Der Einfluss der Erfahrung auf die tatrichterliche Sachverhaltsfeststellung (eBook)
576 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-11-026004-5 (ISBN)
It may seem odd to an outsider - but clearly obvious to the seasoned practitioner - that during criminal proceedings, it is not the law that is debated, but primarily the facts of the case. The reason for this lies in the nature of court proceedings: the judge passes ruling on an event that occurred in the past, and for which he/she was not present. The judge must acquire all knowledge indirectly through the process of hearing evidence. Disputes regarding the facts of the case and erroneous judgments are inevitable. With this work, the long overdue model of a rational determination of the facts of a case should also be developed.
Erik Kraatz, Freie Universität Berlin/Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
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Erik Kraatz, Freie Universität Berlin/Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Abkürzungsverzeichnis 17
Einführung 23
Erster Hauptteil: Der derzeitige Umgang mit Erfahrungssätzen in Rechtsprechung und Lehre 37
Erstes Kapitel: Ausgangslage: Die historische Entwicklung der Erfahrung als Mittel der (deutschen) strafprozessualen Beweiswürdigung und die Bildung der Anscheinsbeweisgrundsätze im Zivilprozess 37
A. Die Bedeutung der Erfahrung im historischen (deutschen) strafprozessualen Beweisverfahren 38
I. Der römische Strafprozess 39
II. Der altgermanische Strafprozess 46
III. Der kanonisch-italienische Strafprozess 51
IV. Der deutsche Strafprozess im Mittelalter 54
V. Der Strafprozess der Constitutio Criminalis Carolina 57
VI. Der reformierte deutsche Strafprozess 62
VII. Zwischenergebnis 68
B. Die historische Entwicklung des Anscheinsbeweises im Zivilprozess 70
I. Die Entwicklung des zivilprozessualen Beweisrechts bis zur Märzrevolution 71
II. Die Entscheidung des Ober-Appellations-Gerichts zu Lübeck vom 30. 12. 1856 76
III. Das Schiffskollisionsrecht unter der formellen Beweistheorie 78
IV. Die freie Beweiswürdigung und der Anscheinsbeweis im Seerecht 81
V. Parallele Entwicklungen im englischen Recht 88
VI. Die Übertragung des Anscheinsbeweises in das allgemeine Zivilrecht 93
C. Die Grundsätze des zivilprozessualen Anscheinsbeweises 98
I. Wesen 99
1. Ausgangspunkt: Das subjektive Beweismaß 100
2. Der Anscheinsbeweis als Beweislastumkehr 104
3. Der Anscheinsbeweis als Teil des materiellen Rechts 106
4. Der Anscheinsbeweis als Beweismaßreduzierung 108
5. Der Anscheinsbeweis als Beweiswürdigungsregel 110
II. Voraussetzungen 113
1. Der typische Geschehensablauf 113
a) Der Nachweis des Kausalzusammenhangs 115
b) Der Schuldnachweis 116
c) Sonstige Fälle des Anscheinsbeweises 119
d) Anscheinsbeweis und individuelle Umstände 120
aa) „Individualanscheinsbeweis“ 120
bb) Kein Anscheinsbeweis für individuelles Geschehen 123
2. Keine Entkräftung des Anscheines 124
III. Richterliche Überzeugung ohne Anscheinsbeweis 127
D. Die Übertragung des Anscheinsbeweises auf sonstige Rechtsgebiete 127
I. Der Anscheinsbeweis im Arbeitsgerichtsprozess 127
II. Der Anscheinsbeweis im Verwaltungsprozess 128
III. Der verfassungsprozessuale Anscheinsbeweis 132
IV. Der Anscheinsbeweis im Sozialverfahren 132
V. Der Anscheinsbeweis im finanzgerichtlichen Verfahren 133
VI. Der Anscheinsbeweis im Patentverfahren 135
Zweites Kapitel: Die Übertragbarkeit der Anscheinsbeweis-Grundsätze auf den Strafprozess 137
