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Walzer, Wallfahrt, Wurlitzer - Walter Steiner, Daniela Karner, Stefan Benedik

Walzer, Wallfahrt, Wurlitzer

Erzählte Geschichte und Musik in Oberzeiring
Buch | Hardcover
380 Seiten | Ausstattung: Audio-CD
2011
Eigenverlag des Vereins Historisches Zeiring
978-3-9502012-0-8 (ISBN)
CHF 25,20 inkl. MwSt
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Dieses Buch macht den Alltag im 20. Jahrhundert hörbar: Gab es bei der Arbeit einen Grund, zu singen? Ist ein Radio ein Musik-instrument? Was hat man in einem Wirtshaus alles gehört? War das Leben auf der Alm idyllisch?Beantwortet werden diese Fragen anhand von Fotos und vielenmündlichen Erzählungen. Dazu geben erklärende Texteneue und faszinierende Einblicke.

Ein Bergwerksort ohne einen Bergbau: Wie Oberzeiring seine Geschichte entdeckteGroße Unterschiede in der kleinen Gemeinde: Wie kann man „grablerisch“ feiern? Eine verschwundene Welt: Die Zeiringer „Marktbürger“ und ihre FreizeitArbeiten und Feiern: Die „gute alte Zeit“?Musik machen: Eine Sache von Profis?Singen für einen höheren Zweck: Kirchenmusik ist mehr als Musik in der Kirche Wo man singt da lass‘ dich ruhig nieder? Musik und Nationalsozialismus

