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Götter, Gurus und Gewürze (eBook)

Zwei Jahre per Anhalter durch Indien
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60128-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Götter, Gurus und Gewürze -  Morten Hübbe,  Rochssare Neromand-Soma
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Ein spannender Roadtrip durch ein widersprüchliches Land 24 Monate, 21.206 Kilometer, 269 Mitfahrgelegenheiten - fasziniert lassen sich Rochssare und Morten auf das Abenteuer Indien ein. Sie besuchen boomende Metropolen und abgelegene Dörfer im Himalaja, heilige Stätten und rauschende Feste.  Indien unplugged: authentisch, nachhaltig, intensiv Per Anhalter reisen sie im engen Kontakt mit den Einheimischen. Und mit jeder Tasse Chai tauchen sie tiefer ein in die Kulturen, Legenden und Traditionen Indiens. Dabei erleben sie zahlreiche Gegensätze. Armut und Reichtum, Gastfreundschaft und Überlebenskampf, Aberglaube und Modernität reichen sich in Indien die Hand. Wo Shiva tanzt Rochssare und Morten erzählen von skurrilen Begegnungen am Straßenrand; dem verwirrenden Chaos von Neu-Delhi, Mumbai und Kalkutta; den unterschiedlichen Lebenswelten von Hindus, Sikhs und Moslems. Zwischen jahrtausendealter Geschichte und verblüffender Gegenwart entfaltet sich eine fesselnde Reise durch ein überwältigendes Land. Ein mitreißendes Buch für alle, die das Außergewöhnliche suchen

Nach dem Master in Literatur und Medien zog es Morten Hübbe (geboren 1984) gemeinsam mit seiner Freundin Rochssare Neromand-Soma 2011 für zwei Jahre nach Südamerika. Seitdem haben sich die beiden Reiseenthusiasten und -blogger ganz dem Unterwegssein verschrieben. Derzeit erkunden sie, wieder per Anhalter, Asien.

Nach dem Master in Literatur und Medien zog es Morten Hübbe (geboren 1984) und Rochssare Neromand-Soma (geboren 1986) 2011 für zwei Jahre nach Südamerika. Über diese Reise berichten die beiden in »Per Anhalter durch Südamerika«. In der Folge haben sich die beiden Reiseenthusiasten und -blogger ganz dem Unterwegssein verschrieben. Seit 2014 reisen sie auf dem Landweg nach und durch Asien. 2018 erschien ihr Buch »Per Anhalter nach Indien«.

Karma-Krieger im Goldenen Tempel der Sikhs


 

Morten

Mitten in der staubigen, hektischen Altstadt Amritsars erhebt sich der elegante Harmandir Sahib vor einem weiten Hof, der umgeben von den schmalen Gassen Platz zum Atmen bietet und den Blick auf das palastähnliche Gebäude lenkt. Menschen strömen ein und aus. Sie tragen Turbane, Schals, Kopftücher. Männer mit langen Bärten und ernsten Blicken betreten das weiße Gemäuer, in dessen Innerem sich das höchste Heiligtum der Sikhs befindet, das in der Welt als der Goldene Tempel bekannt ist.

Amritsar, 1577 von Guru Ram Das gegründet, ist sowohl politisches, religiöses als auch geografisches Zentrum des Sikhismus. Etwa die Hälfte der Stadtbewohner gehört der Religionsgemeinschaft an, die weltweit rund 30 Millionen Mitglieder zählt. Für sie ist der Harmandir Sahib so wichtig wie Mekka für Muslime oder der Vatikan für Katholiken.

Je näher wir dem Tempel-Heiligtum kommen, desto greifbarer wird die besondere Aura, die hier herrscht. Plötzlich begegnen sich die Menschen mit einer Extraportion Respekt. Das Drängeln und Schubsen, die Rufe, das Hupen, selbst der penetrante Geruch bleiben in den umliegenden Altstadtgassen zurück. Niemand raucht, nicht einmal der starke Duft der handgedrehten Bidis liegt in der Luft. In den nahen Restaurants wird ausschließlich vegetarische Küche angeboten. Das gilt auch für Pizza Hut und Subway. Alkohol ist in einem weiten Radius um den Tempel herum verboten.

