Expeditionen zur Eroberung der Antarktis (eBook)
227 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-4283-9 (ISBN)
II. Die ersten Menschen auf antarktischen Festland
Cook und Bellingshausen umsegeln die Antarktis / Ross durchbricht das Packeis, er findet das offene Rossmeer und die große Eisbarriere / Erkundungen zum Zweck des Walfischfangs / die deutsche Orygalski-Expedition.
Kein Wunder, dass sich der menschliche Forscherdrang diesen unberechenbaren und darum unheimlichen Naturgewalten so lange fernhielt. Erst der Kompass rückte ja das Befahren der offenen Meere überhaupt in den Bereich der Möglichkeit. Der Schiffbau und die Seemannskunst mussten sich vorher in den milderen Gewässern der Erde ausbilden, ehe sich der erste Kapitän in die Breitengrade südlich des Kaps der Guten Hoffnung vorwagte, für welche die englische Seemannssprache später den treffenden Namen „Die brüllenden Vierziger“ (Roaring Forties) schuf. Nach den für unsere Kenntnis der südlichen Halbkugel grundlegenden Fahrten der großen portugiesischen, spanischen und italienischen Seehelden des 15. und 16. Jahrhunderts und der von ihnen nachgewiesenen Zuspitzung von Afrika und Südamerika bekamen die Geografen Angst für das Gleichgewicht der Erde und legten als Gegengewicht gegen die großen nördlichen Landmassen eine riesige „Terra Australis Incognita“ (Unbekanntes Südland) um den Südpol. Im Jahre 1578 stieß der englische Kapitän Francis Drake bis zum 57. Grad südlicher Breite vor und bewies, dass das Feuerland nur eine große Inselgruppe, nicht aber ein Teil des ungeheuren antarktischen Festlandes sei. Die Franzosen Bouvet, Merion-Dufresne und Kerguelen-Tremarec entdeckten dann die nach ihnen benannten Inseln und Inselgruppen, aber erst mit James Cook, einem der kühnsten und tüchtigsten Männer, den die Geschichte der Seefahrt kennt, beginnt die Reihe der antarktischen Forscher im eigentlichen Sinn. Die britische Admiralität gab ihm den ebenso seltsamen wie umfassenden Auftrag, „das große südliche Festland zu entdecken oder zu beweisen, dass keines da sei“. Als armer Kätnerjunge hatte Cook von der Pike auf gedient und in harter Schule sein Seemannshandwerk erlernt. Seine sauer verdienten Spargroschen verwendete er auf Lehrstunden in der höheren Schifffahrtskunde. Bei einer späteren Verwendung bildete er sich zum Meister in der Aufnahme von Küstenkarten aus. Erst mit 40 Jahren wurde er Leutnant, bekam dann aber selbstständige Aufträge, die sich für sein Vaterland durch die Kenntnis des Stillen Ozeans lohnten. So war Cook ein wohlerfahrener und wohlerprobter Seemann, als er am 13. Juli 1772 mit den Schiffen „Resolution“ und „Adventure“ dem unbekannten Süden zufuhr. Beide Fahrzeuge waren besonders stark gebaut und hatten die richtige Größe von 400 Tonnen, die für die eigentliche Eisschifffahrt bis zum heutigen Tag nicht gerne wesentlich überschritten wird. Sie fuhren über Kapstadt und sichteten am 10. Dezember schon unter 50° 40' eine richtige Eisinsel. Es war ein Vorgeschmack von dem, was diese Weltgegend zu bieten hatte. Der 17. Januar 1773 wurde zum großen Tag der antarktischen Forschung durch die erstmalige Überschreitung des südlichen Polarkreises (66° 23'). Bald sperrte zusammenhängendes Packeis weiteres Vordringen in südlicher Richtung. Mit Überwinterung in Neuseeland, wo ihn die „Adventure“ unter Kapitän Tobias Furneau verließ, hielt sich Cook über ein Jahr in diesen gefahrvollen Gewässern auf und führte eine