Einleitung: Geschichte zum Mitreden und ZuhörenGeschichte wird erzählt. Menschen berichten einander aus dem eigenen Leben, unterhalten sich mit Geschichten von früher, geben eine Anekdote zum Besten. Alles das ist Vermittlung von Geschichte. Dadurch bekommen wir ein Gefühl dafür, was früher war und wer wir heute sind. Wenn wir solche Geschichten hören, verstehen wir unser eigenes Leben anders. Trotzdem fallen uns zuerst noch immer Staaten und ihre Regierungen, Krieg und Frieden ein, wenn wir an Geschichte denken. In diesem Band möchten wir diese Verhältnisse einmal umdrehen: Wir erzählen hier auf der Grundlage von Interviews mit „Herrn und Frau Zeiringer“, die auch im Original zu Wort kommen. Erzählte GeschichteSpricht man mit Leuten über Vergangenheit, wähnt man sich bald selbst mitten im großen Volksfest oder würde gern beim Winkerltanz Linkspolka durch die Stube tanzen. Aber halt - nicht nur Musikvernarrte sollen mit diesem Buch angesprochen werden - Musik ist eher der rote Faden, an dem die Erzählungen über Feste und Feiern, über die Arbeit und das Wochenende, über große und kleine Treffen, über Familie und Wohnen aufgehängt sind. Wie Musik verwendet oder bewusst eingesetzt wurde, sagt uns schon der Volksmund: Wo man singt, da lass dich ruhig nieder… oder doch nicht? Musik ist ein Tor in die Vergangenheit. Wenn der Viehhändler mit seinem Bierglas rhythmisch auf den Tisch klopft, wenn der Arzt seine Freunde zur Kammermusik einlädt, wenn die Wirtin ihre Gäste mit einem Lied unterhält, wenn die Hitlerjugend marschiert, dann geht es nur an der Oberfläche um Musik. Schauen wir darunter, bekommen wir Einblicke, die uns sonst verschlossen bleiben würden. Außerdem wird Musik immer für etwas Außergewöhnliches gehalten. Man kann keinen Festakt ohne Musik durchführen, kein Weihnachten ohne „Stille Nacht“ feiern und kein Lied aus seiner Kindheit hören, ohne dass man dabei bestimmte Erinnerungen bekommt. Wenn man nach Musik fragt, erfährt man also auch, was Menschen wichtig ist. Das erzählt dieses Buch nicht der zeitlichen Abfolge nach, mit einem Anfang im Jahr 1920 und einem Ende in der Gegenwart. Hier werden ein paar Themen herausgenommen, die auch den Leuten, die zitiert werden, ein Anliegen waren. Ein Volksfest kann manchmal mehr Einfluss haben als ein großer Staatsakt. Das, was wir direkt erleben, wirkt stärker auf uns, und wenn es auch nur etwas angeblich Kleines ist. Die „großen Männer“ machen’s aus?Welche Leute sollen aber unter diesem Scheinwerfer stehen? Wen wollen wir auf einen Sockel stellen? Dass es hier um Musik geht, heißt nicht, dass hier nur besonders musikalische Menschen zu Wort kommen oder das es hier nur um jene geht, die sich ihr ganzes Leben lang vor allem um Musik gekümmert haben. Die Frage ist eher, wie der Alltag der Menschen gestaltet war und welche Rolle Musik dabei spielte. Beim Erzählen der Vergangenheit fallen bestimmte Namen immer wieder. Bürgermeister und Kaufleute zum Beispiel, Ärzte und Beamte. Gerade wenn Musik Thema ist, muss man sagen, dass es Leute gibt, die viele Verdienste und Leistungen erbracht haben. Unter diesen Leuten sind viele außergewöhnliche Persönlichkeiten, aber wir werden uns nicht nur mit diesen beschäftigen, denn die meisten dieser Leute konnten leichter erfolgreich sein als andere: Sie hatten eine entsprechende gesellschaftliche Position, waren angesehen und waren finanziell abgesichert. Außerdem waren sie auch besser ausgebildet als die meisten anderen Zeiringerinnen und Zeiringer. Deshalb möchten wir die Leistungen, die diese „großen Männer“ erbracht haben, nicht vergleichen mit dem, was andere Leute während ihres Lebens zustande gebracht haben. Da gibt es talentierte Menschen, die nur leider in die falsche Familie für eine Karriere hineingeboren wurden, beispielsweise war alles dreimal so schwer, wenn man ein sogenanntes lediges Kind war. Wenn man kein Geld hatte, wog die größte Begabung gleich viel weniger. Schließlich war es auch für Frauen so gut wie unmöglich, die selbe Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Leistungen mancher Menschen konnten schnell in aller Munde sein, während andere niemals zu Ruhm kamen, selbst wenn sie sehr viel für ihre Mitmenschen taten. Oberzeiring hören Noch etwas muss man sagen, wenn man von der Leistung einzelner Personen spricht. Die Frage ist, in welchem Boden man seine eigenen Ideen einpflanzen kann. Auch wenn manches wie das Verdienst Einzelner aussieht, steckt manchmal mehr dahinter. Vor allem das kulturelle Klima in Zeiring, die Atmosphäre, war ein „guter Boden“. Dadurch, dass sich der kleine Markt immer von anderen Gemeinden unterscheiden wollte, war hier weit mehr möglich als woanders. Oberzeiring war ein besonderes Pflaster, deshalb gab es hier besondere Personen. In Oberzeiring gab es besondere Personen, deshalb war es ein besonderes Pflaster. Beides davon ist richtig. Und nichts davon soll hier zu kurz kommen.Oberzeiring hat mit Musik nichts zu tun. Zumindest nicht mehr, als Trins im Gschnitztal mit Musik zu tun hat. Die Zeiringerinnen und Zeiringer sind nicht musikalischer als andere Leute. Sie behaupten das