Wer vor das weiß-goldene Gebäude tritt, hat ein erwartungsvolles Leuchten in den Augen. Darin spiegeln sich Vorfreude und Ehrfurcht. Der Gurdwara, so nennen die Sikhs ihre Tempel, darf nur barfuß und mit bedecktem Kopf betreten werden. In einer mit Wasser gefüllten Mulde werden die vom indischen Leben eingestaubten Füße gesäubert. Hinter dem Eingang öffnet sich ein riesiger Innenhof. Dort führt ein breiter, marmorner Rundgang um ein ausladendes Wasserbecken. Karpfen tummeln sich darin. Hier ist es plötzlich ganz ruhig. Die Hektik, der Lärm und Schmutz der Stadt bleiben vor den Mauern zurück. Eine friedliche Atmosphäre liegt über dem Harmandir Sahib. Sie steht ganz im Gegensatz zu dem auf allen Sinnesebenen rücksichtslos intensiven indischen Alltag.

Tempelwächter sind an den Eingängen postiert, die den Harmandir Sahib zu allen Himmelsrichtungen öffnen. Sie gehören zur Sikh-Bruderschaft der Khalsa, die im Tempel beheimatet ist. Ihre selbstsicheren Blicke schweifen über die Anlage. Geschmückt mit blauen Turbanen, orangefarbenen Kleidern und bewaffnet mit einem Speer, wirken sie wie stolze Krieger einer vergangenen Zeit. Ab und an patrouillieren sie um das Wasserbecken. Ein leichter Windstoß lässt ihre langen Kleider wallen. Ein Dolch, der Kirpan, hängt von der Schulter herab. Er ist eines der wichtigsten Symbole der Sikhs, mit ihm verteidigen sie die Armen und Schwachen.

Die Besucher des Harmandir Sahib verteilen sich um das Wasserbecken. Jeder Mensch ist im Gurdwara willkommen; ganz unabhängig von Religion, Herkunft oder sozialem Stand. Schon am frühen Morgen sind Hunderte gekommen. Unter ihnen sind nicht nur Sikhs, sondern auch Hindus und Muslime und auch ausländische Besucher.

Als offensichtlich Fremde werden wir schon bald von einer Gruppe junger indischer Männer angesprochen. »Snap«, »Snap shot«, »You, snap shot« – unsere Gegenüber sind Sprachpuristen. Sie halten sich nicht mit höflichen Formulierungen auf. Innerhalb weniger Sekunden sind wir umringt von Pilotensonnenbrillen und bunten Hemden. Handykameras sind auf uns gerichtet, und Dutzende Selfies verschwinden in internen Speichern. Das wirkt befremdlich, fordernd. Doch dann schieben die jungen Männer ein breites, über und über strahlendes Lächeln hinterher, dem wir nichts entgegensetzen können.

Es bleiben nicht die einzigen Fotos. Eltern drücken uns Babys in die Arme, stellen ihre oft widerwilligen Kleinkinder in unsere Mitte, holen Freunde und Bekannte dazu, damit auch sie Bilder mit uns knipsen können. Ob wir zustimmen oder nicht, ist dabei oft egal. Wir sind noch ungeübt mit der indischen Mentalität und bald schon an der Grenze unserer Geduld. »Wollen wir so langsam weiter?«, lachen wir uns öfter zu, als wir es gern hätten. So exotisch Indien auf uns wirkt, so exotisch wirken wir auf die Menschen in Indien. Natürlich. Reisen ist keine Einbahnstraße.

So viel unaufgeforderte Aufmerksamkeit sind wir nicht gewohnt. In Indien herrschen andere Verhaltensregeln, und das Konzept der Privatsphäre ist in diesem überbevölkerten Land schon lange überholt. Und doch: Ein Lächeln ist immer dabei, und auch das typisch indische Kopfwackeln, das wir noch nicht richtig deuten können, gehört dazu. Indiens Ellenbogengesellschaft wird vom Herzen bestimmt. Ohne es zu begreifen, ist das die erste Lektion, die uns das Land nahebringt.

Wir spazieren auf Gummiläufern um das große Wasserbecken. Sie schützen die nackten Fußsohlen vor dem vom Sonnenlicht aufgeheizten Marmor. Die gesamte Tempelanlage ist sauber und gepflegt. Ein ungewöhnlicher Kontrast zu den verdreckten Gassen nur ein paar Meter hinter den hohen Mauern des Tempels.

