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Ostwärts (eBook)

Oder wie man mit den Händen Suppe isst, ohne sich nachher umziehen zu müssen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
240 Seiten
Knesebeck Verlag
978-3-95728-570-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ostwärts -  Julia Finkernagel
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Reisererzählungen einer Rucksacktour von Leipzig durch Osteuropa bis in die Mongolei In diesem Buch zur erfolgreichen MDR TV-Serie 'Ostwärts' erzählt die gewitzte Journalistin Julia Finkernagel launig und geistreich von ihrer ganz persönlichen Premiere als 'Go East'-Travellerin, den sehr speziellen Reise-Highlights und kleineren und größeren Katastrophen auf der Tour von Leipzig bis tief in die Mongolei. Auch die witzigen Ungeheuerlichkeiten, die es niemals in die TV-Version schafften, werden in den ebenso scharfsinnigen wie humorvollen Travel-Episoden nicht verschwiegen! Ein Blick hinter die Kulissen der TV-Serie 'Ostwärts' Entgegen anderer Annahmen reiste Julia Finkernagel nicht mit einem großen Fernseh-Team, sondern allein mit einem Kameramann und einem Träger und bestritt die Reise mit kleinem Budget. Dass dabei viel improvisiert werden musste, sorgt in den kurzweiligen Reiseberichten für die allerbesten Pointen, und vieles von dem, was hinter den Kulissen passierte, findet der Leser im Buch. Eine Rucksackreise durch elf Länder und Regionen In rund 25 kurzen Travel-Episoden geht die Reise ab Leipzig durch Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und über Georgien, Südrussland und den Kaukasus, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan bis in die Mongolei. Julia erklärt, wie man in Usbekistan Suppe mit den Händen isst, ohne sich danach umziehen zu müssen und erzählt von der mongolischen Familie, die dem Drehteam als Zeichen der Freundschaft einen frisch geschlachteten Ziegenkopf in den Fußraum stellt. Sie berichtet, wie sie sich in der Slowakei auf der Burg der Blutgräfin gruselte, in Russland im Gefängnis landete und erklärt, warum in Kirgistan der Tee dreimal zurück in die Kanne gegossen wird. Ausgespart wird auch nicht, dass sie in Rumänien tatsächlich Peter Maffay begegnet ist.

Die studierte Kommunikationsdesignerin und ehemalige Managerin Julia Finkernagel überredete vor zehn Jahren ihren Bereichsvorstand am Frankfurter Flughafen zu einem Sabbatjahr und brach auf zu einer Rucksackreise nach Südostasien, Skandinavien und Nordamerika. Von dort kehrte sie allerdings nie mehr ins klimatisierte Büro zurück: Aufgrund ihrer launigen Reiseberichte von unterwegs wurde sie noch während ihres Rucksacktrips vom MDR für ein Praktikum angeheuert. Daraus wurde 2008 ein Engagement als Autorin und Producerin - und eine zweite Karriere. 'If it's wrong it's right for television' - nach diesem Motto zieht Julia Finkernagel mit ihrem Kameramann seit 2008 regelmäßig 'Ostwärts - Mit dem Rucksack der Sonne' entgegen. Vierzig Filme sind dabei bisher entstanden - über 16 Länder hat sie bereist von Polen bis zur Mongolei. Darüber hinaus arbeitet Julia Finkernagel als selbstständige Filmemacherin für verschiedene Formate bei ARTE, MDR, HR und KIKA. Wann immer sie zwischendurch Zeit findet, schreibt sie: Etwa ihre ebenso scharfsinnigen wie humorvollen Travel-Episoden zu 'Ostwärts', deren erster Band sogleich zu einem Bestseller wurde. Inklusive all jener größeren und kleineren Ungeheuerlichkeiten, die es niemals in die offizielle TV-Version schafften.