A. Die Anwendung von Erfahrungssätzen in der Rechtsprechung 137
I. Die Rechtsprechung bis 1950 138
1. Das Beweismaß 138
2. Die Anwendung von Erfahrungssätzen 142
a) Zwingende Erfahrungssätze 143
b) Statistische Erfahrungssätze 144
aa) Urteil des Reichsgerichts vom 16. 11. 1899 – JW 1900, 206 144
bb) Urteil des Reichsgerichts vom 1. 12. 1931 – RGSt. 67, 12 145
cc) Urteil des Reichsgerichts vom 21. 2. 1938 – RGSt. 72, 89 148
dd) Urteil des OLG Stuttgart vom 26. 5. 1948 – SJZ 1948, 615 149
ee) Urteil des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone vom 17. 8. 1948 – OGHSt. 1, 67 150
II. Die Rechtsprechung ab 1950 151
1. Das Beweismaß 152
2. Die Anwendung von Erfahrungssätzen 158
a) „Allgemeine Erfahrungssätze“ 159
b) Nicht allgemeine Erfahrungssätze 164
3. Grundsatz: Kein strafprozessualer Anscheinsbeweis 165
a) Entscheidungen der Strafgerichte 165
aa) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. 4. 1953 – BGHSt. 4, 182 166
bb) Urteil des Kammergerichts vom 25. 4. 1957 – VRS 13 (1957), 53 168
cc) Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 17. 12. 1965 – DAR 1966, 247 171
dd) Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. 8. 1974 – BGHSt. 25, 365 172
ee) Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. 10. 1975 – JMBl. NW 1976, 68 176
ff) Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 9. 7. 1982 – VRS 63 (1983), 277 177
gg) Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. 2. 1998 – NStZ-RR 1998, 267 178
hh) Beschluss des Kammergerichts vom 31. 8. 2001 – StV 2002, 412 179
ii) Beschluss des Landgerichts München I vom 12. 3. 2008 – MMR 2008, 561 180
b) Entscheidungen anderer Gerichte 181
aa) Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 4. 1991 – BVerfGE 84, 82 182
bb) Urteil des Bundesgerichtshofs (6. Zivilsenates) vom 5. 3. 2002 – NJW 2002, 1643 183
cc) Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. 12. 2003 – SozR 4-3800 § 1 Nr. 5 184
dd) Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. 10. 2003 186
c) Zwischenergebnis: Gesamtwürdigungslösung zur Wahrung des Schuldgrundsatzes 186
4. Alternative Lösungswege 190
a) Umgestaltung des materiellen Rechts durch den Gesetzgeber 191
aa) Gesetzliche Verdachtsstrafen im materiellen Gewand 191
bb) Tatsächliche Vermutungen 196
b) Umgestaltung des materiellen Rechts durch die Rechtsprechung 205
aa) Absenkung materieller Anforderungen durch Auslegung 206
bb) Tatsächliche Vermutungen 208
c) Alternativenausschlussmodell 209
d) Zwischenergebnis 211
B. Der Anscheinsbeweis im strafprozessualen Schrifttum 212
I. Das Beweismaß 212
II. Die Anwendung von Erfahrungssätzen 215
1. Zwingende Erfahrungssätze 216
2. Statistische Erfahrungssätze 216
a) Negierung eines strafprozessualen Anscheinsbeweises 217
aa) Verstoß gegen die Unschuldsvermutung 218
bb) Verstoß gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ 219
cc) Unzulässige Beweismaßabsenkung 225
dd) Kein Vollbeweis 227
ee) Aufbürden einer objektiv-materiellen Beweislast auf den Angeklagten 229
ff) Aufbürden einer Beweisführungslast auf den Angeklagten 232
gg) Kein Anscheinsbeweis bei willensgesteuertem menschlichen Verhalten 233
hh) Einschränkung der Freiheit der Beweiswürdigung 234
ii) Verstoß gegen den Grundsatz materieller Unmittelbarkeit 235
jj) Zwischenergebnis 236
b) Anerkennung der Grundsätze eines strafprozessualen Anscheinsbeweises 236
aa) Verhältnis zum Indizienbeweis 237
bb) Verzicht auf die Bezeichnung „Anscheinsbeweis“ 238
c) Alternativenausschlussmodell für den generellen Umgang mit statistischen Erfahrungssätzen 239