Während der Mittagsstunden ist es ausgesprochen heiß. Lächelnde Menschen sitzen in den Schatten spendenden Arkaden um das Wasserbecken. Mit ihren leuchtenden Saris, bunten Turbanen und Hemden setzen sie Farbkleckse in die puristische Gestaltung der Tempelanlage. Jemand zeichnet mit Pinsel und Farbe feine Linien auf weiße Wände. Sie verbinden sich zu Zeichen einer Sprache, die ich nicht verstehe, und dennoch erfreuen wir uns an ihren leichten geschwungenen Formen. Es gibt nicht viel zu tun außer die Reflexion des Goldenen Tempels, der sich aus der Mitte des Wasserbeckens erhebt, mit seinem glänzenden Original zu vergleichen. Beide sind wunderschön, über und über mit Blattgold verziert.

Eine nie enden wollende Menschenschlange wartet auf der schmalen Brücke zum Goldenen Tempel, um einen Blick auf das kostbare Innere, das heilige Buch »Granth Sahib«, zu erhaschen. In ihm sind die Schriften der ersten Gurus und die wichtigsten Glaubenssätze des Sikhismus niedergeschrieben. Das Buch zitiert auch aus anderen Religionen und ist offen für die Erkenntnisse der Welt. Für die in ihm enthaltene Weisheit wird das Granth Sahib seit 1708 als Guru verehrt. Das Buch gilt der Sikh-Gemeinde als Lehrer und gesellschaftlicher wie moralischer Kompass.

Im Goldenen Tempel werden pausenlos Verse und Hymnen aus dem Buch vorgetragen und von Musikern mit leichten Melodien untermalt. Über Lautsprecher gelangt die Musik, die Gurbani Kirtan, von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht hinaus in die Außenbereiche. Wohlwollende, warme Rhythmen wiegen durch die Luft. Es sind die Ragas der klassischen indischen Musik, die der ohnehin friedlichen Stimmung noch mehr Ruhe verleihen. Im Klang der Musik gehen die Stunden dahin, verlieren sich unbemerkt wie die sanften Wolken am Himmel.

Immer wieder werden wir von freundlichen Mitgliedern der Sikh-Gemeinde angesprochen, die uns das Tempelareal zeigen wollen. Sie alle suchen das Gespräch. Der etwas untersetzte Mister Singh mit dem grauen Bart ist der Erste, der uns durch die Anlage führt. Aufmerksam erklärt er uns die wechselhafte Geschichte des Harmandir Sahib, erzählt vom Frieden innerhalb der Mauern, aber auch vom Angriff des indischen Militärs unter Ministerpräsidentin Indira Gandhi 1984, ihrer anschließenden Ermordung und den darauf folgenden Pogromen gegen die Sikhs. Mister Singh lächelt gutmütig. Uns schwirrt der Kopf. Für die Geschehnisse um Gewalt, Separatismus und unnachgiebige Politiker reicht eine Runde durch die Tempelanlage nicht aus.

Täglich marschieren freiwillige Putztruppen um das Wasserbecken. Die Helfer fegen und wischen den Boden, sind Ansprechpartner für die Orientierungslosen. Kaum jemand ist hier angestellt, denn an Freiwilligen hat es im Tempel noch nie gemangelt. Für die Sikhs ist es eine religiöse Pflicht, im Harmandir Sahib zu helfen. Mit großer Freude machen sie sich ans Werk und belohnen sich mit Karma, Glück, Zufriedenheit.

Auch Gastfreundschaft ist ihnen eine Selbstverständlichkeit. Diese Grundhaltung haben sich die Sikhs seit der Religionsgründung durch Guru Nanak Dev im 15. Jahrhundert trotz aller Widerstände erhalten. Als neue Religion stand ihnen der Mogulkaiser Akbar, der zu jener Zeit auch über den Punjab herrschte, friedlich gegenüber. Der...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2022
Zusatzinfo Mit 24 Seiten Farbbildteil und einer Karte
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Asien
Schlagworte Abenteuer • Armut • Backpacking • Campen • Chai • Chili • CouchSurfing • Curry • Delhi • Gandhi • Ganesha • Götter • Heilige Kühe • Himalaja • Hindus • Holi-Fest • Indien • Indischer Ozean • Individualreisen • Kalkutta • Meer • Moslems • Mumbai • Mythologie • per Anhalter • Räucherstäbchen • Reisebericht • Religionen • Roadtrip • Sadhu • Sari • Shiva • Sikh • Taj Mahal • Tempel • Varanasi • Yoga • Zelten
ISBN-10 3-492-60128-6 / 3492601286
ISBN-13 978-3-492-60128-3 / 9783492601283
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