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Hoch oben (eBook)

Eine Reise durch den Himalaya
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
636 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76989-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hoch oben -  Erika Fatland
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Die preisgekrönte Bestsellerautorin Erika Fatland zieht es nach ihren Reisen durch das wilde Sowjetistan und entlang der russischen Grenze nun in das höchste Gebirge der Welt. Für Hoch oben reiste sie durch den gesamten Himalaya - durch Pakistan, Nepal, Indien, Tibet und Bhutan. Hier begegnet sie Menschen, die ihr Leben in schwindelnder Höhe unter den widrigsten klimatischen Bedingungen bestreiten. Wie diese Menschen damit umgehen und was sie dort hält, erzählt Erika Fatland in diesem aufregenden und kenntnisreichen Reisebericht.

Erika Fatland nimmt uns mit auf eine im wahrsten Sinne atemberaubende Reise in eine der ethnisch vielfältigsten und politisch konfliktreichsten Regionen der Welt. Islam, Buddhismus und Hinduismus treffen auf uralte schamanische Traditionen. Supermächte konkurrieren um Einfluss. Moderne kollidiert mit Tradition und einer überzeitlichen gewaltigen Landschaft. Ein Jahr lang reiste Erika Fatland durch den Himalaya. Nicht auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung wie so viele meist männliche Autoren, die von ihren beschwerlichen Bergtouren und Meditationserlebnissen berichten. Vielmehr interessieren Fatland die Menschen, mit denen sie auf Tuchfühlung geht. Sie will wissen, wie sie unter diesen Bedingungen Tag für Tag überstehen. Insbesondere in das Leben der Frauen erhält sie Einblicke, wie es, zumal in den sehr traditionellen Gesellschaften, für einen Mann niemals möglich wäre. Nicht umsonst endet ihre Reise mit einem Besuch beim Volk der Mosuo, dem »Königreich der Frauen«.



<p>Erika Fatland, 1983 geboren, hat Sozialanthropologie in Oslo und Kopenhagen studiert und spricht acht Sprachen. Ihren internationalen Durchbruch als Schriftstellerin feierte sie mit <em>Sowjetistan</em>. Ihre von Kritik und Lesern hochgelobten Bücher sind in über 15 Sprachen erschienen und wurden u. a. mit dem Norwegischen Buchhandelspreis und dem Buchbloggerpreis ausgezeichnet. Sie lebt, sofern sie nicht gerade auf Reisen ist, mit ihrem Mann in Oslo.</p>

Seidenstraße 2.0


Wo beginnt ein Gebirge und wo endet es, eine Gebirgskette, eine Reise?

Schaut man sich die Berge Asiens auf einer Reliefkarte oder einer topografischen Karte ohne Beschriftung an, sieht man die Erdoberfläche, erstarrte Bewegungen und Wellen in der Geologie, geometrische Muster, Fraktale. Aber keinen Anfang und kein Ende, keine eindeutige Abgrenzung.

Das Gebirge, das wir Himalaya nennen – auf Sanskrit bedeutet es »Ort des Schnees« –, bildet eine riesige, ovale Barriere aus Steinmassiven, Eisgletschern und tiefen Tälern zwischen dem eurasischen Kontinent im Norden, wo der sibirische Waldgürtel über abfallende Einöden in die Steppen und Wüsten Kasachstans, der Mongolei und Chinas übergeht, und dem indischen Subkontinent im Süden – der sich von Pakistan im Westen bis Myanmar im Osten erstreckt. Nördlich des Himalaya liegt das tibetische Gebirgsplateau, weiter südlich enden die Berge abrupt wie ein aus himmelhohen Gipfeln bestehender Brustpanzer gegen Indien und Pakistan. Hier, in den steilen Berghängen, existierte vor weniger als einem Jahrhundert ein kleines Bergkönigreich neben dem anderen. Die meisten von ihnen wurden inzwischen großen und mächtigen Staaten einverleibt; nur das Königreich Bhutan hat standgehalten.

