Normenhierarchie im Arztrecht (eBook)
XVI, 357 Seiten
Springer Berlin (Verlag)
978-3-540-27643-2 (ISBN)
Ausgehend von den rechtstheoretischen Grundlagen und den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Normenhierarchie werden sämtliche Regelungen mit ärztlichem Bezug auf ihre Rechtswirkungen hin untersucht. Von den Vorgaben des Völker- und Europarechts über Gesetze und Rechtsverordnungen bis zum Standesrecht, von den Veröffentlichungen der Bundesärztekammer und der medizinischen Fachgesellschaften über die Regelungen des Vertragsarztrechts bis zu Fragen der ärztlichen Ethik und des medizinischen Standards wird das gesamte Gebiet des Arztrechts praxisbezogen systematisiert.
Vorwort 6
Inhaltsübersicht 8
Inhaltsverzeichnis 10
Abkürzungsverzeichnis 16
Erstes Kapitel: Einleitung 18
I. Ziel der Untersuchung 18
II. Gegenstand der Untersuchung 22
III. Gang der Untersuchung 24
Zweites Kapitel: Rechtstheoretische Grundlagen 26
I. Der juristische Begriff der Rechtsquellenlehre 26
II. Das Recht als staatlich-normative Ordnung 31
1. Der Begriff der Rechtsnorm als Ausgangspunkt der Betrachtung 31
2. Recht als zwangsweise durchsetzbare sanktionierte Normenordnung 33
3. Die Staatlichkeit des Rechts 42
4. Zusammenfassung 72
III. Die Struktur der Rechtsordnung 73
1. Die Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung 75
2. Die Irrelevanz sonstiger Normkategorien 81
IV. Fazit 85
Drittes Kapitel: Die Rechtsordnung nach den Vorgaben des Grundgesetzes 88
I. Stufenbaulehre und Grundgesetz 88
1. Das Grundgesetz als Verfassung der Bundesrepublik Deutschland 88
2. Die Rangordnung der Rechtsquellen in Bund und Ländern 92
3. Die Übernahme weiterer rechtstheoretischer Prinzipien durch das Grundgesetz 98
II. Die Rechtsquellenhierarchie im grundgesetzlichen Bundesstaat 99
1. Das Verhältnis von Bund und Ländern nach dem Grundgesetz 99
2. Staatlichkeit der Länder versus Stufenbau des Rechts 102
3. Lösungsansätze im Schrifttum 104
4. Der divergierende Staatsbegriff nach dem Grundgesetz und nach der Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung 109
5. Zusammenfassung 112
III. Der Einfluß überstaatlicher Rechtsnormen auf das nationale Recht 113
1. Das Völkerrecht 115
2. Das Gemeinschaftsrecht 131
IV. Inkorporations- und Einflußmöglichkeiten außerhalb eines Ermächtigungszusammenhangs entstandener Normen auf das Recht 140
1. Verweisungen des Rechts auf nichtrechtliche Normen 141
2. Der Einfluß außerrechtlicher Normen auf die Bildung von Gewohnheitsrecht 142
3. Die Rolle außerrechtlicher Normen bei der Konkretisierung von Generalklauseln im Wege der Rechtsanwendung 143
4. Standard und Stand von Wissenschaft und Technik 146
V. Fazit 147
Viertes Kapitel: Die Hierarchie arztrechtlicher Normen 150
1. Abschnitt. Unmittelbar staatlich gesetzte Regelungen 150
I. Europarechtliche Vorgaben 150
1. Ermächtigungen der Gemeinschaft in den Gründungsverträgen 151
2. Europäisches Sekundärrecht 154
3. Zusammenfassung 156
II. Völkerrechtliche Bindungen auf dem Gebiet des Arztrechts 156
1. Überblick über geltende völkerrechtliche Verträge 156
2. Die UNESCO-Deklaration über das menschliche Genom 157
3. Die Menschenrechtskonvention des Europarates zur Biomedizin 158
4. Zusammenfassung 160
III. Gesetze und Rechtsverordnungen des Bundes und der Länder 160
1. Regelungskompetenzen des Bundes nach dem Grundgesetz und ihre Inanspruchnahme durch den Bundesgesetzgeber 160
2. Ermächtigungen in den Bundesgesetzen 164
3. Sonstige bundesgesetzliche Normen mit arztrechtlichem Bezug 165
4. Gesetze und Verordnungen des Freistaates Sachsen 166
IV. Fazit 167
2. Abschnitt. Die Standesnormen öffentlich-rechtlicher Normsetzer 168
I. Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit der Ärzteschaft als Anknüpfungspunkt autonomer Regelungsbefugnisse 169
II. Die Sächsische Landesärztekammer und ihre Normen 172
1. Organisation, Organe und Gremien der Sächsischen Landesärztekammer 172
2. Die Satzungen der Landesärztekammer 172
3. Sonstige Normarten der Landesärztekammer 178
III. Rechtsgrundlagen der Ethikkommissionen 182
IV. Fazit 184
3. Abschnitt. Normsetzung durch privatrechtliche Organisationen 184
I. Regelungsbefugnisse staatlich nicht legitimierter Organisationen 185
II. Normen der Bundesärztekammer 188
1. Rechtsnatur, Organe und Gremien der BÄK 188
2. Zur Verbindlichkeit der Normen der BÄK 190
3. Sonderfälle einer gesetzlichen Ermächtigung der BÄK 197
III. Der Weltärztebund und die Deklaration von Helsinki 204
IV. Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften und der ÄZQ 207
V. Fazit 209
4. Abschnitt. Untergesetzliche Normsetzung im Vertragsarztrecht 210
I. Organisations- und Normstrukturen des Vertragsarztrechts 210
II. Verfassungsrechtliche Bedenken 215
1. Die Rechtsnatur der untergesetzlichen Normen im Vertragsarztrecht 216
2. Die demokratische Legitimation der Normsetzer 220
3. Rechtsstaatliche Anforderungen 247
4. Bundesstaatliche Anforderungen 249
5. Anforderungen an dynamische Verweisungen 250
6. Zur Vereinbarkeit des Vertragsarztrechts mit dem Kartellrecht 252
III. Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Defizite 253
1. Von den Körperschaften in eigener Verantwortung erlassene Normen 253
2. Die Normsetzungsverträge 254
3. Die Richtlinien des Bundesausschusses 254
4. Unbedenkliche Regelungsformen 258
IV. Das Verhältnis des Vertragsarztrechts zu anderen Regelungsbereichen 260
V. Fazit 261
5. Abschnitt. Der Einfluß nichtrechtlicher Normen auf das Arztrecht 264
I. Die ärztliche Ethik als Normensystem ohne unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit 264
II. Einflußmöglichkeiten nichtrechtlicher Normen auf das Arztrecht 267
1. Beispiele für Verweisungen des Rechts auf nichtrechtliche Normen 268
2. Der Einfluß von Standesnormen bei der Ausfüllung von Generalklauseln 269
3. Der Standardbegriff in der Medizin 270
4. Die Eignung von Leitlinien zur Dokumentation des medizinischen Standards 274
5. Dokumentationen der guten klinischen Praxis 278
6. Zur rechtlichen Wirkung schriftlicher Niederlegungen von Standards als antizipierte Sachverständigengutachten 281
III. Fazit 284
Fünftes Kapitel: Ergebnis 286
I. Zusammenfassung 286
II. Abschließende Betrachtung 288
III. Die Hierarchie arztrechtlich relevanter Normarten 290
Anhang 296
Anhang A – Europarechtliche Normen auf dem Gebiet des Arztrechts 296
I. Regelungen des ärztlichen Ausbildungs- und Niederlassungsrechts 296
II. Arzneimittelrechtliche Regelungen 297
III. Regelungen in Bezug auf Drogenmißbrauch und Suchtprävention 301
IV. Regelungen in Bezug auf Doping 304
V. Regelungen mit epidemiologischen Bezug 304
VI. Regelungen im Bereich der Aktionsprogramme der europäischen Gemeinschaft 305
VII. Regelungen über Bluttransfusionen und Blutprodukte 306
VIII. Regelungen weiterer Einzelmaßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes 307
IX. Regelungen von allgemeiner gesundheitsrelevanter Natur 308
Anhang B – Völkerrechtliche Verträge auf dem Gebiet des Arztrechts 309
I. Allgemein gesundheitsrelevante Abkommen 309
II. Organisatorische und verwaltungstechnische Abkommen 310
III. Abkommen im Bereich des Arzneimittelrechts 310
IV. Abkommen über die ärztliche Betreuung von Seeleuten 310
V. Zweiseitige Verträge 310
Anhang C – Bundesrechtliche Vorschriften 311
I. Allgemeine Regelungen des Gesundheitswesens 311
II. Organisatorische Regelungen 311
III. Betäubungsmittelrecht (ohne Grundstoffüberwachungsrecht) 312
IV. Regelung der Werbung im Heilwesen 312
V. Arzneimittel- und Medizinprodukterecht 312
VI. Regelungen zur Gentechnik 315
VII. Regelung der Heilberufe 316
VIII. Krankheitsbekämpfung und Impfwesen 317
IX. Regelungen in Bezug auf das Rote Kreuz 318
Anhang D – Landesrechtliche Vorschriften des Freistaates Sachsen 318
I. Allgemeine Regelungen 318
II. Rettungsdienstwesen 319
III. Krankenhauswesen 319
IV. Berufsrecht 320
V. Sozialrecht 320
Anhang E – Untergesetzliches Standesrecht 320
I. Normen der Landesärztekammer Sachsen 320
II. Satzungen und Geschäftsordnungen ausgewählter Ethikkommissionen 322
Anhang F – Normen der Bundesärztekammer und ihrer Gremien 323
I. Organisatorische Regelungen 323
II. Inhaltliche Regelungen 324
Anhang G – Untergesetzliche Normsetzung im Vertragsarztrecht 333
I. Bundesgesetze 333
II. Rechtsverordnungen 335
III. Ermächtigungen zur Normgebung durch Satzungsrecht 338
IV. Weitere Ermächtigungen zu eigenständigen Regelungen 338
V. Normsetzungsverträge 339
VI. Normsetzung durch verselbständigte Stellen 342
Literaturverzeichnis 346
Drittes Kapitel: Die Rechtsordnung nach den Vorgaben des Grundgesetzes (S. 71-72)
In diesem Kapitel bleibt zu prüfen, inwieweit das Grundgesetz die Ansichten der Lehre vom Stufenbau des Rechts in die von ihm konstituierte Rechtsordnung übernimmt (I.). Ebenso ist zu klären, welchen Einfluß andere Normenordnungen auszuüben vermögen, insbesondere, ob die Verfassungen der Bundesländer (II.) oder die Vorgaben des Völker- und Europarechts (III.) einer hierarchisch geordneten Rangfolge aus Rechtsnormen und Rechtsetzungsermächtigungen entgegenstehen. Schließlich bleibt darauf einzugehen, wie die nicht in einem rechtlichen Ableitungszusammenhang stehenden Normen gleichwohl in die Rechtsordnung des Grundgesetzes inkorporiert werden können (IV.).
I. Stufenbaulehre und Grundgesetz
Nachdem das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auf seine Tauglichkeit als höchster positiver Normenkomplex der deutschen Rechtsordnung untersucht wurde (1.), kann anhand der verfassungsrechtlichen Vorgaben geklärt werden, ob die Theorie vom Stufenbau des Rechts in dieser Rechtsordnung eine positivrechtliche Bestätigung erfährt (2.). Abschließend bleiben einige weitere der angesprochenen rechtstheoretischen Erkenntnisse auf ihre Übernahme in die deutsche Rechtsordnung zu überprüfen (3.).
