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Traum über Kopf (eBook)

Als Volunteers um die ganze Welt | Ab ins Abenteuer, mit einer inspirierenden Reise

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
328 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3134-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Traum über Kopf -  Lars Bendels
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Wie reist man eigentlich zeitgemäß um die Welt? Es ist der spannendste Selbstversuch, den sie sich vorstellen können. Lars und seine Freundin Anja kündigen ihre Jobs als Werber, um als Volunteers rund um den Globus in sinnhafte Lebensentwürfe einzutauchen. Im Rucksack ein One-Way Ticket und die Idee, unentgeltlich in all den ökologischen Jobs zu arbeiten, von denen sie schon als Kinder geträumt haben. Sie probieren sich als Agroförster, Safari Ranger und Walforscher, werden Permakulturgärtner und retten Meeresschildkröten. Und sie begegnen dabei immer wieder außergewöhnlich inspirierenden Menschen. Wo kämen wir hin, würden wir unseren Träumen einfach in die Welt hinaus folgen?

Lars Bendels, Jahrgang 1981, hat Marketing-Kommunikation und Journalismus studiert. 2022 tauschte er seinen Job als Markenberater in München gegen eine Ausbildung zum Safari Guide im südlichen Afrika. Anschließend bereisten er und seine Partnerin Anja zwei Jahre lang die Welt, um als 'Vagabonding Volunteers' unentgeltlich in ökologischen Traumjobs zu arbeiten.

Lars Bendels, Jahrgang 1981, hat bis 2022 als Markenberater gearbeitet und ist seitdem auf Weltreise, inklusive Ausbildung zum Safari Guide in Südafrika und Botswana. Parallel absolviert er ein Fernstudium an der freien Journalistenschule Berlin. 

Prolog | 45° Süd


Niemand atmet. Wie festgefroren verharren wir in der sengenden Hitze. Mit den Händen an den Ohrmuscheln horchen wir angestrengt, ob wir dem Spitzmaulnashorn bereits näher gekommen sind. Nashörner selbst geben ohne besonderen Grund kaum Geräusche von sich. Der verräterische Laut, den wir orten wollen, ist das Trillern der Rotschnabel-Madenhacker. Die überwiegend dunkelbraunen Vögel mit ihren typischen gelb umrandeten roten Augen ernähren sich vom Blut großer Säugetiere. Weil sie es ihnen vorwiegend in Form vollgesogener Zecken vom Körper pflücken, gehen viele Tierarten die Symbiose gerne ein. Würden wir jetzt, da die Spuren des Nashorns langsam frischer werden und der Busch immer dichter wuchert, einen Madenhacker hören, könnten wir abschätzen, wo sich das Nashorn befindet, auch ohne es zu sehen.

Im Lehrplan der Berufsschule, die uns zu Safari Guides ausbilden will, sind wir in der Phase, die sich auf sogenannte Walking Safaris konzentriert. Dazu sind wir in einem Camp tief im südafrikanischen Busch untergebracht, ohne Zäune oder Mauern um uns herum. Hier lernen wir, wie man Urlaubsgäste zu Fuß an wilde Tiere heranführt. Tagsüber in der Theorie, morgens und spätnachmittags in der Praxis. Auf den Schutz des Geländewagens zu verzichten ist die wohl sinnlichste Art, die Wildnis Afrikas zu erkunden. Mit dem ersten Schritt, den man in den Lebensraum von Löwe, Elefant und Co. setzt, sind alle Sinne angeknipst. Das Gefühl, angreifbar zu sein, schaltet alle meine Antennen auf Empfang, und alle Gedanken aus, die nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun haben. Ich sehe, höre, fühle und rieche meine Umwelt mit einer Intensität, die ich meinen im Büroalltag verkümmert geglaubten Sinnen gar nicht zugetraut hätte. Mir entgeht kein verdächtig wackelnder Ast, kein Warnruf eines Beutetiers, kein strenger Geruch. Und in diesem Augenblick geben meine gespitzten Ohren alles, um auch den entferntesten Ruf eines Madenhackers nicht zu überhören. Irgendwo im Westen warnt ein Kudu bellend seine Artgenossen. Weit genug von uns entfernt, wir müssen uns also keine Sorgen um das Raubtier machen, das die Großantilope vermutlich gewittert hat. Das Trillern der Madenhacker bleibt jedoch aus.