Die studierte Kommunikationsdesignerin und ehemalige Managerin Julia Finkernagel überredete vor zehn Jahren ihren Bereichsvorstand am Frankfurter Flughafen zu einem Sabbatjahr und brach auf zu einer Rucksackreise nach Südostasien, Skandinavien und Nordamerika. Von dort kehrte sie allerdings nie mehr ins klimatisierte Büro zurück: Aufgrund ihrer launigen Reiseberichte von unterwegs wurde sie noch während ihres Rucksacktrips vom MDR für ein Praktikum angeheuert. Daraus wurde 2008 ein Engagement als Autorin und Producerin – und eine zweite Karriere. "If it's wrong it's right for television" – nach diesem Motto zieht Julia Finkernagel mit ihrem Kameramann seit 2008 regelmäßig "Ostwärts – Mit dem Rucksack der Sonne" entgegen. Vierzig Filme sind dabei bisher entstanden – über 16 Länder hat sie bereist von Polen bis zur Mongolei. Darüber hinaus arbeitet Julia Finkernagel als selbstständige Filmemacherin für verschiedene Formate bei ARTE, MDR, HR und KIKA. Wann immer sie zwischendurch Zeit findet, schreibt sie: Etwa ihre ebenso scharfsinnigen wie humorvollen Travel-Episoden zu "Ostwärts", deren erster Band sogleich zu einem Bestseller wurde. Inklusive all jener größeren und kleineren Ungeheuerlichkeiten, die es niemals in die offizielle TV-Version schafften.

– 1 –


Klar zum Ablegen ins Baltikum

Der erste Tag unserer Reise nordostwärts! Und für unsere Verhältnisse sind wir traumschiffmäßig am Start. Ich stehe an Bord der MS Vilnius von Sassnitz auf Rügen, in achtzehn Stunden werden wir in Klaipėda in Litauen vor Anker gehen. Neben mir Sascha Hehn. Eine leichte Brise weht ihm durch den Pony über das sonnengebräunte Gesicht. (Wenn ich Sascha Hehn sage, meine ich meinen Kameramann Michael. Ist klar.) (Er trägt auch die Haare anders.) Daneben Torsten, unser neuer dritter Mann und willfähriger Helfer für diese Drehreise. Er soll Michael unter die Arme greifen und ihm das Gepäck abnehmen, wenn wir aus- und umsteigen und das gefilmt werden muss. Das geht so schlecht mit Reiserucksack auf dem Rücken und Technikrucksack vor dem Bauch. Mein eigener Rucksack hingegen darf »bildwirksam« sein. Wiegt sechs Kilo weniger als auf der ersten Ostwärts-Reise, das heißt diesmal nur sechzehn Kilo, also quasi nichts. Wir haben dreißig Tage Zeit für sechs neue Episoden, die in einem halben Jahr auf Sendung gehen sollen. Es ist Mai, und drei Länder stehen auf unserm Zettel: Litauen, Lettland und Estland. Drei Ostseeanrainer. Drei ehemalige Sowjetrepubliken und alle drei jetzt wieder unabhängig.

Ich bin neugierig auf das Baltikum und will endlich mal diese legendären Weißen Nächte erleben, wenn die Sonne Mitte Juni durchmachen will und es nachts nicht wirklich dunkel wird. Das soll als krönender Abschluss der Reise kommen, also kurz vorm Abspann. Die MS Vilnius ist nicht unbedingt für Touristen ausgelegt, sondern eher für Güterzüge, Frachtcontainer und deren menschliche Begleiter. Deshalb sieht man bestürzend wenige Frauen in weißen Leinenkleidern mit Korksandalen, großen Sonnenbrillen und Kaschmirstolas an der Reling lehnen, elegant ihren Hut festhaltend, die Haare im Wind fliegend. Im Prinzip – wenn ich mich so umsehe – sieht man überhaupt keine Frauen. Dafür jede Menge Männer in Räuberzivil, kernig ihr großes Pils festhaltend, die Schaumkrone im Wind fliegend.

Gut – der Blick von hier oben fällt auch nicht unbedingt auf das Sonnendeck mit beleuchtetem Pool, sondern auf das Heck der Laderampe mit den Containern. Aber wenn ich die Augen zumache, dann wird es vielleicht ein bisschen Traumschiff hier. Ich schlucke einen kleinen Kloß im Hals runter. Kameramann Michael und ich haben uns seit unserem legendären Ostwärts-Auftakt im letzten Sommer höchstens dreimal gesehen, und mit dem »Neuen« ist naturgegeben alles noch fremd und unvertraut. Aber schließlich sind wir zum Arbeiten hier, da ist kein Platz für Heimweh – oder Fremdeln. Auch nicht am ersten Drehtag.

