Prozessethik (eBook)
249 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-92269-0 (ISBN)
Univ.-Prof. Larissa Krainer ist Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt.
Univ.-Prof. Peter Heintel ist Professor für Philosophie und Gruppendynamik an der Universität Klagenfurt.
Univ.-Prof. Larissa Krainer ist Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt.Univ.-Prof. Peter Heintel ist Professor für Philosophie und Gruppendynamik an der Universität Klagenfurt.
Inhaltsverzeichnis 6
Einleitung 10
Prozessethik–erste Thesen zum Geleit 10
Zur Genese des Buchs 11
Zum Aufbau des vorliegenden Buchs 13
Warum „noch“ eine Ethik? Zur Frage der „Zuständigkeit“ für Ethik 15
Gibt es ein ethisches Vakuum? 15
Auf dem Weg zur Prozessethik als Organisation sich selbst reflektierender Praxis 18
Ethik zwischen Stabilität und??????Innovation. Prozessethik als Befragung von Gewohnheiten 19
Prozessethik als Organisation einer Grenzdialektik von Emotionen 21
Zum historischen Umgang mit Grenzdialektik: der Weg von Unten und der Weg von Oben 22
Mit Prozessethik vom individuellen Gewissen zur kollektiven Autonomie 25
Prozessethik als Konflikt und Widerspruchsmanagement – über „systemische“ Wertfiguren 26
Zur Funktionalität von gesellschaftlichen Subsystemen als eigenständigen und miteinander konfligierenden Wertfiguren 29
Von der theoretischen Einsicht zum praktischen Prozessieren von Ethik 31
Exkurs zur Rolle des autonomen Individuums: einsame Opposition, Lückenbüßer oder moralische Letztinstanz und Erstinstanz für Selbstreflexion? 32
Prozessethik in der philosophischen Tradition 35
Theoretische und praktische Hinführungen 39
Ethik im Zwiespalt 39
Ethik – menschliche Fähigkeit oder erlernbare Tugend? 39
Ethik zwischen Individuum und Gesellschaft 41
Ethik – relatives oder allgemeines Gut, bloßer Zufall oder bestimmter Zweck? 43
Ethik zwischen individueller Entscheidung und kollektiver Vereinbarung 45
Ethik zwischen Vorhersehung und nachträglicher Beurteilung 48
Ethik zwischen Selbst und Fremdbestimmung 49
Prozessethische Vorannahmen 51
Ein transzendentaler Freiheitsbegriff als Bedingung der Möglichkeit von Prozessethik 51
Die Relativierung von Normen und Werten 52
Chancen und Grenzen des Individuums 53
Ethik und Entscheidung 53
Anthropologische Grundkonstante der Ethik: Der Mensch als Differenzwesen 56
Selbstentfremdung der Freiheit 57
Prozessethik als dialektische Methode 58
Der Mensch als ausgezeichnetes Wesen 61
Vom Was zum Wie 62
Von der Notwendigkeit der Abstraktion 64
Konsequenzen für Prozessethische Verfahren 66
Von der individuellen zur kollektiven Differenzsetzung 67
Herstellung einer gemeinsamen Sichtweise 68
Konfliktbeobachtung, Konfliktforschung, Konfliktbegleitung 69
Notwendigkeit und Sinn von Konflikten 72
Widerspruch und Differenz 77
Angewandte Ethik als Beitrag zur praktischen Philosophie 80
Politik und Ethik 82
Prozessethische Reflexion 88
Recht und Ethik 90
Prozessethische Reflexion 94
Medien und Ethik 96
Prozessethische Reflexion 99
Ökonomie und Ethik 101
Prozessethische Reflexion 105
Technik und Ethik 109
Prozessethische Reflexion 114
Ökologie und Ethik 116
Ethik in Medizin, Pflege und klinischen Organisationen 120
Prozessethische Reflexion 126
Sport und Ethik 129
Prozessethische Reflexion 132
Wissenschaft und Ethik 134
Prozessethische Reflexion 138
Bildung und Ethik 140
Prozessethische Reflexion 144
Ethik und Kultur 145
Prozessethische Reflexion 147
Ethik und Geschlecht 149
Prozessethische Reflexion 153
Ethik und Beratung 153
