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Losleben (eBook)

Vom Mut, loszulassen und als Familie die Welt zu entdecken
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
240 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99957-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Losleben -  Katharina Finke
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Vom Mut, als Familie zu reisen, und der Freiheit, die eigenen Träume zu verfolgen Sieben Jahre lang reist Katharina Finke ohne festen Wohnsitz und nur mit dem Nötigsten ausgestattet als Journalistin um die Welt. Als sie mit ihrem Freund David in Südostasien unterwegs ist, stellt sie fest, dass sie schwanger ist. Bei aller Freude fragt sie sich auch: Ist Elternsein mit einem Leben auf Reisen und mit Konsumverzicht vereinbar? Was bedeutet es, die eigene Freiheit aufzugeben und die stärkste aller möglichen Bindungen einzugehen? Katharina Finke erzählt von ihrer turbulenten Schwangerschaft, den Reisen mit Kind und dem Mut, sich als Familie von festgefahrenen Denkweisen zu lösen. Sie berichtet, wie das Muttersein vieles verändert und ein ganz neues Glück mit sich bringt: das Abenteuer, gemeinsam frei zu sein.

Katharina Finke ist Autorin und freie Journalistin. Sie arbeitet für verschiedene Medien und berichtet vor allem über Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsthemen von zahlreichen Orten auf der Welt. 2015 erschien ihr erstes Buch »Mit dem Herzen einer Tigerin«, in dem sie sich mit Gewalt gegen Frauen in Indien auseinandersetzt. 2017 folgte bei Malik »Loslassen - Wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte«, darin erzählt sie von ihrem minimalistischen Lebensstil und ihren Reisen rund um den Globus. Katharina Finke lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Katharina Finke ist freie Journalistin und Autorin. Sie berichtet von verschiedenen Orten auf der Welt, bevorzugt über Umwelt-, Reise- und Menschenrechtsthemen. Finke arbeitet für Print- und Onlinemedien (SPIEGEL, taz, ZEIT) sowie für deutschsprachiges Fernsehen (ARD, ORF, SF). 2015 erschien ihr erstes Buch "Mit dem Herzen einer Tigerin", in dem sie sich mit Gewalt gegen Frauen in Indien auseinandersetzt. In dem beim Malik Verlag veröffentlichten Buch "Loslassen – Wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte" erzählt Katharina Finke von ihrem minimalistischen Lebensstil und ihren Reisen rund um den Globus.

BOHEI BERLIN


Deutschland ∙ Italien ∙ China

»Freiheit bedeutet für mich: selbst über meine Zeit bestimmen zu können.«

 

Zurück in Deutschland bin ich mit einer anderen Lebenswelt konfrontiert. Statt Armut geht es hier um Absicherung. In der absolut übertriebenen Form. In vielerlei Hinsicht. Als David und ich das erste Mal zu einem Infoabend in ein Krankenhaus gehen, ist von vielem die Rede, was ich vorher noch nie gehört habe: Elternzimmer, Saugglocke und PDA. Hinzu kommt, dass die anderen Eltern von deutlich späteren Entbindungsterminen sprechen als meinem. Also wage ich nachzufragen, was denn mit denen sei, die vorher ein Kind zur Welt bringen werden. Absolut entsetzt starren mich die anderen werdenden Eltern an. Die Hebamme, die durch den Abend führt, sagt: »Da sind Sie zu spät – für die sind alle Plätze schon weg!«

»Schon weg?«, frage ich und schaue David an, der einen ebenso erstaunten Gesichtsausdruck hat. Doch die Hebamme nickt nur verständnislos und fährt fort.

Ich bin noch nicht einmal in der zwölften Schwangerschaftswoche und schon zu spät für einen Krankenhausplatz für die Geburt meines Kindes?

Und nicht nur dafür. Auch um eine Hebamme müsse ich mich sofort kümmern, wird mir von vielen Eltern nahegelegt. Ich rufe bei über fünfzig Frauen an, aber ohne Erfolg.

Dabei habe ich nach unserer Rückkehr auch beruflich viel um die Ohren: Lesungen und Pressetermine für das neu erscheinende Buch LOSLASSEN. Das bringt viele Ortswechsel in kürzester Zeit mit sich. Zwar nur innerhalb Deutschlands, aber Übelkeit, Müdigkeit und Schmerzen sind stets mit dabei. Ich mache erst die Schwangerschaft dafür verantwortlich, doch als die Schmerzen immer stärker werden, kehrt mein Gefühl aus Bangladesch zurück, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Ich spreche mit meiner Frauenärztin und meinem Hausarzt. Sie erklären, dass sie mir in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft nur sehr wenige Medikamente verschreiben können, und empfehlen mir, ins Tropeninstitut zu gehen.

