II. Ablauf einer Unternehmensakquisition
13 Eine Unternehmensakquisition durchläuft regelmäßig verschiedene Phasen, die sich wie folgt darstellen lassen:
1. Strategische Planung
14 Der Erwerb eines Unternehmens kann grundsätzlich über eine Exklusivverhandlung, ein Auktionsverfahren, den Erwerb von Anteilen über die Börse oder über ein öffentliches Übernahmeangebot erfolgen.
15 Auf Erwerberseite ist die Befassung mit einer Unternehmensakquisition das Resultat einer strategischen Diskussion. Hierbei sind Unternehmensakquisitionen – gerade bei strategischen Investoren – eine von weiteren möglichen Alternativen. Gesellschaftsrechtlich sind die Vorstände von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von GmbHs grundsätzlich frei, welche Ziele sie definieren und welche Strategien sie zur Erreichung der Ziele festlegen.
3) Aus dieser Diskussion resultieren ebenfalls
strategische Ziele, die auch im weiteren Akquisitionsprozess zu beachten sind. Hierbei ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Akquisitionsmotive Unterschiede zwischen strategischen Investoren und Finanzinvestoren.
16 Bei
strategischen Investoren erfolgen erste unternehmens- und umweltbezogene Analysen und Prognosen (
strategische Diagnose). Im nächsten Schritt werden strategische Optionen definiert, um die festgelegten Ziele zu erreichen. Eine – und die im Weiteren betrachtete – Option kann dabei die Akquisition von Unternehmen sein, die jedoch auch immer im Vergleich zu der Alternative des eigenen Aufbaus eines Tochterunternehmens steht („
make or buy“). Als Nächstes wird eine Strategie ausgewählt. Kriterien hierfür sind Dauer der Implementierung, Ressourcenverfügbarkeit, Realisierung von Kostenvorteilen aus Skaleneffekten, Reversibilität der Entscheidung und Flexibilität, Öffentlichkeitswirkung, Machbarkeit sowie erforderlicher Kapitaleinsatz.
4) Nach Auswahl einer geeignet erscheinenden Strategie erfolgen die
Strategieimplementierung sowie deren Kontrolle.
17 Bei Finanzinvestoren kommt es zunächst zu der Formulierung einer Akquisitionsstrategie auf Basis der Anlagekriterien der Fondsinvestoren. Im Rahmen dieser auch als Asset Allocation bezeichneten Festlegung der Akquisitionsstrategie kommt es zu der Definition zwingend erforderlicher Anforderungen, damit ein möglicher Akquisitionskandidat auf der Basis der definierten Kriterien ausgewählt werden kann. Gerade bei institutionellen Investoren ist jedoch auch bereits in einer frühen Phase die Genehmigungsfähigkeit durch etwaige Aufsichtsgremien zu prüfen.
18 Hierbei haben sich bestimmte strategische Muster für Transaktionen aus Käufersicht herausgebildet, die in besonderem Maße zum Wertwachstum beitragen:
5) – Verbesserung der Leistungskraft des zu erwerbenden Unternehmens.
– Konsolidierung des Sektors, um Überschusskapazitäten vom Markt zu nehmen.
– Schaffung von Marktzugang für die Produkte des zu erwerbenden Unternehmens oder des Erwerbers.
– Akquisition von Fähigkeiten oder Technologien in größerer Geschwindigkeit oder zu geringeren Kosten, als diese Fähigkeiten oder Technologien im eigenen Hause generiert werden könnten.
– Nutzung der Skalierbarkeit des zu erwerbenden Unternehmens.
– Frühe Identifikation von künftigen Marktführern und Unterstützung bei der Entwicklung ihres Geschäftes.
19 Weitere, aber weitaus schwieriger, zu implementierende Strategien liegen darin:
6) – Eine fragmentierte Branche zu konsolidieren (Roll-up-Strategie).
– Konsolidierung einer Branche zur Verbesserung des Wettbewerbsverhaltens.
– Durchführung eines transformativen Mergers, bei dem beide Parteien durch das Zusammengehen verändert werden.
– Günstiger Einkauf von Unternehmen unter dem Marktpreis.
20 Das Verständnis der Motive und der gewählten Strategie des Erwerbers ist unerlässlich für die Due Diligence Phase und die künftige Verhandlung des Kaufvertrags.
2. Erste Gespräche
21 Der Beginn einer Transaktion hängt von der Art des Erwerbsweges ab. Bei der
Exklusivverhandlung findet die erste Kontaktaufnahme zwischen Veräußerer und Kaufinteressent häufig und bei
Auktionen in jedem Fall durch darauf spezialisierte M&A-Berater statt, insbesondere durch Investmentbanken.
7) Beim
Erwerb von Aktien an börsennotierten Gesellschaften wird es zu einem Kontakt zwischen Erwerbsinteressent und Ziel-AG bzw. Mehrheitsaktionär kommen, wenn die Transaktion im Zusammenwirken mit diesen Personen erfolgen soll („
friendly takeover“).