richtige südliche Erdumseglung durch. Er stellte fest, dass zwischen Neuseeland und Feuerland keine Landverbindung bestehe, und zerstörte die Sage von einem bewohnbaren südlichen Erdteil. Am 30. Januar 1774 erreichte er mit 71° 10', die höchste südliche Breite, die in diesem pazifischen Abschnitt der Antarktis jemals erreicht wurde. Die Fahrt war so hart und gefährlich gewesen, dass Cook annahm, das große antarktische Festland werde, sofern es vorhanden sei, wohl für alle Zeiten unentdeckt bleiben. Ihm selbst verwehrte der Packeisgürtel den Blick auf die Festlandküste. Er entdeckte die Süd-Sandwichinseln und Südgeorgien, dessen Haupthafen Grytviken der spätere Ausgangspunkt vieler Vorstöße in die Antarktis wurde. Mit echt englischer Zurückhaltung gegenüber dem nicht bestimmt Nachzuweisenden fasste er seine Erkundungen in dem Satz zusammen: „Wenn jemand den Willen und die Ausdauer besitzen sollte, diese Frage dadurch aufzuklären, dass er weiter vordringt, als ich's getan habe, werde ich ihm die Ehre der Entdeckung nicht neiden, aber so viel wage ich zu sagen, dass die Welt davon keinen Nutzen haben wird.“ So sprach der Mann, der auf seiner großen Fahrt nach der Antarktis und um deren Eisfesten herum fast die Entfernung von drei Äquatorlängen zurücklegte. Cook war aber nicht nur ein großer Seemann, sondern auch ein großer Hygieniker. Ihm gelang es zuerst, den Skorbut (Mundfäule), die Geißel der langen Seefahrt, durch kluge Ernährung seiner Mannschaft fernzuhalten. Auf dieser großenteils sehr anstrengenden Reise von l000 Tagen verlor er von einer Besatzung von 118 Mann nur einen einzigen.
Durch seinen Bericht von dem unglaublichen Reichtum dieser südlichen Meere an wertvollen Seetieren und durch die Entdeckung günstiger Standorte für deren Jäger brachte er den Walfischfang und die Robbenschlägerei in den Südmeeren in Gang, die sich bald zu einer ungemein lohnenden Industrie entwickelten. Diese Walfisch- und Robbenfänger, deren Namen nur zum geringeren Teil verzeichnet sind, erweiterten und vertieften die antarktische Wissenschaft beträchtlich. Auf der Suche nach ihrem Wild, das sich den Nachstellungen immer weiter südwärts entzog, drangen sie bis ins Packeis vor und bildeten sich zu Fachleuten in der Bezwingung eines Hindernisses aus, das unter dem Schub der furchtbaren Stürme wie eine Mausefalle zuschnappen und die Schiffe in seinem Schollengewirr zermalmen und zerquetschen konnte. Diese unerschrockenen Freibeuter der Südmeere stellten den späteren Forschern Kapitäne und Mannschaften, mit deren Hilfe sie endlich bis zur Küste des südlichen Festlandes vorzudringen vermochten.
Trotzdem dauerte es fast 50 Jahre, bis der große Cook einen ihm einigermaßen ebenbürtigen Nachfolger fand. Alexander I. von Russland schickte im Jahre 1819 den baltischen Seekapitän Fabian von Bellingshausen mit den Schiffen „Wostok“ und „Mirni“ von je 500 Tonnen aus mit dem ausdrücklichen Auftrag, Cooks Entdeckungsfahrt fortzusetzen und insbesondere an den Stellen südwärts vorzustoßen, wo dieser hatte nordwärts abbiegen müssen. Dies war leichter gesagt als getan. Immerhin sichtete Bellingshausen als Erster unzweifelhaftes Land innerhalb des Polarkreises. Es war eine kleine Insel, die er Peter I. Insel nannte. Eine Woche später glaubte er in einer Entfernung von 70 km ein größeres Land zu sehen, das er mit dem Namen seines Kaisers belegte. Beide Entdeckungen liegen in der Nähe des Polarkreises gegen Südamerika zu.