Meine Gedanken werden unterbrochen vom charmanten Chefsteward, der in seiner perfekt sitzenden blauen Uniform herbeieilt. (Ein bisschen Sascha Hehn ist nämlich doch an Bord.) Er hatte uns schon beim Einsteigen den Weg zu unseren winzigen Stockbett-Kajüten im Schiffsbauch gewiesen. Eduard ist vom alten Schlag und hat einen bezaubernden litauischen Akzent. Offenbar hat er uns gesucht.

»Nicht alle Passagiere hat gekommt. Wir haben ja noch freie Kabinen, ja.«

Ich schaue ihn mit großen Augen an.

»Wünschen oder nein?«

Jetzt dämmert es mir. Ein Upgrade! Meine Stimmung hellt sich augenblicklich auf. »Und die sind schön?«

»Ja.«

»Können wir mal gucken?«

»Ja, bitte schön.«

Ich folge ihm (und die Kamera folgt uns beiden) hinunter in die Untiefen der Fähre durch endlose Gänge, die alle gleich aussehen. Dann öffnet Eduard mit stolzer Brust eine Kabinentür und hält sie für mich auf. Er strahlt.

»Bitte schön, bitte schön.«

Ein Traum in Kunststoffbeige. Alles abwaschbar. (Wir reden hier ja immer noch von einem Containerschiff.) Ich erblicke jedoch auch: ein Doppelbett, zwei Sessel an einem Tisch, eine Schale mit Früchten, ein Bad. Mit eigener Toilette! Ich muss nicht lange überlegen.

»Oh, toll, mit Obst! Ich nehm sie!«

»Ja, bitte schön, bitte schön.«

Michael bekommt auch so eine Kabine. Es gibt nämlich nur zwei davon an Bord. Der arme Torsten hingegen – des dritten Mannes Schicksal – muss sich weiterhin mit seiner Stockbett-Kajüte mit Waschgelegenheit begnügen. Dafür kriegt er dann woanders mal das schönste Zimmer, versprochen.

Die Fähre ist das älteste Schiff der Flotte. (Und fährt mittlerweile auch nicht mehr.) Sie hat für die Stunden in zollfreiem Gewässer einen winzigen Duty-free-Shop an Bord. Wir gehen da einfach mal mit laufender Kamera rein – irgendwas findet man immer. Ich erblicke sofort alle möglichen Alkoholika und dann: weitere Passagiere! Sie sind deutschsprachig, freundlich und, sagen wir mal, »betagten Alters«. Wir kommen schnell ins Plaudern. Dabei höre ich zum ersten Mal einen Begriff, der mir auf dieser und kommenden Reisen Richtung Osten noch oft begegnen wird: Heimwehtourismus. Menschen auf der Suche nach ihrem alten Zuhause. Ich bin elektrisiert.

Zwei rüstige Mitreisende erzählen mir, dass sie in Ostpreußen geboren wurden, in der Stadt Memel (dem heutigen Klaipėda, unserem Zielhafen). Und dass sie noch einmal auf den Spuren der Vergangenheit wandeln wollen.

Memel.

Noch einmal.

Einmal noch an den Ort ihrer frühesten Erinnerungen zurückkehren. Schauen, ob der Hof noch existiert, die Kirche, die Schule. Irgendetwas finden, das sich wie Heimat anfühlt. Sie bekommen feuchte Augen beim Erzählen. Und bei mir taucht der Kloß im Hals wieder auf. Ich kann diese Sehnsucht eins zu eins nachvollziehen, obwohl es nicht meine ist. Ostpreußen, Sudetenland, Schlesien: Das sind alles nicht bloß geographische Orte auf alten Landkarten, sondern Begriffe von früher. Heimat, Krieg, »der Pole«, »der Russe« (immer im Singular). Um diese Suche nach greifbaren Wurzeln einer vermeintlichen, nebulösen Erinnerung hat sich der Heimwehtourismus als Geschäftsfeld gebildet – das gerade boomt, dessen Ende aber auch abzusehen sein dürfte.

