Tage und Nächte in den Armen der Geisha - Erlebnisse in Taipeh - Roman (eBook)
404 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-626-6 (ISBN)
1.TAG
Der Flug war lang, und da wir in die Nacht flogen, sah ich nicht viel von den Ländern die zwölftausend Meter unter uns lagen. Stattdessen verschlief ich mehr oder weniger den Flug nach Taipeh. Da wir in der Zeit zurückflogen, kamen neben den vierzehn Flugstunden die zehn Stunden Zeitunterschied hinzu, so dass es acht Uhr morgens war, als der Kapitän die Landung auf dem Kaohsiung International Airport ankündigte.
Zehn Minuten später setzte der schwere Jumbo-Jet butterweich auf, um seinen Platz an einem der zahlreichen Terminals anzusteuern. Gemeinsam mit meinen beiden Arbeitskollegen stand ich auf und machte mich durch den langen Tunnel auf den Weg zur Ankunftshalle. Bereits von weitem sahen wir auf Tafeln Schriftzüge in deutscher Sprache, die von mehreren Personen hochgehalten wurden. Wir winkten ihnen zu.
Zunächst aber hieß es, durch den Zoll und die Einreisekontrolle zu kommen. In der Befürchtung, kaum ein Wort verstehen zu können, kramte einer meiner Mitstreiter nach einem Reiseführer, doch zu unserer Überraschung brauchten wir ihn nicht, denn die Beamten am Flughafen sprachen fließend Deutsch, wenn auch mit einem sehr interessanten taiwanesischen Akzent. Wir wurden äußerst höflich befragt, was wir in Taiwan zu tun hätten, und da es keine Probleme gab, wünschte man uns einen angenehmen Aufenthalt.
Wir begaben uns zur Gepäckannahme, um unsere Koffer in Empfang zu nehmen, um dann endlich zur Ankunftshalle zu gelangen, wo wir erwartet wurden. „Kangei, willkommen in Taiwan“, wurden wir begrüßt, wobei der Sprechende eine tiefe Verbeugung machte. Wir taten ihm gleich und bedankten uns. Dann stellte er die anderen vor. „Das ist Herr Yokawe, Frau Huan, und ich selbst heiße Sakawe. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.“ Wir gaben den anderen die Hand, wobei mir der äußerst warme Händedruck von Huan auffiel. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Ich muss gestehen, sie sah umwerfend aus, für eine Chinesin, oder, besser gesagt, Taiwanesin. Sie war sehr schlank und wunderbar anzusehen. Ihre Augen fast schwarz, so wie ihr langes Haar. Diesen Eindruck hatte ich binnen weniger Bruchteile von Sekunden gewonnen. Ich wurde in meinen Gedanken unterbrochen, denn Herr Sakawe bot uns an, uns drei ins Hotel zu fahren, damit wir uns frisch machen konnten. Anschließend lud er uns zu einem Stadtbummel an.
„Sie werden sehen, Taipeh ist eine außergewöhnliche Stadt, und seine Bewohner sind Europäern gegenüber sehr gastfreundlich“, warb er für die Stadt, kaum dass wir unser Hotel wieder verlassen hatten. Wie Recht er hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
Unser Weg führte zunächst in einen Bereich, der wie eine riesige Einkaufsmeile aussah und sich mit jeder Großstadt messen konnte. Unter den riesigen chinesischen Schriftzeichen wurde auch in Englisch der Name des Geschäfts genannt. „Taipeh ist zweisprachig“, erklärte uns Herr Sakawe. „Wir sind stolz, nicht direkt zu China zu gehören, auch wenn es gerne von dort gesehen würde. Schließlich ist unsere Stadt ein Zentrum der internationalen Wirtschaft. Bei uns wird Geld, Geld und nochmals Geld verdient, oder anders gesagt, hier rollt der Rubel!“ Dass diese Aussage nicht einfach so in den Raum gestellt war, konnten wir an den Namen der vielen bekannten Firmen sehen.
Hier in Taipeh schienen sich alle großen und bekannten Firmen der Computertechnologie zu vereinen. So bummelten wir, begleitet von unermüdlichen Erklärungen unserer Gastgeber, durch die Stadt.
Dann kam jener Moment, der sich bis heute tief in mir eingebrannt ist, es war der Moment, da ich sie sah! Wir waren etwas abseits in einen Park gelangt. „Hier ruhen sich die Menschen von ihrem anstrengenden Job, wann immer es möglich ist, aus“, erklärte uns Huan. Tatsächlich sahen wir selbst um diese Uhrzeit sehr viele Männer und Frauen, die in eigenartigen Stellungen mir unbekannte Übungen machten. Ich sah erstaunt zu, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen. „Sie öffnen ihren Geist“, erklärte mir Huan. „Ihren Geist?“, fragte ich ungläubig. Ich verstand nicht, was sie meinte. „Ja, hier und überall, in dem, was Sie Fernost nennen, gehört es zur täglichen Vorbereitung auf die Arbeit. Wir versinken in uns, um uns bewusst zu machen, wer wir sind. Es ist eine Art mentale Übung, ähnlich dem autogenen Training. Nur so können wir leben, denn wir bestehen nicht nur aus dem Körper, sondern auch aus unserer Seele. Wir nennen diese beiden Dinge das Jing und das Jang. Nur wenn beides im Gleichgewicht ist, können wir leben.“
Huans Stimme hatte sich verändert. Sie schien im Geiste wohl bereits tief in sich versunken zu sein, obwohl sie mit mir sprach. Ihre Augen sahen anders aus. Ihre Stimme hatte etwas Leises, Zärtliches, wie ich es so nicht kannte. Ich war verblüfft, dass ein Mensch sich binnen Sekunden verwandeln konnte. Zugleich aber war ich fasziniert von ihrer Fähigkeit, die mir so unverständlich war. Ich wurde in meiner Betrachtung unterbrochen, denn Sakawe und die anderen waren plötzlich stehen geblieben. Sie sahen in Richtung eines kleinen Sees, vor dem auf einer Bank eine Frau mittleren Alters saß. „Dort vorn sitzt die große Meisterin To Jang“, erklärte man uns. Ich verstand nichts, aber so wie sich die Männer aufführten, musste diese Frau etwas ganz Besonderes sein. „Wer ist To Jang?“ fragte ich, unwissend, nach.
Die Männer sahen mich bestürzt an. Ich fühlte, dass ich eine Art Verstoß gegen ihre Lebensauffassung begangen hatte. „To Jang ist eine der Persönlichkeiten hier in Taipeh. Sie ist die Herrin eines Maika-Hauses.“ Wieder verstand ich überhaupt nichts. Ich sah nur die Ehrfurcht der Herren und von Huan. „Vielleicht sollten wir Sie vorstellen, sofern die Meisterin nichts dagegen hat“, schlug uns Sakawe vor. Meine Mitstreiter und ich hatten nichts dagegen, Sicherlich wäre es interessant, mit Persönlichkeiten der Stadt in Kontakt zu kommen. So willigten wir ein.
Bedächtig, ja fast andächtig, näherten wir uns der Bank, wo die Dame vertieft in einem Buch las. Bis auf drei, vier Meter näherten wir uns ihr, als uns Sakawe andeutete stehen zu bleiben. Er räusperte sich leise und verbeugte sich zugleich sehr tief. „Verehrte Meisterin, entschuldigt, wenn wir Euch ansprechen ...“ Er unterbrach sich in seinen Worten, denn diese unbekannte Dame sah plötzlich auf. Sie blickte zu uns — und nie würde ich jene Augen vergessen, die uns ansahen, einen nach dem anderen. Ich spürte es, dass ihre Augen bis zum Grunde meiner Seele sahen. So einen Blick hatte ich noch nie erlebt. „Ja bitte, verehrter Herr, womit verdiene ich, dass Ihr mich ansprecht?“, entgegnete sie.
Sie sah Sakawe direkt und mit festem Blick an. Allein diese Art ließ mich erkennen, dass sie wirklich etwas Besonderes sein musste, denn er hatte sich ganz tief verbeugt, so wie die anderen auch. Nur wir Europäer standen noch relativ gerade. Selbst Huan verbeugte sich. Da wir nicht gegen landesübliche Gepflogenheiten verstoßen wollten, neigten auch wir uns, wenn auch nicht so formvollendet. „Erlaubt, verehrte Meisterin, dass wir Euch drei Besucher aus Deutschland vorstellen möchten“, sprach nun Huan. „Gerne erlaube ich es, Gäste aus dem Ausland hier zu sehen und zu begrüßen. Wer sind sie?“, erwiderte To Jang und erhob sich. Huan übersetzte.
Wir wurden der Reihe nach namentlich vorgestellt, und jedes Mal sah diese Frau den genannten genau an. So auch mich. Da ich am rechten Arm eine kleine Auffälligkeit hatte, verharrte ihr Blick länger darauf. Als sie mich so betrachtete, wechselte sie ganz plötzlich ins Deutsche, was mich sehr erstaunte. „Verzeiht, wenn ich Euch länger anschaute, als mir gebührt“, entschuldigte sie sich. „Ich bin es gewohnt, dass die Menschen mich wegen der Sache anstarren“, entgegnete ich, „es ist nichts Schlimmes und nichts Ansteckendes“, versuchte ich zu scherzen. „Dessen bin ich mir bewusst. Ich kenne solche Dinge durchaus und sehe es nicht als Makel eines Menschen. Im Gegenteil, ich hoffe, Ihr kommt damit zurecht“, sprach To Jang. „Ich schon, aber es gibt Menschen, die damit Probleme haben“, bestätigte ich ihre Vermutung. „Verzeiht, wenn wir Euch in Eurer Lektüre gestört haben verehrte Meisterin. Wir werden nun weitergehen, um unseren Freunden noch ein wenig die Stadt zu zeigen“, übernahm Herr Sakawe wieder die Gesprächsführung. To Jang nickte verständnisvoll.
To Jang sah mich erneut fest an. „Möchtet Ihr mich heute Abend besuchen, damit wir unser kurzes Gespräch vertiefen können?“, sprach sie mich direkt an. Meine Kollegen als auch unsere taiwanesischen Begleiter sahen erstaunt zu mir. Ich spürte ihre Blicke fast körperlich. Ich selbst war mir nicht bewusst, was dieses Angebot bedeutete, denn weder ihr Rang noch ihre Funktion waren mir bekannt. Ich kannte diese Frau nicht, hatte sie nie zuvor gesehen.
Ich zögerte daher eine ganze Weile, während weiterhin alle zu mir sahen. Was sollte ich tun? Einerseits war ich ein neugieriger Mensch, der gerne Neuland betrat, andererseits kannte ich die Gepflogenheiten des Landes nicht und wusste weder um Verhaltensregeln noch um Umgangsformen. In mir kämpften zwei Seelen. Eine innere Stimme sagte mir „Sag ja“. So sah ich mir To Jang näher an, und da sie mir sympathisch war, antwortete ich: „Verehrte Meisterin, oder wie immer Euer Titel auch sei, sollte es Euer Wunsch sein, eine längere Konversation mit mir zu führen, so muss ich gestehen, dass ich nicht weiß, worüber. Falls...
Erscheint lt. Verlag | 18.3.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Reisen |
ISBN-10 | 3-95753-626-X / 395753626X |
ISBN-13 | 978-3-95753-626-6 / 9783957536266 |
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