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Älterwerden für Anfänger (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00341-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Älterwerden für Anfänger -  Mathias Irle
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Länger als jede andere Generation werden wir alt sein, und die meisten von uns ahnen nur wenig davon, was auf sie zukommt. Dieses Buch bietet einen tiefen Einblick in einen unbekannten Kontinent, die real existierende Welt des Älterwerdens. Zahlreiche Fallbeispiele, O-Töne und Beobachtungen bringen uns nahe, welche Themen den Alltag, die Gedanken und die Gefühle von älter werdenden Menschen charakterisieren. Wie gestalten sich Paarbeziehung und Liebesleben? Hängt es vom Zufall ab, ob ich einsam werde? Verändert sich meine Persönlichkeit? Erkenne ich meine altersbedingten Defizite? Was wird aus meinem sozialen Umfeld? Kann ich mich auf den körperlichen Sinkflug einstellen? Wie ist das mit dem unausweichlichen Ende? Und ist das Alter etwas, vor dem man sich fürchten muss, oder gibt es auch gute Gründe, sich darauf zu freuen? Das Buch zeigt, wie man die unausweichlichen Themen erkennt, damit geplatzte Träume, alte Wunden oder falsche Erwartungen aus den «Best-Agern» keine enttäuschten Alten werden lassen. Denn es gibt viele Möglichkeiten, die Weichen richtig zu stellen und sein Leben so zu gestalten, dass man durchaus Lust aufs Älterwerden und das Alter verspürt.

Mathias Irle, Jahrgang 1976, studierte Psychologie in Münster und Barcelona und besuchte die Axel Springer Journalistenschule. Anschließend arbeitete er als fester Autor für das Wirtschaftsmagazin brand eins und begann eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. In diesem Rahmen war er über ein Jahr in der geriatrischen Abteilung einer psychiatrischen Klinik beschäftigt. Für seine Texte, die auch im Spiegel, der ZEIT, dem SZ-Magazin, NEON oder der Welt am Sonntag erschienen, wurde er mit zahlreichen Journalistenpreisen ausgezeichnet.

Mathias Irle, Jahrgang 1976, studierte Psychologie in Münster und Barcelona und besuchte die Axel Springer Journalistenschule. Anschließend arbeitete er als fester Autor für das Wirtschaftsmagazin brand eins und begann eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. In diesem Rahmen war er über ein Jahr in der geriatrischen Abteilung einer psychiatrischen Klinik beschäftigt. Für seine Texte, die auch im Spiegel, der ZEIT, dem SZ-Magazin, NEON oder der Welt am Sonntag erschienen, wurde er mit zahlreichen Journalistenpreisen ausgezeichnet.

DIE ZIELBEWUSSTE PERSÖNLICHKEIT ODER: WIE WIR UNS IM ALTER VERÄNDERN


Treten unsere Charaktereigenschaften im Alter deutlicher hervor?

Verändern wir uns noch einmal?

Werden wir klüger, störrischer, zorniger, entspannter?

 

Oder bleiben wir womöglich immer der oder die Alte?

 

Kann man eigentlich auch Eigenschaften verlieren?

«Ich war furchtbar eitel in meiner Jugend. Aber wie! Bin mit solchen hohen Stöckeln gegangen und immer nach der letzten Mode. Die Eitelkeit habe ich Gott sei Dank abgelegt.»

(Die Wiener Dichterin Friederike Mayröcker, 82, im Interview mit der Schweizer Zeitschrift «NZZ Folio» im April 2006)

 

Wie ein leichtes Betäubungsmittel hat sich die Mittagsstunde über die Wohngemeinschaft für Demenzkranke im Gelsenkirchener Wohnprojekt «Leben am Rheinelbepark» gelegt: Während nicht weit entfernt schon die ersten Gäste die Schalke-04-Kneipen bevölkern und sich Schüler auf dem Nachhauseweg befinden, ruht auf einem großen Sessel im Wohn-Ess-Bereich eine WG-Bewohnerin unter einer Wolldecke. Eine andere hat beim Schälen der Kartoffeln für das Mittagessen geholfen; jetzt verkündet sie, ebenfalls müde zu sein. Auf einem Sofa sitzt ein älterer Herr und packt alte Fotos zurück in einen Koffer. Die restlichen fünf WG-Mitglieder haben sich auf ihre Zimmer verkrochen. Nur ab und zu kommen Geräusche aus der offenen Küche, wo eine «Alltagshelferin» noch die letzten Teller spült, und gelegentlich hört man Vogelgezwitscher durch die offene Balkontür aus dem Garten. Ansonsten ist es ruhig.

