Der Mörder ist immer der Esel. Stella Honeycut ermittelt (eBook)
304 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0794-6 (ISBN)
Stella Honeycut ermittelt zum zweiten Mal!
Das Dorf der Esel feiert: Der alte Brunnen, der laut einer Legende mit der Artussage verflochten ist, wurde endlich restauriert und soll mit einem Fest neu eingeweiht werden. Doch ausgerechnet Lennard Waxflatter macht dem freudigen Anlass einen Strich durch die Rechnung. Der allseits verhasste Geschäftsführer der Gin-Destillerie liegt mausetot und mit schweren Kopfverletzungen in dem flachen Brunnen unter einer Eselskulptur begraben.
Stella, die zum zweiten Mal als Detektivin gefordert wird, steht vor einer echten Herausforderung: Beinahe jeder im Dorf hatte ein Motiv, und auch über die Ortsgrenzen hinaus lassen sich bald zahlreiche Verdächtige ausmachen. Gemeinsam mit ihren Freunden, einem emotional lädierten Chief Inspector und einer Schar sturer Esel durchforstet Stella die Vergangenheit des Toten und entdeckt einen Sumpf aus Lügen und Verbrechen.
<p>Katharina Schendel wurde in einem winzigen Dorf an der Küste geboren und ist seit ihrer Kindheit vernarrt in Esel. Nach ihrer Schulzeit verbrachte sie mehrere Jahre in Metropolen wie Tokio und London. Sie liebt Ausflüge nach Devon und Cornwall sowie lange Spaziergänge mit ihrem Beagle.</p>
Kapitel 1
Chief Inspector Joseph Clapperton saß auf einem wackligen Stuhl im Rektorat der Mary Debbenham Middle School und grübelte über sein Leben nach. Egal, wie er es auch drehte und wendete, er kam immer zu dem gleichen Schluss: Er war an einem absoluten Tiefpunkt angelangt.
Niedergeschlagen dachte er an die vergangenen neun Monate, die sich vor ihm wie eine einzige Chronik des Scheiterns entblätterten.
Die Frau war ihm weggelaufen, die Kinder mutierten zu Ungeheuern, und beruflich hatte er auch schon bessere Zeiten erlebt. Von seinem körperlichen und seelischen Zustand ganz zu schweigen. Er fühlte sich kraftlos, ausgelaugt und verbraucht. Als ob ein Vampir ihm das Blut ausgesaugt und ihn dann wie ein leeres Trinkpäckchen in den Müll geworfen hätte. Bestimmt litt er an Eisenarmut. Und das war nicht der einzige Mangel, den er hatte.
Er atmete geräuschvoll aus. Am liebsten hätte er sich in sein Bett verkrochen und sich die Decke über den Kopf gezogen. Einfach mal schlafen und an nichts denken. An gar nichts. Eine Woche lang. Oder einen Monat. So lange, bis alles endlich wieder gut war und sich die trüben Wolken verzogen hätten. Doch so einfach war es leider nicht.
An Flucht war nicht zu denken. Geschweige denn an Schlaf. Seine Kinder Bobby und Abigaile, beide mitten in der Pubertät, nahmen den größten Teil seiner Aufmerksamkeit in Beschlag. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, ihren Mitmenschen Streiche zu spielen, trieben sie sich in der Gegend herum und dachten sich eine Dummheit nach der anderen aus. Nur mit Mühe unterdrückte Clapperton ein Seufzen. Die beiden machten eine besonders hartnäckige rebellische Phase durch, und das war auch der Grund, warum er schon zum zweiten Mal in dieser Woche in das Rektorat der Schule zitiert worden war.
Gegenüber saß ihm die Rektorin Mrs. Miller, eine energische, drahtige Frau um die fünfzig. Seit gestrichenen zehn Minuten redete sie ohne Punkt und Komma auf ihn ein und überschüttete ihn mit Vorwürfen – so harsch, dass er nur noch auf Durchzug hatte schalten können, um die Situation einigermaßen zu ertragen. Nun prallten die Worte an ihm ab wie an einer Wand.
Nichtsdestotrotz bemühte sich Joseph Clapperton um einen einigermaßen aufmerksamen Gesichtsausdruck. Er hatte in letzter Zeit schon genug Kritik einstecken müssen. Von Linda, seiner Noch-Ehefrau. Von den Kindern. Von seinem Vorgesetzten und den Kollegen. Im Grunde von jedem, der ihm begegnet war. Alle trampelten permanent auf ihm herum.