Auf der Karte wie im Gelände findet sich in den Gebirgsmassiven weder ein definierter Anfang noch ein Ende. Im Westen hängt der Himalaya mit den Bergketten Pamir, Karakorum und Hindukusch zusammen. Beginnt die Gebirgskette am Shibar-Pass in Afghanistan, dem möglichen Ende des Hindukusch, oder am Nanga Parbat in Pakistan, dem höchsten Berg im Westen? In Kirgisistan trifft das Pamir-Gebirge auf das Tian-Shan-Hochgebirge, das Himmlische Gebirge, das im Norden in das Altai-Gebirge übergeht und sich nahtlos nach Osten in die Sajan-Bergkette fortsetzt, bis es im Osten am Ochotskischen Meer endet. Kann man daher sagen, der Himalaya endet eigentlich am Pazifik oder beginnt möglicherweise dort?

Betrachtet man es noch distanzierter, könnte man argumentieren, dass der Himalaya ein Teil der alpinen Gebirgskettenfaltung ist, die zwischen sechzig und achtzig Millionen Jahren vor unserer Zeit begann, als die afrikanischen und indo-australischen tektonischen Platten mit Eurasien im Norden kollidierten und zur Geburt unter anderem des Kaukasus, des Taurus, der Alpen, der Pyrenäen und des Atlas-Gebirges führten. Später kamen Pamir, Hindukusch, Karakorum – und der Himalaya dazu. Rechnet man die ganze Großfamilie der alpinen Gebirgsketten mit ein, erstrecken sich der Himalaya und seine nahen und fernen Verwandten im Grunde vom Atlantik im Westen bis zum Pazifik im Osten.

Für welche Definition man sich auch entscheidet, es gibt niemanden, der behauptet, der Himalaya würde in der alten Seidenstraßenstadt Kaschgar (1270 Meter über N.N.) in der chinesischen Provinz Xinjiang beginnen, die tausendzweihundertsiebzig Meter über dem Meeresspiegel liegt, mitten im trockenen Tarimbecken im äußersten Westen Chinas. Aber die Reise in den Himalaya nahm hier ihren Anfang, und der Auftakt wurde länger als geplant. Ich konnte dem Weg weiter südlich in Richtung der Berge, in Richtung Himalaya nicht folgen, bevor ich nicht das Blatt Papier hatte, das mir freies Geleit über den Pass nach Pakistan verschaffte. Ich musste brav warten, und das lag in erster Linie an den Indern.

Rechtzeitig vor meiner Abreise hatte ich um ein indisches Visum ersucht, aber der Prozess zog sich hin, und die Botschaft hatte immer mehr Informationen angefordert: Wo wollte ich wohnen, wohin wollte ich reisen, wie wollte ich von A nach B kommen, mit wem wollte ich reisen, warum wollte ich überhaupt nach Indien. Und schließlich lief mir ganz einfach die Zeit davon. Ich gab die indische Botschaft auf und konzentrierte mich stattdessen auf die pakistanische, doch auch dort ging es nur langsam voran, vermutlich lag es an der Urlaubszeit. Vielleicht würden sie nächste Woche ein Visum ausstellen können, möglicherweise aber auch erst in der darauffolgenden Woche, es ließ sich nicht sagen. Plötzlich war der Abreisetag gekommen, und ich setzte mich wie geplant ins Flugzeug nach China und reiste mit einem Ersatzpass ein, da mein eigentlicher Pass noch immer in der pakistanischen Botschaft in Oslo lag. Im Gegensatz zu ihren Kollegen südlich der Berge waren die chinesischen Bürokraten vorbildlich und effektiv gewesen – meinen Visumsantrag hatte man wie gewünscht im Expresstempo bearbeitet. Nun saß ich in Kaschgar fest und wartete darauf, dass die entsprechende Abteilung des pakistanischen Konsulats aus dem Urlaub zurückkehrte und das magische Blatt Papier endlich bei mir eintraf, damit ich die Reise in die Berge antreten konnte.

Das sind die prosaischen Probleme der modernen Reisenden. Die eigentlichen Reiseetappen dauern heute einen Wimpernschlag, Zeit braucht die Bürokratie. Die Welt ist grenzenlos geworden, heißt es, wir leben in einem globalisierten Zeitalter, aber nur, wenn man den richtigen Pass und die richtigen Dokumente hat. Worüber reden abenteuerlustige Globetrotter, wenn sie sich begegnen? Tja, sie reden über Konsulate, über Visumsverlängerungen und Antragsprozeduren.

