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Portugal (eBook)

Ein Länderporträt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
224 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-454-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Portugal - Simon Kamm
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Melancholisch und lebensfroh, rebellisch und sanft, stolz und gastfreundlich - mit viel Sympathie blicken die europäischen Nachbarn auf die Portugiesen, die scheinbar Unvereinbares verknüpfen. Portugal hat sich in den letzten Jahrzehnten in einem atemberaubenden Tempo von einer abgeschotteten und in allen Bereichen zurückgebliebenen ländlichen Agrargesellschaft in einen modernen europäischen Staat verwandelt.
Simon Kamm erzählt, wie die große Vergangenheit eines der ältesten Nationalstaaten Europas das Gegenwartsbewusstsein der Portugiesen mitbestimmt, wie die enge Bindung an das Meer Land und Leute prägt, was es bedeutet, dass Portugal das EU-Land mit der größten Anzahl Restaurants pro Kopf ist, wieso die Improvisation (»desenrascanço«) geradezu eine portugiesische Kunstform ist und wie die gegenwärtige Krise das Land und die Generation der jungen Portugiesen prägt und verändert.

Simon Kamm: Jahrgang 1981, Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften und des Journalismus in der Schweiz und in Portugal; 2006 bis 2013 als Journalist bei der portugiesischen Nachrichtenagentur LUSA in Lissabon tätig; freier Journalist für deutschsprachige Zeitungen. Als gebürtiger Schweizer in Mexiko-Stadt aufgewachsen, lebt er seit 18 Jahren in Portugal.

Von einer Weltmacht zum ärmsten Land Westeuropas


»Ohne Zweifel haben wir eine Vergangenheit. Zuviel vielleicht.

So viel, dass für die Zukunft kein Raum bleibt.«

(Manuel Alegre)

Als am 16. April 2010 der deutsche Regierungsflieger mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an Bord wegen der über Teilen Europas hängenden Wolke aus isländischer Vulkanasche auf der Rückreise nach Berlin unerwartet in Lissabon zwischenlanden musste, brach bei mir in der Redaktion der portugiesischen Nachrichtenagentur LUSA allgemeines Gelächter aus. Nicht etwa, weil wir es lustig fanden, dass die deutsche Regierungschefin umgeleitet werden musste, sondern einfach, weil der US-Nachrichtensender CNN die portugiesische Hauptstadt mal wieder per Blindschuss auf die Weltkarte gesetzt hatte. In diesem Falle war es irgendwo im Golf von Guinea (als kleiner Punkt im Atlantischen Ozean, irgendwo vor Westafrika). »Die haben ja gar nicht so unrecht«, witzelte einer und konnte eine gewisse Kränkung nicht verbergen. »Wir gehören halt tatsächlich mehr zu Afrika als zu Europa. In Wahrheit sind wir nicht mal mehr der Arsch Europas!« Obwohl es sich natürlich auch nur um einen topografischen Fehler handelte, war dieser irgendwie typisch: spricht er doch für wenig bis gar keinen Respekt im Umgang mit der lusitanischen Nation …

Die Portugiesen sind es mehr oder weniger gewöhnt, dass ihr Land, einst die führende See- und Kolonialmacht, seit Langem international keine Beachtung mehr findet, ja sogar ignoriert wird. Es ist einfach so: Portugal, einer der ältesten Nationalstaaten Europas, Gründungsmitglied der NATO und der EU-Währungsunion, spielt keine relevante internationale Rolle mehr. Dass die Bevölkerung diese Nichtachtung gewöhnt ist, heißt aber noch lange nicht, dass sie froh darüber wäre oder sich damit abgefunden hätte. »Wie kann man uns denn ernst nehmen«, seufzte ein älterer Kollege, »wenn man es nicht mal mehr schafft, uns auf einer beschissenen Landkarte zu finden?« Man verzeihe seine Ausdrucksweise.

Das Empfinden, immer weiter in die Bedeutungslosigkeit abzudriften, liegt schwer auf der nationalen Seele … oh ja, das tut es. Doch viel schlimmer noch als Lissabon, einstmals der Nabel der Welt, einfach irgendwo zu platzieren (und das Land selbst gegebenenfalls zum Insel-Archipel zu erklären) ist es, wenn die nun schon seit dem 13. Jahrhundert praktisch unveränderte Grenze zum erdrückend größeren Nachbarn Spanien in fast allen Wetterkarten einfach vergessen wird und der iberische Klotz als ein Ganzes erscheint – mit Hauptstadt Madrid! Dann geht gar nichts mehr! Denn ein solcher Missgriff degradiert Portugal zur spanischen Provinz. Und mit diesem Rückfall in die iberische Personalunion der Jahre 1580–1640 hört der Spaß nun endgültig auf, Freunde! Immerhin hat man die letzten Jahrhunderte nicht ohne Grund damit verbracht, genau dies mit sehr viel Beharrlichkeit zu verhindern, und die portugiesische Eigenständigkeit mit Schweiß und Blut bewahrt …

Portugal war schon immer ein weit entfernter Vorort Europas, isoliert und auf sich allein gestellt: Vom weiten Atlantik im Süden und Westen begrenzt, spürt es östlich und auch im Norden die Flanken des großen Bruders Spanien. Es ist ein Land, welches seit eh und je aufs verheißungsvolle Meer blickte und damit dem restlichen Europa den Rücken zuwandte. Internationales Aufsehen erregte Portugal in den letzten Jahren vor allem wegen seiner wirtschaftlichen und finanziellen Lage: Musste es 2011 als drittes Land unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen und gehörte damit zu den »EU-Krisenländern«, so setzte es danach unter einer Mitte-Rechts-Regierung die verordnete EU-Rettungspolitik (Sparprogramm und Strukturreformen) tadellos um und übererfüllte sie zum Teil sogar. Seit Neuestem gilt Portugal gar als Musterbeispiel für Krisenbewältigung und Symbol für wirtschaftlichen Erfolg in Europa.

Wer gewohnt war, Portugal als Krisenland zu bemitleiden, dürfte also mittlerweile einige Überraschungen erlebt haben. Darüber hinaus hat das Land in jüngster Zeit einige Erfolgserlebnisse feiern können, die nicht nur das Selbstbewusstsein seiner Einwohner gehoben, sondern auch die allgemeine Stimmung beflügelt haben. Angefangen natürlich mit jener glorreichen Nacht am 10. Juli 2016 im Pariser Stade de France, wo sich die Portugiesen gegen Gastgeber Frankreich in einem denkwürdigen Endspiel zum ersten EM-Triumph in der Geschichte kämpften. Ein weiterer entscheidender Erfolg auf internationaler Ebene gelang dem kleinen Land nur einige Monate später, als sein ehemaliger Premierminister António Guterres im Dezember 2016 offiziell als neuer UN-Generalsekretär vereidigt wurde. Im Mai 2017, zeitgleich mit dem Besuch des Papstes im Wallfahrtsort Fátima zum 100. Jahrestag der Marienerscheinungen, siegte Salvador Sobral überaschenderweise beim Eurovision Song Contest (ESC) 2017 in Kiew – bei dem Portugal eher an hintere Plätze gewohnt war. Das Sahnehäubchen kam Ende Dezember 2017, als mit Finanzminister Mário Centeno ausgerechnet ein Portugiese zum neuen Euro-Gruppen-Chef ernannt wurde. Und wer im Zuge des touristischen Booms der letzten Jahre nach Portugal gekommen ist, mag darüber staunen, wie überall gebaut und renoviert wird, wie das Land mit der Zeit geht und nach den harten Krisenjahren wieder aufblüht.

Das alles hat jedoch nicht gereicht, um das Land aus dem Schatten von Spanien zu ziehen – oder es auch nur in die Nähe seiner einstigen Größe zu bringen. Während seines goldenen Zeitalters, Ende des 15. bis circa Mitte des 16. Jahrhunderts, war Portugal das reichste Land und eine der mächtigsten Nationen der Welt – eine gefürchtete und angesehene Großmacht, die Länder wie Spanien und England hinter sich ließ und der staunenden Welt zeigte, wo es langging. Doch von ihrem einstigen Weltruhm ist der lusitanischen Heimat nicht viel geblieben, das einstige Imperium existiert nicht mehr. Die alte Größe? Ach, die ist schon längst verflogen. Fernando Pessoa, der größte Dichter der portugiesischen Moderne, schrieb vor fast einem Jahrhundert, noch während der Ersten Republik (1910–1926), in unnachahmlicher, lyrisch-direkter Weise: »Somos hoje um pingo de tinta seca da mão que escreveu Império da esquerda à direita da geografia.« – »Wir sind heute ein Fleck trockener Tinte aus einer Hand, die von links nach rechts Imperium in die Geografie geschrieben hat.« Der Undank der Geschichte. Und die meisten Portugiesen scheinen daran immer noch (zumindest ein wenig) zu verzweifeln.

Besonders während der Herrschaft von König Manuel I. (1469–1521), so wird heute noch gern erzählt, meinte es Gott (oder auch das Schicksal) gut mit den Portugiesen. In seinem Auftrag wurden die längsten und ertragreichsten Seefahrten unternommen: Unter ihm segelten am Ufer des Flusses Tejo die Karavellen los, die der damaligen Welt, dem mittelalterlichen Europa, neue Horizonte öffneten und in ihren Bäuchen Gold, Gewürze und später auch Sklaven heimbrachten – ein unvorstellbarer Reichtum, der dem kleinen Land ein beachtliches, aber doch relativ kurzes wirtschaftliches und kulturelles Aufblühen ermöglichte. Portugal, das damals eine knappe Million Bauern, Hirten und Fischer zählte, erreichte unter dem hochgebildeten, besonnenen, aber auch für seine verschwenderische Ader bekannten König den Höhepunkt seiner Macht und herrschte zuerst fast ganz allein (dann in Absprache mit Spanien, nach einer einvernehmlichen Aufteilung der Welt) über die Weltmeere. Stolz und selbstsicher, fast unantastbar schien diese Seefahrernation zu sein.

Und es gab auch allen Grund dazu: 1498 entdeckten unerschrockene Pioniere unter dem Kommando von Vasco da Gama den Seeweg nach Indien, den Columbus 1492 gefunden zu haben glaubte. Portugal wurde Weltmacht, und die erste Globalisierung nahm ihren Lauf. Zwei Jahre später landete 1500 Pedro Álvares Cabral aus Zufall (oder auch nicht) in Brasilien. Francisco de Almeida wurde zum Vizekönig von Indien ernannt (1505); Admiral D. Afonso de Albuquerque stellte die Kontrolle über die Handelswege des Indischen Ozeans und am Persischen Golf sicher und erschloss für Portugal zudem neue wichtige Handelsorte wie die Küstenstadt Malakka (Malaysia) oder Goa an der mittleren Westküste Indiens – Großtaten, die nur durch den Mut unzähliger Seeabenteurer möglich gemacht wurden. Sie wagten sich für den großen Initiator der portugiesischen Entdeckungsreisen im 15. Jahrhundert, Infante Dom Henrique, genannt Heinrich der Seefahrer (1394–1460), Stück für Stück in das Mare Tenebrosum (»Meer der Finsternis«) hinaus und bewiesen der mittelalterlichen Welt das zu der Zeit scheinbar Unmögliche. Kein Wunder, dass Manuel I. als »König Manuel der Glückliche« (o Venturoso oder o Afortunado) in die Geschichtsbücher einging.

Und warum sollte es anders sein? Mit Ausnahme seiner Ehen, die ihn zweimal verwitwet zurückließen, hat ihn Fortuna zeitlebens mit Glück und Gelingen...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2019
Zusatzinfo 1 Karte/Tabelle
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 130 x 130 mm
Themenwelt Reiseführer Europa Portugal
Schlagworte Agrargesellschaft • Bewusstsein • Europa • Krise • Kunst • Lebensfreude • Meer • Nationalstaat • Politk • Porto • Portugal • Widerstand • Wirtschaft
ISBN-10 3-86284-454-4 / 3862844544
ISBN-13 978-3-86284-454-8 / 9783862844548
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