Nur eine kann sich trotz der gemütlichen und entspannten Atmosphäre kaum vor Begeisterung halten: Beatrix Werner-Becker, Mitarbeiterin der Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen GmbH, kurz APD, und an diesem Mittag verantwortliche Pflegekraft im Wohnprojekt. Lange Jahre hat sie in einem Pflegeheim mit mehr als 300 Betten gearbeitet. Sie kennt die Zustände, die herrschen können, wenn alte, pflegebedürftige, demente Menschen aus Zeitmangel von überlasteten Pflegekräften «abgearbeitet» werden müssen. Umso enthusiastischer ist sie daher über die Art und Weise, wie Demenzkranke im «Leben am Rheinelbepark» ihren Alltag begehen können.

Insgesamt drei WGs beheimatet das dreistöckige Wohnhaus, in jeder wohnen im Schnitt acht Bewohner, Männer wie Frauen, meist jenseits der 70. Sie alle leiden unter Demenz, der Krankheit, die zu einem zunehmenden Verlust von Nervenzellen, einer allgemeinen Verringerung des Hirnvolumens, einer Verschlechterung der Leitfähigkeit der Neuronen und damit verbunden einer Vielzahl geistiger Abbauprozesse, insbesondere im Gedächtnis, führt. Allerdings leiden sie in unterschiedlichen Ausprägungen: Während sich bei manchen die Demenz erst im Anfangsstadium befindet, ist bei anderen Bewohnern der Abbau schon weit vorangeschritten. Oft wissen sie nicht mehr, an welchem Ort, an welchem Tag und in was für einem Jahr sie sich befinden. Für einige ist ihr Ehepartner, mit dem sie über 40 Jahre verbracht haben, eine genauso fremde Person wie ihr eigenes Spiegelbild. Und sterben sie nicht vorher an einer anderen Krankheit, passiert es, dass einige von ihnen am Ende ihres Lebens kaum noch sprechen können, so sehr hat die Krankheit ihr Gehirn zersetzt.

Dass trotz dieser Krankheitssymptome keine bedrückte Stimmung in der WG herrscht, hat vor allem damit zu tun, dass sich die Bewohner nicht ihrer Umgebung anpassen müssen, sondern dass ihre Umgebung – die Wohnung, die Tagesstruktur – ihren Bedürfnissen angepasst wurde: «Die Ausgangstür ist beispielsweise dunkel gehalten», sagt Werner-Becker, «denn Demenzkranke gehen ungern dahin, wo es düster ist. So wird verhindert, dass sie unbeaufsichtigt das Haus verlassen und sich verlaufen.» Ganz im Gegensatz dazu sind die Bodenbeläge, die Wände und die Zimmer der Patienten hell gehalten. Um die Badezimmer, die mitten in der Wohnung untergebracht sind, befinden sich U-förmig angeordnet die Zimmer der Bewohner, die alle mit deren eigenen Möbeln eingerichtet sind und die niemand ungefragt betreten darf. Beide Ausgänge des U-Gangs münden in dem riesigen Wohn-Ess-Koch-Bereich, der ebenfalls mit den Möbeln der Bewohner ausgestattet ist: große Sofagarnituren, ein langer Esstisch, kleine Bänke. Die Idee hinter dem U-Gang ist, dass Bewohner, die aufgrund ihrer Krankheit einen Bewegungsdrang verspüren, um den Badezimmerblock im Viereck spazieren können, ohne die WG verlassen zu müssen. Dabei kommen sie immer wieder automatisch am Gemeinschaftsraum vorbei.

Doch es ist nicht nur die Architektur, die für das Wohlbefinden der Bewohner sorgt, sondern auch die Rahmenbedingungen: Sie alle sind eigenständige, unabhängige Mieter. Ohne ihre gesetzlichen Vertreter, in der Regel die Angehörigen, kann nichts in der WG verändert oder beschlossen werden. Kein Pflegedienst kann sie bevormunden, schließlich wird auch er nur von den Bewohnern engagiert. Rund um die Uhr befinden sich Pflegekräfte im Haus. Zusätzlich bekommen die Bewohner Unterstützung beim Kochen, Putzen, Einkaufen und Organisieren des täglichen Lebens von den sogenannten Alltagshelfern, in der Regel Frauen zwischen 45 und 55 Jahren, oft gestandene Hausfrauen.

