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Mit Pflanzen die Welt retten (eBook)

Grüne Lösungen gegen den Klimawandel | Nominiert für den NDR Sachbuchpreis 2024 (Longlist)
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
288 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-7558-1054-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mit Pflanzen die Welt retten -  Bernhard Kegel
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Die Erde heizt sich auf. Sie tut dies in beispielloser Geschwindigkeit. Nicht wenige verfallen als Folge in Fatalismus und Agonie, doch es gibt Hoffnung: Ohne zu beschönigen, versammelt Bernhard Kegel alle technischen und biologischen Möglichkeiten, um diese katastrophale Entwicklung zu stoppen. Denn es wird nicht reichen, unseren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren oder sogar einzustellen. Wir können die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung nur dann abwenden, wenn wir der Erdatmosphäre zusätzlich in großen Mengen CO2 entziehen und in irgendeiner Weise klimaunwirksam lagern. Genau das leistet die Fotosynthese, darüber hinaus ist sie ungefährlich und lange erprobt. Das Spektrum möglicher Maßnahmen und Einsatzfelder ist groß und reicht von der Wiedervernässung und Revitalisierung der Moore über Algenfarmen, die Optimierung der Fotosynthese von Nutzpflanzen und das Bauen mit Holz bis hin zum künstlichen Blatt als Wasserstoff- und Energielieferant. Licht und Fotosynthese haben höheres Leben möglich gemacht und geformt, jetzt könnten sie helfen, es vor einer seiner schwersten Krisen zu bewahren.

BERNHARD KEGEL, geboren 1953 in Berlin, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin, danach Forschungstätigkeit, Arbeit als ökologischer Gutachter und Lehrbeauftragter. Seit 1993 veröffentlichte er zahlreiche Romane und Sachbücher. Bernhard Kegels Bücher wurden mit mehreren Publizistikpreisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei DuMont >Ausgestorben, um zu bleiben< (2018) und >Die Natur der Zukunft< (2021). Der Autor lebt in Berlin.

1
Stoffflüsse und Zyklen


Über die Berge hob sich die Sonne, leuchtete in klarer Majestät in ein freundliches, aber enges Tal und weckte zu fröhlichem Leben die Geschöpfe, die geschaffen sind, an der Sonne ihres Lebens sich zu freuen.1

So beginnt die berühmte Novelle Die schwarze Spinne von Jeremias Gotthelf, erschienen im Jahr 1842 – ein Satz, der ungeachtet der grausigen Geschichte, die der Schweizer Schriftsteller erzählt, sofort Urlaubsgefühle weckt und gute Laune macht.

Aber wer ist hier gemeint? »Geschöpfe, die geschaffen sind, an der Sonne ihres Lebens sich zu freuen« – sind wir das nicht alle? Die Menschen auf jeden Fall, Lichtmangel schlägt uns aufs Gemüt. Aber dieses »wir alle« ist umfassender gemeint. Es schließt alles ein, was kreucht und fleucht, fast die gesamte Tierwelt der Erde.

Pflanzen hatte Gotthelf wohl nicht im Blick; das »fröhliche Leben«, von dem er spricht, ist ihre Sache eher nicht, dabei gilt der Satz für sie im Besonderen. Die im Licht des beginnenden Tages jubilierende Vogelschar, die Fuchsfähe, die in der Morgensonne aufmerksam über das Spiel ihrer Welpen wacht, die Libellen, die pfeilschnell über die im Morgenlicht glitzernde Wasseroberfläche schießen – ohne Pflanzen gäbe es das alles nicht. Sie sind es, die die Strahlung der Sonne als Energiequelle anzapfen und so ein fröhliches Treiben überhaupt erst möglich machen. Durch das Wunder der Photosynthese. Nur Pflanzen und einige Bakterien sind dazu in der Lage – man kann es gar nicht oft genug betonen.

Strahlung, die nicht genutzt wird, ist für immer verloren, aber die Sonne liefert zuverlässig und unaufhörlich, und dank eines evolutionären Geniestreichs reicht Pflanzen nur 1 Prozent dieser Strahlungsenergie, um mithilfe von chemischen Verbindungen aus Luft und Boden Biomasse aufzubauen, zu wachsen und die eigenen Lebensprozesse zu unterhalten. Sie sind die sogenannten Primärproduzenten, und ihre wichtigsten chemischen Baustoffe sind CO2 und Wasser.

