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Gebrauchsanweisung für Korsika (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60320-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gebrauchsanweisung für Korsika -  Jenny Hoch
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Willkommen auf der Insel der Schönheit Leuchtend blaues Meer, feine Sandstrände, dichte Wälder und eine beeindruckende Bergwelt, die zu ausgedehnten Wanderungen, Ski- und Klettertouren einlädt. Die erste demokratische Verfassung Europas und unverbesserliche Unabhängigkeitskämpfer. Von allen Mittelmeerinseln ist Korsika die vielfältigste; Strandurlauber, Wanderfreunde, Camper, Motorradfahrer und Extremsportler, sie alle lieben sie gleichermaßen - und können ein Lied davon singen, dass ihren Bewohnern jede Art von Unterwürfigkeit fremd ist, vor allem gegen Saisonende ... »Korsika ist eine Sucht, die auch die Journalistin Jenny Hoch umtreibt. (...) Ihr Buch ersetzt zwar keinen Korsika-Aufenthalt, darf aber künftig nicht im Reisegepäck der Inselfreunde fehlen. Jenny Hoch hat eine wunderbare Gebrauchsanweisung verfasst.« Volker Isfort, Abendzeitung München Jenny Hoch ist Korsika zur zweiten Heimat geworden; sie nimmt uns mit auf eine unvergessliche Reise in die korsische Geschichte und Gegenwart. Sie weiß zu berichten, dass schon die antiken Geschichtsschreiber den Korsen einen ausgeprägten Eigensinn attestierten und dass Napoleon seine Heimatinsel an ihrem betörenden Duft erkennen konnte. Sie verrät, wie Honig, Käse, Wein und Macchia der Insel ihr besonderes Aroma verleihen und warum die Einheimischen vom Meer nichts Gutes erwarten. Weshalb bereits in der Antike klar war, dass sie sich nicht als Sklaven eignen, und wieso Wildschweine, die nicht nur bei Asterix die Wappentiere der Insel sind, hier manchmal auch als Erntehelfer fungieren. Warum die Korsen grundsätzlich das Gegenteil von dem tun, was die Franzosen für richtig halten. Welche Köstlichkeiten man probieren und welche Wesenszüge der freiheitsliebenden Bewohner man kennen sollte, um in den Genuss ihrer Gastfreundschaft zu kommen. Diese und weitere faszinierende »korsische Spezialitäten« beleuchtet die Inselkennerin, die als »Allemande« - nach über 30 Jahren Anwärterschaft - schließlich in die verschworene Gemeinschaft eines kleinen korsischen Bergdorfs aufgenommen wurde.  »Ich war noch nie auf Korsika, aber jetzt will ich hin.« Boris Pofalla, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Jenny Hoch, 1976 geboren, studierte Dramaturgie in München und New York und absolvierte die Deutsche Journalistenschule. Nach Stationen als Kulturredakteurin für verschiedene Tageszeitungen und Magazine (u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Welt und Welt am Sonntag) und Textchefin bei myself ist sie seit 2019 Chefredakteurin des Arte Magazins. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. Korsika kennt und bereist sie, seit sie vier Jahre alt ist.

Jenny Hoch, 1976 geboren, studierte Dramaturgie in München und New York und absolvierte die Deutsche Journalistenschule. Nach Stationen als Kulturredakteurin für verschiedene Tageszeitungen und Magazine (u.a. für die Süddeutsche, Die Zeit, Welt und Welt am Sonntag) und Textchefin bei myself ist sie seit 2019 Chefredakteurin des Arte Magazins. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. Korsika kennt und bereist sie, seit sie vier Jahre alt ist.

Benvinuti in meinem Dorf


Mit einem sanften Ruck setzt das Flugzeug auf der Landebahn auf. Der Stewart ermahnt uns, beim Aussteigen bitte schön nicht zu drängeln und den Mindestabstand einzuhalten. Ich wippe ungeduldig mit den Beinen und überlege, ob ich nicht einfach aufspringen und mich vordrängeln soll, um als Erste über die Gangway nach draußen zu gelangen. Nicht weil ich es in der Enge der Maschine nicht mehr aushalte, sondern weil die Sehnsucht übermächtig wird. Erst jetzt wird mir so richtig bewusst, was ich durch die Pandemie vermisst habe. Als es so weit ist und wir einer nach dem anderen ausgestiegen sind, bleibe ich für einen Moment auf dem Rollfeld stehen und atme tief ein. Erst mal rieche ich vor allem Kerosin, kein Wunder. Aber da, ganz leicht, weht er doch von den dicht bewachsenen Berghängen herüber in meine Nase. Es ist noch da! Das Parfüm, das mir so sehr gefehlt hat: der Duft von Korsika.