Die individuelle Betreuung und die eigenständige Möglichkeit zu leben führen nicht nur dazu, dass sich die WG-Bewohner im Gelsenkirchener Wohnprojekt sehr wohlzufühlen scheinen. Eine weitere Folge ist, dass die Pflegekräfte und Alltagshelfer den Demenzkranken besonders nahe sind und sie deren Leben, Eigenheiten und Besonderheiten kennen: Da gibt es die Frau, die vor ihrer Erkrankung Leiterin eines Kinderheims war und die heute manchmal nachts durch die Zimmer der anderen Bewohner gehen will, um sicherzustellen, dass auch alle das Licht ausgemacht haben. Eine andere – ein Leben lang eine vornehme und kontrollierte Dame – sagt jetzt immer wieder «Arschloch» zu den Pflegekräften, wenn sie ihre Wünsche nicht sofort erfüllt bekommt. Und ein dritter, eigentlich immer biederer und zurückhaltender Herr, sucht plötzlich öffentlich Körperkontakt zu anderen Menschen – Männern wie Frauen.

«Vielen Angehörigen ist das oft wahnsinnig peinlich, wie sich ihr Vater oder ihre Mutter plötzlich verhalten. Sie sind unsicher, verängstigt und entschuldigen sich. Und immer wieder sagen sie: ‹Sie war früher ganz anders›», sagt Werner-Becker. Sie schwankt selber oft hin und her, wie sie das Verhalten der Bewohner bewerten soll. Natürlich: Manchmal scheint es offensichtlich, dass die Demenzkranken sich in früheren Phasen ihres Lebens wähnen und sich dementsprechend verhalten – etwa die ehemalige Leiterin des Kinderheims. Doch bei anderen ist nicht wirklich klar, woher die Charakterzüge, die sie plötzlich zeigen, kommen: Ist es «nur» ein Zeichen von Hilflosigkeit, wenn eine einst vornehme Dame plötzlich «Arschloch» sagt, weil sie vergessen hat, wie man sich anders ausdrückt? Oder hat sich ihre Persönlichkeit grundlegend verändert? Ist sie ein anderer, roherer, vulgärerer Mensch geworden? Oder aber stimmt genau das Gegenteil: Zeigt sie erst jetzt ihr «wahres Ich» und wird authentischer – weil die beginnende Demenz die Strukturen in ihrem Gehirn angegriffen hat, die jahrzehntelang dafür verantwortlich waren, dass sie sich angepasst und kontrolliert verhalten hat?

 

Ganz klar: Die WG-Bewohner in Gelsenkirchen sind kranke Menschen. Ihr Erleben und Verhalten ist erst einmal fern von Menschen, die gesund und nicht-dement in die Jahre kommen. Dennoch macht es Sinn, sich näher mit den Veränderungen, die sie erleben, zu beschäftigen; insbesondere dann, wenn man versuchen will, sich einer so komplizierten und gleichzeitig so selbstverständlichen Sache wie der menschlichen Persönlichkeit zu nähern und sich zu fragen, ob und wie diese sich im Alter verändert. Denn was eine Persönlichkeit überhaupt ausmacht, wird besonders deutlich, wenn sie sich so tiefgreifend verändert wie unter einer Demenz-Erkrankung. Gleichwohl sind die Fragen, die diese Veränderungen aufwerfen, für alle relevant. Schließlich hat jeder, der schon einmal einen Menschen beim Älterwerden beobachtet hat, mitbekommen, wie sich bestimmte Charakterzüge, geistige Fähigkeiten und Verhaltensweisen scheinbar und zumindest in Nuancen verändern.

Was bedeuten diese Veränderungen? Woher kommen sie? Sind sie Einbildung? Oder kann sich die Persönlichkeit eines Menschen im Alter tatsächlich noch einmal ändern? Falls ja, was ist das überhaupt – die Persönlichkeit? Wie setzt sie sich zusammen? Woher wissen wir, wer wir sind? Und wann und durch wen bekommen wir mit, falls wir uns im Alter verändern?

Um diese Fragen zu beantworten, gilt es zwei Dinge näher unter Augenschein zu nehmen: zum einen die Veränderungen in unserem Denken, Fühlen und Verhalten, die im Zuge des Alterungsprozesses auftreten. Zum anderen die Art und Weise, wie wir mit diesen Veränderungen umgehen.

Zahlreiche Wissenschaftler, insbesondere Psychologen und Gehirnforscher, haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Untersuchungen gemacht, um diese Veränderungen zu beobachten, zu beschreiben und zu verstehen. Zum einen haben sie dies mit Hilfe von modernen, bildgebenden Verfahren getan, mit deren Hilfe sich Veränderungen in der Struktur und in der Arbeitsweise des gealterten Gehirns an Bildschirmen beobachten lassen. Zum anderen haben die Wissenschaftler ältere Menschen Fragebögen ausfüllen lassen oder mit...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2009
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Älterwerden • Ärzte • Gesundheit im Alter • Liebesleben im Alter • Persönlichkeit im Alter • Psychologen • Rentner • Wissenschaftler
ISBN-10 3-644-00341-6 / 3644003416
ISBN-13 978-3-644-00341-5 / 9783644003415
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