Ein paar Tage nach meinem Besuch dort klingelt mein Telefon, ein Arzt aus dem Tropeninstitut ist dran und sagt: »Sie haben einen Parasiten, kommen Sie sofort vorbei.« Vor Ort erklärt er mir dann, dass es sich um einen Darmparasiten handelt, der sich im Abstand von einigen Wochen vermehrt und dann ausgeschieden wird, bevor das gleiche Spiel wieder von vorn beginnt. Deswegen geht es mir auch mal besser, mal schlechter.

Eigentlich würde ich nun ein Medikament bekommen. Doch in Deutschland ist es erst im letzten Schwangerschaftsdrittel zugelassen. Für das Kind ist der Parasit zum Glück nicht bedrohlich, weil er die Zellmembran des Darms nicht verlässt, aber je schwächer ich bin, desto schlechter ist es auch für das ungeborene Kind. Gegen diese Schwäche anzuarbeiten ist nicht leicht.

Weil zwei Lebewesen an mir nagen, werde ich immer schmaler. Als ich meinen Freund*innen und meiner Familie erzähle, dass ich schwanger bin, sind sie überrascht. Nicht nur, weil sie es mir überhaupt nicht ansehen, sondern auch, weil sie damit nicht gerechnet haben. Sie sagen die Sätze, die ich in nächster Zeit noch oft hören werde: »Bei deinen vielen Reisen hätten wir das nicht erwartet.« Oder: »Du bist doch so freiheitsliebend und so rastlos.« Aber sie freuen sich auch alle sehr.

»Ach, deswegen hast du keinen Alkohol getrunken«, merken manche an. Als ich ihnen erkläre, dass nicht allein die Schwangerschaft, sondern auch der Parasit ein Grund dafür ist, sind sie besorgt. Ähnlich wie andere Schwangere, denen ich begegne. Sobald ich den Parasiten erwähne, gehen mir viele der werdenden Mütter aus dem Weg.

Das ist natürlich alles andere als schön für mich, zumal es mir ohnehin nicht gut geht. Da die Beschwerden eher schlimmer als besser werden, mache ich erneut einige Tests beim Tropeninstitut. Das Ergebnis: Ich habe einen weiteren Parasiten. Diesmal einen lebensbedrohlichen. Nicht nur für mich, auch für das Kind. Die Amöbenruhr. Die Ruhr, heute bekannt als Dysenterie, ist eine Entzündung des Dickdarms, die auf der Reise fälschlicherweise als Gastritis diagnostiziert wurde. Das Gefährliche an den Amöben ist wohl, dass sie die Zellmembran verlassen und andere Organe befallen können, was für das Kind und mich gefährlich werden kann. Weil ich das Antibiotikum, das ich normalerweise bekommen würde, aufgrund der Schwangerschaft nicht nehmen darf, ist unklar, wie es weitergehen wird. Ich fühle mich wie eine tickende Zeitbombe. Mir geht es immer wieder nicht gut, aber ich versuche, mich zusammenzureißen. Wochenlang.

Nach einem Fernsehauftritt in Hamburg bin ich mit meinen Kräften am Ende. Ich bin in der dreiundzwanzigsten Schwangerschaftswoche, also schon über die Hälfte hinaus, und mein Kind ist so groß wie eine kleine Melone.

Unter Tränen rufe ich David an: »Ich kann nicht mehr.«

»Dann nimm doch endlich das Medikament«, sagt er.

Die Wochen vorher hat er mich schon leiden sehen. Er meinte immer wieder: »Dir muss es auch gut gehen.« Aber ich habe mich gequält, weil ich solche Angst hatte, dass dem Kind etwas passieren könnte, wenn ich das Medikament früher einnehme als vorgesehen. Es gibt so gut wie keine Studien zur Wirkung des Antibiotikums während der Schwangerschaft, weshalb die Ärzt*innen mich als Forschungsobjekt betrachten.

Für mich ist es aber ein noch nie da gewesener Konflikt: Handle ich für mich oder für das Kind? Im Zweifel für das Kind, lautet meine eindeutige Antwort. Doch jetzt sagt mir mein Körper ganz klar, dass ich auch an mich denken muss. Das akute Problem: In Hamburg bekomme ich das Medikament nicht. Einer Schwangeren darf es nur nach mehrere Tage andauernden Tests verabreicht werden. Ich muss also so schnell wie möglich zurück nach Berlin.