Man nennt diese Lebensweise »photoautotroph«, was so viel heißt wie: sich mithilfe von Licht selbst ernährend. Entwickelt hat sie sich nicht erst mit den ersten Pflanzenzellen, sondern lange vorher, in einer Zeit, in der auf der Erde ausschließlich Bakterien und Archaeen lebten, einzellige Organismen ohne Zellkern.2 Die Entdeckung, dass sich die Strahlung der Sonne zur Energiegewinnung nutzen lässt, scheint schon kurz nach der Entstehung des Lebens erfolgt zu sein, vor etwa vier Milliarden Jahren, aber erst eine bis anderthalb Milliarden Jahre später entwickelten die Cyanobakterien eine Form der Photosynthese, bei der Wasser genutzt und Sauerstoff freigesetzt wird, die sogenannte oxygene Photosynthese – eine Innovation mit dramatischen Konsequenzen. Die Entstehung echter Landpflanzen vor etwa 475 Millionen Jahren lag da noch in ferner Zukunft.

Schon Cyanobakterien, die überwiegend im Wasser leben, begannen, an Land mikrobielle Matten zu bilden, und veränderten so das Erscheinungsbild der Erde. Viel drastischere Effekte bewirkte aber der von ihnen zu Lande und zu Wasser produzierte Sauerstoff. Es dauerte sehr lange, bis er in der Atmosphäre ankam und sich dort anreicherte. Irgendwann wurde aber eine kritische Schwelle überschritten, und dieses für uns so lebenswichtige Gas stürzte die Welt in ein beispielloses Chaos, und zwar in die »Große Sauerstoffkatastrophe« (great oxygenation event, GOE) vor etwa 2,4 Milliarden Jahren. Einzellige Organismen, die seit Urzeiten an eine sauerstofffreie Umwelt gewöhnt waren, sahen sich mit stetig steigenden Konzentrationen eines reaktiven und für sie giftigen Stoffes konfrontiert, der völlig neue Bedingungen schuf. Die Folge war nicht nur das wahrscheinlich größte Massenaussterben der Erdgeschichte, der Sauerstoff oxidierte auch das in der Atmosphäre viel höher als heute konzentrierte Methan, ein potentes Treibhausgas. Da damals auch die vulkanischen Aktivitäten nachließen und dadurch keine größeren Mengen an Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre gelangten, fiel langsam die Temperatur, und die Erde erstarrte in einer Folge von Kaltzeiten, die als »huronische Vereisung« bekannt sind. Die Gletscher reichten mindestens bis in die Subtropen. Gleichzeitig begann ein vollkommen neues Kapitel in der Geschichte des Lebens. So viel zur Macht der Photosynthese.

Ihre Biomasse machte Pflanzen selbst zu einer interessanten Ressource, zur Nahrung und nachwachsenden Energie- und Kohlenstoffquelle für Lebensformen, die nicht zur photosynthetischen Selbstversorgung fähig sind: für Tiere. Zweifellos wären Pflanzen auch weiterhin ohne diese Plagegeister zurechtgekommen, doch die Evolution fragt nicht um Erlaubnis, bevor sie Neues schafft. Sie belohnt diejenigen, die sich ungenutzte Ressourcen erschließen. Was ohne Tiere aus den friedlichen Urpflanzen geworden wäre, mag sich ausmalen, wer will. In jedem Fall hätten ihre Nachfahren wohl nie bunte Blüten, süßen Nektar, betörende Düfte und schmackhafte Früchte hervorgebracht, um Bestäuber und Samenverteiler anzulocken.

Seitdem es Tiere gibt, fließt also ein Teil des von Pflanzen aufgenommenen und mithilfe des Sonnenlichts in ihren Geweben gespeicherten Kohlenstoffs in die Mäuler, Darmschlingen und schließlich die Gewebe dieser Konsumenten, der Pflanzenfresser oder Phytophagen.3 Wie viel das ist, hängt von den jeweiligen Ökosystemen ab. In den Ozeanen vertilgen Tiere mitunter bis zu 80 Prozent der pflanzlichen Biomasse, an Land erheblich weniger, in nordischen Wäldern sind es nur 1 bis 3 Prozent.

Obwohl Pflanzen nur einen winzigen Bruchteil der einfallenden Strahlungsenergie nutzen, reicht noch viel weniger, nämlich nur ein bis drei Hundertstel dieser in Kohlenstoffverbindungen gebundenen Energie, um ein Riesenheer an Pflanzenfressern zu unterhalten. Es sind Tiere, die auf organische Verbindungen angewiesen sind, die andere – die Produzenten – aufgebaut haben. Enzyme in ihrem Darm zerlegen die Pflanzenstoffe in kleinere Moleküle, aus denen die Phytophagen ihre eigenen Körper aufbauen. Einen Teil »veratmen« sie mithilfe von Sauerstoff und setzen so die darin gebundene Energie wieder frei. Unverdauliches wird ausgeschieden und von Spezialisten weiterverarbeitet, von Pilzen, Mikroben und allerlei Klein- und Kleinstgetier. Am Ende der Kette entsteht immer das, was auch an ihrem Anfang stand: Kohlendioxid und Wasser. Von der Energie, die sie aufgenommen haben, ist in den Körpern der Pflanzenfresser nur noch ein Zehntel übrig geblieben. Ein erheblicher Teil ist als Wärme verloren gegangen, den Rest verbrauchen die Vegetarier unter den Tieren für ihre Bewegung und zur Aufrechterhaltung ihrer Körperfunktionen.

