Das Seehandelsrecht im HGB (eBook)
268 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-8740-2 (ISBN)
Winfried Furnell war Schifffahrtskaufmann leitender Stellung und Lrhtbeauftragter für Seehandelsrecht und Transportrecht der Universität Hamburg
Kapitel 2: Der Stückgut-Frachtvertrag
Die Regelungen über den Stückgut-Frachtvertrag sind Teil der Seefrachtverträge innerhalb des 2. Abschnitts Beförderungsverträge. Der Begriff „Stückgut“-Frachtvertrag ist missverständlich. Als Stückgut bezeichnet man üblicherweise eine Anzahl von einzeln zu verladenen, eher kleineren Kisten und Kasten, Fässer usw. Der Stückgut-Frachtvertrag des HGB betrifft dagegen alle, aber einzeln bestimmte Güter,63 für die ein Beförderungsvertrag ohne individuell vereinbarten Chartervertrag über den für die Beförderung benötigten Schiffsraum geschlossen wird. Die Beförderung von vollen, vom Befrachter beladenen Containern oder von Stückgütern in Containern, auch von Schwergütern ohne Gewichtsbegrenzung oder von so gen. Massenstückgut64 fällt ebenso unter den Begriff Stückgut-Frachtvertrag. Der Stückgut-Frachtvertrag ist daher der für die deutsche Rechtsanwendung bedeutendste Vertragstyp des Seehandelsrechts.
A. Der Vertragsschluss
„Durch den Stückgutfrachtvertrag wird der Verfrachter verpflichtet, das Gut mit einem Schiff über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort dem Empfänger abzuliefern“ (als nicht abdingbare Kardinalpflichten), § 481 I HGB. Im Geiste eingefügt werden sollte: „…unbeschädigt“ abzuliefern, wie es sich aus der Haftungsregelung des § 498 I HGB ergibt.
Andere Transportmittel gelten nicht. Daher ist das Schiff von anderen schwimmenden Gegenständen abzugrenzen. Was ein Schiff ist hat der BGH65 in einer inzwischen schon fast legendären Definition festgelegt. Danach ist ein Schiff „jedes schwimmfähige, mit einem Hohlraum versehene Fahrzeug von nicht ganz unbedeutender Größe, dessen Zweckbestimmung es mit sich bringt, dass es auf dem Wasser bewegt wird“, also bspw. auch seefähige Transportpontons, Schwimmkräne usw.
Ebenso ist die Beförderung „über See“ von der auf Binnengewässern abzugrenzen, da für den Transport von Gütern auf Binnengewässern das Binnenschifffahrtsgesetz (BinSchG), das allgemeine Landtransportrecht im 4. Buch des HGB oder für den internationalen Transport das „Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt“ (CMNI) gelten. Maßgeblich ist die Grenzziehung zwischen der See und den nationalen Binnengewässern. Diese ist nicht verbindlich geregelt. Bahnsen66 schlägt vor, für Deutschland den § 1 III des FlaggenrechtsG heranzuziehen, wonach die Seegewässer seewärts der Grenze des deutschen Küstenmeeres liegen. Liegt ein einheitlicher Frachtvertrag vor, der die Beförderung sowohl auf Binnengewässern als auch auf See vorsieht, etwa Duisburg / London, ist gem. § 450 HGB Seefrachtverkehr anzunehmen, wenn die Seestrecke die größere ist, wodurch die Anwendung der Bestimmungen eines intermodalen Vertrages vermieden werden soll.67 Bei einer Beförderung mit verschiedenen, also multimodalen Beförderungsmitteln gelten die §§ 452ff. HGB. Bei internationalen Beförderungen, wenn kein Konnossement ausgestellt wurde, gilt dagegen die CMNI, Art. 2 II CMNI.
Bei der Beurteilung eines seehandelsrechtlichen Sachverhalts müssen auch die Bestimmungen des Transportrechts, des 3. Buches HGB und des BGB68 in dieser Reihenfolge im Auge behalten und danach die einzelnen Vertragstypen bestimmt werden. So ist bspw. der Stückgut-Frachtvertrag auch eine Spezialität des Werkvertrags, dessen Erfolg die unbeschädigte Ablieferung ist und eine Spezialität des Vertrags zu Gunsten Dritter, da sich der Verfrachter im Vertrag mit dem Befrachter verpflichtet, die Güter an einen Dritten, den Empfänger auf dessen Verlangen auszuliefern. Ausliefern resp. abliefern69 ist definiert als die Aufgabe der Obhut an dem Gut nach Beendigung der Beförderung und dem Empfänger die Möglichkeit der Besitzerlangung einzuräumen.70
Außerdem ist der Beförderungsvertrag genau zu unterscheiden vom internationalen Kaufvertrag, der bspw. über die Incoterms-Klauseln71 die Pflichten zwischen Käufer und Verkäufer bei der Beförderung steuert.72 Wurde etwa das Gut fob73 Hamburg verkauft, hat der Verkäufer die Ware in Hamburg frei an Bord (fob = „free on board“) des vom Käufer bestimmten Schiffs zu liefern, während der Käufer den Verfrachter und damit das Schiff und dessen Güterannahmestelle bestimmt. Wurde das Gut aber cif Löschhafen (cif = „cost, insurance, freight“) verkauft, bestimmt der Verkäufer den Verfrachter, mit dem er als Befrachter den Beförderungsvertrag bis zum Löschhafen schließt.