Mit einem Stock schnippt Instructor Ian den roten Sand in die Höhe. Das macht er in regelmäßigen Abständen immer wieder, um sich zu vergewissern, dass wir weiterhin gegen den Wind laufen. Dreht der Wind, laufen wir Gefahr, dass sich das Nashorn von uns entfernt, noch lange bevor wir es entdeckt haben. Aber der Wind steht noch immer richtig, und da wir auch keine Madenhacker hören, gibt Ian uns per Handzeichen zu verstehen weiterzulaufen. Ihm hinterher schlängeln wir uns aufgereiht wie an einer Perlenschnur an wildem Salbei vorbei. In dieser Formation folgen wir dem Spitzmaulnashorn schon seit vier Stunden, ohne es zu Gesicht bekommen zu haben. Und ausgerechnet jetzt, da die Spuren immer frischer werden, führen sie von der offenen Ebene rein in das undurchsichtige Dickicht aus Mopanebäumen. Wäre dies kein Unterricht mit einem der erfahrensten Safari Guides der Branche, sondern eine Safari mit ungeschulten Gästen, würde die Tour hier enden. Die Bäume mit den Schmetterlingsblättern sind nicht nur unter Spitzmaulnashörnern beliebt, sie gehören auch zur Leibspeise von Elefanten. Doch selbst ein ausgewachsener Elefant kann in einem solch dichten Blätterwerk unsichtbar werden. Das Risiko, sich unbeabsichtigt in der Komfortzone von Elefant oder Nashorn wiederzufinden, wäre zu groß. Kommt man den Dickhäutern versehentlich zu nah, schalten beide Arten auf Angriff. Mit Glück würde der Elefant nur einen Scheinangriff unternehmen und uns die Chance zum Rückzug lassen. Das Spitzmaulnashorn hingegen schauspielert nicht. Wer es wagt, ihm auf die Pelle zu rücken, wird mit einem bis zu 1,3 Meter langen Horn aufgespießt. In einem solchen Fall bliebe als letztes Mittel nur noch der Griff zum Gewehr, das jeder Safari Guide für den absoluten Notfall mitführen muss. Es wäre eine wahre Tragödie, Menschen für den Artenschutz begeistern zu wollen und dabei in eine Situation zu geraten, die im Abschuss eines bedrohten Tieres endet. Solche GAUs passieren glücklicherweise nur äußerst selten. Ian sowie allen anderen Ausbildern, von denen ich bislang lernen durfte, ist in ihren langjährigen Berufslaufbahnen ein solcher Unfall nicht passiert. Mit jemandem wie ihm an unserer Seite und auch durch das Wissen, das ich in den letzten Ausbildungsmonaten anhäufen konnte, fühle ich mich sicher. Die zuversichtlichen Blicke meiner fünf MitschülerInnen bestätigen mir, dass mein Gefühl kein versteckter Leichtsinn ist.

Ich laufe an dritter Stelle, gleich hinter Ian und seinem Back-up Finley, einem zweiten Safari Guide, der ebenfalls ein Gewehr mitführt und den Lead Guide in all seinen Aufgaben unterstützt. Ein Spitzmaulnashorn in seinem natürlichen Lebensraum beobachten zu können wäre wirklich etwas ganz Besonderes. Denn die Spezies ist stark gefährdet. Wilderer haben es auf ihr Horn abgesehen, weil es noch immer Anwendung in der Traditionellen Chinesischen Medizin findet. Es besteht aus Keratin, dem Stoff, aus dem Fingernägel gemacht sind. Und doch fantasieren unzählige Menschen eine magische Heilkraft in das medizinisch komplett wirkfreie Material hinein. Das illegale Abschlachten wilder Nashörner ist traurige Realität. Auf dem asiatischen Schwarzmarkt erzielt ihr Horn mit 65 000 Dollar pro Kilogramm höhere Preise als Gold. Aus diesem Grund versehen wir keinen unserer Nashorn-Posts in den sozialen Medien mit einem exakten Geotag. Es wäre eine Einladung an jeden Wilderer.

