Dänemark (eBook)
224 Seiten
Links, Ch (Verlag)
978-3-86284-306-0 (ISBN)
Claudia Knauer berichtet über den dänischen Film ebenso kenntnisreich wie über die vom Kompromiss bestimmte Politik. Die Deutsch-Dänin erklärt aber auch unterhaltsam, warum etwa »gemütlich« (hyggelig) ein so wichtiger Begriff ist und der Hotdog-Stand (Pølsevogn) eine Institution.
Studium von Politikwissenschaft, Philosophie und Öffentlichem Recht, zog 1997 mit Mann und Sohn nach Dänemark, wo ihre Tochter geboren wurde. Sie arbeitete mehr als 15 Jahre als Journalistin beim Nordschleswiger - der deutschen Tageszeitung in Dänemark. Vor einigen Jahren hat sie die dänische Staatsbürgerschaft angenommen. Am 1. Januar 2015 hat Claudia Knauer den Stuhl in der Redaktion gegen den in der Deutschen Zentralbücherei eingetauscht. Als Büchereidirektorin sorgt sie für die Verbindung von deutscher und dänischer Kultur.
Studium von Politikwissenschaft, Philosophie und Öffentlichem Recht; zog 1997 mit Mann und Sohn nach Dänemark, wo ihre Tochter geboren wurde. Sie arbeitete mehr als 15 Jahre als Journalistin beim Nordschleswiger – der deutschen Tageszeitung in Dänemark. Vor einigen Jahren hat sie die dänische Staatsbürgerschaft angenommen. Am 1. Januar 2015 hat Claudia Knauer den Stuhl in der Redaktion gegen den in der Deutschen Zentralbücherei eingetauscht. Als Büchereidirektorin sorgt sie für die Verbindung von deutscher und dänischer Kultur.
Einleitung:
Dänemark will entdeckt werden
Die Sonne schien mild, das Wasser war, für dänische Verhältnisse mit 19 Grad recht warm und das Sommerhaus in Marielyst auf Falster perfekt ausgestattet; hell, minimalistisch, Designermöbel – dänisch eben. Mit Mann und Sohn an der Seite blickte ich über die Ostsee: »Immer in Dänemark leben, das wäre es.« So ein Traumgespinst, das man in lauen Sommernächten vor dem inneren Auge erscheinen lässt, und das einiges perfekt ausklammert. Zum Beispiel ist die Aussprache des Dänischen für einen geborenen Deutschen schwierig, es sei denn, man hat dauerhaft eine heiße Kartoffel im Mund oder viel gutes dänisches Bier im Blut. Dass ein Auto wegen der sogenannten Registrierungsabgabe fast das Doppelte von dem, was man in Deutschland bezahlen muss, kostet. Dass die dänische Flagge, der Dannebrog, zu wirklich allen Gelegenheiten gehisst und dass auf Süßigkeiten eine Zuckersteuer erhoben wird.
Von all diesen Feinheiten und Besonderheiten ahnte ich nichts. Dänemark war ein Traumland. Allerdings verwunderte mich schon während meiner vielen Dänemarkurlaube einiges. Im Dänischen kennt man beispielsweise »bitte« wie im Deutschen nicht. Unsere dänische Trauzeugin, die in Kiel unsere Ehe beurkundet hatte, verstand meine Frage kaum, als ich wissen wollte, was ich beim Bäcker sage, wenn ich ihm das Geld über die Theke reiche. In Deutschland wäre das »bitte schön«. Das Dänische kennt diese Form so nicht, obwohl die Dänen sehr höflich sind. Jeder wohlerzogene Mensch im Land zwischen den Meeren sagt nach dem Essen tak for mad – »Danke für das Essen«. Darauf muss dann, will man als zivilisierter Mensch gelten, ein velbekomme folgen. Mit einem einfachen »Danke« ist dieser Austausch von standardisierten Höflichkeitsformen nur unzureichend übersetzt. Und wer nach einem schönen Abend die Gastgeber verlässt, geht nicht ohne ein tak for i dag – »es war schön heute«. Am Tag danach gebieten die guten Manieren einen Anruf mit einem tak for i går – »es war schön, als wir uns gestern gesehen haben«.
