Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Grammophon /Film /Typewriter

Buch | Hardcover
432 Seiten
1986
Brinkmann u. Bose (Verlag)
978-3-922660-17-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grammophon /Film /Typewriter - Friedrich A Kittler
CHF 49,90 inkl. MwSt
  • Titel z.Zt. nicht lieferbar
  • Versandkostenfrei
  • Auch auf Rechnung
  • Artikel merken
Friedrich Kittlers Kultbuch von 1986 ist eine Theorie der Medien, eine Archäologie von Grammophon, Film und Schreibmaschine, in einer Situation geschrieben, in der die Industrie zur digitalen Standardisierung und Vernetzung sämtlicher Nachrichtenflüsse ausholte. An der Zeit schien ein Blick zurück: "Speichertechnik 1914 bis 1918 hieß festgefahrener Stellungskrieg; Übertragungstechnik mit UKW-Panzerfunk und Radarbildern, der militärischen Parallelentwicklung zum Fernsehen, hieß Totalmobilmachung, Blitzkrieg von 1939 bis 1945. Das größte Computerprogramm heißt SDI. Speichern, berechnen, übertragen. Weltkriege von 1 bis n-, ein Jahrhundert genügte, Leben in eine Allmacht von Schaltkreisen zu überführen.
Kittler beginnt mit einem Blick in die Zukunft, der sich in unserer Gegenwart zunehmend bestätigt: Das Ende des Medienzeitalters durch die Digitalisierung der Medien. In die universelle Sprache des Binärcodes übersetzt werden sie beliebig ineinander und in sich transformierbar. Das Computerinterface täuscht uns als „Oberflächeneffekt“ eine saubere Trennung in Klang, Bild und Text als vor. Genau diese saubere Trennung vollziehen 100 Jahre zuvor drei Erfindungen: Phonograph (1877), Kinetoskop (1892) und Schreibmaschine (1865/1868) und läuten damit das Medienzeitalter ein.

Vor den technischen Medien waren Texte und Partituren die einzigen verfügbaren Zeitspeicher. Die Wirklichkeit wird selektiert und anschließend in Zeichen verschlüsselt. Ein serieller Datenfluß erzeugt eine symbolische Zeit in der nur überdauern kann, was encodierbar ist. Als physikalische Einschreibungen auf Wachsrolle und Zelluloid sind Phonograph und Kino dagegen völlig unselektiv. Nicht nur der Körper „hört auf, sich nicht selbst zu schreiben“, sondern er steht mitten im „Rauschen des Realen“ - nach Shannon und im eigentlichen Wortsinn. Selbst was nicht geschrieben werden soll oder kann hinterlässt nun doch Spuren - inklusive Unschärfen und Nebengeräuschen.
Erstmals ist es möglich, den Zeitfluß akustischer und optischer Daten selbst zu speichern und wiederzugeben. Davor war die einzige seine Gegenwart überdauernde Spur eines Individuums dessen Handschrift. Eine bleibende Einschreibung des Körpers auf Papier während Klang und Ansicht in den Zeichen verschwinden. Mit der Schreibmaschine wurde Schrift vom Individuum losgelöst und war nun reiner Text in standardisierten Typen, also reines Symbol - während umgekehrt Phonograph und Kino Bild und Klang selbst reproduzierten und aus der Welt der Symbole befreiten.
Der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan unterteilt in seiner Lehre die Psyche in das Symbolische, das Imaginäre und das Reale. Kittler ordnet diesen Unterscheidungen die Medien (Standard)Text, (Stumm)Film und Klang zu.
Die Sphäre des Symbolischen mit ihrer Ordnung von Signifikanten zu Signifikaten ist die des Textes. Im Imaginären erkennt sich das Subjekt im Spiegel als ein Ganzes obwohl es sich doch selbst zerstückelt wahrnimmt. Genau wie im Film Einzelbilder im Fluss der Vorführung eine Bewegung ergeben. Das Kino fungiert wie der Spiegel des Imaginären. Das Reale schließlich ist das Unsag- und Unfassbare, weder imaginär noch symbolisch. Das was der Phonograph speichert ist erstmal jenseits aller Bedeutung und damit ist es in der Sphäre des Realen.

Friedrich Kittler wurde 1943 im sächsischen Rochlitz geboren, sein Bruder Wolf 19 Monate später. Kittlers Familie floh mit ihm 1958 in die Bundesrepublik Deutschland, wo er von 1958 bis 1963 ein naturwissenschaftlich-neusprachliches Gymnasium in Lahr/Schwarzwald besuchte und anschließend von 1963 bis 1972 Germanistik, Romanistik und Philosophie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau studierte. Während des Studiums beeinflussten ihn die Texte der französischen Poststrukturalisten, vor allem Jacques Lacan, Jacques Derrida und Michel Foucault, die damals in Deutschland noch weitgehend unbekannt waren. 1976 wurde Kittler mit einer Arbeit über den Dichter Conrad Ferdinand Meyer promoviert. Von 1976 bis 1986 arbeitete er als Wissenschaftlicher Assistent am Deutschen Seminar der Universität Freiburg. 1980 gab er den Sammelband „Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften“ heraus, für den er auch Derridas Aufsatz „Titel (noch zu bestimmen)“, Titre (à préciser) ins Deutsche übersetzte. Im Jahr 1984 wurde er im Bereich der Neueren deutschen Literaturgeschichte habilitiert. Seine Arbeit „Aufschreibesysteme 1800–1900“ hatte insgesamt 13 Gutachter, und zwei Jahre lang herrschte über den Ausgang des Verfahrens Unsicherheit. Es folgten mehrere Aufenthalte als Visiting Assistant Professor und Visiting Professor an US-amerikanischen Universitäten, wie der University of California, Berkeley, der University of California, Santa Barbara und der Stanford University. Von 1986 bis 1990 war Kittler Leiter des DFG-Projekts „Literatur und Medienanalyse“ in Kassel. 1987 wurde er als Professor für Neugermanistik an die Ruhr-Universität Bochum sowie 1993 an den Lehrstuhl für Ästhetik und Geschichte der Medien der Humboldt-Universität zu Berlin berufen. Kittler wurde 1993 mit dem Siemens-Medienkunstpreis des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe für seine Forschungen auf dem Gebiet der Medientheorie ausgezeichnet. 1996 war Kittler Distinguished Scholar an der Yale University und 1997 Distinguished Visiting Professor an der Columbia University in New York. Seit 2001 war er stellvertretender Direktor des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik sowie Mitglied der Forschungsgruppe „Bild Schrift Zahl“ (DFG). Ab 2005 lehrte er als Gastprofessor an der European Graduate School in Saas-Fee. Am 18. Oktober 2011 starb Friedrich Kittler in Berlin.

Erscheint lt. Verlag 23.3.2001
Sprache deutsch
Gewicht 740 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Antiquitäten
Sachbuch/Ratgeber Freizeit / Hobby Sammeln / Sammlerkataloge
Schlagworte HC/Kunst/Antiquitäten • Medientheorie
ISBN-10 3-922660-17-7 / 3922660177
ISBN-13 978-3-922660-17-0 / 9783922660170
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich