Forst- und Jagdrecht im Freistaat Thüringen (eBook)
328 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-8725-9 (ISBN)
Vorwort zur 2. Auflage
„(…) wenn uns nicht die höchste Noth hierzu
zwinget / so wird man sonsten schwerlich daran gehen /
ehe und bevor (…) / uns das Wasser an Halß und
ins Maul reichet (…)“
HANS CARL VON CARLOWITZ (1713)
Der Klimawandel und seine spürbaren Folgen bewegen die aktuelle forstpolitische und forstrechtliche Debatte und Entwicklung. Nach hier vertretener Ansicht jedoch leider noch nicht genug. Denn der Wald ist nicht nur Opfer des Klimawandels, er ist auch ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Erderwärmung. Der Walderhaltung und Waldmehrung müssen unter Klimaschutzgesichtspunkten gesetzlich deutlich höhere Stellenwerte eingeräumt werden. Der jüngste Beschluss des BVerfG zum Klimaschutz macht deutlich, dass sich Klimaschutzziele auch normativ niederschlagen müssen (Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 -).
Die Bedeutung von Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) für den aktiven Klimaschutz (Mitigation) ist im Pariser Klimaabkommen anerkannt worden. Die EU hat durch die LULUCF-VO verbindliche Klimaschutzziele vorgegeben. Demnach darf der Landnutzungssektor nicht mehr emittieren, als er wiederum selbst der Atmosphäre entziehen kann. Angesichts nicht vermeidbarer Emissionen der Landwirtschaft wird diese Zielvorgabe nur über verbesserte Walderhaltung und vermehrte Erstaufforstungen zu erreichen sein. Im föderalen System der Bundesrepublik sind die Bundesländer aufgrund ihrer Zuständigkeit für Land- und Forstwirtschaft sowie Landnutzungsänderung berufen, diese Vorgaben umzusetzen. Bisher ist hier jedoch wenig gesetzgeberische Tätigkeit festzustellen.
Dabei stößt u.a. der Zertifikatehandel aus und mit heimischen Wäldern auf ein wachsendes Interesse seitens der Gesellschaft, der Industrie und der Waldbesitzer. Doch auch hierauf hat der Gesetzgeber noch keine Antwort entwickelt, sodass die Akteure bisher auf vertragliche Maßnahmen verwiesen sind. Somit bleibt eine umfassende Klimaanpassung des Forstrechts vordringliche Aufgabe auch in Thüringen.
Die Fragen rund um die Zukunft der Beförsterung und Holzvermarktung sind durch den Klimawandel zwar aktuell überdeckt, jedoch nicht verschwunden. Durch inzwischen anhängig gewordene Kartellschadensersatzklagen hat die Frage vielmehr erneut an Brisanz gewonnen. Die Novelle des Bundeswaldgesetzes mit dem Versuch die gemeinsame Holzvermarktung des Staats- und Privatwaldes per Gesetz wettbewerbsrechtlich zu legitimieren, hat die Rechtsprechung wie erwartet nicht beeinflusst. Die gemeinsame Holzvermarktung ist und bleibt nach Auffassung der Rechtsprechung wettbewerbswidrig. Ähnliches könnte auch für die vorgelagerten Beförsterungs-Leistungen der Landesforstanstalten gelten.1
Neben diesen aktuellen forstpolitischen Herausforderungen auf Bundes- und Europaebene, erwies sich auch die forstpolitische Lage in Thüringen seit der ersten Auflage als ausgesprochen dynamisch bis turbulent. Die erste Rot-Rot-Grüne Regierungskoalition in der Geschichte der Bundesrepublik (ab 5. Dezember 2014) hat auch im Bereich des Forst-, Jagd- und Naturschutzrechts zahlreiche Gesetzesänderungen angestoßen.
Im Waldrecht wurde der Gemeingebrauch u.a. durch eine Freigabe des Radfahrens und Reitens ausgeweitet. Auch durch ein pauschales Verbot der Waldumwandlung für Windkraftanlagen machte Thüringen auf sich aufmerksam. Die Frist der Wiederaufforstungspflicht wurde angesichts der Waldkatastrophe nach 2018 verlängert.
Das Jagdrecht wurde u.a. mit der Abschaffung des Güteklassenabschusses behutsam reformiert. Beim Rehwild wurden am System eines behördlichen festgesetzten Bewirtschaftungsplans festgehalten, dieser aber zu einem Mindestabschussplan umgewandelt.
Am grundlegendsten waren die Änderungen im thüringer Naturschutzrecht. Erstmals hat Thüringen ein ausdrückliches Landesnaturschutzgesetz bekommen, welches das alte „Naturgesetz“ ersetzt hat. Auch in anderen Bereichen war der Naturschutzgesetzgeber außerordentlich produktiv. Dabei wurde stellenweise gesetzgeberisches Neuland betreten und auch in benachbarte Rechtsgebiete übergegriffen. So wurde bspw. das Grüne Band Thüringen als erstes großflächiges Nationales Naturmonument Deutschlands per Gesetz ausgewiesen. Auch die Einführung einer Regelung für Waldstilllegungen im Thüringer Waldgesetz entstammten einem naturschutzrechtlichen Regelungswunsch.
