hatte eine «frei laufende Tagesperiodik» von 25 Stunden, das heißt, er schlief regelmäßig eine Stunde länger in den nächsten Tag hinein. Nach zwölf Tagen deckte sich seine Wachphase mit der Nacht der Außenwelt. Und nach 24 Tagen hatte er einen ganzen Tag weniger gelebt als der Rest der Menschheit. Weil die Probanden selbstverständlich nachrechneten, wie viele Tage sie im Bunker zu sein glaubten, und wussten, dass das Experiment nach beispielsweise 31 Tagen vorüber sein sollte, waren sie immer wieder überrascht, wenn ihnen die Freiheit zu einem vermeintlich früheren Zeitpunkt geschenkt wurde. Zulley erinnert sich an eine besonders entsetzte Versuchsperson: «Sie hatte gerade gefrühstückt, da kündigten wir ihr unseren Besuch an. Daraufhin fragte sie ganz gefasst, ob irgendetwas Schlimmes geschehen sei, schließlich sei doch der sechzehnte Oktober vereinbart, und heute sei erst der fünfzehnte.»

Sechs Männer, die drei bis sechs Monate ohne äußere Einflüsse in einem Bunker oder in Höhlen lebten, hatten für die meiste Zeit ihrer Isolation einen Schlaf-Wach-Rhythmus von etwas mehr als 24 Stunden. Die schwarzen Balken zeigen die Schlafphasen. Jede Zeile geht über zwei Versuchstage. Jeder Tag ist zunächst in der rechten Spur dargestellt und wird eine Zeile tiefer links wiederholt. Bei einem exakten 24-Stunden-Rhythmus würden die Balken genau untereinander liegen.

Die Frau sei richtig wütend geworden, als ihr die Forscher widersprachen, und habe sich erst durch eine aktuelle Tageszeitung von ihrem Irrtum überzeugen lassen. Die Testpersonen vor Versuchsbeginn darüber aufzuklären, dass ihre biologische Uhr vermutlich nachgehen wird, kam für die Biologen nicht infrage. Das hätte die Resultate verfälschen können. Doch auch die vielen Forscher, die sich in den folgenden Jahren überall auf der Welt für zum Teil extrem lange Zeit in Isolationskammern oder Höhlen begaben und sicher wussten, wie ihr Schlaf-Wach-Rhythmus aussehen würde, lebten Tage, die zwischen 24 und 26 Stunden lang waren.

Je länger die Isolation der mutigen Pioniere dauerte, desto chaotischer wurde meist ihr Schlaf-Wach-Rhythmus. Schon bei den vierwöchigen Experimenten in Andechs konnte es passieren, dass sich gegen Ende des Versuchs verkürzte oder verlängerte Zyklen einstreuten. Bei den mehrere Monate währenden Tests war dies die Regel. Gelegentlich wichen die Rhythmen sogar von einem Tag auf den anderen dramatisch von den vorher gelebten knapp über 24 Stunden währenden Zyklen ab. Die Probanden schliefen dann zum Beispiel nur noch alle 33 Stunden oder verkürzten ihren Tagesrhythmus auf 17 Stunden. Schon früh tauchte die Vermutung auf, dass hier die womöglich vererbte Neigung mancher Zeitgenossen zum Durchbruch kam, Nachtmensch oder Morgentyp zu sein.

Die Temperatur-Uhr


Aschoff und Wever beließen es indes nicht bei der Analyse des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Bunkerbewohner mussten regelmäßig Konzentrations-, Stimmungs- und Leistungstests absolvieren und mit einem «rektalen Temperaturfühler» leben. Ein kleines Thermometer steckte in ihrem Allerwertesten und war über ein langes Kabel mit einer Steckdose an der Decke verbunden. Die meist nur anfangs als unangenehm empfundene Prozedur erwies sich als Segen für die Wissenschaft. Zwar war bereits bekannt, dass die Körpertemperatur des Menschen im Tagesablauf schwankt, nachts ein Minimum bei etwa 36,5 Grad Celsius und tags ein ungefähr um ein Grad höheres Maximum erreicht. Nicht belegt war jedoch, dass auch dieser physiologische Prozess von einer eigenen biologischen Uhr gesteuert wird.

Zu Beginn ihrer Isolation folgte der Temperaturverlauf der Versuchspersonen dem Schlaf-Wach-Zyklus. Er pendelte ebenfalls im Bereich von etwa 25 Stunden mit einem Tiefpunkt während des Schlafs und einem Höhepunkt während der...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2011
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Biologie • Chronobiologie • Innere Uhr
ISBN-10 3-644-44891-4 / 3644448914
ISBN-13 978-3-644-44891-9 / 9783644448919
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