Direkt vom Bahnhof schleppe ich mich völlig erschöpft zum Tropeninstitut. Dort lege ich mich auf die Sitzbänke im Wartebereich, weil ich absolut keine Energie mehr habe, aufrecht zu sitzen. Eine Aushilfskraft kommt vorbei und meckert mich in der Berliner Mundart an: »Wat isn ditt hier, kannste nich sitzen, oda wat?«

Dann endlich kommt der Arzt, den ich von meinen bisherigen Besuchen schon gut kenne. Er weiß genau, warum ich hier bin, und gibt mir ein Rezept, das ich dankend annehme. Es werde mir in den kommenden Tagen schnell besser gehen, wenn das Medikament anschlägt, sagt er. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, krieche raus zum Taxi und fahre zu David. Er besorgt das Antibiotikum und kocht für mich. Ich nehme die Medikamente und schlafe einige Tage fast ununterbrochen. Das Antibiotikum schlägt tatsächlich sofort an, von Tag zu Tag bessert sich mein Zustand, sodass wir es wagen, wieder an unsere ursprünglichen Pläne zu denken: unsere letzte gemeinsame Reise zu zweit, bevor das Baby kommt. Wir wollen nach Sizilien und sind zunächst zurückhaltend mit der Planung, aber der Gedanke an die Reise beflügelt mein Wohlbefinden zusätzlich, ich spreche mit dem Tropenarzt darüber. Er findet, dass nichts dagegenspricht. Ich kann es kaum fassen, denn vor einer Woche wäre ein solches Unternehmen noch unvorstellbar gewesen: Wir fliegen nach Catania.

~

Der Flug und der Weg in unser Hostel sind noch anstrengend für mich. Aber als wir am Tag darauf ausgeschlafen in der Sonne frühstücken, geht es mir so gut wie lange nicht mehr. Ich fühle mich, als ob ich mein Leben zurückbekäme. Die Übelkeit verschwindet genau wie meine Schmerzen, und ich komme wieder zu Kräften im Verlauf der Reise. Die Sonne und das italienische Eis tragen zusätzlich zu den Medikamenten sicherlich zu meiner Genesung bei. Außerdem zeichnet sich der Babybauch immer stärker ab, den vor allem Ältere mit Bambina (Mädchen) kommentieren, weswegen wir unserer Tochter diesen Spitznamen geben, bevor sie auf die Welt kommt. Wir beobachten, dass die Kinder in Italien häufig bis spätabends mit unterwegs sind, das gefällt David und mir.

»So bekommen sie unsere Kultur mit«, sagt Vincenzo, ein italienischer Freund. Er und seine Freundin wollen auch ein Kind bekommen, sind aber unsicher, ob ihre Heimat dafür der beste Ort ist.

»Wieso? Mir scheinen die Menschen hier sehr kinderfreundlich«, sage ich.

»Das stimmt«, sagt Vincenzo, »aber leider sind weder das Bildungs- noch das Gesundheitssystem besonders gut. Und auch die Kinderbetreuung nicht.«

»Dass es so schlimm ist, war mir gar nicht bewusst«, sagt David erstaunt.

»In Nordeuropa ist das alles viel besser, weswegen wir überlegen, dort hinzuziehen. Beruflich sind meine Freundin und ich ja zum Glück so flexibel wie ihr«, sagt Vincenzo.

»Bei uns kommen immer mehr Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt«, erzählt Vincenzos Freundin Claudia. »Im Norden seltener als im Süden, vor allem in den privaten Kliniken.«

»Ja, wer etwas auf sich hält, leistet sich zunehmend eine operative Geburt«, sagt Vincenzo.

Das überrascht David und mich, und ich überlege, ob die hohen Kosten für einen Kaiserschnitt ein Grund dafür sind, weswegen viele Italienerinnen nur noch ein Kind bekommen. Mit 1,6 Kindern pro Frau liegen sie unter dem europäischen Durchschnitt. Da ich mir aber unsicher bin, antworte ich nur: »Über die Geburt habe ich mir bislang noch keine Gedanken gemacht.«

»Du hattest mit den Parasiten ja auch andere Sorgen«, sagt Vincenzo verständnisvoll.

Das stimmt zwar, aber ich glaube, es liegt eher daran, dass ich mich zuvor mit dem Thema Elternschaft und allem, was dazugehört, nicht wirklich auseinandergesetzt habe. Ganz allgemein beschäftige ich mich kaum mit Dingen, die so weit in der Zukunft liegen. Mein Gefühl sagt mir, dass sich das mit einem Kind vielleicht gar nicht allzu sehr ändern muss. Als ich mit David darüber spreche, stellt sich heraus,...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Zusatzinfo Mit 24 Seiten Farbbildteil und einer Karte
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Welt / Arktis / Antarktis
Reisen Reiseführer
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ISBN-10 3-492-99957-3 / 3492999573
ISBN-13 978-3-492-99957-1 / 9783492999571
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