Als ich dann gut ein Jahr später tatsächlich als Journalistin beim Nordschleswiger, der deutschen Tageszeitung in Dänemark, anfing und in einem alten Auto die Grenze überquerte, war es November. Die warmen Sommerhausträume lagen lange zurück. Es war dunkel und feucht-kalt. Mein rudimentäres Dänisch hatte ich innerhalb eines Monats in einem Crashkurs in Kiel erworben. Damit konnte ich nicht einmal einkaufen gehen. Monatelang verstand ich nicht, was die Damen an der Kasse der Tankstelle wollten, wenn sie på beløbet fragten. Ich sagte einfach »Ja« und drückte auf die Bestätigungstaste des Kreditkartenapparats. Dänen benutzen immer und überall ihre Dankort als bargeldloses Zahlungsmittel, selbst für kleinste Beträge. På beløbet heißt übrigens »genau dieser Betrag«, denn beim Zahlen mit der Dankort kann man sich Bargeld herausgeben lassen. Aber das habe ich erst viel später herausgefunden.
Von meiner Heimatstadt Kiel nach Aabenraa, auf Deutsch Apenrade, in Nordschleswig, demjenigen dänischen Landesteil, der auch von vielen Menschen aus der deutschen Minderheit in Dänemark bewohnt wird, sind es lediglich gut 120 Kilometer, aber mit dem Überqueren der Grenze ändert sich nicht nur die Sprache. Wie viele andere Ausländer erlebte ich die Umgebung entschleunigt, mit mehr Platz für den Einzelnen, für »große Armbewegungen«, wie die Dänen sagen. Das stimmt allerdings auch tatsächlich. Auf dänischen Autobahnen galt 1997 noch Tempo 110 km/h – heute sind es 130 km/h – und es gibt nur gut 5,6 Millionen Dänen. Da bleibt Spielraum.
Aber nicht nur die Höchstgeschwindigkeit ist anders, anders sind auch viele Grundzüge und Details des politischen und sozialen Systems. Keine leichte Aufgabe für jemanden aus einem Land mit über 250 Krankenversicherungen, zu begreifen, dass es in Dänemark eine Versicherung gibt, die aus Steuermitteln finanziert wird und die für alle gleich ist. Wer eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt, was übrigens nicht ganz leicht ist, sucht sich einen Hausarzt aus und das war’s. Zum Facharzt geht es nur mit Überweisung, die meisten Untersuchungen finden im Krankenhaus statt. Für alle Zahnbehandlungen aber zahlt man selbst.
Als Politikredakteurin muss man sich daran gewöhnen, dass Minderheitenregierungen hier durchaus die Regel sind. Die konsensorientierte dänische Politik schließt in der Regel für große Politikfelder wie Klimapolitik oder Schulreform Vergleiche, an denen sich so gut wie alle Parteien beteiligen, die Abgeordnete im Parlament haben. Diese Vergleiche werden eingehalten, auch wenn sie nicht justiziabel sind.
In diese Feinheiten führte mich Käte ein. Als Dänischlehrerin kam sie jede Woche in die Redaktion. Als Freundin lud sie mich und meine Familie ins dänische Leben ein und zu einem traditionellen julefrokost, wie die Weihnachtsfeiern in diesem Land heißen. Frokost hat nichts mit Frühstück zu tun, sondern ist in diesem Fall ein überbordendes Essen mit vielen Gängen und einer festen Reihenfolge. Der julefrokost-Neuling beispielsweise wird sofort entlarvt, wenn er die Hackfleischbällchen vor dem Hering isst. Das geht gar nicht. Fisch kommt zuerst, dann Fleisch und vieles andere.
Dänemark will, wie jedes Land, verstanden sein. Es lässt sich nicht so einfach im Vorübergehen mitnehmen. Urlaube, egal wie viele, können nicht auf die dänische Lebensart vorbereiten. Auch die großen kulturellen Gemeinsamkeiten Deutschlands und Dänemarks ändern daran nichts. Das Königshaus ist Schleswig-Holstein verbunden und eine lange, ab und an auch kriegerische, Geschichte hat Deutschland und Dänemark verzahnt. Aber wer, wie ich mitsamt Familie, nach Dänemark auswandert, erlebt schnell, dass die Unterschiede groß sind und viel mehr umfassen als das in Dänemark übliche »Du«. Das deutsche »Sie« kennt man hier nur für die Königin und ihre Familie. Aber genau solche Unterschiede machen das Kennenlernen des Nachbarlandes so spannend. Für diejenigen, die in den Urlaub ins Ferienhaus fahren oder für eine Wochenendtour nach Kopenhagen, ebenso wie für diejenigen, die länger dort leben möchten.
