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Anwaltsunternehmen führen -  Benno Heussen,  Georg Anders

Anwaltsunternehmen führen (eBook)

Erfahrungen, Ideen, Anregungen
eBook Download: EPUB
2024 | 4. Auflage
301 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-82683-2 (ISBN)
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47,99 inkl. MwSt
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Das vorliegende Werk beschreibt die Grundregeln des Kanzleimanagements allgemein verständlich anhand vieler Beispiele, Checklisten, Charts und Übersichten und gibt so einen - auch unterhaltsamen und humorvollen - Einblick in die typischen Managementprobleme der Anwaltschaft. Dabei bietet es einen systematischen und vollständigen Überblick nicht nur für den Partnerkreis, sondern für alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Mitarbeitende, die das Management ihres Büros besser verstehen und ihren Beitrag dazu leisten wollen.
In der Neuauflage werden aktuelle Themen aus Compliance, Legal Tech, Berufsrecht und Unternehmenskultur eingearbeitet.
Das Autorenteam besteht aus publizistisch bestens bekannten Rechts anwälten mit großer Erfahrung bei Kanzleigründung und -management bzw. dem Berufsrecht.

52. Anwaltsunternehmen managen


2.1 Die Strukturen der Anwaltsunternehmen


Form Follows Function


Die Rahmenbedingungen, unter denen ein Anwalt arbeitet, entwickeln sich im Wesentlichen aus den Anforderungen der Mandanten und ihrer Mandate. Wenn ein Einzelanwalt immer wieder Mandate bekommt, die er nur mit anderen Spezialisten gemeinsam bewältigen kann, wird er sich bald in einer Bürogemeinschaft oder einer Sozietät wiederfinden. Und umgekehrt: wenn er seine Mandate allein führen kann, wird er sich anderen Formen der Zusammenarbeit nur anschließen, falls damit Vorteile außerhalb der Mandate verbunden sind.

Der Einzelanwalt: Alleine reist man schneller!


Einzelanwälte tragen in ihrer beruflichen Arbeit die höchsten Risiken von allen. Sie tragen Wissen und Erfahrung allein zusammen, stehen finanziell ganz allein da, sollen sich Märkte und Mandanten allein erschließen und müssen ihre Büros alleine organisieren.

Allerdings haben sie einen wichtigen Ausgleich: sie müssen sich mit niemandem abstimmen, es redet ihnen keiner in die Dinge hinein, sie sind und bleiben der Chef – und dieses Modell passt ideal zu Ihrem Beruf, in dem sie nicht nur Mandate, sondern auch Mandanten führen. Vielleicht ist das der Grund, warum in Deutschland fast die Hälfte8 und auch weltweit – z.B. in den USA mit ca. 1.3 Mio. Berufsträgern – viele Anwälte allein arbeiten9. Der Einzelanwalt muss sich zwar weder um Partner, Mitarbeiter, Standorte, Fachgruppen, Gewinnverteilung oder Rechtsformen kümmern, aber mit seinen eigenen Strategien, Organisationsfragen, Mandanten und der Know-how-Entwicklung hat er genug zu tun. Wenn in diesem Buch also von Managing-Partnern die Rede ist, so setzt sich der Einzelanwalt am einfachsten an dessen Stelle.

Viele Einzelanwälte sind „im „Hauptberuf“ als Syndici tätig und bearbeiten ihre Fälle in den Büros großer Konzerne – es gibt tendenziell immer mehr Syndikusanwälte, weil die Absicherung durch ein Unternehmen nachgefragt 6wird10). Andere haben vermögende Privatkunden, die nur auf ihren Rat vertrauen, wieder andere arbeiten wie Steuerberater mit einem Stab von Dutzenden von Sachbearbeitern in Massensachen wie Verkehrsunfällen, Internet-Abmahnungen, Zwangsvollstreckung oder Markenmanagement. Bei Einzelanwälten gibt es deshalb die unterschiedlichsten Unternehmensstrukturen.