Er kam sich vor wie ein Fußabtreter. Von niemandem gewollt und gemocht. Das konnte so nicht mehr weitergehen.
Frustriert dachte er an Linda, die sich nach über einundzwanzig Jahren Ehe von ihm getrennt und ihn mit den Kindern hatte sitzen lassen. Von einem Tag auf den anderen hatte sie ihr gesamtes gemeinsames Leben zuerst infrage und dann auf den Kopf gestellt. Nun war sie auf einem Selbstfindungstrip in Indien, und niemand wusste, ob oder wann sie zurückkehren würde.
Zugegeben, dachte Clapperton, er hatte in ihrer Beziehung bestimmt auch nicht alles richtig gemacht. Er hätte aufmerksamer sein und sich mehr Zeit für Linda nehmen müssen. Doch das war noch lange kein Grund, alles einfach hinzuwerfen. Zu so einem radikalen Schritt wäre er niemals fähig gewesen. Schon allein der Kinder wegen nicht.
Ein lautes Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Er zuckte zusammen und sah, wie die Rektorin mit der flachen Hand auf den Schreibtisch schlug.
»Hören Sie überhaupt, was ich sage?«
Clapperton blinzelte. »Wie?«
»Es ist bereits das zweite Mal, dass Ihre Tochter derart auffällig geworden ist!« Die Stimme der Rektorin überschlug sich fast. »In einer einzigen Woche, wohlgemerkt!«
»Ja, ich weiß.«
»Erst die Sache mit der toten Ratte, mit der sie Miss Atkins beinahe zu Tode erschreckt hat. Und nun Sekundenkleber auf dem Lehrerstuhl.« Am Hals der Rektorin waren rötliche Flecken zu erkennen. »Die arme Miss Atkins musste mit einem Stuhl an ihrem Hintern durch das gesamte Schulhaus rennen!«
Der Anflug eines Schmunzelns huschte über Joseph Clappertons Gesicht.
»Das finde ich gar nicht komisch!« Mrs. Millers Nasenflügel bebten.
»Ich auch nicht«, flunkerte Clapperton, denn er musste stark an sich halten, um nicht laut loszulachen. Er dachte an eine Comedy-Serie, die er in seiner Jugend oft geschaut hatte und in der die Schüler ihren Lehrern am laufenden Band genau solche Streiche gespielt hatten. Er hatte die Schauspieler damals wie Helden verehrt.
Die Rektorin schnaubte verärgert. »Miss Atkins’ Hose ist völlig ruiniert.«
Clappertons Mundwinkel zuckten. Die unerwartete Erinnerung an die Idole seiner Sturm-und-Drang-Zeit setzte Endorphine frei. »Das bedauere ich zutiefst«, sagte er, während seine Miene zunehmend verriet, dass ihn das Bild amüsierte. »Ich werde den Schaden selbstverständlich ersetzen.«
»Das ist das Mindeste.« Die Rektorin faltete die Hände und zog eine Augenbraue hoch. »Außerdem erwarte ich, dass sich Ihre Tochter bei Miss Atkins entschuldigt.«
Clapperton entwich ein leises Glucksen, was Mrs. Miller mit einem Ausdruck absoluter Missbilligung quittierte.
»Die Hose ist eine Sache«, bemerkte sie. »Der seelische Schock, den Miss Atkins durch dieses Vorkommnis erlitten hat, ist eine andere.«
Er nickte rasch. »Natürlich!«
Die Rektorin verengte die Augen zu Schlitzen. »Und sollte es noch ein weiteres Mal zu einem Regelverstoß kommen – egal, wie klein er auch sein sollte –, droht Abigaile der Schulverweis!«
Die negativen Emotionen holten Clapperton im Nu wieder ein. Der Anflug von Heiterkeit, der ihn so unvermittelt ereilt hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase. »Ich verspreche Ihnen, ich rede mit ihr.«
Mrs. Miller verschränkte die Arme vor der Brust. »Das haben Sie auch schon beim letzten Mal gesagt.«
Joseph Clapperton verlagerte sein Gewicht, woraufhin der Stuhl hin und her wackelte. »Bitte geben Sie ihr eine Chance. Sie hat es im Moment nicht leicht.«
»Da geht es ihr wie uns allen!«, entgegnete die Rektorin ungerührt.
»Es ist wahrlich keine einfache Situation für sie«, beharrte Clapperton. Wollte oder konnte diese Frau ihn denn nicht verstehen?
