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Der kleine Buchladen in den Bergen (eBook)

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2020 | 1. Aufl. 2020
339 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7325-8902-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der kleine Buchladen in den Bergen - Gerlinde Friewald
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Katrins Leben in Berlin scheint festgefahren. Darum kehrt sie zurück in ihre alte Heimat Kirchbergen, ein kleines Dorf in Österreich. Hier fühlt sie sich plötzlich frei und besucht die Orte ihrer Kindheit. So wie den alten kleinen Dorfbuchladen am Marktplatz, in dem sie damals viel Zeit verbracht hat. Doch der Besitzer will den Buchladen aufgeben. Kurzerhand bietet Katrin sich als seine Nachfolgerin an. Doch der Neuanfang in der vertrauten Umgebung ist schwieriger als gedacht: Will sie ihre Zelte in Berlin wirklich für immer abbrechen? Und als plötzlich Alexander - Katrins erste große Liebe - vor ihr steht, ist das Gefühlschaos perfekt ...

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Kapitel 3


Nachdem Katrin ihre Kleidung im Schrank verstaut hatte, duschte sie und zog sich um. Sie war froh, genug Freizeitkleidung eingepackt zu haben. Mit ihrer Berliner Standardgarderobe würde sie sich hier fühlen wie ein bunter Hund. Dank ihres Jobs bekam sie oft Designerware zu einem günstigen Preis oder sogar umsonst; perfekt für das Flanieren im Zentrum einer Großstadt, völlig übertrieben für einen Spaziergang im Waldviertel. Dementsprechend wählte sie Jeans, einen leichten Pulli und Stiefeletten mit flachem Absatz.

Nach einer prüfenden Drehung vor dem mannshohen Spiegel im Eingangsbereich verließ sie das Hotelzimmer. Sie nahm die Treppe und winkte der Frau an der Rezeption beim Vorbeigehen zu. Nicht noch einmal wollte sie in ein Gespräch verwickelt werden, aber doch höflich sein.

Vor dem Hoteleingang blieb sie stehen, schloss kurz die Augen und sprach sich Mut zu. Sie befand sich in der Gegenwart, der Autounfall ihrer Eltern war vor zwölf Jahren geschehen. Hinter jedem Stein Kirchbergens eine Erinnerung hervorzuziehen und daran zu verzweifeln, war der falsche Weg. Sie musste es schaffen, diese Erinnerungen als Andenken zu sehen. Nicht zu vergessen war gut, deshalb ewig zu leiden war schlecht. Es handelte sich um eine einfache Formel, die rundum Sinn machte.

Katrin schlenderte am Brunnen vorbei, und eine andere Erinnerung schob sich in den Vordergrund. Dort hatte Alexander sie zum ersten Mal geküsst. Es war Sommer gewesen, und sie hatte am Brunnenrand gesessen. Während die anderen schon zum Weiher gegangen waren, um zu baden, hatten sie sich unterhalten, gelacht und sich gegenseitig mit dem Wasser aus dem Brunnen nassgespritzt. Alexander hatte ihr eine volle Ladung mitten ins Gesicht verpasst. Schuldbewusst hatte er versucht, sie mit seinen nassen Händen abzutrocknen. Nie würde sie das Gefühl vergessen, als er mit seinen Fingerspitzen über ihre Wangen gestrichen hatte. Dann war sein Gesicht immer näher gekommen und schließlich hatte sie seine Lippen auf ihren gespürt. Es war kein Erwachsenenkuss gewesen, vielmehr ein vorsichtiges Herantasten in eine neue, unbekannte Welt.

Was wohl aus ihm geworden war? Welchen Beruf hatte er ergriffen? War er verheiratet und hatte Kinder? Wo lebte er? Nach dem Abitur waren Alexander und sie getrennte Wege gegangen und hatten einander nie mehr wiedergesehen. Nicht einmal zum Begräbnis ihrer Eltern war er gekommen. Wahrscheinlich hatte er gerade den Mount Everest bestiegen oder war im Indischen Ozean geschwommen. Katrin spürte, wie die alte Wut in ihr hochstieg.