Im Jagdrecht ist insb. der sog. „Schießnachweis“ für Drückjagden gem. § 29 Abs. (2) ThürJagdG verfassungsrechtlich problematisch. Der Freistaat Thüringen hat keine Gesetzgebungskompetenz, die subjektive Befähigung zur Jagdausübung, d.h. die Anforderungen an Ausbildung und Training der Jagdscheininhaber zu beschränken. Zwar ist die Gesetzgebungskompetenz für das Jagdwesen in der Föderalismusreform grundsätzlich auf die Bundesländer übergegangen, Art. 72 Abs. (3) Nr. 1 GG stellt jedoch ausdrücklich klar, dass „das Recht der Jagdscheine“ dem Bund vorbehalten bleibt. Und § 15 Abs. (3) BJagdG hält eindeutig fest „Der Jagdschein gilt im gesamten Bundesgebiet.“ Hiergegen hat der thüringer Jagdgesetzgeber sehenden Auges verstoßen. Folglich ist § 29 Abs. (2) ThürJagdG vermutlich verfassungswidrig. Ebenso wie bereits bei vergleichbaren Vorstößen in anderen Bundesländern, würde das Bundesverfassungsgericht oder der Thüringer Verfassungsgerichtshof den entsprechenden Passus auf Antrag hin verwerfen.
Es ist auch vernünftig, dass die Bundesländer kein Recht haben, „Zusatzqualifikationen“ zum Bundesjagdschein zu fordern. Man stelle sich das Gleiche für den Führerschein vor: Wenn also bspw. der Freistaat Bayern verlangen würde, dass man im Winter nur noch mit Nachweis eines Fahrsicherheitstrainings in die bayerischen Alpen fahren dürfte. Beides – Fahrsicherheitstraining und Schießübung – sind zweifellos vernünftig, um in den jeweiligen Sondersituationen verantwortlich handeln zu können. Das ändert indes nichts daran, dass es nicht an den Bundesländern ist, dafür die Berechtigung bundesweit gültiger Qualifikationsnachweise einzuschränken. Würde dies zugelassen, stünde einem Rückfall in die Zeiten deutscher Kleinstaaterei nicht mehr viel im Wege.
Daher ist es nach hier vertretener Ansicht auch keinesfalls zu begrüßen, dass der Bundesgesetzgeber beabsichtigt, diesen „Sündenfall mangelnder Bundestreue“ des Jagdgesetzgebers in Thüringen und anderen Bundesländern durch eine Novelle des Bundesjagdgesetzes nachträglich zu „heilen“. Den Ländern soll im Nachhinein die Befugnis eingeräumt werden, Schießnachweise zu verlangen. Ob und wann dies so kommt, war bei Redaktionsschluss noch nicht absehbar. Aber auch eine solche Neureglung im Bundesjagdgesetz begegnet ernstlichen Bedenken. Denn es bliebe dabei, dass es den Ländern überlassen würde, die Reichweite der Berechtigung durch den Bundesjagdschein festzulegen. Dies verstößt aber gegen den Regelungsgehalt von Art. 72 Abs. (3) Nr. 1 GG. Und der Bundesgesetzgeber kann durch einfaches Bundesgesetz die grundgesetzliche Kompetenzverteilung nicht ändern. Hierzu bedürfte es einer Verfassungsänderung. An dieser Bewertung ändert es auch nichts, dass sich der Bund durch die geplante Novelle „freiwillig“ eines Teils seiner Gesetzgebungskompetenz begibt, und die Gesetzgebungskompetenz nur auf die Länder devolvieren würde, denen ja das Recht der Gesetzgebung grds. zusteht (Art. 70 GG). Die bundeseinheitliche Regelung des Jagdscheins stellt nämlich zugleich eine bundesrechtliche Garantie für jeden Bundesbürger dar, dass sein Jagdschein im ganzen Bundesgebiet gilt. Durch die Umverteilung der Kompetenz an die Länder, wird es bspw. Thüringen gestattet, von Jagdscheininhaber aus Bayern zusätzliche Qualifikationen zu verlangen.
Leider ist der Gedanken des bundesstaatlichen Diskriminierungsverbots im Bundesrecht (offenbar) wenig verankert. Im US-amerikanischen und auch europäischen Verfassungsrecht hat dieses Rechtsprinzip einen zentralen Platz – zu Recht: Ist es doch essentiell für Kohäsion und Kohärenz einer Rechtsgemeinschaft. So bleibt es möglw. einem Österreicher mit „bayerischem“ Jagschein überlassen, den thüringer Schießnachweis für nichtig erklären zu lassen. Unserem Verfassungs- und Rechtssystem ist durch die Beibehaltung von verfassungswidrigem Partikularrecht jedenfalls nicht gedient.
Im Waldgesetz dürfte das „neue“ Vorkaufsrecht für Privatwald verfassungswidrig sein (§ 17 ThürWaldG). So besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, anders als bei Landwirtschaftsflächen, keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für ein Vorkaufsrecht an forstwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat bereits 2010 das zuvor bestehende Vorkaufsrecht verworfen und dem Gesetzgeber engen Grenzen für einen solchen finalen Eingriff in den freien Grundstücksverkehr gesetzt. Ob das neue...
Erscheint lt. Verlag | 29.11.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern |
ISBN-10 | 3-7557-8725-3 / 3755787253 |
ISBN-13 | 978-3-7557-8725-9 / 9783755787259 |
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