1. Das Grundgesetz als Verfassung der Bundesrepublik Deutschland
In den Verhältnissen zur Zeit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wird zuweilen ein „Anlaß zu gewichtigen Zweifeln an der Verfassungsqualität des Grundgesetzes" erblickt.1 Mangels einer eigens einberufenen verfassungsgebenden Nationalversammlung bzw. einer Volksabstimmung über die Annahme des Grundgesetzes als Verfassung, aber auch aufgrund der fehlenden Souveränität der deutschen Staatsgewalt infolge des Besatzungsstatuts und der Tatsache, daß der Parlamentarische Rat nur einen Teil des deutschen Volkes vertreten konnte, wird die in der Präambel zu findende Bezugnahme auf die verfassungsgebende Gewalt der Deutschen nicht als sonderlich glaubwürdig angesehen.
Aufgrund dieser Gegebenheiten sprechen auch heute noch Stimmen aus dem Schrifttum von einem „fortwirkenden Legitimationsmangel", der auch durch 40 Jahre Akzeptanz des Grundgesetzes nicht geheilt werden könne, da bislang kein „Akt souveräner verfassungsgebender Gewalt des Volkes" vorliege.3 Andere erblicken dagegen in den Bundestagswahlen von 1949, spätestens aber in der Wahl von 1953 eine hinreichend deutlich gewordene Zustimmung der Bevölkerung, welche die Legitimität des Grundgesetzes außer Frage gestellt habe.
Es erscheint indessen fraglich, welches Ziel mit der Thematisierung der Legitimität einer Verfassungsgebung erreicht werden soll. Hier entsteht der Eindruck, die Etablierung einer Rechtsordnung sei nach Ansicht der entsprechenden Autoren rechtfertigungsbedürftig. Bei diesem Vorhaben kann es sich allerdings nur um eine außerrechtliche – zum Beispiel moralische – Rechtfertigung einer Verfassung und der von ihr geschaffenen Normenordnung handeln, nicht aber um ein juristisch faßbares Merkmal.
Denn oberhalb einer als höchste positive Norm verstandenen Verfassung kann es keine rechtlichen Vorgaben oder Bindungen mehr geben. Aus rechtlicher Sicht ist nach den bislang herausgearbeiteten Kriterien deshalb allein entscheidend, ob eine Verfassung und die von ihr konstituierte Rechtsordnung wirksam ist und sich durchzusetzen vermag. Die unter dem Stichwort der Legitimität einer Verfassung ins Felde geführten Argumente sind nur ein Hilfsmittel, um über die Akzeptanz in der Bevölkerung die Durchsetzungsfähigkeit der verfassungsmäßigen Ordnung zu erhöhen.
Das entscheidende Merkmal für die Geltung der Verfassung bleibt daher ihre Wirksamkeit im Sinne einer tatsächlichen Durchsetzbarkeit der von ihr konstituierten Rechtsordnung. Auch diese erscheint jedoch bei Erlaß des Grundgesetzes im Hinblick auf die Qualität der deutschen Staatsgewalt fraglich: Die Siegermächte hatten seit dem 5. Juni 1945 eine „supreme authority" über Deutschland beansprucht, sie waren darüber hinaus zu ihrer Durchsetzung in der Lage.
Erscheint lt. Verlag | 28.12.2005 |
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Reihe/Serie | MedR Schriftenreihe Medizinrecht | MedR Schriftenreihe Medizinrecht |
Zusatzinfo | XVI, 357 S. |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie |
Recht / Steuern ► Öffentliches Recht ► Verfassungsrecht | |
Schlagworte | Ärzte • Ärztekammer • Arztrecht • Bundesärztekammer • Medizinrecht • Normentheorie • Rechtstheorie • Verfassungsrecht • Vertragsarzt • Vertragsarztrecht |
ISBN-10 | 3-540-27643-2 / 3540276432 |
ISBN-13 | 978-3-540-27643-2 / 9783540276432 |
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