auch nicht. Was sie allerdings behaupteten ist, dass Oberzeiring, dieser kleine Markt irgendwo in den Niederen Tauern, etwas Außergewöhnliches sei. Da spielte Musik nun doch eine Rolle. In diesem Buch werden deshalb Knappentänze und Schützenmärsche vorkommen, Salonorchester und Kirchenkonzerte. Diese Gemeinde ist aber nicht nur ein Sonderfall. Es gab hier vieles genauso wie überall anders auch, eine Blasmusik und Mädchen, die das Zitherspiel erlernten, einen Kirchenchor und Akkordeonspieler. Walzer, Wallfahrt, Wurlitzer Das 20. Jahrhundert war eine Zeit der rasanten Veränderungen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Einführung von Musikapparaten. Seit ca. 130 Jahren gibt es sie für die breite Masse und sie haben unseren Alltag enorm verändert, haben die Musik allgegenwärtig gemacht. Es gibt heute kein Auto ohne Radio und kaum ein Telefon, mit dem man nicht auch Musik hören kann. Die Musik hat gesiegt, sie ist in die Ritzen unseres Lebens vorgedrungen und lässt uns nicht mehr los. Innerhalb der Dauer eines einzigen Menschenlebens ist das Wirklichkeit geworden, was vorher niemand zu träumen gewagt hatte. Daran erkennen wir das 20. Jahrhundert: an den Einlegern und Computerfachleuten, an mühsamster Handarbeit und vollautomatischem Luxus, am sinnlosen Dahinmorden von Menschen und an sozialer Absicherung, an Wandergeigern und Rave-Konzerten. Das 20. Jahrhundert ist eine Zeit extremer Gegensätze. Deshalb soll man sich davor hüten, bei einer Landgemeinde an Blasmusik, Harmonikaspieler und Kirchenchor zu denken. Genausowenig geht es ohne Bachsonaten und Walkmans, ohne Salonorchester und Bälle. Auch bringt es nichts, zwischen „guter“ und „schlechter“ Musik zu unterscheiden. Auf den folgenden Seiten wird von Profis genauso geredet werden wie von Leuten, die mit Noten nie etwas anfangen konnten. Um Missverständnissen vorzubeugen sei auch noch klargestellt, dass dieses Buch selbstverständlich keine Inventarliste des musikalischen Oberzeiring ist, denn das wäre schlicht unmöglich. Die Fragen, die wir hier schmackhaft machen möchten, sind andere: Wie und warum haben die Menschen überhaupt an Musik gedacht? Was sagt uns das über das Leben in der Vergangenheit? Was erfahren wir über die Gelegenheiten, bei denen Musik gemacht wurde? Wie trug Musik dazu bei, Sicherheit zu geben? Am Ende unserer Einleitung wollen wir noch eine Erläuterung zum Titel dieses Buchs geben. Alle drei Begriffe stehen für die Vielfalt und die Gegensätze, die die Zeit ausmachen, über die wir hier schreiben. Der Walzer war ein Element der „Volksmusik“ genauso wie es das Paraderepertoire der Oberzeiringer Salonorchesters war, er ist für „bäuerliche“ und „bürgerliche“ Musik genauso wichtig. In beiden Fällen wurde Musik vor allem zu einem gebraucht: zum Tanz, zur Unterhaltung. Zuletzt steht der Walzer auch im Titel, weil er eine Verbindung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit ist. Während viele andere Formen von Musik „unmodern“ geworden sind, hat das Walzer-Tanzen, Walzer-Hören und Walzer-Spielen nichts von seinem Glanz verloren.Das zweite Wort, Wallfahrt, weist uns darauf hin, dass Religion im Alltag ungemein wichtig war. Gleich nach dem Aufstehen und vor jedem Essen, aber genauso vor jeder Arbeit und beim Verlassen des Hauses betete man, in der einen oder anderen Weise. Außerdem steht Wallfahrt aber auch für etwas, das typisch ist für die Gemeinde Oberzeiring. Solche Traditionen werden wir hier viele nennen, besonders solche, die für das, was die Zeiringerinnen und Zeiringer von sich selbst halten, sehr wichtig sind.Auch der Wurlitzer hat mehrere Bedeutungen. Für die Kinder der 70er- und 80er-Jahre war das der Titel einer Fernsehsendung, in der Videoclips gezeigt wurden. Diese Generation ist mit Musik aus der ganzen „westlichen Welt“ groß geworden. Aber Musik kam schon vorher weit herum, wurde beliebt und wieder unmodern. Immer schon entstanden neue Melodien und alte verschwanden. Eigentlich war Wurlitzer aber der Name eines automatisierten Plattenspielers, der in vielen Wirtshäusern der Nachkriegszeit stand. Gemeinsam spannen die drei Worte Walzer, Wallfahrt und Wurlitzer einen großen Bogen, der die Vielfalt des Alltags in der Vergangenheit einschließt. Aber sie sind auch Gegensätze zueinander, kein Begriff passt wirklich zum anderen. Genau so ist es auch mit der Vergangenheit, auch dort passt vieles nicht zusammen. Leute lebten in der selben Gemeinde, aber in ganz anderen Welten oder waren geprägt von Veränderungen, die sich in kürzester Zeit ereigneten. Durch diese Gegensätze und diese Vielfalt wird die Zeiringer Geschichte spannend.

Zusatzinfo mit einer Audio-CD mit Hörbeispielen von Feldforschungen
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Gewicht 380 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Schlagworte 2. Weltkrieg • Alltag • Alltagsgeschichte • Erinnerung • Fotoband • Geschichte • Interviews • Lebenserinnerungen • Steiermark • Zeitgeschichte • Zeitzeugen
ISBN-10 3-9502012-0-3 / 3950201203
ISBN-13 978-3-9502012-0-8 / 9783950201208
Zustand Neuware
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