Wo Ethik versagt und durch Enttabuisierung neue Tabus geschaffen werden 155
Resümee 156
Das prozessethische Modell 157
Vorbemerkungen zum Begriff „Modell“ 157
Das Modell 162
Feld I: Differenzwesen Mensch und Notwendige Widersprüche 164
Differenzwesen Mensch 164
Notwendige Widersprüche 167
Feld II: Konflikte und Konfliktpotentiale 189
Feld III: Unmittelbare Reaktionsformen und Lösungsmethoden 191
Unmittelbare Reaktionsformen 191
Lösungsmethoden 194
Feld IV: Antworten 196
Feld V: Instanzen des Schutzes und der Rechtfertigung 199
Kirchen 201
Natur 201
Mensch 202
Gewissen, Staat und Demokratie 202
Politische Ideologien 203
Das prozessethische Verfahren 204
Vorbemerkungen zu Herausforderungen an Prozessethik 204
Prozessethik organisiert (kollektive) Selbstreflexion 204
Selbstreflexion betrifft Individuen und Kollektive 205
Selbstreflexion benötigt ein Sich in Distanz Setzen zu Normen und Werten 206
Kollektive ethische Entscheidungen entlasten von individueller Überforderung 207
Ethik bedarf der Einrichtung von kollektiven ethischen Entscheidungsprozessen 208
Prozessethik als angewandte Dialektik 212
Repräsentationsverfahren müssen gegenseitige Feedbackschleifen ermöglichen 212
Zur Organisation prozessethischer Entscheidungsverfahren 214
Prozessethische Verfahrensschritte im Rahmen von größeren Systemen (Repräsentatives Verfahren) 219
Abschließenden Bemerkungen zur Verwendung des Prozessethischen Modells und des Prozessethischen Verfahrens 221
Zitierte und verwendete Literatur 222
Internetquellen 245
Das prozessethische Verfahren (S. 207-208)
In diesem Teil sollen konkrete Ausführungen und Anmerkungen zu Fragen der praktischen Organisation von Prozessethik erfolgen. Viele der Überlegungen folgen dabei älteren Ausführungen und greifen diese wieder auf582, wobei hier der Versuch erfolgen soll, sie auf breitere Basis zu stellen und zudem in größeren Kontexten zu denken. Über die theoretischen Prämissen, die für Prozessethik gelten sollen, wurde bereits ausführlich berichtet, sie sollen an dieser Stelle nicht wiederholt werden, wohl aber in Hinblick auf ihre organisatorischen Herausforderungen noch einmal stichwortartig festgehalten werden. Schließlich gilt es ferner zu beschreiben, wie unter Zuhilfenahme des bereits vorgestellten prozessethischen Modells584 ein prozessethisches Entscheidungsverfahren eingeleitet und durchgeführt werden kann.
Vorbemerkungen zu Herausforderungen an Prozessethik
Aus den bisher diskutierten ethischen Herausforderungen vor denen moderne Gesellschaften stehen (Krise der Ethik, Abdanken der autoritären und normgebenden Institutionen, Entdeckung des autonomen Ichs, aber auch dessen Grenzen, Überforderung von Individuen in der Übernahme von Verantwortung für komplexe Sachverhalte, auf die sie keinen vollständigen Einfluss haben etc.) haben wir an verschiedenen Stellen des Buchs die folgenden Ansprüche an Prozessethik entwickelt:
Prozessethik organisiert (kollektive) Selbstreflexion
In der philosophischen Tradition wurde Selbstreflexion primär als individualethische Kategorie konzipiert, wobei in vielen Überlegungen die Frage, wie „die anderen“, bis hin zur Gesellschaft, dabei in das eigene Handeln einbezogen, in ihm berücksichtigt werden können, in den meisten Überlegungen Berücksichtigung gefunden hat. Schon die Vorsokratiker (insbesondere Heraklit und die Pythagoreer) dachten den Menschen weniger als vereinzeltes Individuum, denn als Mitglied einer Gemeinschaft, in der Individuen, über politische wie private Rituale miteinander verbunden sind.