Dänemark ist nicht das Land, in dem Milch und Honig fließen, sondern Bacon und Butter in großer Menge produziert werden. Landwirtschaftliche Exporte stehen weit oben in der Wirtschaftsstatistik. Es ist ein Land, in dem normalerweise Männer und Frauen arbeiten gehen, in dem Familien ihre Kinder früh in die institutionelle Betreuung geben, das viele junge Politikerinnen hat, aber keine Kernkraftwerke. Von dieser Versorgung habe auch ich mit meinen Kindern profitiert. Der Sohn fand sofort einen Platz im – deutschen – Kindergarten um die Ecke. Der natürlich von 6.30 Uhr bis 17 Uhr geöffnet hatte. Meine Freundinnen in Deutschland, die auch berufstätig sind, mussten eine zusätzliche Tagesmutter engagieren, weil der Kindergarten um 12 Uhr zumachte – undenkbar in Dänemark. Für die Tochter gab es ein Tagesmutterangebot, als sie ein halbes Jahr alt wurde. So lassen sich Arbeit und Kinder vereinbaren, auch wenn der Stress der Doppelbelastung bleibt. Das ist die Regel und nicht die Ausnahme.
Berufswechsel sind erwünscht und lebenslanges Lernen wird tatsächlich großgeschrieben. Das soziale System – Stichwort Flexicurity – macht es möglich. Auch wenn es hier in den vergangenen Jahren viele Abstriche gegeben hat.
Die Dänen sind ein kleines Volk. Schleswig-Holstein und Hamburg bringen zusammen fast genauso viele Einwohner auf die Waagschale. Deshalb sprechen manche eher von einer Gemeinschaft oder einem Stamm als einer Gesellschaft. Wenn der Nachbar angezeigt wird, weil er ein Auto mit deutschem Kennzeichen fährt und damit die Registrierungsabgabe auf Kraftfahrzeuge spart, geschieht dies nicht unbedingt (nur) aus Neid, sondern auch mit dem Gedanken, dass damit die Gemeinschaft geschädigt wird. Denn mit den Steuern und Abgaben wird die Kinderbetreuung finanziert oder werden die Bibliotheken, die als kulturelle Knotenpunkte dienen, bezahlt.
Scharfe Gegensätze gibt es kaum. Das Land zwischen zwei Meeren ist auf Ausgleich angelegt. Es gibt keine großen Flüsse, die über die Ufer treten, keine Gletscher, keine Vulkane, Erdbeben oder hohen Berge. Der letzte Tsunami liegt 156 Jahre zurück. Sturmfluten und Orkane sind derzeit die einzigen urgewaltlichen Bedrohungen. Sehr kalt wird es in Dänemark selten, dafür aber auch nicht unangenehm heiß. Wer eine Sonnengarantie will, ist mit dem skandinavischen Land schlecht beraten – mit Ausnahme der vor Schweden gelegenen dänischen Ostseeinsel Bornholm. Dafür genießen wir die Nähe zum Strand. Weit weg vom Wasser ist keiner in Dänemark. Unser Lieblingsstrand liegt gut zehn Autominuten entfernt. Der Steg ins Wasser ist allen zugänglich. Am Strand stehen Tische, Bänke und Grillplätze fürs Abendessen mit Blick auf Barsø. Der Buchstabe »Ø« bedeutet Insel. Wenn es schnell gehen soll, können wir auch das Fahrrad nehmen und sind am Stadtstrand um die Ecke. Dann allerdings mit Blick auf das ehemalige Kohlekraftwerk. Strom kommt auch in Dänemark nicht aus der Steckdose. Aber auch in der scheinbaren Plattheit Dänemarks gibt es Unterschiede: An der Westküste ist das Land so flach, dass man am Mittwoch schon sehen kann, wer am Sonntag zu Besuch kommt. So lautet der gängige Schnack, dem aber etwas Realitätsbezug innewohnt. An der Ostküste gibt es Moränenlandschaften mit Hügeln und Hügelchen und in Aabenraa kann man am Bergmarathon teilnehmen, der den Läufern wirklich Steigungsvermögen abverlangt und 2013 zum...
Erscheint lt. Verlag | 25.4.2017 |
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Reihe/Serie | Länderporträts |
Zusatzinfo | 1 Karte/Tabelle |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
Reisen ► Reiseberichte ► Europa | |
Reisen ► Reiseführer ► Europa | |
Schlagworte | alsen • Apenrade • Dänemark • Dänen • Dänisch • Fähre • Färöer • Ferienhaus • Flexicurity • Fyn • Grönland • Hans Christian Andersen • hygge • janteloven • Jylland • Kopenhagen • Ludvig Holberg • Næstved • Nikolai Frederik Severin Grundtvig • Norburg • Nordseeküste • Nykøbing • Seeland • Silkeborg • Sjælland • Skagerrak • Søren Kiekegaard • Wikinger |
ISBN-10 | 3-86284-306-8 / 3862843068 |
ISBN-13 | 978-3-86284-306-0 / 9783862843060 |
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