Rechtssicher bauen und modernisieren (eBook)
160 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-72391-9 (ISBN)
16Die Spielregeln des Gesetzes und der VOB/B
Ein Besteller, der beabsichtigt zu bauen oder zu modernisieren, kommt nicht umhin, sich mit den Vorschriften auseinanderzusetzen. Diese befinden sich im gesetzlichen Werkvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und in einer weit verbreiteten Allgemeinen Geschäftsbedingung, der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B). Sofern der Besteller Verbraucher ist, spielt die VOB/B erfahrungsgemäß nur eine untergeordnete Rolle. Daher orientiert sich die vorliegende Darstellung primär am Werkvertragsrecht des BGB.
Das gesetzliche Werkvertragsrecht
Die bisherigen gesetzlichen Werkvertragsregelungen waren unpassend oder lückenhaft. Dies erklärt auch die erhebliche Bedeutung der VOB/B, die versucht, die Defizite des Gesetzes auszugleichen. Die Neuregelung betrifft alle Verträge, die ab dem 1.1.2018 zwischen Bestellern und Unternehmer geschlossen werden. Ältere Verträge unterliegen noch der Altfassung des BGB.
Das BGB sieht nun eine wesentlich stärkere Differenzierung des Werkvertragsrechts vor, wobei erstmalig ein Bauvertrag und ein Verbraucherbauvertrag geregelt wurden: Die Unterscheidung hat Bedeutung, welche zusätzlichen Regelungen gelten.
17Entscheidend ist, dass es für die Einordnung des Vertragstyps und die anzuwendenden Normen darauf ankommt, welche Parteien beteiligt sind und was die konkret geschuldete Leistung des Vertrages ist.
Dabei ist festzustellen, dass von dem allgemeinen „Werk“, das den einfachen Werkvertrag kennzeichnet, als Unterfall das „Bauwerk“ für den Bauvertrag geregelt wurde. Beim weiteren Unterfall des Verbraucherbauvertrages muss sich die Leistung nicht nur auf ein Bauwerk, sondern – noch enger – auf ein „Gebäude“ beziehen.
Unter einem Bauwerk im Sinne des Bauvertrages nach § 650a BGB versteht man eine „unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache“. Dieser Definition kann entnommen werden, dass der Begriff des „Bauwerks“ weiter geht als der Begriff des „Gebäudes“, der den Verbraucherbauvertrag kennzeichnet. Selbst eine Gartenmauer erfüllt die Begriffsdefinition des Bauwerks.
Die bloße Instandhaltung eines Bauwerks unterliegt nur dann den Regeln des Bauvertrags, wenn die Maßnahme für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.
Unter den Bauvertrag fallen Pflege, Wartungs- und Inspektionsleistungen, die der Erhaltung und/oder der Funktionsfähigkeit des Bauwerks dienen. Erfasst werden demnach Verträge zur Inspektion von Brandmeldeanlagen oder zur Pflege und Wartung von tragenden oder sonst für den Bestand eines Bauwerks wichtigen Teilen.
Sofern die Voraussetzungen des Bauvertrages nicht erfüllt sind, liegt allenfalls ein Werkvertrag vor. Dies bedeutet, dass 18die neuen Regeln zum Nachtrag zu Gunsten des Unternehmers nicht anwendbar sind.
Eigens dem Schutz des Verbrauchers dient der Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB. Sofern die Voraussetzungen für den Verbraucherbauvertrag vorliegen, d. h. der Besteller Verbraucher ist und es sich um den Bau eines neuen Gebäudes oder einer erheblichen Umbaumaßnahme an einem bestehenden Gebäude handelt, gelten eine Reihe von weiteren Sondervorschriften.
Definition Verbraucher
Verbraucher ist nach dem Gesetz jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zum Zwecke abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Folglich handelt auch ein Freiberufler, wie z. B. ein Arzt, als Verbraucher, wenn er ein privates Einfamilienhaus beauftragt. Wenn der betreffende Arzt für eine Praxis einen Auftrag erteilt, liegt kein Verbraucherbauvertrag vor, sondern lediglich ein Bauvertrag nach § 650a BGB.
Die bloße Verbrauchereigenschaft genügt aber nicht. Es muss sich zudem um Maßnahmen am Gebäude handeln. Der Begriff des Gebäudes ist enger als der Begriff „Bauwerk“. Ein neues Gebäude ist nach Maßgabe des Gesetzes ein Bauwerk, durch das ein Grundstück wesentlich umgestaltet wird. Folglich fallen Erneuerungs-, Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen an bestehenden Gebäuden sowie Bauwerke von untergeordneter Funktion, wie Carports oder Gartenschuppen, nicht unter den Begriff der Errichtung eines Gebäudes. Erhebliche Umbaumaßnahmen an einem 19bestehenden Gebäude sollen nur Maßnahmen sein, die so komplex sind, dass sie vom Ausmaß des Eingriffs dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind (z. B. Kernsanierung). Bloße Instandhaltung und Renovierungen eines Gebäudes genügen daher nicht, ebenso bloße Anbauten wie ein Wintergarten oder das Anbringen einer Wärmedämmfassade.
Der Verbraucherbauvertrag setzt weiter voraus, dass nicht nur Einzelleistungen mit verschiedenen Unternehmern beauftragt werden. Die Leistung soll „aus einer Hand“ eines Unternehmers erfolgen, was im Ergebnis bedeutet, dass der Verbraucherbauvertrag insbesondere beim Schlüsselfertigbau von Generalunternehmern seinen Anwendungsbereich hat.