Alexander hatte vor einem Studium unbedingt die Welt erkunden wollen, sie hingegen hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als sofort mit dem Germanistikstudium zu beginnen. Ihre Ziele waren unterschiedlich gewesen, eine Trennung demnach unvermeidlich. So viel zur sachlichen Seite, die emotionale war eine gänzlich andere gewesen. Sie hatten unzählige Diskussionen geführt, und bis heute konnte sie ihm seine Sturheit und das Unverständnis für ihre Wünsche nicht verzeihen.

Bereits mit sechzehn Jahren hatte sie gewusst, was sie wollte, und dementsprechend darauf hingearbeitet. Ins Blaue zu leben war einfach nicht ihr Ding. Von jeher liebte sie Ordnung, und dazu gehörten eine angemessene Planung genauso wie eine strukturierte Vorgehensweise. Nur weil Alexander keine Ahnung gehabt hatte, was er studieren und überhaupt aus seinem Leben machen wollte, hätte sie alles über den Haufen werfen sollen? Ihr Plan war zwei Jahre lang gediehen, und er hatte jede ihrer Überlegungen hautnah miterlebt. Sein Geistesblitz hingegen war drei Monate vor dem Abschluss aus dem Nichts gekommen. Wie hätte sie anders reagieren sollen?

Katrins Gedanken glitten weiter. Der Brunnen war vor allem im Sommer auch ein Treffpunkt ihrer Freundinnen gewesen. Über sie wusste sie genauso viel wie über Alexander: nämlich nichts. Waren Veronique und Stephan noch ein Paar? Hatten Sabrina und Tobias geheiratet und ihre drei Kinder bekommen? Bestimmt, dachte Katrin, wenn eine Beziehung gehalten hatte, dann diese. Die beiden waren schon damals ein Herz und eine Seele gewesen. Und welchen Weg hatte Isabella beschritten? Ihr größter Wunsch war es gewesen, einmal im Ausland zu leben. Ob in Singapur oder Miami war ihr egal gewesen, das Ziel hatte nur weit weg liegen müssen.

Die Einzige, deren Schicksal sie kannte, war Kiki.

Katrin erschauerte. Lag es an der traurigen Endgültigkeit dieses Gedankens oder an der Wolke, die sich soeben vor die Sonne geschoben hatte?

So oder so, sie musste endlich in die Gänge kommen. Sie war gerade einmal ein paar Meter gegangen. Auf diese Weise würde sie nicht zu ihrem Spaziergang kommen. Sie wollte den Bach entlang zur alten Mühle marschieren. Es war ein schöner Weg, und sie würde in etwa einer Stunde wieder zurück sein. Vorher musste sie aber unbedingt ihre Neugierde befriedigen und nachsehen, ob es den Buchladen noch gab. Sie hatte wenig Hoffnung, Herr Lindenborg war damals schon nicht mehr jung gewesen.

Zügig überquerte sie den Marktplatz; der Buchladen war genau am anderen Ende in einem Haus mit sonnengelber Fassade untergebracht gewesen. Auf die sonnengelbe Farbe hatte Herr Lindenborg bestanden. »Ein Buchladen ist ein Ort der Fröhlichkeit und Inspiration. Dementsprechend muss er strahlen«, hatte er immer zu sagen gepflegt.

Aus dem Augenwinkel nahm Katrin die einladende Auslage eines für sie neuen Ladens wahr. La boulangerie und darunter französische Bäckerei stand in geschwungener Schrift über dem Eingang. Katrin hatte heute noch nichts gegessen. Die Vorstellung, nach dem Spaziergang mit Croissants und einem Film im Hotelzimmer auszuspannen, gefiel ihr. Nun hatte sie bereits drei Vorhaben.

Sie sah das Schaufenster und die Aufschrift Lindenborgs Bücher schon von Weitem. Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert. Die sonnengelbe Fassade des Gebäudes strahlte ihr entgegen, das Schaufenster war voller Bücher, die weiße Tür mit dem geschwungenen Metallgriff lud zum Öffnen ein. Ein freudiges Kribbeln machte sich in Katrins Magengegend breit. Automatisch beschleunigte sie ihre Schritte. Auf einmal konnte sie es nicht mehr erwarten, an ihr Ziel zu gelangen.