Ich kann es kaum erwarten, das Tier zu sehen, dessen Spuren und Zeichen wir seit dem frühen Morgen folgen. Kurz bevor wir das Mopane-Dickicht erreichen, gehe ich im Kopf noch einmal die fünf goldenen Regeln durch:

  1. Nicht sprechen. Wir kommunizieren per Handzeichen oder mit natürlichen Geräuschen wie einem Fingerschnipsen oder Pfeifen.
  2. Alle Kommandos von Lead Guide und Back-up umgehend befolgen. Wer nicht spurt, riskiert im Zweifel das eigene Leben und das der MitschülerInnen. Diskutiert wird im Camp.
  3. In einer Reihe laufen, damit uns Tiere nicht als acht Individuen, sondern als eine Einheit wahrnehmen.
  4. Stets hinter Lead Guide und Back-up bleiben. Sollte Gefahr drohen, dann von vorne. Stehe ich im Fall der Fälle zwischen den Gewehrträgern und der Gefahr, wäre es Ian und Finley unmöglich, mir zu helfen.
  5. Und die wichtigste aller goldenen Regeln: nicht rennen. Niemals! Ganz egal, was passiert. Alles, was im Busch lebt, ist schneller als ich. Und bei vielen Raubtieren weckt schnelles Laufen erst recht den Jagdtrieb.

Der Schatten der dicht stehenden Mopane-Bäume ist eine Erleichterung. Ich wische mir den Schweiß aus den Augen. Mein Blick folgt dem schmalen Tierpfad. Ein rotsandiges, in südliche Richtung laufendes Band, der einzige beschwerdefreie Weg durch das grüne Geäst. Für uns, aber auch für das Rhinozeros, das soeben erst hier gewesen sein muss. Dass es sich um ein ausgewachsenes Tier handelt, zeigt die Größe seiner Fußspuren. Als Unpaarhufer lassen sich in jedem Abdruck drei markante Zehen erkennen. Der in der Mitte ist der dickste und breiteste, die äußeren Zehen sind kleiner, wesentlich schmaler und etwas abgespreizter vom mittleren Zeh, als es in der Spur eines Breitmaulnashorns der Fall wäre. Je weniger Details der Wind in den Fußspuren verweht hat, desto jünger sind sie normalerweise. In dem dichten windstillen Mopane-Wäldchen ist auf Faustregeln wie diese allerdings kein Verlass. Doch überall zu erkennen sind frisch abgezwickte Zweigspitzen. Abgebissen in einem perfekten 45-Grad-Winkel, weshalb es sich nur um unser Spitzmaulnashorn handeln kann. Mit Handzeichen weisen wir uns mucksmäuschenstill gegenseitig auf all die frischen Spuren und Zeichen hin. Wir verlangsamen unser Tempo auf ein Mindestmaß, achten auf jeden Zweig, auf den wir treten könnten, horchen konzentriert. Mit seinem Stock deutet Ian auf eine Stelle vor uns, an der das Buschwerk links vom Pfad unterbrochen ist. Ist das eine Abzweigung? Wir sind noch zehn Meter entfernt, verringern den Abstand zu der Stelle Minischritt für Minischritt, um sie einsehen zu können. Dann hebt Ian die Hand, woraufhin die ganze Karawane hinter ihm abrupt stehen bleibt. Etwas ist seltsam. Nicht nur wir sind still, die Natur ist es auch. Kein einziges Vogelzwitschern liegt in der Luft. Kein summendes Insekt. Kein Mopane-Blatt, das es wagt, leise zu rascheln. Die Stille, die uns umfängt, ist bedrohlich. Sie ist – zu still. Ian macht einen letzten Schritt, damit er vorsichtig links um die Ecke schauen kann. Und dann passiert es.

Der Nashornbulle senkt seinen massigen Schädel, während er in kurzen Stößen wütend durch die Nüstern schnaubt und sich ohne zu zögern auf Ian stürzt. Mein Herz rast so schnell, als wollte es mir aus der Brust springen. Ich höre, wie jemand eine Patrone in den Lauf hebelt, kann aber keinen Schuss wahrnehmen. Der aufgebrachte Bulle braucht nur zwei Schritte, dann schleudert er Ian mit einer einzigen Kopfbewegung aus dem Weg. Unser Ausbilder verschwindet in hohem Bogen im dichten Blätterwerk. Nur einen Wimpernschlag später ist auch von dem Nashorn nichts mehr zu sehen. Als...

Erscheint lt. Verlag 30.5.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Welt / Arktis / Antarktis
Schlagworte Abenteuer • Agroforst • Azoren • Botswana • Bucket List • Costa Rica • Freiwilligenarbeit • Gap Year • Hawaii • Kanada • nachhaltig • Neuseeland • Permakultur • Safari • Schildkröten • Südafrika • Traumjob • Volunteering • Wale • Weltreise • Wildtierklinik
ISBN-10 3-8437-3134-9 / 3843731349
ISBN-13 978-3-8437-3134-8 / 9783843731348
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