Bürogemeinschaften: Kostenersparnis und Sichtbarkeit


Einzelanwälte schließen sich aber auch oft zu Bürogemeinschaften zusammen11. Sie wollen einerseits ihre Unabhängigkeit nicht verlieren, andererseits durch gemeinsames Management Kosten sparen. Sobald sie allerdings mehr teilen als den Büroraum und die Telefonanlage, kann eine Bürogemeinschaft außerordentlich kompliziert werden. Wer ist für den gemeinsamen Computer verantwortlich? Wer hat Zugriff auf die Daten? Wie sieht es aus, wenn Mandanten abwandern? Gibt es gemeinsame Mitarbeiter (z.B. beim Empfang?) – wie ist es hier mit Arbeitsrecht oder Verschwiegenheit aus? Besteht die Gefahr einer Durchgriffshaftung? Wie werden die Haftpflichtfragen geregelt (Scheinsozietät)? Wer alle diese Fragen konsequent durchdacht hat, wird vielleicht die echte Sozietät vorziehen, denn ein Bündel von Austauschverträgen kann sehr unübersichtlich werden. Auf alle Fälle wird er darauf achten, die akquisitorischen Möglichkeiten, die sich aus einer Bürogemeinschaft ergeben, richtig auszunutzen, damit der Aufwand sich lohnt. Man kann einzelne Fachgebiete geschickt so zusammenstellen, dass erhebliche Synergieeffekte entstehen. Ein Baurechtler, ein Mietrechtler, ein Wohnungseigentums-Spezialist und eine Anwältin, die sich mit dem Maklerrecht auskennt, können eine viel größere Sichtbarkeit im Markt erreichen als der übliche Gemischtwarenladen, den man überall findet. Bürogemeinschaften zwischen Rechtsanwälten und Steuerberatern, die sich gegenseitig bewusst empfehlen, sind auch eine gute Idee.

Sozietäten und Netzwerke


Sozietäten sind sichtbarer als die Vielzahl von Einzelanwälten. Sie beruhen auf Gesellschaftsverträgen zwischen Partnern, die nicht nur gemeinsames Eigentum und Managementverantwortung, sondern auch gemeinsame Verträge mit Dritten, eine Kostenteilung und eine Gewinnverteilung vorsehen. Da in der Sozietät keiner mehr für sich allein entscheiden kann, sondern auf Mehrheitsbildung angewiesen ist, entstehen äußerst komplexe Gebilde, deren Rechts- und Managementprobleme nur deshalb nicht immer sichtbar sind, 7weil man sie unter den Teppich kehrt.12 Die Einzelanwälte wissen, warum sie sich das nicht antun.

Auch wenn eine Sozietät eher aus Zufall entstanden ist und langsam organisch wächst, ohne sich besondere Ziele zu setzen, erreicht sie – von einzelnen kritischen Situationen einmal abgesehen – in der Regel wenigstens zwei Dinge:

  • Die berufliche Zusammenarbeit mehrerer Anwälte, die sich täglich begegnen und ihre Erfahrungen austauschen können, schafft eine besondere Arbeitssituation, eine Art Campus-Atmosphäre mit häufig freundschaftlicher Gruppendynamik, die man z.B. unter Juristen in Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Universitäten nicht ohne weiteres findet. Das erlebt man auch dann, wenn die Fachgebiete sich wenig oder gar nicht überschneiden.

  • Die Sozietät hat außerdem den Vorteil, dass sie durch eine Vielzahl von Mandanten und Fachgebieten ihre Risiken besser streuen kann. Nach der Markowitz-Regel,13 die ursprünglich für die Zusammenstellung von Aktiendepots entwickelt worden ist, aber natürlich auch auf eine Mischung 8von Mandanten und Arbeitsgebieten zutrifft, sinken die Risiken, wenn man zwischen 10 und 30 wesentliche Mandanten und/oder Fachgebiete beherrscht.