Zu Einzelheiten und Besonderheiten des Verbraucherbauvertrages siehe S. 70.
Der VOB/B-Werkvertrag
Bei der VOB/B handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (= AGB), die Rechte und Pflichten der Beteiligten regeln. Da die VOB/B kein Gesetz ist, muss sie als AGB in den Vertrag einbezogen werden. Einbeziehung bedeutet, dass eine der Parteien auf die VOB/B Bezug nimmt, z. B. als Vertragsbestandteil im Vertrag erwähnt. Sofern der Unternehmer die VOB/B will, muss er zusätzlich den Text der VOB/B beifügen!
Grundsätzlich sind die Parteien frei in der Entscheidung, ob sie die VOB/B zur Grundlage des Werkvertrages machen, d. h. diese einbeziehen. Hiervon gibt es aber eine wichtige Ausnahme: Besteller, die Fördermittel erhalten, können dazu 20verpflichtet sein (z. B. Mittelstandsrichtlinien eines Bundeslandes), die VOB/B einzubeziehen.
Merke
Die VOB/B wird nicht Vertragsgrundlage, wenn sie nicht in den Vertrag einbezogen wurde.
Ist die VOB/B wirksam in einen Werkvertrag einbezogen, verdrängen bzw. ergänzen ihre Regelungen die werkvertraglichen Normen des BGB. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die gesetzlichen Regelungen überflüssig wären und nur die VOB/B alleine gilt.
Die rechtlichen Spielregeln für das Bauvorhaben ergeben sich quasi in einer „Zusammenschau“ des BGB und der VOB/B. Ein VOB-Vertrag bedeutet: BGB + VOB/B.
Unterschiede BGB – VOB/B
Mengenmehrungen/Mengenminderungen
Eine Besonderheit des VOB/B-Vertrages besteht darin, dass bei erheblichen Abweichungen von der ursprünglich vereinbarten Menge jede der Parteien verlangen kann, dass der Preis (Einheitspreis) angepasst wird. Die Grenze wird bei 10 % Abweichung nach oben oder unten bei der betreffenden Position des Vertrages angenommen.
21Einseitiges Anordnungsrecht des Bestellers
Die VOB/B sieht vor, dass der Besteller einseitig geänderte oder zusätzliche Leistungen gegenüber dem Unternehmer anordnen kann. Vorteilhaft für den Besteller ist es, dass der Unternehmer verpflichtet ist, ohne dass man eine gewisse Frist wahren muss, diese Leistung auszuführen. Der Unternehmer erhält aber auf Basis seiner Kalkulation automatisch einen Vergütungsanspruch, einen sog. Nachtrag, auch wenn noch keine Einigung mit dem Besteller vor Ausführung vorliegt. Die Höhe dieser Vergütung orientiert sich nicht an den tatsächlichen Kosten, sondern an den vom Unternehmer kalkulierten Kosten, was für Laien kaum nachvollziehbar ist.
Bauzeit, Bauzeitverzögerungen
Die §§ 5, 6 VOB/B enthalten detaillierte Regelungen zum Thema Ausführungsfristen und Bauzeitverzögerungen. Es ist geregelt, dass bei Unterbrechungen oder Behinderungen des Baus der Unternehmer gegenüber dem Besteller eine Behinderung anzuzeigen hat. Bei verzögerter Bauzeit hat der Unternehmer Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche.
Kündigungsrechte
Die VOB/B sieht in §§ 8, 9 VOB/B Kündigungsrechte sowohl für den Besteller als auch den Unternehmer vor. Im Gegensatz zum Gesetz werden dort Regelbeispiele für Kündigungsgründe genannt. Insgesamt ist festzuhalten, dass die VOB/B gegenüber dem BGB genauer regelt, wann eine Partei ein Kündigungsrecht hat.
22Die Abnahme
Die VOB/B enthält in § 12 VOB/B detaillierte Regelungen zur Abnahme. Dabei geht es um die Frage, ob das Werk des Unternehmers vertragsgerecht ist. Eine förmliche Abnahme in Form einer Abnahmeniederschrift ist geregelt. Darüber hinaus beinhaltet die VOB/B eine Reihe von fiktiven Abnahmesituationen. Damit ist gemeint, dass die VOB/B an bestimmte Ereignisse automatisch die Rechtsfolgen der Abnahme knüpft.
Teilt der Unternehmer dem Besteller mit, dass er mit der Leistung fertig ist, tritt automatisch nach Ablauf von 12 Werktagen die Wirkung der Abnahme ein.
Gleiches gilt, wenn der Besteller die Leistung oder einen Teil der Leistung in Benutzung nimmt. In diesem Fall gilt die Leistung nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt.
Diese Regeln sind besonders riskant für den Besteller, da die Rechtsfolgen der Abnahme erheblich sind. Umkehr der Beweislast bei Mängeln, Verjährungsbeginn und die Möglichkeit der Stellung...
Erscheint lt. Verlag | 6.9.2018 |
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Reihe/Serie | Beck kompakt |
Beck kompakt | Beck kompakt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Privatrecht / Bürgerliches Recht |
Schlagworte | Bauvertrag • Eigenheim • Handwerker • Renovierung • VOB |
ISBN-10 | 3-406-72391-8 / 3406723918 |
ISBN-13 | 978-3-406-72391-9 / 9783406723919 |
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