Dazu muss man wissen, Korsika und ich, wir kennen uns seit 42 Jahren.

Ich muss die Zahl ausschreiben, um es glauben zu können: zweiundvierzig Jahre. Fast mein ganzes Leben. Es hat seine Zeit gedauert, bis ich endlich dazugehörte. Bis wir, meine Familie und ich, Teil dieser verschworenen Gemeinschaft geworden sind. Aber nun ist das heimelige Gefühl auf Anhieb wieder da. Gleich sind wir zu Hause in unserem Ferienhaus in einem steinernen Dorf, hoch oben in den Bergen von Korsika.

Dieses Jahr liegt über unserer Ankunft auf der Insel ein besonderer Zauber. Endlich wieder reisen! Endlich wieder unter Leute kommen, gemeinsam essen, trinken, lachen – Ferien machen! Die Sehnsucht danach ist auch bei den Korsen deutlich zu spüren. Wie überall auf der Welt hat das Virus auch auf der Insel Spuren hinterlassen. Die Inzidenzen waren hier zeitweise extrem hoch. Weil Korsika sehr dünn besiedelt ist, genügten ein paar wenige Infizierte, um die Rate in den Dörfern, in denen obendrein viele Alte leben, hochzutreiben. Phasenweise muss Korsika wie eine Geisterinsel gewirkt haben. Geschäfte und Restaurants geschlossen, die Touristen blieben weg, und die Einheimischen waren in ihren Häusern eingesperrt und durften diese nur in Ausnahmefällen verlassen. Confinement hieß diese spezielle, für deutsche Verhältnisse rigorose Maßnahme. In Frankreich herrschten seit Ausbruch der Pandemie mit Ausgangssperre, Impfpflicht und Gesundheitspass deutlich strengere Regeln als bei uns.

Nach einer Stunde Fahrt auf der kurvenreichen Küstenstraße umrunden wir eine letzte Felsnase, passieren das Ortsschild – und da liegt es vor uns: das Paradies. Ein paar Dutzend Häuser, die sich in die Felsen krallen, darüber die wild wuchernde grüne Macchia, der korsische Buschwald, überspannt von dem endlosen Blau des Himmels. Das Farbenspiel wiederholt sich spiegelbildlich nach unten: Die Macchia bedeckt die steilen Abhänge und wächst buchstäblich bis ans Meer, das sich strahlend blau bis zum Horizont kräuselt.

Als Spiegelachse fungiert die Straße, die wir, mein Mann, meine Kinder und ich, nun entlanggehen, um zu sehen, ob alles beim Alten ist, und um alle zu begrüßen. Nicht, dass noch niemand unsere Ankunft bemerkt hätte; die Häuser hier mögen alt und grau sein, aber ihre Bewohner haben scharfe Augen und ein feines Gehör. Jede Regung, jede noch so kleine Veränderung wird sofort registriert.

Als Erstes begegnen wir der sympathischen blonden Bäckerin. Sie steht hinter dem Verkaufstresen ihres Geschäfts. »Bonjour, wie geht’s?«, begrüßt sie uns freundlich, macht aber keine Anstalten, nach vorne zu kommen und uns mit den üblichen Küsschen rechts und links auf die Wangen zu begrüßen. Mit den typisch französischen bises ist es erst mal vorbei, das werden wir bei vielen der folgenden Begegnungen noch merken. Einerseits ist das verständlich, schließlich erhöht die ständige Küsserei die Gefahr, sich anzustecken. Andererseits ist es jammerschade, dass Corona diesem schönen und herzlichen Begrüßungsritual den Garaus gemacht hat. Ich bin mir sicher, dass demnächst jede Menge Studien zu den psychologischen und soziologischen Folgen der Bussi-Abstinenz erscheinen werden.

Nur wenige Meter entfernt von der Bäckerei steht der junge Barmann hinter dem Tresen seines von prächtigen Platanen beschatteten Cafés. Seitdem er im Lockdown das Joggen für sich entdeckt hat, wirkt er viel drahtiger als früher. Er poliert mit gerunzelter Stirn ein Glas, mir fällt auf, dass hinter ihm im Regal neben den bunten Sirupflaschen, die mir als Kind so verheißungsvoll erschienen waren, zahlreiche korsische Spirituosen stehen: Pastis, Whisky und Gin, alle aus lokaler Produktion. Als der Barmann mich sieht, hellt sich sein Gesicht auf. »Bonjour, ça va? Endlich Ferien?«, fragt er über seinen Tresen hinweg. Nicken meinerseits. Seine Frau kommt dazu, eine stolze Korsin, die sich in einem gemeinnützigen Verein für den Umweltschutz starkmacht. Lächelnd wechseln auch wir ein paar Worte.