Der Vertragsschluss ist formfrei74 und erfolgt durch telefonische oder schriftliche Buchung des Abladers (Rn. 138 ff) beim Agenten des Verfrachters (z.B. dessen Linienagenten, s. Rn. 90). Im Linienverkehr bei meist nur einem Verfrachter, aber vielen unterschiedlichen Befrachtern wird der Vertrag häufig nur konkludent geschlossen, wenn bspw. das Gut ohne vorherige Buchung an der veröffentlichten Güterannahmestelle des Verfrachters einfach angeliefert wird. Dann bleibt ein meist geringes Risiko, dass der Verfrachter wegen Überbuchung des Schiffes die Güter nicht verlädt. Zur Verschiffung übermittelt der Anlieferer dem Verfrachter oder seinem Agenten sowie dem vom Verfrachter nominierten Kaibetrieb den Antrag, das Gut mit einem bestimmten Schiff zu einem bestimmten Löschhafen zu verladen. Diesen Antrag nimmt der Verfrachter konkludent an, wenn er das Gut entsprechend zur Beförderung übernimmt.
In Hamburg geschieht die Antragstellung durch die elektronische Übermittlung des Hafendatensatzes „Schiffszettel“ über das Rechenzentrum DAKOSY AG.75 Die Teilnahme am DAKOSY Netzwerk ist bei allen Hamburger Kaibetrieben durch die Hamburger Kaibetriebsordnung,76 die ein in Hamburg üblicher und verpflichtender Handelsbrauch gem. §§ 346 HGB, 157, 242 BGB ist, vorgeschrieben. Alle Teilnehmer an dem DAKOSY Netzwerk haben sich vertraglich zu genau bestimmten Rechten und Pflichten gegenüber den anderen Teilnehmern verpflichtet. Bei der Übermittlung des Hafendatensatzes77 „Schiffszettel“ verpflichtet sich der Absender des Hafendatensatzes wie folgt:
„Es wird beantragt, die genannten Güter zur Beförderung mit dem angegebenen Schiff oder einem anderen Schiff der gleichen Linie oder des Gemeinschaftsdienstes anzunehmen und gleichzeitig die Sendung DVmäßig für das ZAPP-System78 zu gestellen.“79
Der Absender des Hafendatensatzes akzeptiert resp. verpflichtet sich ferner:80
- „Für alle Anträge gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des jeweiligen Kaiumschlagsunternehmens.“
- Der im Feld 14/15 (des Datensatzes) genannte Antragsteller verpflichtet sich zur Zahlung der fällig werdenden Entgelte.
- Für Ladungsstücke von 1.000 kg an sind die Einzelgewichte im Kaiantrag anzugeben.81
- Gefährliche Güter, die unter die Vorschriften der Hafensicherheitsverordnung (HSVO) fallen, dürfen nur auf dem Antrag für gefährliche Güter, erkennbar am roten Druck und an der roten Seitenschraffur, ausgedruckt werden. Erfolgt der Ausdruck auf dem Antrag für Normalgut, so ist er ungültig.
- Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Hamburg“.
Verfrachter ist gem. § 481 I HGB jeder, der die Beförderungsverpflichtung mit einem Schiff über See übernimmt und sich verpflichtet, das Gut an den Empfänger abzuliefern. Er braucht dazu kein eigenes Schiff einzusetzen, sondern kann als vertraglicher Verfrachter seinerseits als Befrachter mit einem (ausführenden) Verfrachter einen Stückgut-Frachtvertrag abschließen.
Das ist häufig der Fall, etwa bei einem internationalen Sammelladungsspediteur,82 der Stückgüter für die Beförderung nach Übersee in einem Container sammelt, ggf. als NVOCC oder NVO eigene Konnossemente ausgibt, und diesen Container durch eine Linienreederei...
Erscheint lt. Verlag | 13.12.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Allgemeines / Lexika |
ISBN-10 | 3-7557-8740-7 / 3755787407 |
ISBN-13 | 978-3-7557-8740-2 / 9783755787402 |
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