Energisch zog sie an der Tür, spürte den leichten Widerstand und vernahm das ihr noch immer vertraute Klack. Sie trat ein. Sofort drang ihr der altbekannte Duft von Weihrauch in die Nase. Früher hatte Herr Lindenborg auf dem Kassenpult in einem orientalisch anmutenden Gefäß immer Weihrauchstäbchen verbrannt. Offenbar tat er das noch heute. »Weihrauch vertreibt schlechte Energie. Neid, Hass und Gram haben in einem Buchgeschäft nichts verloren. Hier lesen wir nur über diese Gemütszustände«, hatte er Katrin seinerzeit erklärt. Seitdem war der Duft von Weihrauch für sie untrennbar mit diesem Buchladen und seiner positiven Energie verbunden.

»Ich komme gleich zu Ihnen, bitte einen Moment Geduld«, rief jemand hinter einem Regal.

Katrin erkannte Herrn Lindenborgs Stimme sofort wieder. Sie hörte ein Rascheln und Schritte. Er kam auf sie zu. Sein Haar war gänzlich weiß und schütter geworden, aber nach wie vor hatte er es im Nacken zu einem Zopf gebunden. Er trug dieselbe runde Brillenform, und seine hellblauen Augen strahlten. Vielleicht ging er ein wenig gebückter als früher. Auf jeden Fall hatte er kein Kilo zugenommen.

Herr Lindenborg verharrte und starrte Katrin an. »Du liebe Güte! Ich glaub es nicht, die kleine Katrin.« Er machte einige große Schritte auf sie zu, ergriff ihre Hand und drückte sie herzlich. »Richtig erwachsen bist du geworden. Und, als alter Mann darf ich das sagen, eine schöne Frau noch dazu. Deine Haare sind heller, färbst du sie?«

Katrin lachte auf. »Herr Lindenborg, ich freue mich so sehr, Sie zu sehen. Und ja, ich färbe meine Haare.« Sie freute sich wirklich über alle Maßen. Welch wunderbare und besondere Erinnerungen sie mit Herrn Lindenborg und dem Buchladen verband!

»Komm, Katrin, setzen wir uns in die Leseecke. Magst du einen Tee oder Kaffee?« Er legte den Kopf schief und lächelte. »Wie alt bist du jetzt?«

»Zweiunddreißig.«

»Dann verträgst du auch ein Glas Weißwein um diese Uhrzeit.«

»Allemal.«

Er verschwand in den hinteren Bereich des Geschäftes, wo sich, wie Katrin wusste, der Aufenthaltsraum mit einer kleinen Küche befand. Sie nahm in der Leseecke Platz und wartete.

Herr Lindenborg kam mit zwei gut gefüllten Weingläsern zurück und setzte sich neben Katrin. Ohne Umschweife fragte er: »Erzähl mir, wie ist es dir ergangen? Als du nach Berlin gezogen bist, habe ich weitgehend den Faden verloren. Deine Mutter hat mich zwar oft besucht und mir von deinen Erfolgen beim Studium erzählt, aber als sie dann kurz darauf … Entschuldige, wie unpassend von mir. Das wollte ich nicht. Es liegt an der Aufregung, dich wiederzusehen.«

»Es ist in Ordnung. Wirklich.« Kurz schwieg sie. »Ich lebe noch immer in Berlin.«

»Soso, noch immer Berlin«, wiederholte er versonnen. »Du bist wegen Kristina hier, nehme ich an.«

Katrin nickte. »Ja. Die Nachricht hat mich sehr...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2020
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Entschleunigung • Handgemacht • Handmade • Kleinstadt • Liebesroman • regional • Romance:Liebesgeschichte • romantisch • Second Chance
ISBN-10 3-7325-8902-1 / 3732589021
ISBN-13 978-3-7325-8902-9 / 9783732589029
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