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Die Legitimität des Sportwettbetrugs (§ 265c StGB) (eBook)

Unter besonderer Berücksichtigung des „Rechtsguts“ Integrität des Sports

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
301 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-11-068626-5 (ISBN)
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Das Werk befasst sich mit der Legitimität des im Jahre 2017 in Kraft getretenen und seitdem in der Literatur stark umstrittenen Straftatbestands der des Sportwettbetruges (§ 265c StGB). Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die ausführliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Pönalisierung des Sportwettbetruges. Hierfür erörtert der Verfasser zunächst die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Pönalisierung und prüft sodann, sowohl anhand der Maßstäbe der durchaus heftig diskutierten systemkritischen Rechtsgutslehre, als auch anhand der Maßstäbe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ob es sich bei dem Sportwettbetrug um einen legitimen Straftatbestand handelt oder ob sich das Gesetz in die zunehmend länger werdende Reihe symbolischer Straftatbestände einreiht.



Arne Fischer, Düsseldorf.

B) Phänomenologie des Sportwettbetruges


Der Strafgesetzgeber hat durch die Einführung des § 265c StGB einen strafrechtlichen Sonderschutz für den Sportwetten-Sektor geschaffen. Um zu verstehen, welche Erwägungen den Gesetzgeber zu diesem Schritt veranlasst haben und um anschließend die Rechtmäßigkeit des Gesetzes untersuchen zu können, ist es zunächst unerlässlich einen intensiven Blick auf das zentrale Merkmal des Sportwettbetruges zu werfen: Die Sportwette.

Der nachfolgende Teil der Untersuchung beschäftigt sich daher als „Grundlagenkapitel“ mit der Phänomenologie des Sportwettbetruges. Neben einer Erörterung des Begriffs der Sportwette werden die unterschiedlichen Arten von Sportwetten, sowie die ökonomische und regulatorische Entwicklung des Sportwetten-Marktes dargestellt. Zudem wird die besondere Manipulationsanfälligkeit bestimmter Wett- und Sportarten, sowie die übliche Vorgehensweise der „Sportwettbetrüger“ anhand populärer Fälle des Sportwettbetrugs veranschaulicht. Im Anschluss wird dargestellt, inwiefern der Sport auf diese Bedrohungslage durch Präventionskonzepte und verbandsrechtlichen Regularien reagiert hat, bevor das Grundlagenkapitel mit einer kritischen Würdigung dieser Bemühungen endet.

I. Entwicklung, Ausprägungen und ökonomische Dimensionen der Sportwette


1 . Definition der Sportwette


Was unter dem Begriff der Sportwette zu verstehen ist, ergibt sich bereits aus einem Blick in das Gesetz. So findet sich in § 3 Abs. 1 S. 4 des Staatsvertrags zum Glückspielwesen in Deutschland1 eine Legaldefinition der Sportwette. Danach sind Sportwetten, Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder auf Abschnitte von Sportereignissen. Zudem sind sie Glückspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV. Ein Glücksspiel liegt vor, wenn über den Gewinn eines Vorteils oder den korrelierenden Verlust eines eingesetzten Vermögenswertes nach den Vertragsbedingungen ein ungewisses Ereignis entscheidet, dessen Eintritt wesentlich vom Zufall abhängt.2 Da die Richtigkeit einer Sportwette sowohl aus Sicht des Spielers, als auch, objektiv von mehreren nicht sicher abzuschätzenden Einflussfaktoren abhängt, kommt dem Zufallselement somit gegenüber denen vom Spieler zu beeinflussenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zu.3 Da mithin bei Sportwetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder den Ausgang eines zukünftigen Ereignisses gewettet wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, sind sie gem. § 3 Abs. 1 S. 1, 3 GlüStV als Glücksspiele einzuordnen. Diese Einordnung entsprach bereits vor Inkrafttreten des GlüStV am 1. Januar 2008 der herrschenden Meinung in der Literatur und Rechtsprechung.4

Nach § 21 Abs. 1 S. 1 GlüStV können Sportwetten als Kombinations- oder Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen erlaubt werden. Der Abschluss von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) ist gem. § 21 Abs. 4 S. 2, mit Ausnahme von Endergebniswetten (§ 21 Abs. 4 S. 3) unzulässig. Gegenstand einer Sportwette dürfen nur „Sportereignisse“ sein. Der Gesetzgeber hat allerdings offen gelassen hat, welche Veranstaltungen bzw. Tätigkeiten unter den Begriff des „Sportereignisses“ fallen.5 Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Vorstellungen, welche Tätigkeiten und Aktivitäten sich als „Sport“ begreifen lassen, einem stetigen Wandel und einer nicht unerheblichen Dynamik unterworfen sind, nicht unproblematisch. Es erscheint überzeugend, nur solche Veranstaltungen und Aktivitäten als „bewettbare Sportereignisse“ anzuerkennen, deren Gegenstand von der Rechtsprechung oder durch anerkannte europäische Interessenverbände als „Sport“ bestimmt werden.6