3. Teaser, Vertraulichkeitserklärung, Informationsmemorandum und Prozessbrief
22 Wird von der Veräußererseite ein M&A-Berater oder eine Investmentbank zur Koordination des Verkaufsprozesses eingeschaltet, so kommt es in der ersten Phase häufig noch zu keinem direkten Kontakt zwischen Veräußerer und Kaufinteressent,
8) vielmehr finden die ersten Sondierungsgespräche zwischen dem eingeschalteten M&A-Berater und dem potentiellen Vertragspartner statt.
9) 23 Typischerweise trifft der M&A-Berater auf der Grundlage seiner Marktkenntnisse und der mit dem Verkäufer besprochenen Kriterien eine Vorauswahl möglicher Kaufinteressenten und stellt diese in einer sog. „long list“ zusammen. Auf dieser Basis nimmt der M&A-Berater ersten Kontakt mit den möglichen Interessenten auf und erkundigt sich nach dem grundsätzlichen Interesse. Den möglichen Erwerbern, die erstes Interesse bekunden, wird eine Kurzinformation („teaser“) über das Zielunternehmensobjekt zugesandt. Zeigen die angesprochenen Personen daraufhin weiteres Interesse, werden sie vom M&A-Berater gebeten, eine Vertraulichkeitserklärung (Non-Disclosure Agreement, NDA) zu unterzeichnen.
24 Gegenstand einer solchen einseitigen Erklärung des Erwerbsinteressenten bzw. gegenseitigen Vereinbarung der potentiellen Kaufvertragsparteien ist die Verpflichtung – vor allem des Erwerbsinteressenten –, die ausgetauschten Informationen sowohl während als auch nach Abbruch der Vertragsverhandlungen geheim zu halten
10) und die gewonnenen Erkenntnisse nicht für andere Zwecke als die beabsichtigte Transaktion zu verwenden. Durch entsprechende Vereinbarung wird dabei üblicherweise der Kreis derjenigen Personen, die im Einflussbereich der jeweiligen Empfängerpartei tätig sind und die vertraulichen Informationen erhalten sollen, eingegrenzt und die Pflicht zur Verschwiegenheit auch auf Dritte (Berater, Finanzierungspartner etc.) ausgeweitet.
11) Jede Vertraulichkeitsvereinbarung sollte zudem genau definieren, was als vertrauliche Informationen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesehen wird.
12) Aus Verkäufersicht ist es weiterhin ratsam, exakt zu dokumentieren, was der Interessent erfahren und von wem er diese Informationen erhalten hat. In der Regel werden die vereinbarten Geheimhaltungsverpflichtungen durch hohe Vertragsstrafen abgesichert. Zulässig ist eine Informationsoffenlegung nur dann, wenn sie aufgrund gerichtlicher Anordnung oder gesetzlicher Verpflichtung, insbesondere aufgrund von Publizitätspflichten der empfangenden Partei, erfolgt. Ebenso wichtig sind die
zeitliche Nachwirkung der Vertraulichkeitspflicht für einen bestimmten Zeitraum über die Beendigung der Vertraulichkeitsvereinbarung (vor allem aufgrund Verhandlungsabbruchs) hinaus sowie die Verpflichtung, nach Wahl der offenlegenden Partei, die vertraulichen Informationen entweder zurückzugeben oder – soweit dies technisch möglich und unter Berücksichtigung ggf. bestehender gesetzlicher Aufbewahrungspflichten zulässig ist – zu vernichten.
13) 25 Dem nach Unterzeichnung der Vertraulichkeitserklärung verbleibenden Interessentenkreis („
short list“) wird ein Informationsmemorandum über die Zielgesellschaft zur Verfügung gestellt. Das
Informationsmemorandum fasst typischerweise Informationen über den Markt, die Organisation sowie die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zusammen. Der Kaufinteressent hat dabei zu berücksichtigen, dass das Informationsmemorandum ein Verkaufsdokument ist und der M&A-Berater sowie der Verkäufer die Haftung für den Inhalt dieses Dokuments regelmäßig so weit wie möglich ausschließen, sodass kein (stillschweigender) Auskunftsvertrag zustande kommt.
14) Der Inhalt dieses Dokuments und vor allem alle Sachverhalte, die nicht Gegenstand dieses Dokuments sind, sind deshalb vom Kaufinteressenten kritisch im Rahmen der Due Diligence zu überprüfen.
26 Ein wesentliches Dokument in einer Transaktion ist ebenfalls der von dem Verkäuferberater zur Verfügung gestellte Prozessbrief (Process Letter). Der Prozessbrief enthält neben Angaben zu den Prozessbeteiligten und dem angestrebten Zeitplan häufig auch bereits Angaben zu den vom Verkäufer geforderten Inhalten des indikativen Angebots. Hierzu zählen in der Regel:
– Angaben zum potentiellen...