Nach Erfahrungssätzen kann ein Anwalt drei bis fünf größere Mandanten und etwa eine gleiche Zahl Fachgebiete gut beherrschen. Der Einzelanwalt bewegt sich damit in einem risikoreichen Feld: Einer unserer Freunde, der jahrelang nur für zwei örtliche Bauträger tätig war, musste es erleben, dass beide im Lauf von drei Jahren insolvent wurden. Es ist ihm danach nicht mehr gelungen, eine vergleichbare Klientel aufzubauen.

Im Grunde ist eine Sozietät aber am wirksamsten, wenn sie über die Risikostreuung hinaus eine Mandatsstruktur entwickeln kann, die kein Einzelanwalt zu bewältigen im Stande ist: Das sind Aufträge, die eine integrierte Zusammenarbeit mehrerer Anwälte oder Gruppen von Anwälten, Steuerberatern, Investment-Spezialisten oder anderer Fachleute voraussetzen, die ein gemeinsames Ergebnis erarbeiten sollen. Nur wenn die Struktur des Büros eng der Art der Aufträge folgt, rechtfertigt sich die damit verbundene Komplexität! Sozietäten sind erfolgreich, wenn sie

  • Gemeinsame Mandanten und Mandate haben,

  • Wissen und Erfahrung gemeinsam erarbeiten und austauschen,

  • Synergieeffekte bei Managementaufgaben erzielen.

Das gilt besonders für überörtliche Sozietäten.

Je nach der Strategie, die eine Sozietät entwickelt, kann sie sich von einem gemütlichen Club (oder einer Zwangsehe!) zu einem strategisch ausgerichteten Unternehmen entwickeln14. Sie scheint mir die Struktur zu sein, die sich den wechselnden Mandanten, Märkten und Anwaltstypen am besten anpassen kann.

Kleine und mittlere Sozietäten/Bürogemeinschaften versuchen oft, durch Netzwerke, die aussehen wie große Sozietäten, größer zu erscheinen, als sie wirklich sind (Scheinsozietäten). Die damit verbundenen Haftungsprobleme sind erheblich und den Werbeeffekt wahrscheinlich nicht wert.15

Anders sind Netzwerke zu beurteilen, die nur den Zugriff auf Korrespondenzanwälte und Spezialisten signalisieren sollen16. Mandanten erwarten heute, dass man solchen Netzwerken angehört. Auch Netzwerke sind aber nur dann erfolgreich, wenn man sie in geeigneter Weise organisiert. Man muss die Kollegen, mit denen man zusammenarbeiten will, genau so sorgfältig wie seine Mandanten aussuchen, sich mit ihnen abstimmen, Konflikte regeln und die Ergebnisse kontrollieren.

9Internationale Strukturen


Die sehr großen, international aufgestellten Sozietäten, die zwischen 700 und 4.000 Anwälte17 umfassen können, sind aus internationalen Aufgaben entstanden, die ihnen ihre Mandanten gestellt haben. In der historischen Entwicklung kann man vier Phasen unterscheiden:

  • 1948 bis 1988: Damals wuchsen vor allem US-amerikanische Büros durch Zweigstellen und Kooperationspartner in Europa (bevorzugt in London) und Südamerika. Einige deutsche Büros knüpften in dieser Zeit wichtige Beziehungen zu amerikanischen Sozietäten.

  • 1988 bis 2000: In dieser Zeit entstehen eine Vielzahl überörtlicher Sozietäten in Europa und die Beziehungen nach Südostasien(Tigerstaaten) entwickeln sich von allen Seiten.

  • 2000 bis 2016: Man beobachtet wieder gewisse Entflechtungen, teils aufgrund von Compliance Problemen, teils weil die Unternehmenskulturen sehr großer Einheiten instabil werden und sich damit die Strukturen verändern.

  • 2016 bis 2023: In den meisten Industriestaaten konsolidiert sich die Zahl der Rechtsanwälte. In Deutschland sinkt sie leicht bis auf 165. 587, davon 60.087 Rechtsanwältinnen (1.1.2023). Von ihnen sind 58.339 Fachanwälte. Die Zahl der Älteren überwiegt...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Allgemeines / Lexika
ISBN-10 3-406-82683-0 / 3406826830
ISBN-13 978-3-406-82683-2 / 9783406826832
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