Unklar ist zudem bislang, ob unter den Begriff „Sportereignis“ auch der Ausgang einer Veranstaltung subsumiert werden kann, die aus einer Vielzahl von einzelnen Sportereignissen besteht. In Betracht kommt beispielsweise eine Wette auf den Sieger eines Turniers oder auf den Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen. Zwar hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden auf einzelne Sportereignisse abzustellen. Allerdings dürfte von derartigen Sportwetten aufgrund der Komplexität solcher Großveranstaltung und der Ergebnisfrequenz kein großes Gefahrenpotenzial für die, durch § 1 GlüStV intendierte Ziele, insb. Bekämpfung von Wettsucht und Schutz der Integrität des Sports, ausgehen.7 Eine Beschränkung hinsichtlich der bewettbaren Sportarten hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Während der staatliche Sportwettenanbieter ODDSET Sportwetten aus ca. zehn verschiedenen Sportarten anbietet, kann bei privaten Anbietern auf bis zu 90 Sportarten gewettet werden.8

Der Begriff der Sportwette hat mithin durch den GlüStV und die Rechtsprechung mittlerweile eine klare Konturierung erfahren. Die rechtliche Regulierung des Sportwetten-Marktes in Deutschland befindet sich hingegen, wie sich sogleich zeigen wird, weiterhin in einer Art „Dauerwarteschleife“ auf dem Weg zu seiner Liberalisierung.

2 . Vom staatlichen Monopol zur Liberalisierung – Die rechtliche Lage des Sportwetten-Marktes in Deutschland


Die rechtliche Lage des Sportwetten-Marktes hat sich in Deutschland in den zurückliegenden Jahren erheblich verändert. So waren Sportwetten früher, sofern sie überhaupt zulässig waren, in speziellen Sportwetten-Gesetzen oder in gemeinsamen Lotterie- und Sportwetten-Gesetzen der Länder geregelt. Jahrelang durften sogenannte ODDSET-Sportwetten nur durch die staatliche Lotterieverwaltung veranstaltet werden. Aufgrund dieser strafbewehrten Fernhaltung privater Anbieter (§ 284 StGB – Unerlaubte Veranstaltung eines Glückspiels) wurde von einem staatlichen Sportwetten-Monopol gesprochen.9 Begründet wurde der damit einhergehende Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der privaten Wettanbieter, mit der staatlichen Verantwortung die Wett- und Glücksspielsucht zu bekämpfen und eine manipulationssichere und zuverlässige Durchführung der Glücksspiele ohne eigenes Gewinnstreben zu gewährleisten.10

In dem sog. Sportwetten-Urteil vom 28. März 2006 stellt das Bundesverfassungsgericht11 klar, dass ein solches staatliches Sportwetten-Monopol mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Zur Begründung führte es an, dass ein solches Staatsmonopol nur dann rechtmäßig und mit Art. 12 Abs.1 GG vereinbar sei, wenn die mit dem Monopol bezweckten Ziele auch erreicht würden. Durch das Sportwetten-Monopol des Staates habe dieser insbesondere Wettsucht und problematisches Spielverhalten begrenzen und bekämpfen wollen. Die entsprechenden Vorschriften des Staatslotteriegesetzes sowie des Lotteriestaatsvertrages vom 1. Juli 2004 seien jedoch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet.12 Vielmehr enthalte das Staatslotteriegesetz keine entsprechenden materiell-rechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen, die dies hinreichend gewährleisten, so dass sich der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG als unverhältnismäßig darstelle.13

Für die hierfür erforderliche gesetzliche Neuregelung hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 gesetzt.14 Bereits Anfang des Jahres 2006 hatte sich eine aus Spitzenfunktionären des Sports und Vertretern einiger Landesregierungen bestehende Arbeitsgruppe unter dem Namen „Kommission Sportwetten“ für eine duale Glückspieleordnung ausgesprochen, und eine gesetzlich beschränkte Zulassung von privaten Sportwettenanbietern gefordert.15 Auch das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in seinem Urteil vom 28. März 2006 darauf hingewiesen, dass ein verfassungsmäßiger Zustand der Glücksspielregulierung „auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmen“ erreicht werden könne.16 Diese Vorschläge griff der am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Glücksspielvertrag allerdings nicht auf, so dass es zunächst bei der staatlichen Sportwetten-Monopolstellung blieb.

Durch das Urteil vom 8. September 201017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Praxis des deutschen Sportwetten-Monopols mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, sofern sie nicht dazu beiträgt, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.18 Fehle es an einer solchen konsequenten Bekämpfung der Spielsucht in Deutschland, beschränke das Sportwetten-Monopol den freien Dienstleistungsverkehr in unzulässiger Weise. Das selbstgesetzte Ziel der Suchtbekämpfung werde darüber hinaus durch zu viel Werbung für die Glücksspiele unterlaufen.19 Die Bundesländer wurden daraufhin zu einer gesetzlichen Neuregelung aufgefordert, welche mit dem Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster GlüÄndStV) geschaffen wurde. Der GlüÄndStV trat am 1. Juli 2012 in Kraft.20 Er enthält in § 10a...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2020
Reihe/Serie Juristische Zeitgeschichte / Abteilung 3
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Strafrecht
Schlagworte Betrug • Criminal Law • Fraud • German criminal code • Sports Betting • Sportwette • Strafgesetzbuch • Strafrecht
ISBN-10 3-11-068626-0 / 3110686260
ISBN-13 978-3-11-068626-5 / 9783110686265
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