aa) Marxens Regelannahme-Modell in einer verfassungsrechtlichen Straftatlehre 239
bb) Freunds normatives Alternativenausschlussmodell 240
cc) Denckers Normalfallannahmen 241
dd) Christoph Markus Müllers normativ fundiertes Regelannahmemodell 242
C. Ergebnis 245
Zweiter Hauptteil: Das eigene beweisrechtliche System 247
Drittes Kapitel: Das strafprozessuale Beweismaß 249
A. Übertragbarkeit der zivilprozessualen Regelung 251
B. Die Auslegung des § 261 StPO 254
I. Die normtextorientierte Auslegung 255
1. Der Beweisbegriff der Strafprozessordnung 255
2. Das Verhältnis zu § 244 StPO 257
a) Eine sozialpsychologische Einheit 258
b) Spannungsverhältnis 263
3. Beweisadressat und Folgerungen für das Beweismaß 269
4. Begriff der freien richterlichen Überzeugung 271
a) Überzeugung 271
b) „Seine“ Überzeugung 272
c) „Freie“ Überzeugung 272
5. Gegenstand der Überzeugung: Wahrheit 273
6. Zwischenergebnis 274
II. Die teleologische Auslegung 275
1. Wahrheit als ein Ziel des Strafverfahrens 276
2. Der Wahrheitsbegriff der Strafprozessordnung 280
3. Die Entscheidungsmacht des Richters und seine Bindungen 288
a) Gesetzesbindung 288
aa) Bindungen bei der Informationssammlung und „prozessuale Wahrheit“ 289
bb) Bindungen bei der Informationsbewertung 297
b) Soziologische und psychologische Bindungen 298
c) Kritik am reinen Subjektivismus 301
4. Weitere Einschränkungen subjektiver Entscheidungsfindung 304
a) Normative Beweistheorien 305
aa) Das Entscheidungsnormensystem von Freund 305
bb) Das Verhaltensnormensystem von Stein 308
cc) Kritik 309
b) Eine überzeugungersetzende Wahrscheinlichkeit 311
aa) Das schwedische Modell 312
bb) Übertragung ins deutsche Recht 317
cc) Hoyers Wahrscheinlichkeitsmodell 319
dd) Kritik 321
c) Ein Drittkontrollmodell 324
d) Eine überzeugungsergänzende Wahrscheinlichkeit 328
e) Eine normative Beschränkung der Nichtbezweifelbarkeit 331
aa) Philosophische Zweifel, nichts zu wissen 333
bb) Abstrakt-theoretische Zweifel 333
cc) Konkrete Zweifel 334
f) Kontrolle durch objektive Nachvollziehbarkeit 335
g) Richterliche Begründungspflichten nach dem Bundesverfassungsgericht 342
h) Richterliche Begründungspflichten nach dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 345
C. Ergebnis 347
Viertes Kapitel: Ein eigenes Modell der tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellung: Ein prozessuales Ausgangshypothese-Ausnahme-Modell 349
A. Indizien als Schlussbasis 349
I. Der Indizienbeweis als Regelbeweis 349
II. Prozessordnungsgemäße Feststellung 352
B. Verständnis der Beweismittelaussagen 354
I. Sprachregeln 354
II. „Erklärende Erfahrungssätze“ 356
C. Mittel der Bewertung von Beweismittelaussagen 359
I. Gesetzliche Beweisregeln 359
1. Praesumtiones iuris et de iure 360
a) § 190 StGB 360
aa) § 190 S. 1 StGB 362
bb) § 190 S. 2 StGB 364
b) § 274 StPO 365
2. Praesumtiones iuris 366
a) Regelbeispiele 366
b) § 69 Abs. 2 StGB 368
c) §§ 1592 Nr. 1 und 1600 c Abs. 1 BGB 369
II. Erfahrungssätze 371
1. Abgrenzung zu anderen Rechtskonstrukten 372
a) Abgrenzung zu den Tatsachen 373
aa) Der Begriff der „Tatsache“ 373
bb) Die Strukturverschiedenheit zu den Erfahrungssätzen 375
b) Abgrenzung zu den Denkgesetzen 377
c) Abgrenzung zu den Rechtsnormen 378
2. Die Arten von Erfahrungssätzen 380
a) Zwingende Erfahrungssätze 381
b) Statistische Erfahrungssätze 381
3. Die Bewährung von Erfahrungssätzen 382
a) Zwingende Erfahrungssätze 383
aa) Einheitliche Anerkennung in der Fachwissenschaft 386