Etwas später fällt ein weiterer elementarer Begriff, und spätestens als ich diesen höre, werde ich in meine Baltikum-Reise hineingezogen wie von einem Unterwassersog ins Meer. Unmerklich bin ich mitten in der ersten Ostwärts-Geschichte gelandet. Der Begriff lautet: Wolfskind.

Der leicht Rührbare sei hier gewarnt: Wem es bei »Heimwehtourismus« schon im Herzen zieht, für den ist die Bezeichnung »Wolfskind« der Tropfen, der das Fass der Schwermut zum Überlaufen bringen wird.

»Wolfskind« ist der Begriff für ostpreußische Kriegswaisen, die sich vor und nach Kriegsende monate- bis jahrelang ALLEIN durch die Wälder geschlagen haben. Als Kinder! Auf der Suche nach Essbarem sind sie auch über die Grenze nach Litauen gekommen.

So. Aber wie erzähle ICH das? Wie baue ich das in eine Reportagereihe ein, die eigentlich frohgemut und reisefreudig sein soll? Ich beschließe: Auch wenn Ostwärts eher lustig angelegt ist und die Redaktion mich unter anderem deshalb für diese neue Sendung auserkoren hat, weil sie mich in meinem legendären Praktikum während meiner Auszeit vom Flughafenmanagement als eine der »eher unterhaltsameren Vertreterinnen« wahrgenommen hatte, will ich dieser Sache nachgehen. Ich werde die Augen und Ohren offen halten. Ich möchte unbedingt mit einem Wolfskind sprechen. Wenn ich erst mal da bin.

Litauen empfängt uns am nächsten Morgen mit Übergangsjackenbrise. Um uns herum wogt die Ostsee: Das »Mare Balticum« ist der Namensgeber für das Gebiet, auf das wir jetzt unmittelbar zusteuern. Wir tuckern durch den eher mittelschönen Frachthafen von Klaipėda und verabschieden uns schließlich von Eduard, der mir noch ein paar Tipps für ausgefallene Orte, coole Unterkünfte und kompetente Ansprechpartner in Sachen Wolfskind diktiert. Kaum an Land, besteigen wir die nächste Fähre. Sie bringt Fußgänger und Radfahrer auf die andere Seite des Haffs nach Smiltyne, früher Sandkrug.

(Zwischenbemerkung: Dieses »früher Dingsbums« – da sind wir uns einig – hat hier im ehemaligen Ostpreußen immer etwas von »früher war das alles mal deutsch«. Aber ich schreibe die deutschen Ortsnamen mal für die leichtere Verständlichkeit dazu, so wie ich auch Moskau oder Peking schreibe, und nicht Moskwa oder Beijing. Ist nicht reaktionär gemeint.)

Nach der Fahrt übers Haff sind wir nun also auf der berühmten Kuhrischen Nehrung – einer hundert Kilometer langen schmalen Landzunge, die sich von Südwesten (wo sie am Festland beginnt) bis zu ihrem Nordzipfel (mit dem sie ins Meer ragt) parallel zum Festland ausstreckt. In der Zeit, als Litauen zur Sowjetunion gehörte, also bis 1991, war die Kuhrische Nehrung sowjetisches Sperrgebiet. Das heißt: Niemand außer dem russischen Militär konnte an den Strand. Die breiteste Stelle der Nehrung misst keine vier Kilometer, die schmalste nur ein paar hundert Meter. Das Wasser zwischen der Landzunge und dem Festland ist das Kuhrische Haff....

Erscheint lt. Verlag 27.10.2022
Reihe/Serie Knesebeck Stories
Knesebeck Stories
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Asien • Backpacking • Bulgarien • Fernsehserie • Georgien • Go East • Kaukasus • Kirgistan • MDR • Mongolei • Osten • Osteuropa • Peter Maffay • Polen • Reisebericht • Reiseerzählung • Rucksacktour • Rumänien • Slowakei • Stories • Südrussland • Tadschikistan • TV Serie • Ungarn • Usbekistan
ISBN-10 3-95728-570-4 / 3957285704
ISBN-13 978-3-95728-570-6 / 9783957285706
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