Ähnlich ist dies auch, wenn bei Zenon, Epikur, Platon oder der Stoa die Forderung nach einem geglückten Leben in der Gemeinschaft erhoben und der Begriff des „zoon politicon“ geprägt wird (das nicht anders als ein soziales Wesen gedacht werden kann) und dem abverlangt wird, tugendhaft zu handeln, um das Ideal der Glückseeligkeit zu erreichen. Oder auch bei Aristoteles, der die subjektive Glückseligkeit bereits als unzureichend bezeichnet und über diese hinaus nach sittlichen Tugenden fragt.
Kant fordert, dass die Maxime des eigenen Handelns „jederzeit zum allgemeinen Gesetz“ erhoben werden können sollen und Hegel prägt schließlich den Begriff der Sittlichkeit, der, in Rückgriff auf Aristoteles wiederum politisch gefasst ist und der den Begriff individueller Moralität, den er in der Kant’schen Philosophie kritisiert und zu überwinden versucht, um das Prinzip einer kollektiven Ethik erweitert.588 Auch die spätere Differenzierung von Individualethik und Sozialethik deutet in eine solche Richtung. Der lutherische Theologe von Oettingen, dem die Einführung des Begriffs der Sozialethik zugeschrieben wird, wollte damit betonen, dass Menschen erst in ihrer Einbindung in soziale Kontexte zu sittlichen Wesen werden.
Aus prozessethischer Perspektive reicht das nicht aus und zwar aus zweierlei Grund: Die Wahrnehmung des/der Anderen als Wesen, dessen/deren Rechte, wie ethischen Normen wahrgenommen und weitgehend respektiert werden sollen, gilt freilich als wichtige Prämisse, die soziales Leben überhaupt erst gewährleistet. Prozessethik bleibt aber nicht im Denken und Vermuten über das Wohl der Anderen stehen, sie fragt konkret nach und ist somit auf praktische Konfrontation des über Andere Gedachten mit dem von ihnen selbst Gesagten aus. Möglich, dass es zu Übereinstimmungen führt, es kann aber auch sein, dass das nicht der Fall ist (erster Grund). Prozessethik fragt Betroffene und überprüft deren Meinungen, Haltungen, Normen und Werte somit empirisch.
Der zweite Grund liegt darin, dass für den Fall, dass verschiedene Normen und Wertsetzungen aufeinandertreffen, diese gegenseitig wahrgenommen, wenn möglich verstanden werden und letztlich und im günstigsten Fall miteinander so verhandelt werden sollen, dass sie in gemeinsam akzeptable Maßsetzungen übergeführt werden können. Zielsetzung dabei ist es, von der individuellen Selbstreflexion zu einer kollektiven Selbstreflexion voranschreiten zu können, die, auf breitere Basis gestellt, letztlich auch mehr Sicherheit in ethischen Fragen oder auch eine umfassendere Reflexion in komplexen Themenstellungen ermöglichen soll.
Erscheint lt. Verlag | 28.6.2010 |
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Reihe/Serie | Schriften zur Gruppen- und Organisationsdynamik | Schriften zur Gruppen- und Organisationsdynamik |
Zusatzinfo | 249 S. 2 Abb. |
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie |
Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Ethik | |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie | |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Arbeits- und Organisationspsychologie | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien | |
Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Planung / Organisation | |
Schlagworte | angewandte • Angewandte Ethik • Beratung • Entscheidung • Entscheidungsmanagement • Entscheidungsprozess • Ethik • Führung • Medienethik • New Governance • Organisation • Organisationsethik • Politikethik • Projektmanagement • Wissenschaftsethik |
ISBN-10 | 3-531-92269-6 / 3531922696 |
ISBN-13 | 978-3-531-92269-0 / 9783531922690 |
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