Während ich darauf wartete, weiterreisen zu können, schlenderte ich durch Kaschgars verschlafene Gassen. Am Eingang der hellgelben Id-Kah-Moschee, dem wichtigsten Wahrzeichen der Stadt, wurde ich von einem strengen Polizisten aufgehalten.

»Pass!«, bellte er. Auch um in das Haus Gottes zu gelangen, muss man heutzutage die richtigen Papiere haben.

»Der liegt im Hotel«, antwortete ich.

»Dann kann ich Sie nicht hineinlassen«, erklärte er. »Es ist im Übrigen nicht erlaubt, in der Moschee zu fotografieren«, fügte er hinzu. »Fotografieren ist streng verboten.«

Ich ging zurück auf den großen, frisch renovierten Platz. Im Schatten einiger Bäume saß eine Handvoll grauhaariger Männer, die sich Gebetsrufe aus einem Mobiltelefon anhörten. An der Straße am Ende des Platzes klammerten sich drei chinesische Kinder an den Höckern räudiger Kamele fest, während die Eltern diese Leistung fleißig mit ihren Telefonkameras dokumentierten. Ansonsten war der Platz leer und öde.

Ein Fußgängertunnel führte auf die andere Seite der dicht befahrenen Straße. Unten im Halbdunkel gab es eine weitere Identitätskontrolle. Wobei die chinesischen Touristen und ich an einem Metalldetektor vorbeigewunken wurden und nur die in Kaschgar lebenden Uiguren sich in eine Schlange stellen mussten, um sich kontrollieren zu lassen. Routiniert legten sie ihre Taschen auf das Transportband, scannten ihre Identitätskarte und blickten in die Kamera. Wieder im Tageslicht, am Eingang der berühmten Altstadt, wartete eine weitere Ausweiskontrolle. Wieder winkten die Kontrolleure mich an der Schlange der einheimischen Frauen und Kinder vorbei.

An einer Bude wurde Granatapfelsaft, an einer anderen rundes Fladenbrot feilgeboten. Es gab Buden mit Nudeln, Grillspießen oder gedämpftem Schaffleisch, wieder andere lockten mit saftigen Honigmelonen, sonnenreifen Aprikosen und prallen Weintrauben. Der Geruch der Garküchen hing schwer über dem Markt, hungrige chinesische Touristen drängten sich um die riesigen Fleischtöpfe. Kaschgar ist weithin bekannt für seine lebendigen Märkte, die ganze Stadt ist in gewisser Weise ein einziger großer Basar, an jeder zweiten Straßenecke wird irgendetwas Essbares an einer einfachen Bude verkauft. Die Verkäuferinnen trugen weite, geblümte Kleider, die älteren Männer bunte, kreisförmige Kopfbedeckungen. Gruppen chinesischer Reisender dokumentierten das exotische Treiben mit halbmeterlangen, halbprofessionellen Objektiven. Viele von ihnen kamen von weit her: Kaschgar gehört zu Chinas westlichstem Außenposten, die Stadt liegt näher an Bagdad als an Peking.

Ich manövrierte mich an den Essensständen vorbei und verschwand in einer der engen Gassen. Die Altstadt sah auf der Karte nicht sonderlich groß aus, aber ich verlief mich in den verwinkelten, labyrinthischen Straßen sofort. Überall war ich umgeben von traditionellen hellbraunen...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2021
Übersetzer Ulrich Sonnenberg
Sprache deutsch
Original-Titel HØYT. En reise i Himalaya
Themenwelt Reisen Reiseberichte Asien
Schlagworte aktuelles Buch • Asien • Bhutan • Bokhandelens sakprosapris (Norwegischer Buchhandelspreis) 2015 • bücher neuerscheinungen • Buddhismus • China • Gebirge • Heiliger Berg • Himalaya • Hinduismus • Indien • Kailash • Kali Gandaki • König der Berge • Königreich der Frauen • Mosuo • Nepal • Neuerscheinungen • neues Buch • Reise • Reisebericht • ST 5294 • ST5294 • suhrkamp taschenbuch 5294 • Tibet
ISBN-10 3-518-76989-8 / 3518769898
ISBN-13 978-3-518-76989-8 / 9783518769898
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