Übrigens – das wird oft vergessen: Auch Pflanzen atmen. Natürlich! Sie erzeugen Sauerstoff nicht nur, sie verbrauchen ihn auch. Pflanzen produzieren die energiereichen Verbindungen ja nicht, damit Tiere sich mit ihnen die Bäuche vollschlagen, sondern um ihre eigenen Lebensprozesse zu unterhalten. Der Verbrauch fällt besonders nachts auf, wenn mangels Licht keine Photosynthese stattfinden kann. Unter dem Strich fällt die pflanzliche Sauerstoffbilanz aber deutlich positiv aus.

Daran – noch eine gute Nachricht – wird sich wohl auch in einer wärmeren Welt nichts Wesentliches ändern. Lange Zeit befürchtete man, dass die pflanzliche CO2-Produktion durch Atmung mit steigenden Temperaturen stark zunehmen würde. Sie übertrifft die menschlichen Emissionen pro Jahr deutlich, sodass eine Zunahme dramatische Effekte hätte und den Klimawandel weiter antreiben würde. Mehrjährige und aufwendige Untersuchungen in Minnesota, USA, gaben jedoch Entwarnung. Erstmals wurden dort an 1200 jungen Bäumen aus zehn nordamerikanischen Arten, die künstlich einer 3,4 °C höheren Temperatur ausgesetzt wurden, über mehrere Jahre hinweg genaue Messungen durchgeführt. Das Ergebnis: Die Bäume passten sich an. Zwar erzeugten sie tatsächlich 5 Prozent mehr CO2 als Bäume, die bei kühleren Umgebungstemperaturen wuchsen. Aufgrund des bisherigen Kenntnisstands hatten die Forscherinnen und Forscher aber mit einer deutlich höheren Mehrproduktion von über 20 Prozent gerechnet.4

In den Körpern durchschnittlicher Pflanzenfresser bleibt von der auf die Erde treffenden Strahlungsenergie nur noch 0,01 Prozent übrig. Das klingt nach wenig, ist aber mehr als genug, um die Existenz einer weiteren großen Gruppe von Lebewesen zu garantieren – jener Tiere, die ihrerseits Pflanzenfresser verzehren, der Raubtiere oder Prädatoren also. Es gibt und gab sie in allen Lebensräumen und in den verschiedensten Größen und Gestalten, vom Marienkäfer bis zum T. rex, vom Stichling bis zum Riesenhai Megalodon, vom Rotkehlchen bis zum Terrorvogel Diatryma.

Doch die Weitergabe der in organische Kohlenstoffverbindungen konvertierten Lichtenergie ist hier noch nicht am Ende angekommen. Indem ein Vogel, der gerade ein räuberisches Insekt aufgepickt hat, selbst in den Fängen eines Wiesels landen kann und das wiederum im Schnabel eines Uhus, baut sich auf den Phytophagen ein mehr oder weniger kompliziertes Netz von Konsumenten zweiter, dritter, selten sogar vierter und fünfter Ordnung auf. Von Stufe zu Stufe dieses Energieflusses geht ein beträchtlicher und wachsender Teil als Wärme verloren, nimmt die Körpermasse der Konsumenten zu, wachsen die Gebiete, die die Tiere durchstreifen müssen, um ausreichend Beute zu machen, und sinkt die Zahl der Individuen, die auf diese Weise noch auf ihre Kosten kommen. Ein Superräuber, der sich von Topprädatoren ernährt, ist energetisch unmöglich.

Die Vielfalt des Lebens auf diesem Planeten hängt von der Energie der Sonnenstrahlung...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik / Astronomie
Schlagworte 1,5-Grad-Ziel • Algen • Buch Klimawandel • Climeworks • CO2 • Dürren • Emissionen • extremwetter • Fleischkonsum • Fossile Brennstoffe • Gletscherschmelze • Jan Wurzbacher • Kipppunkte • Klimaforschung • Kohlendioxid • Landwirtschaft • Methan • Moore • NDR Sachbuchpreis 2024 Nominierung • Ökosysteme • Photosynthese • Steigender Meeresspiegel • Treibhauseffekt • Wasserstoff • Was tun gegen Klimawandel • Wissenschaft
ISBN-10 3-7558-1054-9 / 3755810549
ISBN-13 978-3-7558-1054-4 / 9783755810544
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