bb) Fehlende einheitliche Anerkennung in der Fachwissenschaft 387
b) Statistische Erfahrungssätze 387
aa) Einheitlicher Fachkonsens 389
bb) Umstrittener empirischer Zusammenhang 390
cc) Fachlich noch unbehandelter Zusammenhang 392
D. Erfahrungssätze in der Beweisaufnahme 394
I. Beweisfähigkeit 394
II. Beweisbedürftigkeit 398
1. Allgemeinkundigkeit 399
a) bei Tatsachen 399
b) bei Erfahrungssätzen 401
2. Gerichtskundigkeit 403
a) bei Tatsachen 403
b) bei Erfahrungssätzen 404
3. Prozessuale Bedeutungslosigkeit der Offenkundigkeit von Erfahrungssätzen 405
4. Eigene Sachkunde 410
III. Wissensvermittlung durch den Sachverständigen 416
E. Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall 419
I. Schlüsse mit zwingenden Erfahrungssätzen 419
II. Schlüsse mit statistischen Erfahrungssätzen 421
1. Beachtung einer konkreteren Teilklasse 422
2. Bildung eines Gesamterfahrungssatzes beim Beweisring 423
a) Die Produktregel 425
aa) Unabhängigkeit der Indizien 428
bb) Ableitung einer Belastungswahrscheinlichkeit? 429
b) Das Bayes-Theorem 430
c) Zwischenergebnis 433
3. Auswirkungen einer Beweiskette 433
4. Das Alternativenausschlussverfahren 434
a) Verdachtshypothese als Ausgangspunkt 436
aa) Likelihood-Vergleich 436
bb) Die Nullhypothese bei der Glaubhaftigkeitsbeurteilung 439
cc) Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen 440
dd) Darstellung in den Urteilsgründen 442
b) Gesamtwürdigung 442
aa) Widerspruchslosigkeit 443
bb) Verstoß gegen Faktenwissen 444
cc) Verstoß gegen als wahr unterstellte Tatsachen 446
dd) Verstoß gegen einen Schluss mit zwingendem Erfahrungssatz 447
ee) Verstoß gegen einen Schluss mit statistischem Erfahrungssatz 447
ff) Darstellung in den Urteilsgründen 449
gg) Zwischenergebnis 450
c) Subjektive Nichtbezweifelbarkeit 451
aa) Abstrakt-theoretische Zweifel 452
bb) Konkrete Zweifel 453
cc) Verteilung des Fehlverurteilungsrisikos und Verteidigungsvorbringen 454
F. Der Umgang mit Beweislücken: Die Situation des „Anscheinsbeweises“ 458
I. Fallgruppe „Kausalität“ 461
II. Fallgruppe „Innere Tatseite“ 468
1. Der Vorsatznachweis 469
a) Tötungsvorsatz 472
b) Zu weiteren Deliktsvorsätzen 479
aa) Der Vorsatz eines erfolgten Unfalls (§ 142 StGB) 479
bb) Der Wegnahmevorsatz (§ 242 StGB) im Kaufhaus 480
cc) Der Vorsatz auf die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung (§ 249 StGB) 480
dd) Der Vorsatz einer erfolgten rechtswidrigen Vortat (§ 259 StGB) bei eBay-Versteigerungen 481
ee) Der Vorsatz einer Inbrandsetzung (§§ 306 ff. StGB) 481
ff) Der Vorsatz einer Fahruntüchtigkeit (§ 316 StGB) 481
gg) Der Vorsatz einer Rauschtat (§ 323 a StGB) 482
hh) Der Vorsatz eines Betäubungsmitteltransports 483
ii) Der Vorsatz einer Verkehrsordnungswidrigkeit 483
2. Der Nachweis der Vorhersehbarkeit bei der Fahrlässigkeit 484
III. Fallgruppe „Schuld“ 489
IV. Fallgruppe „Täterfähigkeiten“ 496
Gesamtergebnis 499
A. Die Erfahrung als Grundlage menschlicher Entscheidungsfindung 499
B. Das strafprozessuale Beweismaß 501
C. Schlüsse mit Erfahrungssätzen 503
Literaturverzeichnis 509
Sachverzeichnis 567
Erscheint lt. Verlag | 27.10.2011 |
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Verlagsort | Berlin/Boston |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► EU / Internationales Recht |
Recht / Steuern ► Strafrecht ► Strafverfahrensrecht | |
Schlagworte | Criminal Law • Strafrecht |
ISBN-10 | 3-11-026004-2 / 3110260042 |
ISBN-13 | 978-3-11-026004-5 / 9783110260045 |
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