Von der berühmten Londoner Tranfirma Enderby ermutigt, drang der Kapitän James Weddell im Jahre 1823 in der nach ihm benannten tief einschneidenden Bucht bis auf 74° 15' vor, während John Biscoe bald darauf das weit nach Norden vorspringende Enderby-Land entdeckte. Damit war erstmals das afrikanische Viertel des Südpolarkreises in Angriff genommen. Der Sturm auf den australischen Quadranten folgte wenige Jahre später durch den großen französischen Seemann Dumont d'Urville und dann durch den Amerikaner Charles Wilkes. Beide sahen in der Gegend des heutigen Adelie-, Kemp- und Wilkes-Landes an verschiedenen Stellen Felsküste. Da der weitaus größte Teil der antarktischen Flachküste eiffelturmhoch mit Eis bedeckt ist und die Sicht sehr häufig durch Wolken und Nebel behindert oder durch die unter der Bezeichnung „Mirage“ bekannte Fata Morgana der Polarländer irregeleitet wird, bietet die Festlegung der Küstenlinie vom Schiff aus unglaubliche Schwierigkeiten. Immer wieder wurden „Länder“ entdeckt, wo das Senkblei eines später Kommenden auf tausend Faden keinen Grund finden konnte.
Der Engländer James Clark Ross war es, der durch die Entdeckung des Rossmeers seinen Nachfolgern die Pforte zum Südpol aufstieß. Wie so mancher Seemann dieser harten Zeit war er schon mit 12 Jahren in die Marine eingetreten. Er hatte dann 8 Jahre lang unter Eduard Parry
Abb. 1: Sir James Clark Ross, von John R. Wildman,
1833-34, National Maritime Museum, London
im höchsten Norden den Kampf mit Eis, Sturm und Kälte kennengelernt und 1829 mit seinem Onkel John Ross den magnetischen Nordpol erreicht. Zehn Jahre später wurde dem nun zum Seekapitän aufgerückten Neffen der Oberbefehl über die beiden besonders starken Segelschiffe „Erebus“ und „Terror“ von 370 und 340 Tonnen zu antarktischer Forschung übertragen. Den „Terror“ befehligte der tüchtige Kapitän F. R. M. Crozier. Ein junger Wundarzt I. D. Hooker trat er die Dienste der Kriegsmarine, nur um an dieser Fahrt teilnehmen zu können. Er sollte noch die Vollendung des damals Begonnenen durch Scott und Shackleton bis zum Jahre 1910 miterleben.
Die Schiffe erreichten nach allerlei Fährlichkeiten im Mai 1840 die Kerguelen und nahmen dort 2 Monate lang magnetische Beobachtungen vor. Nach furchtbaren Stürmen kamen sie nach Hobart auf der Insel Tasmanien, deren damaliger Gouverneur Sir John Franklin nur wenige Jahre später den unheimlichen Namen Erebus und Terror im nordpolaren Forschungsgebiet zu trauriger Berühmtheit verhelfen sollte. Am Neujahrsfest 1841 segelten Ross und Crozier über den Polarkreis. Es war die günstige Zeit des antarktischen Hochsommers, und so wagten sie, auf ihre Seemannskunst vertrauend, den Kampf mit dem gelockerten Packeis, ein Versuch, den vor ihnen...
Erscheint lt. Verlag | 5.3.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Naturwissenschaften ► Geowissenschaften ► Geografie / Kartografie |
ISBN-10 | 3-7534-4283-6 / 3753442836 |
ISBN-13 | 978-3-7534-4283-9 / 9783753442839 |
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