Ich überquere den Dorfplatz und winke dem Pizzabäcker zu, der gerade auf der Stirnseite des auf drei Seiten von steil aufragenden Steinhäusern eingefassten Platzes die Eiskarte vor seinen Imbiss stellt. Ein Kopfnicken gilt dem Straßenfeger, einem jungen Burschen, der von der Gemeinde stundenweise bezahlt wird, um die vielen steilen Treppenstufen, mit denen der untere Teil des Dorfes mit dem oberen verbunden ist, sauber zu halten. Auf dem Weg durch die schmalen Gassen begegne ich außerdem dem Bürgermeister, der in seiner Amtsstube mehrere Kladden mit teils abenteuerlichen Projekten für unser Dorf aufbewahrt, von deren Realisierung er aber mangels der dafür nötigen finanziellen Mittel bisher nur träumen kann. Ich begrüße die Inhaberin einer von zwei Pensionen des Ortes sowie eine Pariser Restaurantkritikerin mit korsischen Wurzeln, die das alte Steinhaus ihrer Familie in unserer direkten Nachbarschaft wieder aufgebaut hat. Mit allen halte ich kurze Schwätzchen, die alle mit der Formel »Bonjour! Wie geht’s?« beginnen. 

Als Letztes komme ich zur alimentation, dem Lebensmittelgeschäft, das von Pauline und ihrer Tochter Sandrine geführt wird. Pauline hatte mich vor einigen Jahren sehr glücklich gemacht, weil sie meine Kinder selbstverständlich zu den Kindern des Ortes dazuzählte. Eine große Ehre. Diesmal ist es ihre Tochter, die lässig auf Englisch sagt: »Welcome home!«

Korsin bin ich deswegen aber natürlich noch lange nicht. Meine Familie und ich werden wohl auf immer und ewig les allemands bleiben. Aber immerhin in die Dorfgemeinschaft integrierte Deutsche, die freundlich behandelt werden. Das ist nicht selbstverständlich, denn korsische Dorfgemeinschaften wirken auf den ersten Blick wie korsische Felsformationen: schroff und abweisend und so, als wären sie schon immer da gewesen. Doch wenn man sich die Zeit nimmt, sie genauer zu betrachten, erkennt man, dass sie Raum und Schutz bieten können – vorausgesetzt, man beachtet einige Regeln.

 

Korsika und die Korsen wollen entdeckt werden – und zwar mit Respekt. Nähert man sich ihnen vorsichtig und mit Interesse, wird man eine unvergessliche Zeit verleben. Überrumpelt man sie aber, etwa als Teil einer gesichtslosen, dauerfotografierenden Touristenmeute, kann es passieren, dass man verschränkten Armen und verschlossenen Gesichtern begegnet.

Die Korsen sind Individualisten, sie haben ihren eigenen Kopf und biedern sich nicht an, allein schon deshalb ist die Insel das perfekte Ziel für Individualreisende. Viele wissen über Korsika nur drei Dinge: Es ist das Land der Bombenattentate, der Blutrache und die Heimat Napoleons. Aber Korsika ist noch vieles mehr:

 

Es ist ein Reiseziel mitten in Europa, das nicht nur feine Sandstrände und ausgedehnte Wälder bietet, sondern auch eine Bergwelt, die zu den schönsten Mitteleuropas zählt.

 

Es ist die Insel der Freiheitsbewegungen. Von der Herrschaft der Phönizier in der Antike bis zum Jahr 1769, als Korsika französisch wurde, war die Geschichte dieses Volkes ein einziger Kampf um die Freiheit. Und er dauert, wie wir sehen werden, bis heute an, da die Franzosen vom Festland auch heute noch von vielen Korsen als Fremdlinge betrachtet werden.

 

Es ist die Insel, auf deren Boden es weder Sklaven noch Leibeigene gab. Es besitzt eine ausgeprägte Tradition der Unantastbarkeit von Flüchtlingen und...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2023
Zusatzinfo Mit einer farbigen Karte
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
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ISBN-10 3-492-60320-3 / 3492603203
ISBN-13 978-3-492-60320-1 / 9783492603201
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