Für einen Moment betrachtete Mrs. Miller ihn schweigend. Dann beugte sie sich ein wenig vor. »Ihr Mitgefühl in allen Ehren. Aber Abigaile ist nicht das einzige Kind, dessen Eltern sich getrennt haben. Beinahe einem Drittel ihrer Klassenkameraden geht es ganz ähnlich, und die müssen auch damit klarkommen.« Sie zog nachdenklich die Stirn kraus. »Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Abigaile muss lernen, sich anzupassen. Die Welt dreht sich nicht nur um sie. Je eher sie das begreift, desto besser. Meinen Sie nicht auch?«
Clapperton seufzte. »Ich bitte Sie doch nur, dass Sie ein wenig Verständnis für uns haben.«
»Es tut mir leid, aber für Eskapaden solcher Art gibt es keine Rechtfertigung.« Mrs. Millers Mund war nun so schmal wie ein Strich. »Ihre Tochter muss ihr Verhalten grundlegend ändern, sonst wird sie an dieser Schule keine Zukunft haben.« Sie nickte in Richtung der Tür. »Das wäre alles für heute.«
Clapperton, der ebenfalls spürte, dass vorerst alles gesagt war, verließ das Rektorat. Vielleicht gelang es ihm ja in den bevorstehenden Sommerferien, seine Familie zu kitten? Irgendetwas musste er jedenfalls tun.
Er trat aus dem Schulgebäude ins Freie hinaus und atmete tief durch. Zum Glück war Bobby etwas pflegeleichter als seine große Schwester. Der Junge dachte sich zwar auch allerhand Blödsinn aus, doch er ließ sich wenigstens nicht andauernd dabei erwischen.
Erschöpft lief Clapperton über das Schulgelände bis zu einem kleinen Teich und setzte sich in den Schatten eines großen Ginkgobaumes, dessen leuchtend grüne Blätter geheimnisvoll raschelten.
Er lehnte sich an den Baumstamm und schloss die Augen. Jetzt bloß nicht einschlafen! Wenn er jetzt einschlief, wachte er so schnell nicht wieder auf. Er hatte noch knapp eine halbe Stunde, bis die Kinder aus der Schule kommen würden. Bestimmt würden sie ihn wieder wie Luft behandeln – daran war er schon gewöhnt. Undank ist der Väter Lohn.
Entschlossen kämpfte Clapperton gegen die Müdigkeit an. Sosehr er das Verhalten seiner Kinder auch bemängelte, er konnte es ihnen nicht verübeln. Sie rebellierten, weil Linda, ihre Mutter, sie alle im Stich gelassen hatte.
Er selbst weinte Linda keine Träne nach. Er kam klar, auch ohne sie – zumindest redete er sich das ein. Aber den Kindern hatte sie mit ihrer egoistischen Entscheidung das Herz gebrochen – und das würde er ihr niemals verzeihen. Sollte sie doch bleiben, wo der Pfeffer wächst! Alles, was jetzt zählte, war, dass Bobby und Abigaile wieder zurück zur Normalität fanden. Er wollte und musste ihnen das Gefühl von Sicherheit und Stabilität vermitteln, selbst wenn er dadurch seine Arbeit als Detective Chief Inspector vernachlässigen musste. Bobby und Abigaile waren wichtiger als alles andere. Wichtiger als sein eigenes Seelenheil. Und ganz bestimmt wichtiger als seine Arbeit und sein nerviger, egozentrischer Chef.
Er dachte an Superintendent McQueen, dem er nie etwas recht machen konnte. Ganz anders als sein Kollege, der übereifrige Detective Sergeant Chakraborty, der seine Aufgaben bereits erledigt hatte, bevor sie ihm überhaupt gestellt wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der junge aufstrebende Mann, der die gesamte Polizeidienststelle regelmäßig mit...
Erscheint lt. Verlag | 24.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
Reisen ► Reiseführer ► Europa | |
Schlagworte | 2024 • britischer • Buch • Devon • Dorfgemeinschaft • England • englischer • Krimi • Kriminalroman • Krimireihe • Krimireihen • Krimiromane • Neuerscheinungen • Regionalkrimi • Reihe • Reihenfolge • Roman • stella honeycut • weibliche Ermittlerin |
ISBN-10 | 3-7499-0794-3 / 3749907943 |
ISBN-13 | 978-3-7499-0794-6 / 9783749907946 |
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